Klaus Kunze
- Publizierte Zeitungsartikel (Auswahl) -
 

Perfide Bürgerkrieger

(Publikation des Aufsatzes: Junge Freiheit 15/ 1995 )

 

Nach übereinstimmender Meinung von Paul de Lagarde (1884) und Eckhard Fuhr (FAZ vom 11.4.1995) leben wir im geisti­gen Bürgerkrieg. Im Bürgerkrieg ist alles er­laubt. Auch der ehe­mals "volkseigene" Aufbau-Verlag in Berlin glaubte sich al­les erlau­ben zu dürfen. Da irrte er aller­dings. Lügen haben vor Ge­richt kurze Beine.


Wessen Gehirnschmalz für die geisti­ge Aus­ein­andersetzung nicht reicht, der sucht sei­nen Gegner zu stigmatisieren oder mo­ralisch zu de­nunzieren. Während dieser Tage ein Landesmini­ster vor aller Öffent­lichkeit den ersten Weg ein­schlug, wollte es eine selbster­nannte Nazi-Spür­nase die­ser Zeitung hintenrum geben: Sie schrieb eine in einschlägigen Links­buch­hand­lun­gen feil­gebo­tenes Kampfschrift unter dem gruseli­gen Ti­tel "Ehre, Blut und Mut­ter­schaft." "Die Redak­teure der Jun­gen Frei­heit", behaup­tete sie dort, "vertreten die Au­sch­witz-Lüge. Das ist aber auch schon das konkrete­ste, was sie sich ent­locken las­sen."


Zum Bedauern des Aufbau-Verlages darf sie das jetzt nicht mehr behaupten, weil das Landge­richt Göttingen ihr das Lü­gen rechtskräftig verbo­ten hat. Beson­ders übel nahm das Gericht der Autorin den er­weckten Eindruck, sie habe mit Re­dakteu­ren über das heikle Thema über­haupt ge­sprochen. Das hatte sie, wie sie zugeben mußte, mit keinem Wort. Doch nicht nur zum die-Wahr­heit-Sagen, auch zum rich­ti­gen Lesen hatte es nicht ge­langt, und darum sollte das Gericht auf ei­nem aben­teuerlichen Pfad überzeugt werden: Da hatte Armin Mohler einmal Ernst Nolte da­für ge­lobt, daß dieser in seinen "Streit­punk­ten" in­halt­lich auf re­visio­nisti­sche Argu­mente einging. Nun setzt sich Nolte be­kanntlich in die­sem Buch scharf mit diesen Thesen auseinan­der und vertritt die Singu­laritätstheorie. Nur solle man, so Nolte, doch bitte wis­senschaftlich vor­ge­hen und die Re­visio­nisten mit Fak­ten wi­der­legen statt mit Verbo­ten.


Das darf man natürlich nicht fordern im gei­sti­gen Bürgerkrieg, und so warf der Auf­bau-Ver­lag Nolte vor, "durch diese Äu­ße­rung die Vertre­ter der Auschwitz­lüge mit ihren Thesen zu ver­teidigen", woraus er kurzerhand in einem phanta­sievollen Par­for­ce­ritt den Schluß zog, die Redak­teure der JF wür­den die Au­schwitz­lüge vertre­ten! Nun muß der Verlag sein Buch wohl ein­stampfen, wenn er es nicht vorzieht, die amateurhaft erloge­nen Tat­sa­chen­be­haup­tungen tausend­fach ein­zu­schwär­zen. Die Profis am Rhein hatten sich da geschickter an­gestellt:


Da zirkuliert seit dieser Woche ein so­ge­nann­ter Verfassungs­schutzbericht, in dem Herr Schnoor ausgiebig von seinem Recht Gebrauch macht, Meinungen und Ansich­ten zu äu­ßern. Un­ge­trübt von ver­fas­sungs­rechtlichen Kenntnissen wird da locker po­lemisiert und auf einem so un­verbindli­chen und diffusen Niveau gegen diese Zeitung gestichelt, daß man­gels greifbarer Sub­stanz kein Ver­wal­tungs­richter einhaken könnte. Entgegen land­läu­figer Meinung kön­nen auch ei­nem Minister nur solche Lügen gericht­lich verbo­ten werden, die sich falscher Tatsa­chenbehaup­tungen be­dienen. Profis be­herrschen aber die per­fide Methode des sub­kutanen Lügens: die un­ter­schwellige Unterstel­lung, die gezielte Andeu­tung, die Wortverfrem­dung und das aus dem Sinnzu­sam­menhang geris­sene Zi­tieren. Man muß eben gerissen sein im geistigen Bürgerkrieg.