Klaus Kunze
- Publizierte Zeitungsartikel (Auswahl) -
 

Wege aus der Systemkrise

(Publikation des Aufsatzes: Sammelband "Opposition für Deutschland", 1995, ISBN 3 86118 046 4)

 

I

I. Nonkonform im Parteienstaat

Nonkonform sein - wer wollte das nicht? Die Leipziger Jungsozialisten im Hof­geisma­rer Kreis möchten das auch. "Die Bonner Re­publik", führt der Schrift­leiter des Leipziger SPD-Nachwuchses in sei­nem "Aufruf zum Non­kon­formismus" aus, "erlebt bei näherer Betrachtung seit 1989 die erste rich­tige Sy­stemkrise". [1] Non­kon­­form sein kann da nur heißen, "nach dem Zu­sammenbruch des so­wjeti­schen Blocks wird erkennbarer, daß die li­be­ralisti­sche Ideologie auch nicht der Weis­heit letz­ter Schluß und die Lö­sung für die Menschheits­probleme ist. Der Un­ter­gang des Kommunismus kann und darf nicht zum End­sieg des Kapitalismus wer­den." - So allgemein das Be­wußtsein ge­worden ist, daß unser poli­tisches Sy­stem mit seiner Partei­enherrschaft in ei­ner Kri­se steckt, so selten traut sich je­mand, ei­ne Lösung aufzuzeigen. Die Aus­wege sind mit Tabus und Denkverboten ge­pfla­stert. "Mir klingt es wie­der in den Ohren", klagt Sascha Jung eingedenk sei­ner DDR-Ju­gend, "der wohlmeinende Rat meiner Staatsbür­gerkun­de­leh­rerin, den sie mir 1988 gab, ich solle nicht an Tabuthemen rühren." Heute sind sie wie­der da, die Ta­bus. Zu ih­nen gehört die Frage nach dem wirk­li­chen In­halt ei­nes Herr­schafts­­sy­stems, das sich selbst stolz als De­mokra­tie be­zeichnet, neu­er­dings aber selbst von maß­geb­lichen Verfas­sungsrecht­lern als "Pseudo­de­mo­kra­tie" [2] bezeich­nen lassen muß.

II. Das System

Das heutige Parteiensystem stellt sich kon­kret als Wirkeinheit einer Fülle sich gegen­sei­tig stabili­sieren­der und be­din­gen­der recht­li­cher und sozio­lo­gi­scher Re­­­geln sowie fak­ti­scher Macht­verhält­nisse dar und ist gewisser­maßen überwölbt von ei­ner abstrakten Herr­schaftsideo­lo­gie. Die vornehmlich über ein fast völli­ges Medi­enmo­nopol errungenen fak­tischen Macht­bastionen der eta­blier­ten Partei­en und ih­res ab­hängi­gen Umfeldes erlauben es ih­nen, die Spielregeln des politischen Macht­erhalts zu bestimmen. Diese Spiel­regeln rei­chen von der Dominanz einer ihnen auf den Leib geschneiderten Ethik des Partikularen über das Gesetzge­bungs­recht bis zur richterli­chen Interpretati­on der selbstgesetzten Nor­men in ei­nem par­teipro­portio­nierten Verfas­sungs­ge­richt.


Die Regeln des Machterhalts sind in allen Sy­ste­men schlicht. Ihr kleines Ein­maleins lautet: "Re­gele die Regeln so, daß sie dich be­günsti­gen, dann bleibst du oben, und die ande­ren bleiben unten." Wenn zwei Jungen auf dem Schulhof rau­fen, hat kein Inter­esse an weiteren Aus­einander­setzun­gen mehr, wer oben liegt. Er wird dem unten Liegen­den "Frieden" auf­grund des Status quo seiner Spielre­geln anbieten. Auch die Partei, die den Staat erobert hat, möchte ih­re Macht friedlich ge­nießen. Ihr ober­stes erlassenes Gesetz wird jeden wei­teren Kampf um die Macht ver­bie­ten. Sie muß ja nicht mehr kämpfen. Der überle­genen Par­tei in­nerstaatli­ches Kampfver­bot begründet ihren Rechtsstaat: ei­nen Staat, in dem nur ihr Recht gilt, das sie im Wett­be­werb be­günstigt und den Kon­kurrenten zwingt, nach ihren Regeln an­zutreten. So wird der Unterlegene kraft der von ihr er­lasse­nen Grundgesetze "friedlich" unten und sie oben bleiben. Nimmt er den Kampf aber wieder auf und sucht die ihn benach­teiligenden Regeln grundsätz­lich zu ver­ändern, kann er leicht als Feind der be­stehenden Ver­fas­sungsordnung und "des Friedens" me­dienmäßig exorziert und be­hördlich exe­kutiert werden. -


"System" ist zunächst einmal ein um­fas­sender, vornehmlich soziologisch zu ver­ste­hender Begriff. Er bezeichnet eine Wirkein­heit, also das stabile In­einan­der­greifen von Regelmechanismen und sich Abstüt­zen von Machtver­hätnissen un­ter­schiedli­cher Art. Wenn Scheuch davon spricht, das Sy­stem müsse auf Bun­des­ebene beseitigt werden, meint er damit die Vorherr­schaft von Cliquen in Parteien auf der Ebene der Krei­se, der Un­ter­be­zir­ke und Be­zirke. [3] Wenn da­ge­gen Hans Her­bert von Arnim argumentiert: Weil die Män­gel ganz über­wie­gend struk­tur- und sy­stem­be­dingt sind, gelte es, diese Struk­turen und damit das Sy­stem selbst zu än­dern, [4] ste­hen verfassungsrecht­liche Fehl­regelungen im Vorder­grund. Aber auch diese Verwendung des Be­griffs "System" ist zu eng. Das Ge­samtsystem besitzt nämlich verschiedene Subsysteme mit ei­genen Regelhaftig­keiten. Vor der Frage: 'Wer regiert?' liegt nämlich die Frage: 'Wer be­stimmt, wer re­giert?', "und das macht, daß die al­lerwich­tigste Frage lau­ten muß: 'Wer be­herrscht den, der be­stimmt, wer re­giert?' Mit an­de­ren Wor­ten: Wer be­herrscht den Volkssouverän, der ein 'Klima' er­schafft oder erleidet, das sich in Wil­lensbil­dung um­setzt, die va­ge Vor­stel­lun­gen, Ge­fühle, Stim­mungen zu Hand­lungen und Haltun­gen wer­den läßt? Wer be­herrscht den Herrscher 'Volk' - und wie wird solche Herrschaft be­werk­stel­ligt?" [5]


Sieht man das System nur im engeren Sinne der verfassungsrechtlichen Vor­ga­ben des Grundgeset­zes, muß man es als gewalten­teilungslose [6] Parla­mentsre­gie­rung [7] klassifi­zieren und käme zum Er­gebnis, daß der Bun­destag das zentrale Machtzen­trum ist: Er macht die wesentli­chen Gesetze, be­stimmt zu­sammen mit dem Bun­desrat die Verfas­sungs­richter, die über die Ausle­gung seiner Ge­setze wa­chen sollen, und er bildet mit der Wahl ei­nes von ihm jederzeit abhängi­gen Kanz­lers ei­ne Regierung, die wie ein Ausschuß funk­tio­niert und seiner völligen Kon­trolle un­terliegt. Im Zweifels­fall hat der Bun­destag die Kompe­tenz-Kompe­tenz, al­so das Recht, die Verfas­sung zu ändern und die Grenzen seiner verfas­sungsmäßi­gen Macht selbst zu bestim­men. So kommt es denn gelegentlich zur di­rekten Ent­schei­dung von Einzelfällen durch ihn, die in einem gewaltenteilenden System Re­gie­rungs­sache wären, wie über humanitäre Bundes­wehreinsätze. So­lange das Staats­volk als han­delnde politische Entschei­dungseinheit ausge­schal­tet ist - Volks­ab­stimmun­gen sind im Grund­gesetz zwar als möglich vorgesehen, aber nicht in Einzel­gesetzen ge­regelt - bleibt die Sou­veränität des Volkes eine meta­physi­sche Fiktion. Das konkrete handelnde Gremi­um, das über die letztliche Gel­tung der Ver­fassung und ihrer einzelnen Rege­lun­gen ent­schei­det, das also "über den Aus­nahmezu­stand entscheidet", ist der Bun­destag. Er al­lein übt die Sou­­veränität aus und ist damit ver­fassungs­rechtlich ihr wirklicher Träger, weil er anstelle des nur metaphysisch sou­ve­ränen Volks, das fak­tisch nicht gefragt wird, die Grundent­scheidungen des politi­schen Le­bens trifft. Der Bun­destag ist das Zentrum und der Machtträger des durch die Grundge­setz­konstruktion gebildeten und verfas­sungs­rechtlichen Normen ge­horchenden Sy­stems der parlamentari­schen Demokratie. Dieses ist in­dessen nur das Untersystem eines überge­ordne­ten Ganzen, der Herr­schaft der Partei­apparate:


