(Publikation: WJK-Journal 3/2000)
Es
ist ein verbreiteter Irrtum, Recht als etwas Absolutes und Statisches
anzusehen. Es gibt nicht ein Recht und ein Gerechtigkeitsideal,
sondern vielleicht so viele, wie es Menschen gibt. Unter Worten
wie Gerechtigkeit kann man darum ganz Verschiedenes
verstehen. Kein Gesetzgeber kommt ohne unbestimmte Begriffe aus
wie Gemeinwohl oder öffentliche Ordnung, die
bei bloß philologischer Betrachtung noch keinen konkreten Inhalt
haben. Erst vor dem Hintergrund eines konkreten Volkes oder einer
konkreten Lage ist bestimmbar, was das Gemeinwohl ist, nur vor
dem Hintergrund konkreter staatspolitischer Vorstellungen, was
die jeweilige öffentliche Ordnung ist. Je abstrakter und allgemeiner
ein Begriff formuliert ist, desto inhaltsleerer ist er. Solche
Begriffe sind dazu geeignet und bestimmt, je nach Zeitgeschmack
und ideologischem Bedürfnis mit völlig verschiedenen Inhalten
gefüllt zu werden.
Ohne
daß einen Federstrich am Gesetz geändert zu werden brauchte, erfüllt
der gute alte Rechtsbegriff von der öffentlichen Ordnung, bei
deren Störung Polizei tätig werden darf, ihren Zweck: nur war
die Ordnung und besonders ihre Störung etwas ganz unterschiedliches
bei Kaiser Wilhelm, in der Weimarer Zeit und so weiter. Ein nackter
Busen am Kiosk störte noch 1959 die öffentliche Ordnung, vierzig
Jahre später nicht mehr.
Jedem
Rechtsbegriff wohnt eine bestimmte Moral inne, und er läßt sich
im Lichte geänderter Ideologie immer wieder anders interpretieren.
Dies ist ein Schlüssel zum Verständnis der heutigen Uminterpretation
des Verfassungsrechts, wie sie von Parteien, Behörden und Gerichten
vorgenommen wird.
1952
hatte das BVerfG noch formuliert: "Für das deutsche Volk
hat die Reichsidee einen besonderen Gefühlswert. Nach den
bitteren Erfahrungen der deutschen Geschichte ist sie der
Ausdruck der Sehnsucht des deutschen Volkes nach nationaler
Einheit. Von dieser, bester deutscher Tradition entsprechenden
Reichsidee unterscheidet sich der Reichsgedanke der SRP."
Am
16.3.1999 beurteilte das LG Coburg einen Rennicke-Liedtext als
schwer jugendgefährdend und verurteilte einen Schallplattenhändler
zu zwei Monatseinkommen Geldstrafe mit folgender Begründung:
"Die Texte der CD propagieren in eindeutiger Sympathie mit
dem Gedankengut des Nationalsozialismus ein Deutsches Reich
in den Grenzen von 1937." Eine Landkarte mit diesen, durch
das Versailler Diktat gezogenen Grenzen hat übrigens noch in meiner
Schulzeit in Klassenzimmern gehangen. Ich nenne dieses Beispiel
nicht bloß wegen seiner beispiellosen historischen Ahnungslosigkeit,
sondern zum unmittelbaren Vergleich mit dem BVerfG-Urteil von
1952 zum Stichwort Reichsidee. Wir sehen hier exemplarisch,
wie unter Geltung einer anderer ideologischen Vorwertung des Richters
aus einem Wertbegriff ein Unwertbegriff und aus einem Ideal etwas
Strafbares werden kann, ohne daß sich nur ein einziges Komma
an irgendeinem Gesetz ändern mußte.
Ich
zitiere weiter aus dem Coburger Urteil, um recht plastisch hervortreten
zu lassen, wie alle Rechtsanwendung, hier die des Gesetzes gegen
jugendgefährdende Schriften, mehr oder weniger ideologiegesättigt
ist und nicht ohne ideologische Vorwertungen auskommt: "Durch
die eindeutig chauvinistisch-revanchistischen Textpassagen",
heißt es also im Coburger Urteil, "wird dem jugendlichen
Hörer die nazistische Doktrin und Ideologie von der Überlegenheit
der deutschen Rasse mit ihrem Anspruch auf die im Weltkrieg verlorenen
Territorien als erstrebenswertes politisches Ideal vorgestellt.
