Wie fein sich alles fügt
(Publikation des Aufsatzes:
Junge Freiheit 29 / 1994 )
Die Berge des Rundfunks, der Presse und des Verfassungsschutzes kreißten. Niedersachsens Innenminister Glogowski war vor ihre Kameras getreten: Republikaner hätten zum Schutze eines Infostandes in Oldenburg Neonazis einer Freien Kameradschaft Oldenburg angefordert, also seien sie selbst eindeutig rechtsextrem. "Republikaner setzten Neonazis als Schutztruppe ein!" trompetete eilfertig die Hannoversche Allgemeine des Madsack-Verlags zwei Tage vor der Europawahl; und "Neonazis helfen den REP im Wahlkampf" bellte seine NEUE PRESSE hinterher. "Beweise für Zusammenarbeit von Republikanern und Neonazis" verkündete gar die Celler Zeitung.
Daß die Berge vergeblich gekreißt hatten, erfuhren die Zuschauer in den ersten Reihen weder vom Minister noch von seiner diensteifrigen Presse. Die Neonazi-Schutztruppe existierte nämlich nur in der blühenden Phantasie übereifriger Journalisten. Der Madsack-Verlag hat sich bereits bei Meidung einer fünfstelligen Vertragsstrafe für jede Zuwiderhandlung verpflichtet, die Falschbehauptung zunächst nicht weiter aufzustellen. Selbst die stets wachsamen Oberverdachtschöpfer des Verfassungsschutzes hatten nämlich keine Neonazi-Schutztruppe gesichtet, sondern bloß in akribischer Fleißarbeit einen ihnen auf dem Dienstweg vom 7. Kommissariat der Oldenburger Kripo zugeleiteten Bericht gelesen. Dieser enthielt freilich spannende Erkenntnisse, von denen weder in Madsacks Zeitungen noch in BILD zu lesen noch in Lea Roshs Sender in Hallo Niedersachsen etwas zu sehen war:
Am 4.3.1994 hatte das 7.Kommissariat in Oldenburg telefonisch vom Verfassungsschutz Kenntnis erhalten, die "linke Szene" plane, am Folgetag einen Stand der "Rechten abzuräumen, wobei in Kauf genommen werde, daß dieser dabei zu Bruch gehen könne." Als sich morgens ein knappes Dutzend nicht mehr ganz junger Republikaner mit Infotisch, Flugblätter, einem azurblauen Sonnenschirm, Schlips und Kragen in der Fußgängerzone einfanden, währte ihre Freude nur Minuten.
Unter eifriger Beobachtung der Polizei machten etwa 50 autonome Jugendliche Putz. Ei, wo war denn da die legendäre "Schutztruppe"? Als der Spuk nach Minuten vorbei war und das 7.K alles minutiös für seinen Minister beobachtet hatte, halfen Schutzpolizisten als Dein Freund und Helfer beim Aufräumen der Trümmer. Der 25jährige Autonome Richard Meinsen und der 27jährige Wolfgang Nacken wurden wegen Landfriedensbruches festgenommen.
Hochinteressant waren die Erkenntnisse: Minuten vor dem Überfall hatten "Aufklärungskräfte" der Polizei drei verdächtige männliche Personen gesehen, die - man stelle sich vor! - mit einem der Republikaner sprachen (!). Zwei hätten sich dann an eine Wand der Volksbank gelehnt und seien später in Rangeleien mit Autonomen verwickelt gewesen. Haben wir sie endlich, die bösen Nazis! Was die Republikaner ihren eidesstattlichen Versicherungen gemäß nicht wußten, war dem Verfassungsschutz sofort klar: Die jungen Männer sollen angeblich hochkarätige Nazis gewesen sein. Sicher ist auch, daß einer von ihnen die Republikaner angesprochen und gefragt hatte, ob er helfen könne, und daß dem unbekannten Hilfswilligen dankend abgewunken wurde.
Im noch laufenden Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Hannover äußerten die Republikaner jetzt den Verdacht: "Mutmaßlich könnte es sich um rechtsextreme Jugendliche gehandelt haben, die den Auftrag hatten, den Anschein einer Zusammenarbeit mit Republikanern zu erwecken, um diese zu desavouieren. Nachdem sich herausgestellt hat, daß der Verfassungsschutz beispielsweise den Leiter der Kampfsportschule Hak-Pao in Solingen als Mitarbeiter angeheuert hatte, müßten sie "eingedenk des unsäglichen Celler Lochs leider alles für möglich halten. Nach dem alten Wort cui bono? paßt es jedenfalls bestens in das Bild parteipolitischer Instrumentierung des Verfassungsschutzes, von der Möglichkeit auszugehen, daß die beiden - waren es dann tatsächlich Rechtsextremisten oder getarnte Möchtegernverteidiger der freiheitlichen demokratischen Grundordnung? - in ministeriellem Auftrag als agent provocateur unterwegs gewesen waren."
Die Landesminister brauchen jedenfalls dringend die von ihnen operativ benötigte "Zusammenarbeit" demokratischer Rechter mit Extremisten, und im neuesten niedersächischen Verfassungsschutzbericht ist diese unter Berufung auf den Oldenburger Vorfall schon ein angebliches Faktum. Die Leiter des Verfassungsschutzes brüsten sich gelegentlich in Interviews und Talkschaus, die Neonazi-Szene hochgradig mit V-Leuten durchsetzt zu haben. Aus der Partei der Republikaner sind die ersten V-Leute bereits vor laufenden Kameras medienwirksam wieder ausgetreten, nicht ohne zuvor lauthals verkündet zu haben, wie schrecklich undemokratisch diese Partei doch sei.
Dieser Tage wurden die ersten vergeblichen Anwerbeversuche des Verfassungsschutzes in Republikaner-Kreisen bekannt. Wäre ein Zusammenspiel von Republikaner-V-Leuten und Neonazi-V-Leuten nicht geradezu ein Fall von Amtshilfe? Sie kennen doch den Witz von V-Leuten unter sich? "Gestatten, Bundesamt für Verfassungsschutz, zur Zeit Republikaner." - Angenehm, Landesamt für Verfassungsschutz, zur Zeit Neonazi." Na dann Auf gute Zusammenarbeit!
(Manuskripttext ohne spätere redaktionelle Änderungen der JF-Redaktion]