Wie jeder weiß, besitzen die real exi­stie­renden Abgeordneten, jeder für sich und ge­meinsam, die ih­nen verfassungs­recht­lich ge­bührende Entschei­dungs­macht und -freiheit nur auf dem Papier. Tat­säch­lich sind sie in ein Ge­flecht von persön­li­chen Abhängigkeiten mannigfa­cher Art einge­bunden und unterlie­gen strenger Frakti­onsdisziplin. Wer aus­schert, wird nicht wieder auf die Wahlli­ste ge­setzt. Über das System der Listen­wahl beherr­schen die Par­teien ihre ent­sandten Abge­ordne­ten. So sind die Ent­scheidungen des Parla­mentsple­nums heute nicht mehr das Er­gebnis freier Mei­nungsbildung. "Die Par­teien treten heute nicht mehr als dis­kutie­rende Mei­nun­gen, sondern als so­ziale oder wirtschaftli­che Macht­gruppen ein­an­­der ge­gen­über, be­rechnen die beider­seiti­gen Interessen und Macht­mög­­lich­keiten und schlie­ßen auf die­ser fakti­schen Grund­lage Kom­pro­mis­se und Koali­tio­nen. [8] Das Ar­gu­ment im ei­gentlichen Sinne, das für die echte Dis­kus­sion cha­rakte­ristisch ist, ver­sch­win­det." [9] Von sel­te­nen Aus­nah­me­fällen ab­ge­se­hen, fal­len die wesentli­chen Ent­schei­dungen nicht mehr im Par­la­ment. Wirklich ent­schieden wird auf Par­tei­­ta­gen, in­for­mel­len Tref­fen von Spit­zenpo­liti­kern, [10] in schriftli­chen "Ver­trä­gen" ein­zelner Seil­­schaften zur Aufteilung der Beute­masse, [11] besten­falls noch in der Koali­ti­ons­runde, aber nicht in den ver­fas­sungs­mäßig vorgese­henen Staats­or­ga­nen. "Frak­ti­ons­dis­zi­plin und -zwang bestehen fort. Koali­tionsver­ein­ba­run­gen legen fest, wann das Ab­stimmungs­ver­­halten im Par­lament den Ab­ge­ord­ne­ten - hor­ribile dictu - frei­ge­stellt wer­den soll." [12] Die nach­fol­gen­den Kabi­netts- und Parla­mentsbe­schlüsse er­scheinen nur noch als Voll­zugs­akt vor­ausge­gange­ner Partei­ver­ein­ba­run­gen. Die Regierung wird zum bloßen Durch­füh­rungsor­gan oder zum ge­schäfts­füh­renden Mana­gement der sie stützen­den Par­tei­en. Während die Ab­ge­ordneten wechseln, bleibt der Par­tei­ap­pa­rat. "Jede Organisa­tion ist die Mutter der Herrschaft der Gewählten über ihre Wähler, der Be­auf­tragten über ih­gre Auf­traggeber, der Delegierten über die Dele­gierenden." [13] Das streng durchge­führte Re­präsentati­onsprinzip gibt den Mandats­trägern, Funk­tio­nä­ren und Partei­bürokra­ten ein na­tür­liches Übergewicht über die einfa­chen Mit­glieder. Die Füh­rer des großen Partei­en ma­chen in der Koaliti­onsrun­de unter sich aus, was mor­gen erst im Bun­destag be­schlossen werden soll. Der Vor­sit­zende der Mehr­heits­partei pflegt sich im Bundes­tag von seinen Ge­folgsleu­ten als Bundes­kanzler wählen zu lassen. Während die Parteien im Grund­gesetz nur ne­benbei er­wähnt werden und "an der Willensbil­dung des Vol­kes mit­wirken" sol­len, be­herrschen sie tatsäch­lich den Bundestag voll­ständig und be­nutzen ihn le­dig­lich als Aus­füh­rungsor­gan ihrer Parteitagsbe­schlüsse. Sie führen den Sinn des ge­wal­tenteilenden Verfas­sungs­sy­stems ad ab­surdum, weil sie alle Ge­wal­ten be­herr­schen.


Wenn wir uns das System der staatli­chen Ver­fas­sungsorgane mit seinem In­ein­an­dergrei­fen ver­schie­dener Gewalten als große Ma­schine vorstel­len, sind die Par­teien ihre Bedie­ner. Einschließlich ih­rer hier­archischen Bin­nen­struktur bil­den sie ne­ben dem Staat ein or­ganisiertes Subsy­stem. Nach außen von staat­li­cher Dauerfi­nanzierung abhängig ha­ben sie den Staat von innen durch­drun­gen und usur­piert, um diese Ab­hängigkeit umzu­kehren. Bildlich gespro­chen grün­den sie mit ih­ren Wurzeln in der Ge­sell­schaft, üben aber mit ih­ren Wipfeln schon die Funktion von Verfas­sungsorga­nen aus. [14] Durch hohe Äm­ter­kom­bi­na­tion zwi­schen Partei- und Parlamentsamt und Re­gie­rungs- und Ver­wal­­tungs­amt [15] ha­ben sie gewis­serma­ßen ne­ben das innere Gerüst staatli­cher Struk­tu­ren wie ei­ne Schling­pflan­ze ein per­so­nell identi­sches zwei­tes Ge­rüst ge­setzt und sich auf diese Weise di­rek­ten Zugriff auf alle staat­lichen Funktionen ge­si­chert. So sind staatli­che Amtsträger zu­gleich Partei­funk­tio­näre und machen durch diese Per­sonal­union die Verbindung zwi­schen den Subsy­ste­men "Staat" und "Parteien" sicht­bar. Den Partei­enstaat dürfen wir da­her als über­geord­netes Sy­stem begreifen, in des­sen In­nenleben mehrere aufeinander bezo­ge­ne Subsy­steme existieren, von denen das eine do­mi­niert und das andere funktio­niert: Die Partei­en sind die han­de­lnde Seele der Staatsmaschine; diese die Hand­puppe - jene der Pup­pen­spie­ler!


Das Gesamtphänomen Parteienstaat be­sitzt mit der Medienwelt und dem ei­gent­li­chen Parteiensy­stem gesellschaftli­che Un­tersyste­me, die zueinan­der ver­hal­ten wie zwei sich schnei­dende Krei­se mit wech­selnden Abhän­gigkeiten. Das ent­scheidende ist die Medien­landschaft, oh­ne deren Kontrolle ei­ne sta­bile Herr­schaft nur möglich war, solange die Poli­tik noch dem Gesetz des Kartät­schen­prinzen und nachmaligen Kaisers Wilhelm I. ge­horchte: "Gegen Demokra­ten hel­fen nur Sol­daten." Jeder Herrscher regelt die Re­geln so, daß er weiterhin herrscht. Die selbstgesetzten Regeln des Parlamen­taris­mus schließen Kar­tätschen als Mittel der Herrschaft grundsätz­lich aus und füh­ren im Zeital­ter der Massen­kommunikation dahin, daß Legiti­mation und Wie­derwahl nur in einem per­ma­nen­ten Rück­kopp­lungsprozeß mit einem als "öffentliche Meinung" ver­standenen Medienwesen ge­währlei­stet sind. Das Subsystem des Par­teien­sy­stems ist in ein gesellschaftli­ches Obersy­stem ein­ge­bettet, in dem mutmaß­lich die poli­tische Macht ge­winnt, wer sich den Wählern publi­kumswirksam ver­kau­fen kann. Die Ab­hängigkeit zwischen Parteien und Medien ist insoweit eine wechselseitige, als Par­tei­en sich ohne Medienkontrolle nicht darstellen kön­nen und daher medien­ab­hängig sind. Ande­rer­seits sind deren In­tendan­tensessel heißbe­gehrte Beu­te­stücke der Parteien. 40-50% der ARD- und ZDF-Mit­arbeiter sind Par­teimitglie­der. [16] Sie werden fest an die Kandare ge­nom­men: "Als der Bonner Stu­dio­leiter des ZDF, Wolf­gang Herles, vor dem Bremer Par­tei­tag der CDU Helmut Kohl kriti­sierte, wurde ihm vom 'Freun­des­kreis der Union' beim ZDF 'Undankbarkeit' (sic!) ange­kreidet. Her­les, der sich selbst als 'strikten Gegner je­der Hofbe­richt­erstat­tung' be­zeich­net, mußte auf Druck Kohls am 1.11.1991 seinen Ses­sel als Stu­dio­lei­ter räu­­men." [17] Ähn­­liche Fälle sind aus dem Be­reich der "unab­hän­gi­gen" über­regiona­len Presse be­kannt­ge­worden, wo z.B. ein Anruf des Bun­des­kanz­lers bei ei­nem Zei­tungs­her­aus­ge­ber genügt haben soll, ei­nem kri­ti­schen Re­dak­teur [18] einen schon zu­ge­sag­ten Auf­stieg zu ver­bau­en. Auch in "unabhängigen" Medien wagen weni­ge Journali­sten kriti­sche Worte über bedeu­tende Politiker, weil sie sonst keine In­terviews mehr bekom­men.