[...] Mit diesem Weltbild [...] wird die Erziehung junger, noch
unreifer Menschen zu sittlich verantwortungsbewußten Persönlichkeiten,
die in ihrem Nächsten nicht nur den Volkszugehörigen, sondern
entsprechend der christlich-abendländischen Kultur vor allem
auch den Mitmenschen sehen, geradezu in ihr Gegenteil verkehrt."
-
Damit
sind die Stichworte gefallen, um die es dem Richter geht: Jugendgefährdend
und damit strafbar ist es, ein Lied in Versandlisten anzubieten,
das nicht dem erstrebenswerten politischen Ideal des Richters
und seiner Idee vom christlichen Abendland entspricht. Heute,
das nehmen wir zur Kenntnis, ist nicht mehr ein nackter Busen
am Kiosk jugendgefährdend, sondern ist es Schlesien in Liedern
junger Menschen. Das ist es, was ich als Uminterpretation bezeichne.
Welche
Ziele haben nun die Uminterpretatoren? Die an die Macht gekomenen
Multikulturalisten möchten mit den Deutschen als Volk bestimmte
geistige Traditionslinien ausmerzen. "'Deutsche Antifaschisten'",
schrieb der Politikwissenschaftler Knütter in seinem Buch Die
Faschismus-Keule, "vertreten
eine These der anti-deutschen Propaganda des Zweiten Weltkrieges:
Der Nationalsozialismus sei das zwangsläufige Ergebnis
autoritärer, kriegerischer, obrigkeitsstaatlicher, antiliberaler
Tendenzen der deutschen Geschichte. Für die 'progressiv'-hedonistischen
Intellektuellen stellt der ordnungsliebende, autoritätshörige,
aggressive, 'ausländerfeindliche' Deutsche den Gegentypus
des progressiven Ideals dar. Der 'Antifaschist' wird damit
automatisch zum Gegner deutschen Wesens, deutscher Tradition
und nationalen Selbstbewußtseins."
[1]
Er hofft, "daß
in einer nicht allzu fernen Zukunft die Mitte Europas nicht
mehr von einer deutschen Nation bewohnt werden würde, die ihr
Geschichtsbewußtsein, nach der Korrektur von allzu einseitigen
Anklagen, auf neue Weise begründet hätte, sondern von einer
multiethnischen Bevölkerung, die, wie man meint, den Frieden
der Welt sichern sowie einen höchst erwünschten Beitrag zum
Ausgleich der Lebensverhältnisse auf der Erde leisten würde.
[...] So wie einst an die Stelle der geschichtlichen Nation
die naturhafte 'Rasse' treten sollte, so soll heute die Nation
oder das Staatsvolk durch eine nicht mehr geschichtliche Bevölkerung
der Supermarktzivilisation abgelöst werden."
[2]
In diesem Sinne forderte ein Pseudonymus
aus Trittins Geistesverwandtschaft
[3]
aggressiv antideutsch und "umgekehrt"-rassistisch
die Schaffung einer "höheren" Menschheitsmischrasse,
weil das deutsche Volk ohnehin inzüchtig-dekadent sei: "Die
Gesetzgeber aller Länder sind nun gefordert. Ehen unter Gleichhäutigen,
Gleichhaarigen und Gleichäugigen müssen strikt untersagt
werden. Ziel: Hebung des globalen Intelligenzquotienten.
[...] Helfen Sie [...] mit, den Homo futurus [...] zu schaffen."
In
ihrem pathologischen Selbsthaß möchten Mulitikulturalisten bewußt
die kulturelle, dann die politische und schließlich die physische
Existenz des deutschen Volkes zerstören. In einem derartigen,
im Verfassungsschutzbericht 1990 abgedruckten Grundlagenpapier
der aus dem Kommunistischen
Bund, in dem Minister Trittin einmal Mitglied gewesen war,
hervorgegangenen Radikalen Linken heißt es: "Die
Linke müsse den Haß auf das eigene Vaterland schüren und dieses
bekämpfen. Das erklärte Ziel sei die Zerstörung des deutschen
Staates und die Auflösung des deutschen Volkes in eine multikulturelle
Gesellschaft."
