Klaus Kunze
- Publizierte Zeitungsartikel (Auswahl) -
 

Bildungs­lücke

von Klaus Kunze

(Publikation: „Student“ Dezember 1978)

 

Daß der Hinweis auf wissenschafllich längst bewiesene Fakten auch 1978 noch geifernde Angriffe ideologischer Dogma­tiker nach sich ziehen kann, bewies das wütende Aufheulen sämtlicher marxisti­scher Studentengruppen an der (Uni Köln, ja selbst bis hin zu den Libera­listen, nach­dem der Kölner RFS (Ring Frei­heitlicher Studenten) seine "Leitgedanken zur Bil­dungs- und Hochschulpolitik" erst­mals der studentischen Öffentlichkeit vorstellte.­ Neben seinem universalisti­schen (Hum­boldt­schen) Bildungsbegriff unterscheidet sich der RFS von allen anderen Hoch­schulgruppen durch sein Menschenbild. Während jene egalitaristi­schen Gleich­heitssehnsüchten Rousseau­scher Herkunft nachhängen, sieht der RFS die Freiheit des einzelnen in diesem ideologischen Streckbett gefährdet. Poli­tik sollte nicht für den Menschen gemacht werden, wie man ihn gerne hätte, sondern für den Men­schen, wie er nun einmal ist.

 

In diesem Zusammenhang ver­weist der RFS auf die aktuellen Forderungen aus dem Erkennt­nissen der Anthropologie, Biologie, Ge­netik, Ethologie und Psycho­logie, die seit Jahrzehnten beweisen, daß der Mensch nicht als unbeschriebenes Blatt auf die Welt kommt und nicht voll­ständig von seinem Mi­lieu geformt wird. Wie ins­besondere die For­schungsergeb­nisse des Nobelpreisträgers Kon­rad Lo­renz. (aber auch so bedeutender Wissen­schaftler wie H.-J. Eysenck (London), Eibl-­Eibesfeldt (München), Portmann, Ardrey, Jen­sen (USA) und vieler anderer beweisen, nimmt der Mensch im Wir­kungsgefüge der ihn umgebenden Natur keineswegs eine Sonderstellung ein. Auch der Mensch kommt mit einer bestimmten Triebverfas­sung auf die Welt, mit Be­dürfnissen und individuellen Fähigkeiten. Wie jedes Ehe­paar mit zwei Kindern weiß, besitzt trotz identischen Milieus jeder Mensch andere Anlagen, Fähigkei­ten und Schwächen.

 

Nach diesen verschiedenen Begabungs­schwerpunkten hat sich nach den Leitge­danken des RFS jede Bildungspolitik zu richten, die dem Anspruch auf Humanität gerecht werden will. Er fordert ein diffe­renziertes Bildungssystem mit beschüt­zender Förderung für Leistungsbe­hinderte und vollen Entfaltungsmöglichkeiten für Hochbegabte.

 

In den Flugblättern des MSB Spartakus liest sich dies freilich anders, für den jede Ketzerei gegen das egalitäre Dogma schle­chthin "braun" ist. Das war zu erwar­ten. Unerwartet meldete sich jedoch auch der RCDS ("für eine­ offene Gesell­schaft") zu Wort, nannte die For­derung nach bestmöglicher Förderung der je­weili­gen individuellen Fähigkeiten "elitär" und versuchte dem RFS gar un­terzuschieben, dieser wolle »nur eine kleine Elite« zum Hochschulstudium prädestiniert wissen. Offen­bar ist der Ring Christlich-Demo­kratischer Studen­ten der Meinung, Gott habe alle Men­schen nicht nur nach sei­nem Bilde, son­dern auch untereinander völlig gleich geschaffen! Kein Wunder, daß der RFS auf die lange Un­terdrückung des ko­perni­kanischen Weltbildes durch die Kir­che und die Ablehnung der Rela­tivitäts­theorie durch den NS-Staat als jüdi­sche Physik verweist. Heute seien es linke und links­liberale Ideologen aller Schattierun­gen, die mit verschlossenen Augen und ratten­hafter Wut ihr Lieb­lingsdogma von der absoluten Gleichheit (die es de jure zwar vor dem Ge­setz gibt, worum es hier aber gar nicht geht) aller Menschen ver­teidi­gen und gesicherte Er­kenntnisse gan­zer Wissenschaftsdiszipli­nen ignorieren, weil diese die Funda­mente ihrer politi­schen Theorien in Frage stellen.