 

Der Parteienstaat

Das Per­pe­tuum mo­bile eines Partei­enstaa­tes scheint per­fekt, in dem dem Etab­lier­ten ih­re Claims abge­steckt ha­ben und ge­mein­sam den we­sentli­chen Teil der Staatlichkeit be­setzt halten. Partei­enstaat­lichkeit bedeutet aber nicht zwangs­läufig den Einpar­teienstaat. Ein solcher war selbst die DDR nominell nicht. Im funk­tio­nalen Sinne kann die Macht durch­aus auf meh­rere un­selb­stän­di­ge (Modell DDR) oder selb­ständige (Modell BRD) Organi­satio­nen ver­teilt sein. Letzteres hat Agnoli die plurale Form einer Ein­heits­partei [19] ge­nannt. "Je mehr sich die Par­tei­en den Staat zur Beute ma­chen und da­mit zu Staatspar­tei­en de­ge­ne­rieren, desto mehr hebt sich der Par­tei­ens­taat nur noch durch das Mehr-­Par­teiensy­stem von der Par­tei­dik­ta­tur ab. [20] Nach Parallelen zwi­schen den Block­wahlen in der DDR und Block­wah­len inner­halb der Bon­ner Par­tei­en be­fragt, antwortete der Sozio­loge Er­win Scheuch anhand per­sönlicher Er­fahrun­gen: "Wie in der DDR! Wir ha­ben noch meh­­re­re Paralle­len zur DDR." [21]

 

Vor diesem Hin­­ter­grund er­­scheinen al­le klas­si­schen Gewalten zu­züglich mo­der­ner Me­dien­ge­walt als in den Hän­den eines Par­tei­enkar­tells, dessen Teil­sy­ste­me nach au­ßen hin Schau­kämpfe austra­gen, in­halt­lich aber nicht für in­halt­li­che Al­ter­nati­ven ste­hen. [22] Ihr Wahlkampf ist Schwindel, weil er pro­gram­ma­tische Ver­schie­den­heit vortäuscht. "Es ist das glei­che wie die Kämp­fe zwi­schen ge­wis­sen Wieder­käuern, deren Hör­ner in einem sol­chen Winkel ge­wach­sen sind, daß sie einander nicht ver­letzen kön­nen. Wenn er aber auch nur ein Scheingefecht ist, so ist der doch nicht zwecklos, son­dern hilft, die be­sondere gei­sti­ge Atmo­sphäre auf­recht" und ihre "Ge­­sell­schafts­struktur in­takt zu halten." [23] So besteht der Zweck der Groß­­par­teien heute haupt­säch­lich da­rin, Wahl­verein für den ei­nen oder den an­de­ren Kanz­ler zu sein - Po­sten­ver­tei­lungs­kar­­telle auf Dau­er. In ihrer wech­sel­sei­tig sich sta­bi­li­sie­ren­den ge­gen­sei­ti­gen Be­zogenheit gleichen sie den drei glo­ba­len "Su­per­staa­ten" in Geor­ge Or­wells 1984, die "einander nicht über­winden kön­nen, son­dern auch kei­nen Vorteil da­von hätten. Im Ge­genteil, so­lan­ge sie in ge­spanntem Ver­hältnis zueinan­der ste­hen, stüt­zen sie sich ge­gen­seitig wie drei an­ein­anderge­lehnte Ge­trei­de­gar­ben." [24] In Wahl­kampf­zeiten re­duzieren sie und ih­re Medi­en­stra­tegen die Wahl­ent­schei­dung der Bür­ger gern auf polari­sie­rende Paro­len wie "Frei­heit oder So­zia­lis­mus" er­zeugen ope­rativ den Ein­druck ei­nes Kopf-an-Kopf-Ren­nens der Kan­dida­ten der Großparteien, um den Wähler in eine Schein­al­ter­na­tive zu zwin­gen und die oh­nehin klei­ne Kon­kur­renz aus dem Wäh­ler­be­wußtsein zu tilgen. Im End­ef­fekt ent­wickelt Deutsch­land sich vom par­tiel­len zum ten­den­ziell tota­len Par­tei­en­staat [25] , in des­sen Rah­men die Par­tei­en ei­ne schall­schluc­kende Sty­ro­por­schicht bilden, in der die Rufe der Wäh­ler verhal­len [26] , und die sich immer dich­ter, drüc­ken­der über ein Ge­meinwe­sen legt, in dem die angeb­liche Ge­wal­tentei­lung längst zur Le­bens­lüge [27] ge­wor­den ist.

 

Medienstaat und Massende­mokratie

Parteienstaatlichkeit als anhand allge­meiner Merkmale festzustellender Übel­stand muß von hi­sto­risch konkret greifba­ren Partei­enstaaten unter­schie­den wer­den. Abstrakt be­deutet sie zunächst die Erobe­rung der in­nerstaatli­chen Macht durch ei­ne organi­sierte Teilgruppe und die Beset­zung aller Herr­schafts­instru­men­te durch diese Partei. Welche das im ein­zelnen sind, hängt vom ge­schichtli­chen Einzel­fall und seinen Gegebenheiten ab. Unter den öko­nomi­schen, sozialen und ideo­lo­gi­schen Rahmenbedingun­gen des etab­lier­ten Kommunismus in der DDR waren die konkret er­forderlichen Herrschaftsin­stru­mente andere als unter den Rahmen­be­din­gungen der Partei­herr­schaft des Na­tional­sozialismus in Deutschland und wieder andere als heute. Entschei­dend für die Ab­sicherung ei­ner Par­teiherr­schaft ist es, nicht nur die Rechts­ord­nung in ihrem Sinne zu gestal­ten. Weil Rechtsordnun­gen veränderbar sind, muß ihr weltan­schauli­ches Vorfeld um so umfassender und all­ge­meiner kontrolliert werden, je brei­ter der Kreis der­jenigen ist, die auf die Rechts­ordnung Einfluß neh­men könn­ten. In einem Sy­stem, dessen Bürger auf­grund einer offenen und umfassender Diktatur sowie­so unter keinem Gesichts­punkt Ein­fluß auf die Ge­setzgebung neh­men kön­nen, dür­fen sie im Stil­len den­ken, was sie wollen. Wo die welt­anschau­lichen System­grundsätze aber Wahlen verschiedener Alter­nativen zulassen, kann keine etab­lierte Parteienmacht ih­res Machter­halts si­cher sein, die dem Zufall über­läßt, ob sie von den Bür­gern wieder gewählt wird. Die Massenbeeinflus­sung muß hier al­so als Mittel der Herrschafts­si­cherung un­gleich stärker und umfassen­der sein, damit die Be­herrschten auch ge­heim in ih­ren Wahl­kabinen nicht ver­ges­sen, wer ihre Wohltä­ter und wer die Bö­sewichter sind, vor de­nen sie sich fürch­ten sollen. So erklärt sich, daß der Alltag im 3. Reich - man lasse sich nicht durch die für den Alltag untypische Kulisse von Großveranstal­tun­gen täuschen - über­ein­stim­mender Erin­ne­rung der damaligen Ge­neration zufolge weit­aus "un­po­li­ti­scher" war als der heutige Alltag.