[4]
Es
kann niemand die Welt oder Rechtsbegriffe deuten, ohne dabei auf
eine Ideologie zurückzugreifen. Eine komplette Wertordnung oder
Ideologie steckt bereits im geltenden Grundgesetz und verbietet
dem Richter, Rechtsbegriffe mit seiner Privatmeinung zu füllen.
So gesehen stellt es eine verfassungswidrige Verdrehung des Rechts
dar, wenn Richter nicht die Wertordnung des Grundgesetzes zum
Maßstab der Rechtsanwendung machen, sondern eine andere, heute
meist eine extrem linksliberale und kosmopolitische. Wer die
Wertordnung des Grundgesetzes absichtlich verdreht, muß sich den
Vorwurf gefallen lassen, ein Verfassungsfeind zu sein oder gar,
mit der Umdeutung des Grundgesetzes der Deutschen in eine Art
multikulturelles Monopoly einen kalten Verfassungsputsch zu betreiben.
Das
Problem besteht aber darin, daß all jene Verfassungsfeinde, auf
die ich oft in Richterroben stoße, gar keine bösen Leute sind
und schon gar keine bewußten Verfassungsputschisten. Sie wissen
nämlich nicht, was sie tun, weil sie Praktiker sind und ihnen
die rechtstheoretischen und rechtsphilosophischen Kenntnisse
fehlen. Sie legen die Gesetze vor dem Hintergrund ihrer persönlichen
Weltanschauung aus. Diese ist durch Schulen, Universitäten und
Fernsehen vorgeformt im Sinne der heute tonangebenden linken Weltsicht.
Der Durchschnittsrichter vermag nicht zu reflektieren, daß er
ideologisches Kind seiner Zeit ist, und bemerkt nicht mehr, wie
weit er sich von der Wertordnung des Grundgesetzes entfernt. Hinzu
kommen erschreckende Mängel historischer Bildung, wie sie etwa
aus obigem Zitat des LG Coburg sprechen. Der Durchschnittsstrafrichter
entscheidet jahrein, jahraus über Diebstähle und Trunkenheitsfahrten
und ist hoffnungslos überfordert, wenn er einmal in zehn Jahren
entscheiden muß, ob ein Lied jugendgefährdend ist. In jeder Zeit
herrscht ein sogenannter Zeitgeist, der auch Richter vorprägt.
Wer Karriere machen will, muß ideologisch mit den Wölfen heulen.
Menschliche Ideologien entwickeln sich in einer analogen Weise, wie
sich bei Tieren und Pflanzen bestimmte Eigenschaften durch Mutation
und Selektion ausprägen. Ein Bein oder eine Flosse oder ein Flügel
sind prinzipiell gleichwertige Fortbewegungsmittel. In einer bestimmten
Umwelt ermöglichen sie aber mehr oder weniger gutes Fortkommen,
und so pflanzten sich jeweils diejenigen Populationen stärker
fort, die ihrer Umwelt am tauglichsten angepaßt waren. Auch das
Sichanpassenkönnen selbst ist überlebenswichtig: Mehrere Arten
überstraußengroßer, schmackhafter Laufvögel mit kleinen Flügeln
sind allein in den letzten tausend Jahren ausgestorben. Es sind
auch schon viele Völker verschwunden, deren starre Kultur und
Weltanschauung einem plötzlichen Zusammenprall etwa mit Europäern
nicht gewachsen war.
Prinzipiell
ist es gleichwertig, ob ein Volk an Manitu glaubt oder an Jesus,
an das Militär oder an die Friedenstaube, an die Demokratie oder
an das Königtum. Je nach jeweils wechselnder geographischer,
historischer, demographischer Lage eignet sich der eine, der andere
oder auch ein ganz neuartiger Glaube dazu, erfolgreich zu überleben.
Innerhalb einer konkreten Umwelt wird immer derjenige Mensch oder
dasjenige Volk erfolgreich sein, der seinen Ehrgeiz einigermaßen
mit den Zeitverhältnissen in Einklang bringt. Mit dem Glauben
und dem Verhaltensrepertoir eines Ernst Moritz Arndt läßt sich
heute in Deutschland keine persönliche Karriere machen, und mit
dem Satz Wir Deutsche fürchten
Gott, sonst nichts keine erfolgreiche Außenpolitik.
