Wie fein sich doch alles fügt
(Publikation des Aufsatzes:
Junge Freiheit 19 / 1994 )
"Die Welle der Gewalt gegen Asylbewerber", vermeldete der Kölner Stadt-Anzeiger am 7.10.1991 entsetzt, "hat nun auch den Erftkreis erfaßt. Am Samstagabend griffen etwa 20 bis 30 Skinheads ein Containerlager im Bergheimer Stadtteil Zieverich an. Mit Steinen warfen die Täter Scheiben ein, außerdem trugen einige der Angreifer Baseballschläger. ... Die Polizei leitete eine Großfahndung ein, bei der 70 Beamte eingesetzt wurden." Die Täter wurden bis heute nicht gefaßt.
Im September 1993 begab es sich, daß ein stellvertretender Kreisvorsitzender der Republikaner, Alexander W. einem Parteifreund namens Peter Sch. erzählte, auch in seiner Nachbarschaft sei 1991 einer jener Anschläge auf Ausländer begangen worden - und nicht auszudenken, wenn er wegen der engen Nachbarschaft damit in Verbindung gebracht werde. Der "Parteifreund" hörte sich das mit gespitzten Ohren an. Bevor er die Partei im März 1993 verlassen hatte, hatte er selbst immer gern Kreisvorsitzender werden wollen. Das war fehlgeschlagen. Man mochte sich gegenseitig nicht. Kurz vor seinem Austritt erklärte er ihm: "Dich mache ich fertig, ob in oder außerhalb der Partei!" Gesagt, getan:
Ein paar Wochen später erreichte den Arbeitgeber des Alexander W. ein anonymes Schreiben, in dem dieser als "rechtsradikaler Republikaner" hingestellt wurde, "für den sich die Firma schämen müsse." Laut Gutachten eines Graphologen war Peter Sch. Verfasser dieses Schreibens. Jedem, der es hören wollte, erzählte der "Parteifreund" jetzt, Alexander W. sei der Täter und habe ihm die Tat sogar eingestanden: "Alex war dabei!"
Aufs höchste alarmiert zitierte der Kreisvorsitzende der Partei die Kontrahenten am 4.12.93 vor, und Peter Sch. gab schnell kleinlaut zu, es sei alles nur ein "Mißverständnis", er müsse sich wohl geirrt haben. Die versöhnten Kontrahenten fuhren nach Hause und setzten eine gemeinsame Erklärung auf. Die "Mißverständnisse" wurden "ausgeräumt", und sie versprachen sich, "gegen jeden weiteren Versuch irgendwelcher Personen, diesbezüglich Unwahrheiten zu verbreiten, ... sofort gerichtliche Schritte einzuleiten und Strafantrag zu stellen." Somit alles klar? Weit gefehlt!
Ein Vierteljahr später kam Peter Sch.s dritte Kehrtwende: Er schrieb am 15.3.94 eine weitere Erklärung, die zu verwenden er den Leiter des Verfassungsschutzes NRW, Dr. Baumann, ermächtigte. Erneut behauptete er, ihm sei die Tatbeteiligung eingestanden worden. Zur Abgabe der "Gemeinsamen Erklärung" sei er gezwungen worden. Hocherfreut konnte Baumann jetzt dem Verwaltungsgericht Düsseldorf im Prozeß der Republikaner gegen ihre nachrichtendienstliche Beobachtung vortragen, gegen REP-Funktionäre würde wegen Beteiligung an einem ausländerfeindlichen Anschlag ermittelt - also doch Verfassungsschlingel! Haben wir sie endlich! Alsbald erhoben sich ebenso freudig, vor allem aus den Reihen der SPD, die ersten Stimmen, so eine Partei müsse man verbieten. Wie fein sich doch alles fügt!
Die Staatsanwaltschaft Köln nahm jetzt pflichtgemäß die eingeschlafenen Ermittlungen wieder auf. Wer hatte denn die Fensterscheiben eingeworfen? Nun durfte auch der Medienstaat den Alexander W. zum Abschuß freigeben. Report aus München drang seinen Vorgarten ein und filmte stolz den Gartenzwerg und das Klingelschild. "Hier ist ein Tatort!" herrschte der Kameramann empörte eine Mitbewohnerin an, die das ungeladene Filmteam vom Hof jagen wollten.
"ERMITTLUNGEN GEGEN REPUBLIKANER!" und ähnlich lauteten jetzt die grellen Schlagzeilen. Am 22.4.1994 früh um sechs klingelten freundliche Polizisten an Alexander W.s Wohnungstür. Es sei ihnen ja schrecklich peinlich, aber leider hätten sie einen Durchsuchungsbeschluß des Amtsgerichts. "Schriftverkehr und Notizen über die Tatbeteiligung" sollten sie finden. In ihrer Not, überhaupt irgend etwas zur Wache abzufahren, nahmen sie kurzerhand die Kopien aus dem Zivilrechtsstreit mit, den Alexander W. unterdessen gegen Peter Sch. angestrengt hatte. Er wollte sich nämlich von Peter Sch. nicht länger nachsagen lassen, ihm irgend etwas eingestanden zu haben, und hatte beim Amtsgericht Köln eine einstweilige Verfügung beantragt. Sein Arbeitgeber stelle schon besorgte Fragen. Aber wieso, antwortete Amtsrichter Thiele ihm, sei das Verlangen denn dringlich? Schwerwiegende unmittelbare Folgen der angeblichen Verletzung des Persönlichkeitsrechts, denen im Verfügungsverfahren zu begegnen sei, sehe er nicht.
"Wir haben gefunden, wonach wir gesucht haben", verkündete Staatsanwalt Bellinghausen mit den Fotokopien des Zivilprozesses unter dem Arm stolz der Presse, und diese frohlockte: "Wichtige Beweismittel über die Hintergründe" der Tat, so die Hannoversche Allgemeine, habe die Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Unter den Mitgliedern der Republikaner, wußte NRW-Innenminister Schnoor sogleich, bestehe eine Bereitschaft zur Gewalt. Ihre Funktionäre hätten den Überfall auf ein Asylbewerberheim gedeckt. Bezirks- und Landesvorstand hätten nicht die Polizei verständigt. Wovon sie die Polizei hätten verständigen sollen, nachdem Denunziant Peter Sch. alle Vorwürfe als "Mißverständnisse" zurückgenommen gehabt hatte, sagte Schnoor nicht.
Die Katze, um die es wirklich ging, ließ am 26.4.94 klar der Bayerische CSU-Fraktionsvorsitzende Alois Glück aus dem Sack: Franz Schönhuber sei jetzt endlich der "geistigen Komplizenschaft" mit Brandstiftern überführt! Innenminister Beckstein und Ministerpräsident Stoiber hatten endlich einen Aufhänger, "Schönhuber an die Wand zu nageln." Von den 1991 eingeworfenen Fensterscheiben spricht schon lange niemand mehr.