Keine Herrschaft hält sich dauernd, die ihr­en Un­tertanen nicht die Frage be­ant­worten kann, wel­chen Sinn ihr Gehor­sam eigentlich hat. Diese Sinnstiftung ist Auf­gabe von Herr­schaftsideologi­en. Der­artige Ide­engebäude gründen auf kon­kre­ten er­wünschten Ein­zeltu­genden, zum Beispiel der Treue zum Königs­haus in der Monar­chie, der virtú in der Re­publik oder der Gottesfurcht im klerikalen Staat. Die funktionale Auf­fassung der­artiger meta­physischer Gebote erkennt es als Mit­tel der Herrschaftstechnik, den Be­herrschten eine Ethik zu verordnen, unter deren Gel­tung nicht nur die Herr­schenden weiter herrschen und die Be­herrschten weiter be­herrscht bleiben, son­dern sich darüber hinaus des Beherrscht­werdens er­freuen und es als ethisch anstößig emp­finden, überhaupt die Frage nach der Le­giti­mati­on der Herr­schaft aufzuwer­fen oder gar gegen sie anzukämpfen. Dem juristi­schen Verbot des weiteren Kampfes um die Macht folgt das morali­sche: Der Unterle­gene soll ei­ne Wie­der­aufnahme des Kampfes noch nicht einmal mehr denken dürfen. Der end­gülti­gen Durch­setzung der etablierten Macht folgt die Mo­ralisie­rung des Politi­schen. Dem Un­terle­genen wird eingeredet, daß es mora­lisch böse und ethisch anstößig sei, um Macht zu kämp­fen, ja daß es über­haupt keine exi­stentielle Feind­schaft gibt, die das Kämpfen lohnen würde. Das Fried­lich­keitsge­bot ist die Waffe des Sie­gers, und die Wie­deraufnahme des Kampfes zum Ge­dankenverbre­chen; schließ­lich zum Tabu. Dieses kann unter den Bedin­gun­gen des Medienstaates er­richtet, durchge­setzt und instrumentali­siert wer­den.

In einem politischen System mit freier Auswahl zwi­schen den nicht verbote­nen poli­tischen Parteien ist die Verfügungs­macht über die Instru­mente der öf­fentli­chen Meinungs­lenkung und -kontrolle der neuralgi­sche Punkt des Machter­halts. "Die Mas­sen wer­den durch ei­nen Pro­pa­ganda-Ap­parat ge­wonnen, dessen größte Wir­kungen auf einem Ap­pell an nächst­liegen­de Interessen und Lei­den­schaf­ten beru­hen. Das Ar­gu­ment im ei­gentlichen Sinne, das für die echte Dis­kus­sion cha­rakte­ristisch ist, ver­schwin­det." [28] Einen "gewaltigen He­bel zur Er­obe­rung, Wah­rung und Kräf­ti­gung der Herrschaft über die Mas­sen" nannte Robert Mi­chels be­reits 1911 die Pres­se, [29] als das noch sug­gesti­vere Fern­sehen und die Kunst ideo­logi­scher Agita­tion noch nicht einmal er­fun­den waren. "Die Verfas­sung und der Ge­setzgeber ha­ben" die Medien "im In­ter­es­se der Durch­schaubar­keit staatli­cher Macht­aus­übung mit nahezu un­be­grenz­ten Rechten ausge­stat­tet." [30] Un­ter den so­zia­len Bedingungen der Massen­ge­sellschaft ist es immer we­ni­ger Menschen möglich, sich ein persönli­ches Bild von den han­delnden Politi­kern und Parteien zu ma­chen, die Wahrheit oder Ten­denz einer Berichterstat­tung zu über­prü­fen oder gar im Dickicht unter­schied­li­cher weltan­schaulicher Po­sitionen und Pro­gramme zurechtzu­finden. Nach Un­tersuchun­gen leiten 30% der Wahl­be­rech­tigten ihre po­liti­sche Mei­nung di­rekt aus dem Fernse­hen ab. "Eine kon­tinuierli­che Be­ein­flus­sung der politi­schen Mei­nungsbil­dung über Jahre hin­weg kann die Wahl­chan­cen der Re­gie­rungs­mehr­heit ge­genüber den Oppositi­onsparteien durch­aus merk­lich ver­bes­sern" [31]

Die Chancen einer Opposition können bei kon­se­quenter Medienblockade auf "Null" sin­ken. Nach in­formellen Ab­spra­chen zwi­schen den In­ten­danten darf kein Re­pu­blikaner seine Mei­nung im Fernse­hen ver­tre­ten und Pro­gramm­punk­te vor­tra­gen, weil man dann nicht mehr be­haup­ten könnte, die Partei hätte au­ßer dum­men Sprü­chen kein Pro­gramm. Die Noelle-Neu­mann­sche Schwei­­­­ge­spi­ra­le wird ope­rativ ein­ge­setzt und gegen die als ge­fähr­lich ein­geschätzte Kon­kurrenz­par­tei ge­wandt: Die Po­li­ti­ker, die allabend­lich in ih­ren Staats­ka­rossen zu Sit­zun­gen auf­fah­ren, hält der Fernseh­zuschauer für real. Wer nicht auf­fährt und ein­trifft, ist ir­real - es gibt ihn ein­fach nicht. Die Ikone Bild­schirm ersetzt für den sich "in der ersten Reihe" wäh­nen­den Zu­schau­er die Reali­tät; [32] und in dieser Reali­tät dür­fen Stö­renfriede nicht vor­kommen. Unter den kombinierten Bedin­gungen der Mas­sen­ge­sell­schaft, des Medienstaats und des Wahl­systems kann ei­ne totgeschwie­gene und ver­femte Partei nicht in die Parla­mente kommen, sie kann noch nicht ein­mal nach ihren Vorstel­lungen existieren und politisch arbei­ten. Jede Partei ist auf Zulauf und Mitglieder an­gewie­sen. So waren die Re­publikaner mit dem Vor­satz ange­treten, im Rahmen des Systems de­mokrati­sche, konservative Posi­tionen in die Parlamente zu tragen und lang­fri­stig als Ko­alitionspartner der CDU das erfor­derliche strategische Gegengewicht zu den Bünd­nis­partnern der SPD zu bil­den, den Grünen näm­lich und dem­nächst der PDS. Dazu waren sie auf Mit­gliederzu­lauf aus bürgerlichen de­mokra­tischen Schichten angewiesen, ohne die bürgerli­che und de­mokratische Politik nicht ge­macht werden kann. Oh­ne an­spre­chende öf­fentliche Selbstdarstellung können nicht nur keine Wähler, sondern be­reits keine Mit­glie­der gewonnen wer­den. Nur ein klein­ster Bruchteil dieser Selbstdarstel­lung kann von den Parteien selbst ge­lei­stet werden. Er bedarf viel­mehr der Mul­tiplikati­on durch die Medi­en. So viele Flug­blätter kann eine kleine Partei gar nicht drucken und verteilen, um quantita­tiv auch nur ei­ne Minute ei­nes Fernseh­berich­tes zu erset­zen. So machten die Repu­blikaner sich seit 1989 also munter daran, aus­ge­feilte Pres­seerklärungen zu Gott und der Welt täg­lich auf Bundes- und Län­derebene zu formulieren und an alle Zeitungs- und Fern­sehredaktionen zu fa­xen. Alle lan­de­ten im Papierkorb. Wenn Re­pu­bli­ka­ner 1990 in Pres­seer­klä­rungen 500 DM Kin­dergeld for­derten, er­fuhr das nie­mand. [33] Als 1994 SPD-Politiker For­derun­gen in derselben Ten­denz erhoben, be­richte­ten die Medien ausführlich. Seit 1989 haben das Fernse­hen und das Gros der Presse nicht nur sämtli­che programmati­schen Positionen der Republikaner konse­quent ver­schwiegen, um hämisch be­haup­ten zu können, diese hätten gar kein Pro­gramm. Sie haben auch noch sy­stema­tisch über an­gebliche Forderungen die­ser Partei be­rich­tet, die sie gar nicht hat, ins­beson­dere zur Frage der Mas­sen­einwan­derung.


