Abschied von der neuen Weltordnung
(Publikation des Aufsatzes:
Junge Freiheit 29 / 1995 )
Seit Srebrenica in serbische Hand fiel, ist nichts wie es war. Vom Ende aller Illusionen schrieb selbst die ZEIT. Das 21. Jahrhundert wird wieder eines der Realpolitik werden. Die ideologische Seifenblase Neue Weltordnung ist geplatzt. Nie war sie mehr als eine hübsche Fiktion zur Durchsetzung von Machtinteressen. Jene friedliebende ideale Völkergemeinschaft hat es nie gegeben, die sich ein universales Gesetz gibt und den Weltfrieden unblutig erzwingt. Es gab immer nur eine reale Völkergesellschaft. Nie war die UNO mehr als ein Machtkartell zur Ausbalancierung von Interessen.
Wie schon zu Zeiten des Völkerbundes dient ihr propagandistischer Schein der friedliebenden Weltöffentlichkeit als beruhigende Kulisse. Dahinter verlangen Machtinteressen den Führungseliten der Großmächte ein Doppelspiel ab: Während man die westliche Wertegemeinschaft beschwor, ließ man Bosnien ausbluten und wußte, wozu: Die Westmächte brauchen Serbien aus mancherlei Gründen. Erst nahm man den Bosniern die Waffen weg, dann überließ man sie ihrem Schicksal. Die Rollen schienen gut verteilt: Der ohnmächtigen UNO sollte die Verantwortung zufallen, damit die Westmächte von der Verantwortung frei schienen. So darf Frankreichs Chirac mit dem Säbel rasseln: Wenn die UNO es nur erlaubte, ja dann ... - wohl wissend, daß Russen und Chinesen im Sicherheitsrat alles abblocken. So bleibt die Moral der westlichen Wertegemeinschaft gewahrt: Aus den besten Absichten hätten wir ja gerne, wenn..., Und das strategische Kalkül wird nicht gefährdet.
In Zukunft wird das Spiel mit verteilten Rollen nicht mehr funktionieren: einer moralischen und einer politischen. Es hat immer den Glauben des Weltpublikums erfordert, hinter den beschworenen Werten stünden auch Überzeugungen. Der Gedanke einer den Frieden erzwingenden Weltpolizei einer One World ist tot. Er scheiterte an den Interessen derer, die ihn als gegen sie gerichtete ideologische Waffe erkannten: Keinerlei Interesse haben Rußland und China daran, in Bosnien einen Präzedenzfall zu schaffen, nach dem eine Weltmacht für den ersten Schuß künftig erst die gnädige Erlaubnis der UNO braucht. Genau dieses Spiel führen die Westmächte in Bosnien auf: Die Generalprobe für die One World ist aber furchtbar danebengegangen. Kein Interesse hat auch Bosnien mehr an seiner ihm zugewiesenen Rolle: Unauflöslich ist der Zusammenhang von Schutz und Gehorsam. Warum soll Bosnien sich den Moralappellen derer fügen, die es nicht schützen?
Jetzt ist jedem klar: Wer seine Interessen gefährdet sieht, muß eben nach uralt Väter Sitte vor die Kulisse treten. Macht und Verantwortung sind eins. Wenn Herr Chirac die Serben aus Srebrenica verjagen will: Soll er doch, aber bitte auf französische Rechnung! Im Europaparlament forderte der Franzose Tapie den sofortigen Anschluß Bosniens an die EU. Vor der Alternative: Krieg gegen Serbien oder völlige Neutralität, würde sich der UNO-Propagandanebel schnell heben. Und das deutsche Interesse? Das müßten wir dann wohl oder übel selbst bestimmen. Wir müßten unsere Macht anwenden, wo wir verantwortlich sind. Bosnien gehört nicht dazu.