Elfmeterspezialisten beim Handballspiel -
- Chancen und Konzepte der verfassungstreuen Rechten -
(Publikation des Aufsatzes:
Junge Freiheit 9 / 1993 )
Wie schön, daß es genug Hinterzimmer gibt! Unbehelligt von jenen besorgt-betroffenen Fernsehleuten im Gefolge autonomer Störenfriede kann man hier fast so schön räsonnieren wie daheim; Man kann sogar nach Herzenslust Parteien gründen. So versammeln sich auch in diesen Tagen wieder ruheständelnde Generale, in anderen Parteien zu kurz Gekommene, ewige Besserwisser und andere politische Dilettanten, um endlich einmal ihre ureigenen Steckenpferde reiten zu können. Ist die eigene Politkavallerie auch klein, darf man sich doch umso feiner fühlen. Im Kavalliersklub fern der Wirklichkeit gibt es nur lauter Vorsitzende - das Fußvolk überläßt man anderen Parteien. Es gibt ja auch nichts befriedigerendes, als sich selbst zu lauschen und Recht zu haben!
Während die feinen, altkonservativen Herren weit vom Schuß die siebenundfünfzigste 10-Mann-Partei gegründet haben, sitzen die versprengten Häuflein ihrer "Mannschaften" konzeptlos-traurig und alleingelassen am Stammtisch und buchstabieren ihr politisches kleines Einmaleins. Die verfassungstreue Rechte spielt im rechten Gettotheater den tragischen Part.Ihre Anhänger stammen meist aus bürgerlichen Verhältnissen und wären nie auf die Idee gekommen, etwas anderen als CDU oder SPD zu wählen, wenn Adenauer noch Kanzler oder Schumacher noch Oppositionsführer wäre.
Sie verstehen die Welt nicht mehr. Alles könnte doch so schön sein; aber warum hat die CDU nur damals nicht gegen die Ostverträge gestimmt und Ostdeutschland später an Polen aufgegeben? Warum gilt plötzlich alles nicht mehr, was man in den guten alten 50ern gelernt hatte? Wieso dürfen CDUStrategen plötzlich eine multikulturelle Gesellschaft fordern und Deutschland zum Einwanderungsland erklären? Weiß das der Bundeskanzler überhaupt? Wenn man ihm nur schriebe, er würde das schon wieder einrichten!
Es dauert sehr lange, bis diese guten Leute einmal richtig böse werden. Dann gründen sie in Opas CDU "wertkonservative Arbeitskreise". Früher oder später merken sie, daß Idealisten in den Altparteien fehl am Platze sind; geht es doch nicht um Inhalte, sondern nur um Machterhalt. Wer jetzt nicht resigniert, macht das nächste Mal sein Kreuzchen bei irgendeiner bösen kleinen Partei oder wird sogar Mitglied. Das darf man doch in der freisten Demokratie auf deutschem Boden?! Das hat man gelernt.
Groß ist das Erstaunen nach dem ersten Fernsehbericht in den Reihen der jungen Partei. Da muß der frischgebackene Parteigänger entsetzt erkennen, daß er ein Radikaler ist! Das hatte er noch nicht gewußt. Seine eigene Mutter hat ihn in der Reportage kaum wiedererkannt. Seither grüßen auch die Nachbarn nicht. Und er versteht die Welt nicht mehr...
Die verfassungstreue Rechte hat kein Konzept zur Machtgewinnung; nicht innerhalb der Altparteien und nicht außerhalb. Hinterbänkler in der CDU oder der Einzug einer konservativen Partei in den Bundestag sind zwar notwendige, aber keineswegs hinreichende Voraussetzungen politischer Mitgestaltung, sondern böten allenfalls Krümel und Brosamen vom Tische der Mächtigen. Für die aus rechter Sicht existenziellen Zukunftsfragen gibt allein die Regierungsverantwortung die Chance einer Antwort, und auch nur, solange noch etwas zu retten vorhanden ist; darunter geht gar nichts.
Die verfassungstreue Rechte hat noch keine Konsequenzen aus der Einsicht gezogen, daß Deutschland, der Staatsform nach Republik, soziologisch gesehen von einem Postenverteilungskartell dominiert wird, das nur noch seinen eigenen Gesetzen gehorcht. Seine Parteien haben sich ihr Verfassungssystem selbst auf den Leib geschneidert. Wer mit ihnen konkurrieren will, muß nach diesen Gesetzen antreten; Will er Erfolg haben, muß er erst so werden, wie jene schon sind. Gelingt es ihm, stützt er dieses System, statt es zu verändern. Die GRÜNEN sind auf diesem Weg schon weit fortgeschritten.
Die REPUBLIKANER treten ihn gerade an. Da stehen sie nun mit ihrem Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung unter dem Arm; stehen staunend vor jenem undurchschaubaren Räderwerk des Parteienstaates. Eine Hand wäscht hier die andere; nur ihre Hand wäscht keiner. Da strampeln sie sich ab und rufen: "Wir wollen doch nur das Beste!", doch keiner hört sie, denn die Mikrofone der Kartellmedien bleiben für die ewigen Schmuddelkinder des Medienstaates abgeschaltet. Da gibt es nur "Gemeinsamkeit der Demokraten" hier und "Radikale" dort, und nichts dazwischen. Und weil diese "Gemeinsamkeit" vor allem Besitzstandswahrung bedeutet, dürfen andere nicht dazugehören, und wenn sie noch so gerne möchten.
