Klaus Kunze
- Publizierte Zeitungsartikel (Auswahl) -
 

Fehler im System

(Publikation des Aufsatzes: Junge Freiheit 50 / 1999 )

 

Wieder wimmelt es in unserem Lande von Ver­fassungsfeinden. Laut VS-Be­richt er­kennt man sie unter anderem daran, daß sie demokratisch ge­wählte Politiker als be­stechlich und andere Par­tei­en als korrupt bezeichnen. Mit dieser Taktik wol­len sie das Vertrauen der Be­völkerung in unser politi­sches System untergraben. In den letzten Ta­gen und Wochen vergeht kein Tag, in dem wir ihr hinterhältiges Wirken nicht in Presse, Funk und Fernsehen beobachten. -


Tatsächlich sind unsere stets Skanda­le su­chen­den Journalisten ebensowenig Verfas­sungsfeinde wie jene Objekte nachrichten­dienstlicher Neugier, die schon immer be­hauptet haben, was heute je­dermann offen­bar ist: Vom einfachen Mann bis in die Spit­zen der Parteien re­giert dieselbe Schwein­chen-Schlau-Mentalität. Nur fängt bei denen da oben die Käuflichkeit bei mehr Nullen vor dem Komma an als bei vielen hier unten. Liegt der Fehler im System - womöglich gar in der freiheit­lichen demo­kratischen Grund­ordnung? Vor 40 Jahren gab es in Deutsch­land auch die FdGO, aber wenig Kor­rup­tion.

Dagegen erschütterte im Juni 1914 der Kölner Poli­zeiskandal das Reich: Hohe Be­amte ließen es sich in Cafés auf den Ringen bei "Inspektoren-Früh­stücken" wohl sein und nahmen Ge­schenke von Wirten an, die auf amtliches Wohlwollen hofften. Sie wur­den abgeur­teilt. Der Chef der Braun­schwei­ger Stadtwerke nahm dage­gen frei­willig den Hut, als Anfang dieser Woche unter der Überschrift "Edelsause" bekannt wurde: Er hatte seinem Amtsvorgänger eine Ab­schiedsfei­er für 49000 DM auf Staats­ko­sten spendiert. Aus der Braunschweiger SPD stammt auch Glogowski: Un­längst wollte er REP und NPD nicht unter­schei­den, das sei ihm wie "Scheiße nach Ge­ruch zu sortie­ren". Auch bei der An­nahme von Gefällig­keiten erwies er ein feines Näschen.


Solche Vorkommnisse zeigen uns nur, wie Menschen immer waren, sind und sein wer­den, wenn man sie nur läßt. Das gilt auch für Kohl. Jenseits finanziel­ler Vorteile stärkte er unter der Hand die Macht seiner Partei - und damit seine ei­gene Macht. Was sich da in den heiligen Hallen unserer Fd­GO eingeni­stet hatte, folgte denselben Eigen­ge­setz­lichkeiten von Macht und Geld: Diese sind immer dann unzertrennlich, wenn man für Geld alles ha­ben kann und außer Geld nichts gilt.

Das System Kohl beruh­te auf der maßgebli­chen Kontrolle des Geldflusses: Vom Steu­erzah­ler fließt es in die Staats­kas­sen, und von dort ergießt es sich wie aus ei­nem Sieb in unzähligen Rinnsalen über die Häupter der Getreu­en: Von den hoch­dotier­ten Chefs der Parteistiftungen bis hin zum subalternen VS-Politologen gibt es Lohn und Brot. Drucke­reien freuen sich über Staatsauf­träge mit Regie­rungswer­bung ebenso wie Malerbe­triebe, die - Scheuch zu­folge - die Kölner Brücken abwech­selnd je nach Parteibuch streichen dürfen. Ein le­ga­les System von Belohnungen für vorausei­lenden Gehorsam per­petuiert die Macht de­rer, die über das Geld jeweils verfügen - bis die anderen kom­men und es ebenso machen.


Unsere Verfassungsväter mißtrauten dem Staat tief und bauten vielfältige Kontrollen und Siche­rungen gegen seine Macht ein: die FdGO. Vor den politi­schen Parteien hatten sie keine Angst. Dem totalen Parteistaat wa­ren sie ent­ronnen, den totalen Parteienstaat konnten sie sich nicht vorstellen. "An der politi­schen Willensbildung des Volkes mit­wir­ken" sollten die Parteien, schrieb man ih­nen ins Grundgesetz. Die Großparteien sind aber zum Staat im Staate geworden und entziehen sich der de­mokratischen Kon­trolle. Durch Wahllisten hal­ten sie sich ihre Abgeordneten in Abhängigkeit. Heute sind sie gewaltige Geld-Umver­tei­lungsappa­rate mit Quasimonopol der po­litischen Willens­bil­dung. Daß ihr Machter­werb und -erhalt Sache der Fi­nan­zen und nicht der Argu­mente ist, zeigt der Erfolg von Freys DVU nicht weniger als derjenige von CDU und SPD. Fürs Grund­sätzliche kommt es da auf ein paar hundert­tausend Mark aus schwar­zen Kassen auch nicht mehr an:


Wo mit kleinen Geschenken oder großem Geld politische Entscheidungen gekauft werden oder doch Entschei­dungsträger dem Spender geneigt ge­macht werden, wird die Politik der de­mokrati­schen Kontrolle entzo­gen. Nicht mehr nach Willen der Mehrheit wird dann regiert, sondern nach Willen der Geldhabenden, die noch nicht einmal zum Staatsvolk zählen müssen. Ihr Geld hilft den ih­nen ge­neigten Machthabern wiederum bei Macht­erwerb und -erhalt, zum Beispiel im Wahl­kampf oder zu ih­rer persönlichen Ver­sor­gung. Dieser Teufelskreis kann durch­­brochen werden durch Stärkung des demo­kratischen Ein­flusses, und indem das große Geld bei Meidung von Strafe in seine Schran­ken gewiesen wird: Inspektoren­früh­stücke und Edelsausen darf ein Amtsträger nicht annehmen; Spenden über 10000 DM sollten Parteien künftig nicht mehr anneh­men dürfen. Sie müßten sich künf­tig selbst finanzieren, ohne Groß­spenden und ohne Steuergelder. Über lukrative Stellen- und Posten­besetzung muß wie­der Befähi­gung bei Beamten und muß Direktwahl bei hohen Politikern treten.