So gehört es in der Be­reich der Medienlegen­den, die Repu­blikaner würden Forde­run­gen wie "Ausländer raus" erhe­ben. Tat­sächlich ent­sprachen ihre Forderun­gen weitgehend denen, die von der Regie­rungskoalition seit zwei Jah­ren zum Ge­setz gemacht worden sind. Was über Republikaner seit Jahren im Fernse­hen gesendet wird, ist eine schlec­hte Karika­tur der Wirk­lichkeit. So fahren vor einer Ver­anstal­tungs­halle Ka­meras auf, in der ein Parteitag statt­findet. Ge­filmt und ge­sendet werden aber nicht Re­den, sondern es wer­den die Stiefel von auf Bestellung aufmar­schier­ten Skinheads gefilmt, und zu diesen Bil­dern sagt dann der Modera­tor sein ge­hässiges Sprüchlein auf. Statt Berichter­stat­tung gibt es nur übelste Agi­ta­tion. Ob­wohl alle ein­schlä­gigen Rund­funk­gesetze ausge­wo­gene Be­richt­er­stat­tung ver­lan­gen, kamen z.B. Re­pu­blikaner bis zum Früh­jahr 1992 nicht selbst zu Wort und auch da­nach nur höchst sel­ten und kurz. [34] Man re­det in den Medi­en nicht mit Republika­nern, sondern nur über sie. Nur so kann das Zerr­bild neo­nazistischer Übeltäter ge­zeichnet und aufrechterhal­ten wer­den, das sofort zu­sam­menbräche, wenn wirk­lich maß­gebli­che Funk­tionsträger der Par­tei in­halt­lich zu Wort kä­men. Nach­dem Jour­nalisten das ge­wünschte Schreckens­­bild neona­zi­stischer Teufel mit dicken Strichen an die Wand ge­malt haben, folgt der ri­tuelle Exorzismus auf dem Fuße. Mit Sor­genfal­ten auf der Stirn zeigt dann der Mo­de­ra­tor auf sein Schreckensbild und fragt schein­heilig-rheto­risch: "Ist er nicht scheuß­lich?", und vermit­telt so das für die Mil­lionen gültige Bild, die kei­nen leib­haf­tigen Re­publi­ka­ner selbst kennen. Die­ser Vor­gang setzt ge­zielt die Wir­kung der sich selbst erfül­lenden Prophe­zei­ung in Gang: Die or­dentlichen Bür­ger, die von der Par­tei als Mitglie­der ge­wünscht wer­den, wen­den sich mit Gruseln ab, wäh­rend klamm­heimliche An­hänger eines ge­wissen hi­sto­ri­schen Modells ein eher an­ge­nehmes Schaudern verspüren und an­geflogen kom­men wie die Motten zum Licht. So muß die Partei sich pau­senlos eines nicht po­li­tikfä­higen Narren­sau­mes erwehren und kann se­riöse Strukturen nicht auf­bauen. Einer Partei, die quer zu den Sympa­thien der maßgeblichen Mas­sen­medien liegt, ist es heute ope­rativ un­möglich, selbst über ihr Erschei­nungsbild in der Öffent­lichkeit zu be­stimmen, dar­ü­ber zu ent­scheiden, für welche inhaltli­chen Posi­tio­nen sie in den Augen der Öf­fentlichkeit steht und damit letzt­lich dar­über, auf welche Bür­ger sie Anzie­hungs­kraft ausübt. Diese sind es, die morgen ihr tatsächliches Erschei­nungsbild be­stimmen werden und die sie in eine Spi­ra­le hineinzuziehen dro­hen, an deren En­de sie so werden könnte, wie es zu An­fang nur dem an die Wand gemalten Schreckbild entsprochen hatte.

Die öffentliche Meinung über ein staatli­ches Pro­pagandaministerium zu len­ken ist aus der Mo­de ge­kommen. Die Medien sind heute ein Teilsy­stem des Ge­sell­schaftlichen und mit den Parteien ver­zahnt, ih­nen aber nur bei den öffentlich-rechtli­chen Medien indirekt unter­worfen. Die personelle und machtmä­ßige Ver­zah­nung erlaubt den Partei­en ausreichenden Einfluß auf die Programme. Ge­­sell­­schaft­liche Zensur in modernen Medien ist strenger als die staatliche und ar­bei­tet mit Ta­­bus. [35] "Die Probe auf die Presse­frei­heit ist, ob gei­sti­ge Tra­di­tio­nen und von nen­nens­werten Teilen der Be­völ­ke­rung ge­tra­gene Po­si­tio­­nen an der Öf­fent­lich­keit teil­haben kön­nen oder nicht. Ist das nicht der Fall, kann man si­cher sein, daß Zen­sur nicht nur ausgeübt wird, son­­dern sich be­reits er­folg­reich durch­ge­setzt hat." [36] Ein Indikator dafür ist es bei­spielsweise, wenn alle maßgeblichen Ta­ges- und Wochen­zei­tungen vom Spiegel und Focus bis zu WELT und FAZ es mei­nem Verle­ger ab­lehnten, ei­ne be­zahl­te Anzeige für mein Buch "Der totale Par­tei­enstaat" ab­zudruc­ken. Die Mech­a­nismen der ge­sell­schaft­li­chen Selbstzen­sur sind zwar nicht plump und direkt wie es die staat­lichen in der DDR wa­ren, funk­tionie­ren aber eben­so si­cher. So seufzte Steffen Heit­mann: [37] "Wir aus der DDR waren beson­ders auch we­gen der ga­ran­tier­ten Mei­nungsfreiheit mit ei­ner großen Hoff­nung und - wie sich jetzt zeigt - Illu­sion in die freiheit­liche, demo­krati­sche Grundordnung ein­­ge­tre­ten. Ich mußte erleben, daß es bei drei Vier­teln der Medi­en eine Art von gut funktionie­render Zen­sur gibt, die mit der in der DDR in ge­wis­ser Weise vergleich­bar ist. Nur ge­schieht sie heute in al­ler Öf­fent­lich­keit, durch Abstimmungen un­terein­an­der, durch in­di­rek­ten Druck ge­gen Leute, die aus dem Schema ausbre­chen. Ich habe das selbst er­lebt, als ein Sender mich endlich einmal selbst zu Wort kom­men ließ, an­statt immer nur aus dem Zu­sammenhang ge­rissene Sät­ze zu zi­tie­ren. Die Em­pörung der an­de­ren Sen­der in den fol­gen­den Pro­gramm­kon­fe­ren­zen war immens."

III. Die Strategie der Sy­stemüber­windung

Eine Strategie der Sy­stem­über­­win­dung kann nur je nach Lage der Dinge, also jetzt und hier an­hand der oben dar­gestell­ten Machtverhältnisse und Spiel­re­geln entworfen werden. Da die Machtver­hält­nisse, also zum Beispiel der Besitz der Medien, keinen di­rek­ten Zugriff möglich machen, muß ein archi­medi­scher Punkt gefunden werden, von dem aus das Sy­stem aus den Angeln gehoben wer­den kann. Es muß ein geistiges Samenkorn gelegt wer­den, das keimt, die verfilzten Machtstruk­turen durchdringt und schließ­lich den Deckel des selbstreferentiellen Sy­stems sprengt. Weil dieses nur noch seinen eige­nen Gesetzen gehorcht, eignet sich nur ein Korn, das un­ter Geltung die­ser Ge­setze gedeiht. Wir müssen uns ei­nes integralen Wertes des par­­la­men­tari­schen Sy­stems be­­mächti­gen und zum An­griffsinstrument um­funktionieren. Nur dann werden grei­fen sei­ne sy­ste­mimma­nenten Ab­wehr­me­cha­nismen nicht grei­fen. [38] Ein sol­ches Korn gibt es. Wir müs­sen das demokrati­sche Pri­nzip gegen das liberale ausspielen. Die ganze Ei­gen­le­gi­ti­ma­tion des Bonner Staates be­ruht der­ma­ßen auf dem Demo­kra­­tie­prin­zip, die­ses ist so sehr welt­an­schau­lich über­höht und quasi­re­ligiös funk­tio­na­lisiert wor­den, daß es bei Stra­fe ge­sell­schaft­li­cher Acht und Banns nicht in Frage ge­stellt wer­den darf. Der For­de­rung nach mehr Volksab­stim­mun­gen und ­-ent­schei­den kann ohne Ver­stoß ge­gen das de­mo­krati­sche Dogma nichts ent­ge­gen­ge­hal­ten werden. Sie sind der einzige Ausweg aus dem geschlosse­nen Macht­kreislauf ei­nes auf dem stren­gen Repräsentati­ons­prinzip be­ruhenden Par­tei­enstaates. [39] Das Einfor­dern ple­bis­zitärer Mitbe­stim­mungs­rechte dient aber nicht nur dem lang­fristi­gen Ziel, das vom strengen Repräsen­ta­ti­ons­­prinzip abhän­gige oli­garchische Par­teiensystem zu un­terminie­ren, es ist auch Teil einer Strate­gie der Dele­gitimie­rung. Da das System vorder­hand nicht nachge­ben wird - wer sägt schon den Ast ab, auf dem er sitzt - kann einst­wei­len mit Recht auf den offen­kundigen Wider­spruch zwi­schen der no­mi­nel­len Demokratie, in Wahr­heit aber oligarchischen Partei­enstaat sui gene­ris hin­gewiesen werden.

