Klaus Kunze
- Publizierte Zeitungsartikel (Auswahl) -
 

Wie der Rechtstaat gelinkt wird

(Publikation des Aufsatzes: Junge Freiheit 16 / 1994 )

 

"Im Kampf gegen rechts", stellte Eck­hard Fuhr in der FAZ vom 7.4.94 fest, "gelten grundsätzli­che Er­wägun­gen der Rechts­kul­tur offenbar nichts." Immer häufiger be­kommt unser Rechts­staat Aus­set­zer, wo es gegen "Rechte" geht. Dro­hen Auto­no­me vor einem rechten Partei­tag mit Kra­wall, ver­bie­ten die Be­hör­den nicht etwa den Kra­wall, sondern dem Par­teitag. Nennt je­mand Herrn Schön­hu­­ber einen Volksver­hetzer, ist ihm aller Bei­­fall si­cher; beti­telt Herr Schönhuber aber je­manden mit dem­sel­ben Vorwurf, wird ge­gen ihn straf­recht­lich ermittelt. Be­rich­tet der SPIE­GEL über Altpar­teien, denkt sich kein Mensch etwas bei dem Wort; spre­chen Rechte von Alt­par­teien, macht der Stutt­gar­ter In­nen­mini­ster ihnen den Vor­wurf, darum seien sie Ver­fas­sungs­feinde.

Die All­macht des Me­dien-­ und Partei­enstaa­tes hat voll die Staats­ge­walten er­grif­fen, die doch eigent­lich weltanschau­lich und politisch neutral und gesetz­mä­ßig arbei­ten sollten. Im Be­hör­den­kostüm auf­tre­tende Parteigänger ha­ben gegen An­ders­denken­de ein Klima der Bespitze­lung, der Einschüchte­rung und der Stig­mati­sierung erzeugt.


Nur vor den Schranken der Ver­wal­tungs­ge­richte brechen sie diese Wogen gele­gent­lich noch: In seiner Ansprache zum Presse­ge­spräch des Bundesverwal­tungs­ge­richts am 17.2.94 meinte dessen Präsi­dent Ever­hardt Fran­ßen, die Flut verwal­tungs­rich­ter­li­cher Ent­­schei­dungen zugun­sten rechter Par­­teien recht­fertigen zu müssen: So­lange eine Par­tei nicht vom BVerfG ver­boten sei, dürfe sie nicht be­nachteiligt werden. "Daß dies die zu­ständigen Verwal­tungen oder Ent­­schei­dungs­gremien in der Regel wis­sen, darf", so Franßen, "ebenso als be­kannt vor­aus­ge­setzt werden, wie der Um­stand, daß sie sich manchmal scheuen, die­sem Wissen entspre­chend zu handeln."

Da­mit spielte er auf das ge­richtsbekannte Fak­tum der be­hördli­chen Diskriminierung rechter Grup­pie­rungen an. So wies das Verwal­t­ungs­­g­e­richt Braun­schweig unlängst in ei­nem Be­schluß nach Einsicht in die Ak­ten der Stadt Salz­gitter nach, daß de­ren Rechts­­­amt dem Schul­verwaltungsamt gut­acht­­lich den Nut­zungsanspruch ei­ner Par­tei für den Wahl­kampfauftritt ihres Vorsit­zen­­den in einer Aula be­stätigt hatte. Den­noch muß­­te die Stadt erst ge­richtlich ge­zwun­gen wer­den, ihre Räume der Partei zu öff­nen. Wäh­­rend der laufen­den Ver­an­stal­tung misch­­te sich Stadtdi­rektor Lo­hoff Zeu­gen zufolge un­ter stei­newerfen­de Au­to­no­me, die gegen die Au­la anstürm­ten und ho­­­hen Sach­scha­den an­­richteten. Jetzt ver­langt er von der Partei, de­ren Mitglieder sich fried­­lich ver­sam­melt hat­ten, Scha­dens­er­­satz für seine zer­broche­nen Fen­ster­schei­b­en.


Auch dem ehemaligen Ver­fas­sungs­ge­richts­­­­­­­­­­prä­si­denten Ernst Benda fiel auf, daß Recht ge­gen­ü­ber Rechten nicht un­bedingt im­­mer Recht ist. Demgegenüber müsse man sie "... wie jede andere Partei ... be­han­deln. Alle Ver­suche ... sind zu Recht geschei­tert, wie vor allem die wie­derholten Be­mü­hun­gen, sol­­che Gruppie­rungen vom Zugang zu öf­­fent­­li­chen Ein­rich­tungen für die Ab­hal­tung von Partei­ta­gen oder Wahl­ver­samm­lun­gen aus­­zu­schlie­ßen. Es gibt keine recht­liche Grund­­lage da­für, Parteien, die man aus nur zu verständ­lichen Gründen nicht mag, an­ders als jede an­dere poli­ti­sche Gruppie­rung zu behandeln." Das ist aber der All­tag im real existie­renden Rechts­staat Bundes­re­pu­blik, den die Partei­gän­ger der Regie­rungs­par­tei­en immer häufi­ger lin­ken, wenn es ge­gen Rechts geht.

