Klaus Kunze
- Publizierte Zeitungsartikel (Auswahl) -
 

Stigmatisiert und geächtet

(Publikation des Aufsatzes: Junge Freiheit 30 / 1995 )

 

Die Republikaner, hatte 1989 der Lei­ter der Grundsatz- und Planungsabtei­lung der CDU in seinen "Überlegungen zur Strate­gie der CDU ge­genüber den REP" erklärt, "sind eine po­pulisti­sche, rechts­radikale Partei, aber keine verfas­sungs­widrige rechts­extreme Partei." Es sei ge­gen­über den eigenen Wählern sinnlos, je­ne als neo-nazistisch zu bezeichnen. Er­folg­reicher seien die "nachstehenden Me­thoden der Stigmatisierung der REP" zu sein. Es ge­hört für die Etablierten zu den erprobten Mit­teln der Herrschaftssiche­rung, neuen Parteien das Stigma der Ver­fassungsfeind­lichkeit ein­zubrennen. Höchst amtlich be­stätigte im SPIEGEL dieser Woche Bran­denburgs ober­ster Verfassungsschützer diese Funktion der so­genannten "nachrich­ten­dienstlichen Beob­achtung" ei­ner Partei: Wolfgang Pfaff zufolge stellt diese einen massiven Eingriff in das Partei­enprivileg dar. Eine beobachtete Partei werde dadurch "in ein fahles Licht gerückt, stigmatisiert und ge­äch­tet."

Freilich bezog sich dieses offenherzi­ge Einge­ständnis des tieferen Sinnes sei­ner Behörde auf die in der PDS vermute­ten Jung- und Altstalini­sten, nicht auf die Re­publikaner. Während diese sich heute noch beobachten lassen müssen, weil ein paar verbale Heißsporne unter ihnen 1990 ge­schmacklose Sprüche über Asylbewer­ber losge­lassen hatten, plädiert Branden­burgs Verfas­sungs­schutzchef bei der PDS auf Ge­duld: Einzel­ne Äußerungen von Mitglie­dern der "Kommunistischen Platt­form" seien "wohl jenseits des verfas­sungsmäßi­gen Rubikons anzusiedeln", doch müsse man sich damit politisch auseinander­set­zen. Damit hat Pfaff si­cherlich recht: Was gäbe es schon noch herauszufinden über eine Partei, die 40 Jahre lang eine kom­mu­ni­sti­sche Diktatur über 17 Millio­nen Deut­sche errichtet hatte? Als ihre Parteiarmee NVA 1968 in die Tschechei ein­rückte und die Demo­kratisierung mit Panzern be­ende­te, gin­gen jene Jünglinge eben in den Kin­der­garten, die uns heute als Ansager in Pri­vat­sendern erzählen: Die Bundeswehr-Tor­na­dos seien just zum ersten kriegs­mäßigen Aus­landseinsatz deut­scher Truppen seit 1945 gestartet.

Kurz wie ein Reklamespot ist offen­bar das Gedächtnis der Leute, und darum ha­ben sie so quali­fizierte Politiker und Ver­fassungsschützer, wie sie es verdie­nen. So einer ist auch Wolfgang Pfaff. Unerträg­lich ist es ihm bei der PDS, "daß die Be­obach­tung einer Partei allein in der Be­find­lich­keit ei­ner Verfassungsschutz­be­hörde und ihres jeweiligen Innenmini­sters liegt und allenfalls im nachhinein rich­terlich über­prüft werden kann. Lieber wäre es ihm, wenn die Behörde vor ihrer Beobachtung richterliche Erlaubnis ein­holen müßte wie bei Maßnahmen nach der Strafprozeß­ord­nung. Durch eine sol­che Änderung der Ge­setze, so Pfaff, "könnte den Verfassungs­schutz­gegnern der Wind aus den Segeln genommen wer­den, die behaupten, der Dienst sei poli­tisch ver­fügbar."

Der Gute begreift nicht, worum es bei der schönen Verfassungsschützerei ei­gent­lich geht: Bei ei­ner Partei wie den Repu­blika­nern gilt mehr noch als bei den kon­spi­ra­tiven Linksgenossen der Grund­satz der gläsernen Partei. Ohne volle Öf­fent­lich­keit ist Parteiarbeit im Medien­zeitalter nicht zu machen. Ei­ne Partei mit mehre­ren zehn­tausend Mit­gliedern solle offi­ziell das eine, klamm­heimlich aber etwas ganz an­deres wollen können? Und die ganze Ge­heimnis­krämerei könne ver­bor­gen blei­ben? Nein, das ist absurd. Ein Ver­fassungs­putsch durch eine Massen­par­tei 1995? Das ist un­vorstell­bar. Und eine Kaderpartei er­laubt das Parteienge­setz nicht. "Wirkliche Ziele" lassen sich nicht hinter "angeblichen Zie­len" ver­stecken. Das gilt für rechte wie linke Par­teien glei­chermaßen. Auch die PDS kann nicht gleich­zeitig die Diktatur des Prole­tariats heimlich wol­len, während sie sich in zehntausen­den Flugblät­tern zum Par­la­men­tarismus bekennt: Das offizi­elle scheinbare Ziel verhielte sich kontra­pro­duktiv zum klammheimlichen wirklichen Denken. So lautet das Gesetz der Massen­kom­munikati­on. Es besagt zum Beispiel, daß man eine Partei auch verfas­sungs­feind­lich reden kann. Ihr Zulauf wird re­guliert nicht durch ihre tatsächlichen Ziele, noch viel weniger durch klamm­heimliche, son­dern durch das vom Fern­sehen vermittelte Zerrbild. Dieses kann aus Demokraten ebensoleicht Nazis ma­chen, wie umgekehrt aus Stalinisten "kritische Demokraten".

 Das alles wissen die Innenminister na­türlich und informieren sich über die Ziele der PDS und der Republikaner selbstver­ständlich aus ihren Programmen und Zei­tungen. Die ganze heimliche Ver­fas­sungs­schüt­zerei hingegen ist eine Farce ge­gen­über offen agierenden Partei­en. Höchst not­wendig ist der Staatsschutz bloß gegen Unter­grundgruppen wie der terroristischen RAF und ihren kon­spi­ra­ti­ven Autonomen-Dunstkreis, gegen in die Ille­­galität abge­tauchte Nationalsozialisten der früheren FAP und gegen ausländi­sche, etwa islami­sche Extremisten.

Nachrichtendienstliche Beobachtung soll­te sich auf solche erklärten Verfas­sungs­feinde be­schrän­ken. Hingegen würde es keinen Deut ver­bessern, wenn die Ver­waltungsgerichte künftig vor der Be­ob­ach­tung entscheiden müßten und nicht erst nach Klage durch die Betroffe­nen. Ei­ne richterliche Anordnung läßt sich - wie in der Strafprozeßordnung - ohne vorherige Anhörung der Partei schnell beantragen und auf Grundlage der bishe­rigen Gesetze gewinnen: Diese er­lauben die Beobachtung be­reits bei so geringen Ver­dachtsgründen, daß auch CDU und SPD sich be­obachten lassen müßten, würde man einem Ge­richt ein paar be­sonders markige Sprüche aus dem Zu­sammenhang reißen und vorlegen.