Braune Gefahr oder Beschaffungsextremismus?
(Publikation des Aufsatzes:
Junge Freiheit 21 / 1998 )
Am 27. Mai soll sich vor dem Amtsgericht Karlsruhe der frühere Landtagsabgeordnete Bernhard Amann wegen angeblichen Verrats eines Dienstgeheimnisses (§ 353 b StGB) verantworten. Als Mitglied des Innenausschusses des Stuttgarter Landtags hatte er im Mai 1996 ein anderes Ausschußmitglied brieflich über die "geheime" Tatsache unterrichtet, daß der Karlsruher "Verdeckte Ermittler rechts" (VE-rechts) ein Polizist mit dem Decknamen "Axel Reichert" war. Die Mitglieder des Innenausschusses haben die Aufgabe, die Polizei parlamentarisch zu kontrollieren. Der Amtsrichter soll jetzt entscheiden, ob es strafbarer Geheimnisverrat sein kann, wenn ein parlamentarischer "Kontrolleur" den anderen von einem "Dienstgeheimnis" unterrichtet, das im wesentlichen in der Identität eines mutmaßlichen Straftäters im Regierungsauftrag besteht. Der Kriminalbeamte Amann, MdL, hatte in ein Wespennest aus Amtsmißbrauch, Rechtsbrüchen, geheimdienstlicher Manipulation und Parteienfilz gestochen. Heute liegen neueste Beweismittel vor, die sowohl auf behördlicher als auch politischer Ebene den einen oder anderen die Stellung kosten können. Der Karlsruher VE-Skandal ist ein Lehrstück für das Zusammenwirken von Parteipolitik und Behörden, rechte Oppositionsparteien zu kriminalisieren.
Als der damalige Republikaner-Abgeordnete Amann im April 1996 auf einem Lehrgang in einer Polizeischule seinen Kollegen Reichert kennenlernte, staunte er nicht schlecht. Reaktionsschnell fotografierte er den mutmaßlichen Straftäter "Reichert". Am 6.11.95 hatte nämlich im SPIEGEL gestanden: "Der Vortrag, den Axel Reichert vor seinen Mitkämpfern der Kameradschaft Karlsruhe über den Nationalsozialismus in der heutigen Zeit hielt, wäre normalerweise ein Fall für den Staatsanwalt. Der Redner wetterte gegen den jüdischen und bolschewistischen Abschaum und rief auf zum Kampf gegen das Weltjudentum. ..." Doch der Hetzer wird straffrei ausgehen. Axel Reichert nämlich war nur der Deckname eines V-Mannes, den das Landeskriminalamt Baden-Württemberg bei den Rechtsextremisten eingeschleust hatte..." Der SPIEGEL hatte richtig recherchiert. Heute liegt eine eidesstattliche Versicherung eines Zeugen vor, der sich nach Reicherts Rede das Originalmanuskript mit den strafbaren Redepassagen hat schenken lassen. Seinen Namen über dem Vortragstitel hatte Reichert zuvor mit einer Kugelschreiberspitze herausgelöst. Das echte Manuskript der tatsächlich gehaltenen Rede steht zur Verfügung.
Verzweifelt versuchen Beamte, Landesbehörden und Medien, den Skandal zu vertuschen und von ihm abzulenken. Es begann mit einem Zeugenkomplott, als "Reichert" und zwei andere Polizeibeamte des Lehrgangs sich absprachen und falsch gegen Amann aussagten, wie das Foto Reicherts aufgenommen worden war und über welche Einzelheiten seiner VE-Arbeit Reichert in der Polizeikantine geprahlt hatte. Amann zufolge soll Reichert zugegeben haben: Er habe den Auftrag, einen Kreis von Aktivisten um sich zu scharen, sie im Geiste des Nationalsozialismus zu schulen und später mit ihnen die Republikaner infiltrieren. Nicht nur das bestreitet Reichert. Auch die strafbare NS-Hetzrede gegen das Weltjudentum will er so nicht gehalten haben. Sein VE-Führer habe ihn auf strafbare Passagen aufmerksam gemacht, und gemeinsam habe man die Rede auf dem Polizeicomputer geändert und "entschärft". Nur diese straflose Version habe er vorgetragen. Die strafbare Urfassung müsse ihm aus seiner Wohnung gestohlen worden sein!