Der Tabubruch

Jede Strategie der Überwindung eines Herr­schafts­systems muß mit seiner De­le­giti­mierung beginnen. Hauptwaffe ist der Tabu­bruch. Er ist der erste Schritt zur nö­tigen Umwertung der Werte. Diese be­ginnt mit dem gezielten Lächer­lich­ma­chen der gegnerischen Ideologeme, so­weit diese nicht angeeig­net und umge­polt wer­den kön­nen wie z.B. das Demokratie­prinzip. Ideen, Ge­dankengebäude, Ideo­logien und Weltan­schauungen sind Waf­fen im zwi­schenmenschlichen Macht­kampf. Begün­stigt ist, wer dem anderen seine Spielre­geln diktiert, zu de­nen seine Ethik und Mo­ral gehören. Politische Kämpfe sind nur vom Standpunkt weltan­schaulicher Überlegenheit aus zu ge­win­nen. Je­de Welt­anschauung ist in ihrem funk­­tionalen Kern Herr­schafts­ideologie und kann daher nur ver­stan­den wer­den, wenn sie in ihrer konkreten hi­sto­ri­schen La­ge, [40] und jede ein­zelne po­li­ti­sche Be­griff­lichkeit, wenn sie in ihrer si­tua­ti­ons­be­ding­ten po­le­mi­schen Funk­tion erfaßt wird. [41] "Da kei­ne zeit­ge­nös­si­sche Par­tei oh­ne ein Sy­stem von phi­lo­sophi­schen oder spe­ku­lativen Grund­sät­zen, die sie an ihre poli­ti­schen und praktischen an­schließt, aus­kommt, so finden wir, daß jede die­ser Parteien, in die die Nation ge­spal­ten ist, ein sol­ches Lehr­ge­bäu­de er­richtet hat, um ihre Ab­sich­ten und Hand­lungen ab­zu­schir­men." [42] "Jedes po­li­ti­sche System braucht seine Sy­stem­ideo­lo­gie, um da­mit die be­ste­hen­de Form der Herr­schaft und der Macht­aus­übung zu legi­ti­mie­ren." [43]


Wer herrschen will, muß zu dienen vor­ge­ben, und zwar einer absoluten Gel­tung bean­spruchen­den ethi­schen Norm, [44] weil seine Herrschaft nur dann akzep­tiert wird. [45] So herr­schen unter Be­ru­fung auf göttli­ches oder Naturrecht diejeni­gen, die jeweils die De­fi­ni­ti­ons­macht be­sit­zen, welche kon­kre­ten For­de­rungen der an­ge­be­tete Gott an die Be­herrsch­ten richtet oder welchen kon­kreten Inhalt das Na­tur­recht angeb­lich hat. [46] Normativisti­sche Fik­tionen las­sen ihren In­ter­pre­ten ge­tarnt im Hin­ter­grund und sollen seine Macht über die­je­ni­gen rechtferti­gen, die an seine Normen glauben. So be­ruht der Herr­schaftsanspruch der Nutznießer des Par­teienstaates auf allerlei Fiktionen, an die man glauben oder es sein lassen kann: et­wa auf der Fiktion von Souve­ränität des Volkes, [47] der Ver­tretbarkeit von Interes­sen, [48] der wei­tergehenden Fik­tion, alle Interessen aller Bürger könn­ten in ei­nem ein­zigen Parlament zu­gleich repräsentiert sein [49] , dem Dogma der Wahr­heitsfin­dung in parla­menta­rischer Debatte [50] , dem Glauben, glück­lich könne man nur unter Geltung ei­nes egali­tär-ego­zentri­schen Men­schen­­rechts­ver­ständ­nisses [51] wer­den und unter der Dunstglocke einer pseudo-hu­­manitaristischen Zi­vil­reli­gion. [52] Der theologische Kern [53] der Men­schen­rechts- und Demo­kra­tie­theo­rie hat alle Säkulari­sie­rungen über­stan­den. [54]

Der Betrug besteht darin, daß die selbst­er­nann­ten Hohe­prie­ster uni­ver­sa­li­sti­scher Menschheits­ansprü­che Unterwer­fung un­ter ih­re Mo­ral­for­de­run­gen mit dem hin­terlistigen Nebeneffekt bean­spru­chen, zu­­gleich ihr In­ter­pre­ta­ti­ons­mono­pol die­ser Mensch­heitsmoral und damit ihre wei­tere Prie­­ste­r­herr­schaft zu akzep­tie­ren. Ihrer Behauptung nach sind Frei­heit, Wohl­stand und Glück nur unter Herr­schaft ih­rer Mo­ral zu erhalten. Für uns Un­gläu­bige stellt sich da­ge­gen die ele­men­tare Frage, warum wir ausge­rechnet an ei­ne uni­ver­selle Moral glau­ben sol­len, die of­fenkun­dig mit unseren Geg­nern oder Kon­kur­ren­ten im Bun­de ist.


Wer sich beherrscht fühlt und befreien möchte, muß das Wech­selspiel zwi­schen fak­ti­scher Herr­schaftsmacht und über­wöl­ben­der Herr­schaftsideo­logie ebenso durch­schauen wie je­der, der selbst gern herr­schen möchte. Herrschen be­deutet, die Spiel­regeln des Zu­sam­menle­bens so zu set­zen, daß die anderen zu tun haben, was die ei­nen wol­len. Herr­schaftsideo­lo­g­ien sind abstrakte Ideen­ge­bäu­de und vermit­teln Ak­zep­tanz von Herr­schaft: Solange die einen tat­sächlich an sie glau­ben, ge­horchen sie "freiwillig" den ande­ren. So gehorchen Mon­ar­chi­sten im Glauben an das Königtum dem Mon­ar­chen, Marxi­sten im Glauben an den Dia­mat oder den Fort­schritt ihrem Par­tei­se­kre­tär, Mus­lime im Glau­ben an Allahs Willen dem Imam und De­mo­kraten im Glauben an die De­mokra­tie den Bun­des­tags­ab­ge­ord­neten, ihren Ge­set­zen und den po­liti­schen Ent­schei­dun­gen ih­res Kanz­lers. Es ge­hört zu den erfolg­reichen Herr­schafts­tech­ni­ken, den Be­herrschten das glückliche Ge­fühl zu schenken, ihr Gehor­sam die­ne Gott oder stehe wenig­sten mit ei­nem universa­len Gesetz in Ein­klang, zum Bei­spiel der Hu­manität, dem Welt­frie­den, dem hi­sto­ri­schen Sieg des Sozia­lismus oder der De­mo­kra­tie. Darum pfleg­te man früher von Got­tes Gnaden und heute im Namen des Vol­kes zu herr­schen. "Je para­die­si­scher das vor­ge­gau­kelte Trug­bild, um so schmerz­lo­ser die see­lische Ver­skla­vung." [55] Es wa­ren und sind die glück­li­chen Skla­ven der Frei­heit größ­ter Feind.


Tabubruch bedeutet demnach die ge­zielte Zer­stö­rung oder Umdeutung der tra­gen­den Werte der Par­teienherrschaft. Diese statuieren im Kern eine Ethik, die denje­nigen nützt, die mit egozentrisch halbier­ter Vernunft nicht er­kennen, daß ih­re per­sönliche Frei­heit des Schutzes durch ei­nen Staat bedarf, und die diesen Staat konsequent erobert und lahmge­legt ha­ben. Die Ethik des Parteienstaa­tes dient letzt­lich der Auf­recht­er­hal­tung eines be­stimm­ten Status quo, in dem sich die fak­ti­sche Macht­po­si­tion der­jenigen nor­ma­tiv aus­prägt [56] und sta­bili­siert, die ih­ren öko­nomi­schen Vor­teil aus ei­ner Wirt­schafts­ver­fas­sung zie­hen, [57] in der ein frei­es Spiel der Kräfte wei­test­mög­lich ist.