Das Schlimm­ste daran ist nicht, daß ein­zelne Be­amte im Einzelfall rechtsblind sind. Es ist vielmehr, daß sie, wie in Salzgitter und an­derswo, das Recht aus partei­politi­schem Kal­kül be­wußt bre­chen. Das ei­gentlich Alarmie­rende aber ist dabei das penetrant gute Gewis­sen von 68ern be­herrschter Be­hör­den, Medi­en und dem von ihnen berie­sel­ten Publi­kum, das nichts An­stößiges mehr dabei findet, un­ter Beru­fung auf die jeweils ei­gene, an­geb­lich "hö­here" Moral das ge­setz­te Recht ge­ge­n­­über Rech­ten außer An­wen­dung zu setzen. Der Marsch der 68er durch die In­sti­tutio­nen ist ge­lungen. Vor Gericht macht der frühere Typus des ob­rig­keits­staat­li­chen, doch (ge)rechten Richters nach und nach Platz für den Amts­ge­richts­direk­tor in Jeans unter der Richter­robe, wie z.B. in Rudol­stadt, in dessen Verhand­lun­gen ge­gen Rechte ein scharfer Ton herrscht, wie er seit Jahren nicht in deut­schen Ge­richts­sä­len ge­hört wurde.


Empfindlich auf die zunehmende Par­tei­lich­­keit mancher Behörden rea­giert man aus Er­fahrung noch bei den GRÜ­NEN. Ih­rem rechts­­­po­litischen Be­rater im nie­­der­­säch­­si­schen Land­tag, Rolf Göss­ner, kamen in der Frank­­fur­ter Rundschau bei Lek­türe gewisser ge­richt­licher Ent­schei­dungen ge­gen ei­ne rechte Par­tei gravie­rende Zwei­fel, ob sie nicht schon er­heb­lich in den rei­nen Gesin­nungs- und Mei­nungs­frei­heits­be­reich ein­drängen. Auch der Ver­fas­­sungs­schutz ha­be als Früh­warnsystem ver­sagt und sich als Skandal­produzent ersten Ran­ges ent­puppt, der "etwa per Infil­tration, per Ein­schleusung von Agenten bzw. V-Leu­ten in Neo-Na­zi-Szenen so­gar partiell mit­­mischte und da­bei auch Straftaten ge­dul­det oder in­di­rekt ge­för­dert bzw. Strafta­ten nicht ver­hin­dert hat." Unwi­derlegt ist an­ge­sichts von Vor­komm­nissen wie dem vom Ver­fas­sungs­schutz in eine Ge­fäng­nis­mauer ge­spreng­ten "Celler Loch" der generelle Ver­dacht, die Regie­rungs­par­teien könn­ten die V-Leute ih­rer Ge­heim­dienste et­wa nicht nur zur Be­ob­ach­tung in rechte Par­tei­en schleu­sen; viel­mehr könn­ten diese durch gezielte Tätig­keit je­ne "Vor­komm­nis­se" über­haupt erst pro­du­zie­­ren, die man den Be­obach­te­ten später ef­fekt­voll vor­wer­fen kann.


Da erzählte ein rheinischer REP-Funktio­när einem Parteifreund be­sorgt, in seiner Nach­bar­schaft sei 1991 ein An­schlag auf Auslän­der be­gangen worden - und nicht aus­zu­den­ken, wenn er wegen der engen Nach­bar­schaft damit in Ver­bin­dung ge­bracht werde. Der "Parteifreund" hatte nichts eiligeres zu tun, als zu verbrei­ten, der Täter habe ihm die Tat einge­standen, was er freilich am 4.12.93 als "Miß­ver­ständ­nis" schriftlich zurück­nahm. Ein Vier­tel­jahr später kam seine die dritte Kehrt­wen­de: Wie der Kölner Stadt-An­zei­ger mel­­dete, erneuerte er in einer Er­klä­rung für den Ver­fas­sungsschutz NRW (!) die Be­haup­tung, ihm sei die Tatbeteili­gung ein­ge­stan­den wor­den. Der Lei­ter des Ver­fas­sungs­schutzes Baumann nahm dies freu­dig zum willkomme­nen Anlaß, zu ver­brei­ten, REP-Funktionäre stünden im Ver­dacht, an einem ausländer­feindli­chen An­schlag be­teilgt gewesen zu sein; und als­bald er­hoben sich ebenso freudig aus den Reihen der dor­­tigen Regierungs­par­tei die ersten Stim­men, so eine Partei müsse man ver­bie­ten. Wie fein sich doch alles fügt!