Aufgrund dieser "unwiderlegten" Angaben stellte dieselbe Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Reichert ein, die Amann anklagte, weil er Reicherts Bild an den Innenausschuß des Landtags gab. Tatsächlich liegen detaillierte Aussagen von Zuhörern der Rede vor, die bestätigen, daß die im Manuskript vorliegende, hochnotstrafbare Rede doch wörtlich gehalten wurde: Der Polizist Reichert habe die Anti-Antifa Karlsruhe gegründet und glatzige Halbstarke ideologisch auf NS-Kurs gebracht. Nicht etwa verhindert habe er "schwere Straftaten", sondern begangen. Reichert hortete in seiner Wohnung 15 "Mein Kampf". In einer "Durchsuchung" wurden sie beschlagnahmt und das Strafverfahren gegen ihn später eingestellt. Bei Friedhelm Busse, dem damaligen FAP-Vorsitzenden, soll Reichert, Zeugen zufolge, 15 Exemplare Nachschub bestellt haben. Kaum stieg Busse am 5.11.94 in Karlsruhe aus dem Zug, wurde er mit den Büchern festgenommen. Am 24.2.95 wurde die FAP verboten: angeblich auch wegen dieses Verbreitens von NS-Propaganda.
Nicht nur strafrechtlich soll Reicherts verhalten beanstandenswert gewesen sein. Da gab es in der "Kameradschaft" die Studentin Patrizia M., der er die große Liebe vorspielte, erst den Kopf verdrehte und später das Herz brach. Während Zeugen angeben, er sei meistens betrunken und hinter jedem Weiberrock hergewesen, setzen Medien im Interesse der Landesbehörden die Gegenpropaganda in Gang: In einem Desinformationsartikel von Oliver Schröm und dem berüchtigten Enthüllungsjournalisten Maegerle alias Moderi (siehe JF 28/96) sowie einem Kennzeichen-D-Beitrag Schröms durfte Reichert nicht nur Brandanschläge und Friedhofsschändungen heldenhaft verhindern. Die Sex-Masche zieht immer, sie durfte nicht fehlen. Nach dem Vorbild erfundener Geschichten über den NS-Lebensborn, in dem angeblich blondbezopfte Damen von SS-Männern geschwängert worden sein sollen, schrieb der Stern über Reichert: "Nur beim Nahkampf mit den "Glatzen-Weibern" hielt er sich auffallend zurück: "War einfach nicht mein Geschmack." In der rechten Szene werden Frauen reihenweise durchgereicht. Auf Feten sind sie Freiwild, Jeder, der nach ausgiebigem Kampfsaufen noch kann, schnappt sich eine "Gau-Schlampe" - ob sie will oder nicht."
Jenseits solcher Volksverdummung für die große Masse der Illustriertenleser spielt sich der politische Kampf ab zwischen der Republikaner-Fraktion im Stuttgarter Landtag und einer Regierung, in deren Auftrag ein beamteter VE Neonazis rekrutierte und ausbildete und mutmaßlich Straftaten beging, deren politische Dimsension die juristische weit übersteigt. Die Kontrolle über Medien und Prozesse entscheidet darüber, ob der Skandal zuletzt als Affäre Amann/Republikaner oder als Affäre Reichert/SPD-Regierung in die Landesgeschichte eingehen wird. Während im Interesse der SPD Presseberichte über den Helden Reichert und den Straftäter Amann lanciert werden, konterte die Republikaner-Fraktion mit einem Entschließungsantrag vom 15.5. an den Landtag zum "Beschaffungsextremismus"
der Landesregierung. Bisher ist die SPD-Rechnung aufgegangen, denn was als Straftat verfolgt wird, entscheiden von ihrem Minister weisungsabhängige Landesbehörden, und was ein Skandal ist, entscheiden Stern und Kennzeichen D. Für die Zuschauer in der ersten Reihe unseres regierungsnahen Fernsehens war es der Skandal einer Republikaner-Fraktion, in deren angeblichem Auftrag der untadelige Polizist Reichert enttarnt wurde, der unter Einsatz seines Lebens - Racheakte, Sie wissen schon - böse Nazis am Anstecken von Häusern hindert: ein Held der demokratischen Straßenarbeit: bieder, furchtlos und - keusch!