Ein zentrales Ideologem des Partei­enstaa­tes ist die unzutreffende Fiktion, das Ge­mein­wohl sei le­diglich die Resul­tante der wider­streitenden, vor­nehm­lich öko­no­misch ver­standenen Interessen. [58] Die utilitari­stische Reduktion auf egoisti­sche In­teressen kann zur Angriffswaffe um­funktioniert werden mit der Frage, ob die zentralen Anliegen der real existie­renden Par­teien in dieser oder jener Weise tat­sächlich den Inter­essen der Deut­schen ent­spricht, z.B. zu den Fragen der Ein­wande­rung, der EG, der Steuerer­höhun­gen, Staatsverschul­dung, Parteien­finan­zie­rung u.w.m. Daß ein jen­seits par­tei­taktischen Kal­küls stehender hand­lungs­fä­higer Staat mit ei­nem durch das Volk ge­wähl­ten und vom Par­lament un­abhän­gi­gen re­gie­renden Präsidenten die Inter­essen des Ganzen und damit die aller Ein­zelnen nachhaltiger vertreten würde, ist je­dem unschwer zu vermit­teln. [59] Die Durchset­zung dieser Forderung würde den Partei­enstaat irre­pa­rabel treffen und das Sy­stem spren­gen. Das selbe Ziel würde mit der prak­tischen Ein­forderung und Durch­setzung des De­mokratie­prin­zips durch Volksabstim­mun­gen über alles und je­des erreicht. Ganz gleich, was da­bei herauskommt: Das Ne­beneinander zweier Gesetzgeber und der fortwährende Legi­timitätsentzug für die Parteien und die Repräsentanten führt zu selbstzerstö­ren­den inneren Widersprü­chen. [60]


Vor allem aber muß jener moralisie­rende Be­grün­dungszusammenhang nach­haltig ge­stört wer­den, der unter Berufung auf das Gute eine schwärme­rische Frem­den­tümelei mit einer Schuld­neurose ver­bin­det und die Unterwer­fung unter die Spiel­regeln des Par­teienstaates mit der hinter­listi­gen Behaup­tung ver­langt, diese seien die Inkarna­tion der Westliche-Werte-GmbH & Co KG, und hier fän­den wir un­se­re historische Bestimmung. Auf dem be­haupteten Zu­sammenhang von Schuld und Buße gründet die For­derung nach nationa­ler Selbstentsagung, die vor­nehm­lich unter Herrschaft der Etablierten ge­währ­lei­stet sei. Weil nur die Herr­schafts­instrumente und Spiel­re­geln des Partei­enstaates die Wiederho­lung von Unsägli­chem si­cher­stellen, sol­len wir sie lie­ben. So sei der Ver­fas­sungspa­trio­tis­mus eine "Chiffre für neue Identi­tät der Bundes­deut­schen... ... ...Von Er­denbal­last ent­la­stet, kann der Verfassungs­pa­triotis­mus alle irdischen Unter­schei­dun­gen zwi­schen Völ­kern und Staaten hinter sich lassen, auf­steigen zur Höhe der rei­nen Normen und weiter zu den Ideen von diesen Nor­men. ... Mit dem Er­folg des Grund­ge­set­zes wächst die Neigung aller Grup­pen, ihre Belange von der Ver­fas­sung her zu legitimieren und ihre Kon­flikte mit ver­fassungsrechtlichen Mit­teln zu lö­sen. Ten­denziell wachsen, aus dem Grund­ge­setz, sei­ner Selbst­be­scheidung zum Trotz, ganz­heitliche Pro­gramme für Kultur, Wirt­schaft, Erzie­hung, Moral ab­zu­lei­ten, seine de­mokrati­schen, sozialen und grund­rechtli­chen Nor­men religiös zu über­hö­hen und die Verfas­sung als säkula­res Glau­bens­be­kenntnis zu deu­ten." [61] Weil sich hier die neuralgi­sche Stelle des Sy­stems befin­det, nämlich ihre ideolo­gi­sche Wurzel, umgibt es sich mit im­mer neuen Tabus und Sprach­re­gelun­gen. Di­ese zu zerstören ist vor­dringlichste Auf­gabe einer geisti­gen Partisanentätig­keit. "Der Be­trof­fenheits-Be­soffenheit kann man nur mit Subversion begegnen. ... Der An­arch, Parti­san oder Dandy ist das ein­zig effek­tive Ge­genbild zum Büro­kra­ten, Ap­parat­schik, Funktionär und Despo­ten." [62] Auswege aus der Sy­stem­krise werden wir nur finden kön­nen, wenn wir sie nach Brechung der uns ver­ordneten Ta­bus wieder denken und ausspre­chen dürfen.

 



[1] Politischer Rundbrief des Hofgeismar­kreises der Jungsozialisten Deutschlands, Jg.2 Nr.1, Februar 1994, c/o Hofgeismar­kreis, Harald Heinze, Richard-Lehmann-Str.57, 04275 Leipzig.

[2] Hans Herbert von Arnim, Staat ohne Die­ner, 1993, S.60, 335.

[3] Erwin K.Scheuch und Ute Scheuch, Par­teien und Politiker in der Bun­des­re­pu­blik (alt) heute, Hrg.Wirtschaftsvereinigung der CDU in NRW, Düsseldorf 1991, S.26; die­sel­ben: Cliquen, Klüngel und Kar­rieren, Hamburg 1992, S.175.

[4] Hans Herbert von Arnim, Ein demokrati­scher Urknall, DER SPIEGEL Nr.51/1993 vom 20.12.1993, S.35.

[5] Peter Berglar, Wie krank ist die Spätde­mokratie? Die Entmündigung des Bür­gers, in: Criticón 1987,153, (154).

[6] Vgl. eingehend Klaus Kunze, Die Teilung der Gewalten, Staatsbriefe 11/1993 S.8, Ro­man Herzog, in Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetzkommentar, Art.20 GG, V. Rdn.29.

[7] Roman Herzog, in Maunz-Dürig-Her­zog,a.a.O. , Art.20 GG, II. Rdn.78, 79.

[8] Ebenso Hans Herbert von Arnim, Hat die Demokratie Zukunft? FAZ 27.11.1993.

[9] Carl Schmitt, Die gei­stes­ge­schicht­liche Lage des heutigen Parla­men­ta­ris­mus, 1923, 7.Aufl.1991, S.11.

[10] Henning Jäde, Die Lebenslüge der Demo­kratie, Herder-Initiative Bd.20, 1977, S.107 (117).

[11] Scheuch, "Cliquen..." a.a.O., zum "Kölner Modell".

[12] Hans Peter Vierhaus, Die Identifizierung von Staat und Parteien - eine mo­derne Form der Parteidik­tatur? ZRP 1991, S.468 (474).

[13] Robert Michels, Zur Soziologie des Par­teiwesens in der modernen Demokratie, 1911, 4.Aufl.1989, S.370.

[14] Michael Stolleis VVDStRL 44 (1958, S.11).

[15] Erwin Scheuch, "Cliquen..." a.a.O. S.50 f.

[16]  Vgl. Scheuch, "Cli­quen..." a.a.O., S.45. Allgemein weicht die Parteipräferenz von Jour­na­li­sten erheb­lich nach links von der­jenigen der Bevölke­rung ab (Zahlen siehe Criticón 1993, S.237).

[17] Erwin Scheuch, "Cliquen..." a.a.O.,S.166 Fn.47 nach Der Tagesspiegel 27.11.199l, Der Hofbericht­er­stat­tung abhold - Wolf­gang Herles kehrt mit 'Streitfall' und 'Köpfe' ins ZDF zu­rück; Stern, in "Münchener Frei­heit" 30.1.1992.

[18] Karl F. einer bekannten Tageszeitung für Deutschland. In einem ähnlichen Fall wur­de der Redakteur Wolfgang Kracht nach Intervention eines Mi­ni­ster­prä­si­den­ten vom Her­ausgeber des Donau­-Kuriers, Wilhelm Reiß­müller, ar­beits­­recht­lich gemaßregelt; vgl. bei Peter Fahrenholz, Wenn ein Jour­nalist Streibls Miß­fal­­len er­regt, in: Frank­furter Rundschau 2.6.1992.

[19] Agnoli in: Ders.-Brückner, Die Transfor­mation der Demokratie, 1967, S.33, 40; Vier­haus a.a.O. S.473. Ebenso Hans Her­bert von Arnim, Die Partei, der Abge­ordnete und das Geld, a.a.O., S.243 ("partiell ähnliche Situation"). Zu­stimmend Horst Meier (Rezension) ZRP 1992, 189 ("nicht von der Hand zu weisen").

