Klaus Kunze
- Publizierte Zeitungsartikel (Auswahl) -
 

Man kann nur an einen Gott und eine Weltordnung glauben

(Publikation des Aufsatzes: Junge Freiheit 6/ 1995 )

 

Gefahr für unsere durch die Aufklä­rung ge­prägte Zivilisation wittert SPD-Bundes­tagsvize­präsi­dent Klose von seiten hier le­bender Islami­sten. Recht hat er. Nie­mand wisse, in welchem Geist Schü­ler in Koran­schulen erzogen würden. Da hat er Un­recht. Unser Frühwarnsyste­m aus lax­gläu­bi­gen Islamkundigen an deut­­­schen Unis und streng­gläu­bigem Verfas­sungs­schutz hat uns schon lange ge­warnt: Wer Mäd­chen unter Kopf­tüchern ver­steckt, glaubt womöglich, was er betet.


Man kann nur an einen Gott und eine Welt­ordnung glauben: Entweder an Al­lahs göttlichen Willen und seine Wertord­nung, die sich in der Scharia als gesell­schaft­li­cher Ordnung verkör­pert; wer sich ihr nicht fügt, kann nur satanisch sein. Oder man glaubt an die liberale De­mo­kratie und be­kennt sich zu vorstaatli­chen Men­schen­rech­ten, die sich in der Wert­ordnung des Grund­gesetzes verkör­pern. Wer diese ver­ket­zert, kann nur extre­mi­stisch sein.


Reden wir nicht von Christen, die nicht zur Kirche gehen, biertrinkenden Mos­lems oder Li­be­ra­len, die ihre politi­schen Gegner nicht zu Wort kommen las­sen. Die echten Christen, Mos­lems und Libe­ra­len glauben an ihre Götter, die Ord­nung ex nihilo schu­fen. Wie der Christ Do­noso Cortés ideal­typisch formu­lierte, hielt diese durch den Katholizis­mus im Men­schen Einzug und durch den Menschen in die Gesell­schaften. Reli­gion und Politik sind eins. Ebenso der indi­sche Muslim Abul Ala al-Mau­dudi: "Selbst in Bagatel­lan­gele­genhei­ten kann es keine Überein­stimmung von Islam und Demo­kratie ge­ben, weil sie sich einander dia­me­tral wi­der­sprechen." Men­schen könn­ten aus ei­ge­ner Vollkommen­heit über sich selbst herr­schen, ist reinste Got­teslä­ste­rung. Der Po­litikprofessor Bassam Tibi wird nicht mü­de, hervorzuheben, daß der so­ge­nannte Fundamenta­list ein Homo po­li­ticus und nicht Homo religiosus ist.


Die liberale Orthodoxie läßt dagegen die Ge­sell­schaften sich selbst regieren durch Ver­nunft, die auf eine all­gemeine Weise den Finanzstarken anvertraut ist und auf eine be­sondere Weise den Intel­lektuellen, wel­che diese un­terrichten und lei­ten. Diese ver­künden kraft des Dogmas von der kom­mu­nikativen Vernunft, daß die Wahrheit aus dem freien Kampf der Mei­nungen, selbst der dümmsten, und daß die politi­sche Ordnung aus dem Chaos der gesell­schaft­lichen Kräfte ex ni­hi­lo her­vorgeht, so wie die unge­zügelten Ein­zel­interes­sen das Ge­meinwohl er­zeu­gen.


Wer an solche Wunder glaubt, braucht die wi­derstreiten­den Kräfte gera­dezu, denn erst ihrer aller Balance gebiert die Harmo­nie. Der ameri­kanische Libera­le John Rawls will die an­tagoni­stischen Gei­ster daher notfalls her­beibeschwören. Seine "in­­klu­sive" liberale Theorie bedarf ge­rade­zu der plurali­stische Vielfalt der Glaubens- und Le­bens­ent­wür­fe. Recht­gläubigen Libera­len, die ihm folgen, geht es aber wie Goethes Zauberlehrling: Die ins Land gerufenen Gei­ster tragen Kopf­tü­cher und beten - und sie glauben nicht an die pluralisti­sche Harmonielehre. Es ist das Schicksal des Li­beralismus, sich in seinen Kon­sequenzen selbst aufzuheben. Treiben wirs multikulturell, dann treiben uns die­jenigen Kultis das Multi schnell wie­der aus, die an Multikulti nicht glau­ben. Klose hat recht: Allah oder Libe­ra­lismus - Es kann nur ei­­nen ge­ben!