Wer das politische Parkett aus Sorge um das Gemeinwohl betritt und gesinnungsfest seine Werthaltungen einbringen will, dem geht es bald wie einem begnadeten Fußballspieler, der auf ein Handballfeld rennt, sich als Elfmeterspezialist anbietet und dann wundert, wenn alle nach ihren alten Regeln weiterspielen. Mannschaftskapitän wird er so nie werden. Der einzige Weg zur Regierungsmacht führt über eine Systemänderung. Ob die Rechten unten bleiben, weil sie nach den Spielregeln des Parteienstaates gegen die Etablierten und ihre geballte Medienmacht nicht ankommen, oder ob sie aufsteigen um den Preis, so zu werden, wie die anderen schon sind, ändert nichts. In diesem System, seufzte Hans Herbert von Arnim jüngst in der FAZ, muß mancher wohlmeinende Politiker halt so mitmachen, wenn er nicht zum tragischen Helden werden will.
Das System der Vorherrschaft von Cliquen und Seilschaften, jener Neofeudalismus der Altparteien, muß nach den Worten Scheuchs auf Bundesebene beseitigt werden, und der Soziologe fährt fort, daß die Altparteien selbst zu einer Kursänderung nicht in der Lage sind. Am eigenen Schopf kann sich eben niemand aus dem Sumpf ziehen. Nur tiefgreifende, das System des Parteienfeudalismus überwindende Reformen bieten die Chance einer demokratischen Wachablösung. Diese könnte geographisch mit dem Wechsel von Bonn nach Berlin zusammenfallen, setzt aber mindestens voraus:
1. Die Demokratielücke des repräsentativen Parlamentarismus ist durch Direktwahl des Bundespräsidenten durch das Volk zu schließen. Er darf nur dem Volk insgesamt und keiner Gruppe oder Partei verantwortlich sein.
2. Das Repräsentationsdefizit der bisher ausschließlichen Vertretung von Partikularinteressen ist dadurch zu füllen, daß künftig der Bundespräsident das Gemeinwohl repräsentiert und vertritt. Er setzt den Bundeskanzler ein, der nur ihm verantwortlich und nunmehr als Haupt der regierenden Gewalt von der gesetzgebenden getrennt ist.
3. Die Trennung von Staat und Gesellschaft ist eine Vorbedingung individueller Freiheit. Während die innergesellschaftlichen Interessen durch die Parteien im Gesetze gebenden Parlament repräsentiert sind, muß die regierende Staatsgewalt parteifrei bleiben. Die gleichzeitige Mitgliedschaft in einer Partei und die Zugehörigkeit zur rechtsprechenden oder zur regierenden Gewalt ist daher von Verfassungs wegen als inkompatibel verboten.
4. Die Richter der Bundesgerichte und obersten Landesgerichte werden gewählt von einer unter Rechtsaufsicht des Bundespräsidenten stehenden Kommission, die aus Vertretern der Richterschaft, des Bundesjustizministeriums und der juristischen Hochschullehrerschaft besteht und die nach fachlicher Qualifikation entscheidet.
5. Jede Staatsfinanzierung politischer Parteien und anderer gesellschaftlicher Gruppen und jede steuerliche Begünstigung von Parteispenden sind von Verfassungs wegen zu verbieten.
6. Inhaber staatlicher Ämter und Mitglieder von Vertretungskörperschaften dürfen nicht zugleich Aufsichtsräte oder Vorstandsmitglieder in der privaten Wirtschaft oder staatlicher oder kommunaler Eigenbetriebe sein. Die Versorgung ausgedienter Mandatsträger mit solchen Posten unter Verstoß gegen das Leistungsprinzip des Art.33 GG ist als Untreue nach 266 StGB strafrechtlich zu verfolgen.
7. Wenn 10% der Abstimmungsberechtigten es verlangen, sind sowohl über Einzelmaßnahmen der Regierung als auch über Gesetze innerhalb von sechs Wochen Volksentscheide herbeizuführen. Diese sind in allen Fragen außerhalb des Steuer- und Abgabenrechts zulässig und stehen in ihrer Verbindlichkeit über parlamentarisch beschlossenen Gesetzen. Die Souveränität des Volkes umfaßt das Recht zu Verfassungsänderungen.
8. Soweit sich der Bund oder die Länder an Rundfunk und Fernsehen beteiligen oder dieses betreiben, muß eine ausgewogene Berichterstattung gewährleistet sein. Die Mitarbeiter solcher staatlicher Medien dürfen nicht Mitglieder einer Partei sein. Annahme von Geschenken oder geldwerten Vorteilen durch Medienmitarbeiter ist wie bei Staatsdienern unter Strafe zu stellen. Die Intendanten der Medienanstalten werden von einem Vertretungsgremium gewählt, in welches gewählte Mitarbeiter der Medienanstalt und Interessenvertreter der Gebührenzahler entsandt werden. Das Gremium steht unter der Rechtsaufsicht des Bundespräsidenten.
9. Demokratische Herrschaft setzt einen souveränen Demos voraus, also ein Volk mündiger Staatsbürger. Jede Entmündigung durch Abgabe von Souveränitätsrechten an Hoheitsträger außerhalb der deutschen Staatsgewalt wäre ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip. Bestrebungen, die darauf gerichtet sind, die demokratische Selbstherrschaft und Selbstbestimmung des deutschen Volkes zu beseitigen und ganz oder teilweise durch eine Fremdherrschaft zu ersetzen, sind als verfassungsfeindlich zu verbieten.