[20] Vgl. weiterführend Klaus Kunze, Der to­tale Parteienstaat, 1994, S.16.71, Helmut Stubbe-da Luz, Parteiendiktatur, 1994, S.43-49.

[21] Erwin Scheuch, Interview mit EUROPA VORN 15.3.1992, S.2.

[22] Hans Peter Vierhaus, a.a.O.,473: "Dies ist umso be­denkli­cher, als sich die zwei großen Par­tei­­en in ih­ren Aussa­gen einander annä­hern."

[23] George Orwell, 1984, a.a.O., S.182.

[24] George Orwell, 1984, a.a.O., S.180.

[25] Caspar von Schrenck-Notzing, Abschied vom Parteienstaat, 1988, S.9.

[26] Ralf Dahrendorf, DIE ZEIT v.19.8.1988.

[27] Gottfried Eisermann, Parteikrise - Staats­krise, in: Herder-Initiative Bd.73, 1988, S.85 f. (97 f.), Hrg.Gerd-Klaus Kaltenbrunner.

[28] Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage..., a.a.O. , S.11.

[29] Robert Michels, a.a.O., S.125.

[30] Walter Schmitt Glaeser, Wem nützt das? FAZ 24.5.94.

[31] Martin Kutscha und Anke Engelbert, NJW 1993, 1233.

[32] Caspar von Schrenck-Notzing, Abschied vom Dreiparteiensystem, in: Herder-Ini­tia­tive Bd.73 (Hrg.Gerd-Klaus Kaltenbrunner) 1988, S.121.

[33] Der Republikaner, Ausgabe März 1990, nach einer vom Schreibenden formulierten Presseerklärung des Landesverbandes Nie­dersachsen.

[34] So kam der programmatisch maßgebliche vormalige Leiter der Bundesprogramm­kom­mission und z.Z.stellvertretende Bundes­vorsitzende Dr.Rolf Schlierer in den letz­ten zwei Jahren im Fernsehen zu keinem Wort mehr, vgl. sein Interview in Junge Freiheit v.11.11.1994, S.3

[35] Ernst Otto Maetzke, Ehrendreißigjährige und geplagte Zensoren, FAZ 23.4.1994.

[36] Caspar von Schrenck-Notzing, Criticón 1993,155.

[37] Steffen Heitmann im Interview, Junge Freiheit 35/1994 v.26.8.1994, S.3.

[38] Helmut Schelsky, Die Strategie der Sy­stemüberwindung, FAZ 10.12.1971, Nach­druck Burschen­schaftliche Blätter 1972, 110.

[39] Vgl. im einzelnen Klaus Kunze, Der totale Parteienstaat, 1994, S.149 ff.

[40] Vgl. Panajotis Kondylis, Konservativismus, Ge­schichtlicher Gehalt und Un­ter­gang, 1986, S.16.

[41] Panajotis Kondylis, Macht und Entscheidung, 1984, S.50 ff., 99.

[42] David Hume, Of the Ori­ginal Contract, zit. nach David Levy, David Hume, Cri­ti­cón 1980,4. Vgl auch Johannes Pauli, Zur Bonner Systemideologie, STAATS­BRIEFE 11/1993, S.4.

[43] Bernd Rüthers, Ideologie und Recht im System­wech­sel, 1992, S.47.

[44] Panajotis Kondylis, Macht und Entschei­dung, 1984, S.56.

[45] Nic­colò Machiavelli, Discorsi, I.Buch, 11. Kapitel, Dtsch.Gesamtausgabe, Hrg. Rudolf Zorn, 2.Aufl.1977, S.45.

[46] Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, a.a.O. S.66.

[47] Heute er­füllt der Glau­be, daß alle Gewalt vom Volk kom­me, eine ähnliche Funk­ti­on wie frü­her der Glaube, daß alle obrig­keit­li­che Ge­walt von Gott kom­­me (Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage...a.a.O., S.41). Robert Michaels sprach 1911 tref­fend vom Gott der De­mo­­kra­tie (a.a.O.S.351).

[48] Dagegen kritisch Robert Michaels a.a.O. S.371.

[49] Dagegen im einzelnen Klaus Kunze, Der totale Parteienstaat, S.185 ff.: Jeder hat ein Partikularinteresse, das sich gegen die an­deren richtet, aber auch ein gegenläufiges Interesse an der Integrität des Ganzen.

[50] Dagegen kritisch Carl Schmitt, Die gei­stesgeschichtliche Lage des heutigen Par­lamentarismus, 1923, S.43 in Fußnote 2 m.w.N.

[51] Dagegen Alasdair MacIntyre: Wer an Menschenrechte glaube, könne auch gleich an Hexen und Einhörner glauben, siehe Jo­sef Früchtl, Gibt es Menschenrechte? FAZ 29.1.1992.

[52] Vgl. Klaus Kunze, Liberalismus als Staatsreligion, JF 27/1994 vom 1.7.1994,

[53] Carl Schmitt, Politische Theologie, 1934, S.49.

[54] Hans Magnus Enzens­berger, Aussichten auf den Bürgerkrieg, 1993, S.74.

[55] Edgar Julius Jung, Die Herrschaft der Minderwerti­gen, a.a.O., S.250.

[56] Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3.Aufl.1929, S.337 ff.

[57] Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, 1932, S.66.

[58] Hans Herbert von Arnim, Hat die Demo­kratie Zukunft? FAZ 27.11.1993, Klaus Kunze, Der totale Parteienstaat, S.76 ff., Mancur Olson, Aufstieg und Niedergang von Nationen, 1991, S.53 f., 187, 260 u.a.

[59] Klaus Kunze, Der totale Parteienstaat, S.170 ff.

[60] Carl Schmitt, Legalität und Legitimität, 1932, S.23, 29.

[61] Josef Isensee, Staatsrepräsentation und Verfassungspatriotismus, Criticón 1992,273.

[62] Gunnar Sohn: Dandies, Anarchen, Parti­sanen - Der Waldgang und die Unterwande­rung des     Parteienstaates, Criticón 1993,128.

 


Anmerkung 18.8.2019:

Sind Linksextremisten nur dumm, oder sind sie einfach Lügner?

In einem sogenannten Interview der linksextremen Zeitung der freitag mit der Linksextremistin Franziska Schutzbach
https://www.freitag.de/autoren/michael-angele/was-ist-rechte-rhetorik
behauptet diese über mich:

"Es geht um eine schleichende Infragestellung von Egalität. Das ist zentral in der rechten Agenda und wird auch so proklamiert, man will kein gerechtes System für alle, sondern nur für manche, für seinesgleichen. So empfiehlt zum Beispiel der Rechtsintellektuelle Klaus Kunze in seinem Aufsatz Wege aus der Systemkrise man müsse das der „Grundgesetzkonstruktion“ und den „verfassungsrechtlichen Normen gehorchende System“ der Gleichheit unterwandern und zerstören, da es, wie er bedauert, allen Gruppen und Menschen ermögliche, ihre Belange geltend zu machen. Deshalb solle man, wie er schreibt, laufend den Terror von Minderheiten beklagen."

Nun ist der von ihr bemühte Artikel hier seit Jahren nachzulesen, und wer lesen kann, sieht: Was da behauptet und zitiert wird, ist frei erfunden. Tatsächlich steht hier:
„Der Bundestag ist das Zentrum und der Machtträger des durch die Grundgesetzkonstruktion gebildeten und verfassungsrechtlichen Normen gehorchenden Systems der parlamentarischen Demokratie.“
und an ganz anderer Stelle weiter unten:
„Tendenziell wachsen, aus dem Grundgesetz, seiner Selbstbescheidung zum Trotz, ganzheitliche Programme für Kultur, Wirtschaft, Erziehung, Moral abzuleiten, seine demokratischen, sozialen und grundrechtlichen Normen religiös zu überhöhen und die Verfassung als säkulares Glaubensbekenntnis zu deuten,"
wobei dies ein gekennzeichnetes Zitat des berühmten Bonner Staats- und Verfassungsrechtlers Prof. Josef Isensee ist. Frei erfunden hat Schutzbach, ich würde empfehlen, „das System der Gleichheit zu unterwandern und zu zerstören“, und ich würde „bedauern“, daß es „allen Gruppen und Menschen ermögliche, ihre Belange geltend zu machen. Deshalb solle man, wie er schreibt, laufend den Terror von Minderheiten beklagen.“