Dasselbe
gilt innerstaatlich wie international: Wenn ein Volk auch lauter
kleine Leonidasse sein möchte wie soeben die Serben, hätten sie
mit völkischer Ideologie und starrer Orthodoxie in anderen Zeitläuften
Erfolg: nicht aber in der westlichen Hemisphäre, in der Interessen
unter dem Vorzeichen der Humanität und des Internationalismus
verfolgt werden. So steht die Prämie auf Erfolg und auf Überleben
in analoger Weise im Tierreich, für den Einzelmenschen in der
Gesellschaft und für eine Nation unter anderen jeweils demjenigen
zu, der das für seine Zeit Richtige tut. Diese Einsicht war es,
die wahre Ideologen und Gläubige jeder Couleur Herrn Machiavelli
nie verziehen haben.
Wer
es aber begriffen hat, der tut immer nur gottgefällige Werke und
erklärt es für baren Zufall, daß diese am Ende seine Macht vermehren.
So gesehen war es die reinste Selbstaufopferung Spaniens für die
armen Heidenkinder Mexikos, Konquistadoren auszusenden, so gesehen
bombardierten die Allierten unsere Städte wegen unserer schönen
blauen Augen und um uns von diesen schrecklichen Nazis zu befreien.
Und so gesehen müssen die vom Irak eroberten paar Kuwaitis den
Amerikanern immer noch dankbar sein, weil Amerika in Kuwait ihr
Selbstbestimmungsrecht rettete.
Wie
man im Mittelalter im Namen Gottes Interessen- und Eroberungspolitik
betrieb, betreibt man sie heute im Namen des Internationalismus,
Kosmopolitismus und Humanitarismus. Sie sind die heilige Dreifaltigkeit
unserer Zeit. Einzelmenschen und Völker können mit ihnen siegen
oder gegen sie sterben, diese freie Entscheidung haben wir alle
noch.
Schon
mehrfach in der Geschichte gab es diesen Wechsel: vom Nebeneinander
heterogener Völker und Kulturen zu einem imperialen Großreich,
das diese Unterschiedlichkeit nivellieren mußte, um stabil zu
bleiben. Wer einem unterworfenen Volk nicht erfolgreich erklärt,
daß sein Stammesgott ein Teufel ist, wird nicht dauernd herrschen.
Je
stärker der Strom von Menschen, Waren und Informationen innerhalb
eines Großreiches ist, desto mehr Menschen werden ihrer engeren
Heimat entfremdet und entwurzelt. Großreiche wie das Alexanders
und das römische brachten Menschenmassen verschiedener Herkunft
und Glaubens unter ihre Kontrolle und verwandelten sie in lenkbare
Massenmenschen. Je umfassender eine Herrschaft sich geographisch
ausdehnt, desto dringlicher ist ihr Bedürfnis nach einer universalen
Herrschaftsideologie. Das Bedürfnis nach einer universalistischen
Moral ist ein wechselseitiges: Wer als Entwurzelter fern der
Heimat unter fremden Anschauungen lebt, muß sich trösten und
eine Moral der Heimatlosen annehmen, eine überall brauchbare
Ethik der Bindungslosen, der Zerstreuten, der Entorteten. In
dieser Lage befanden sich die Menschen im ersten historischen
multiethnischen Großreich: dem Alexanders
und der folgenden Diadochen.
Es
gibt einen direkten Zusammenhang zwischen der allumfassenden
Kosmopolis des Hellenismus und der Ausbildung universalistischer
Ideen, ebenso zwischen dem Heiligen Römischen Reich und der Reichsidee
des christlichen Mittelalters und der US-amerikanischen One World
und ihrer humanitaristischen Zivilreligion. Für den moralisierenden
Handelsstaat fand schon der in Athen wohnende Phönizier Zenon,
ein schwerreicher Händler, die passende Ideologie: eine universalistische
Weltsicht, nach der alle Verwandtschaftsverbindungen und Stammespflichten
vor der Tugend zurückzutreten hätten.
[5]
Hier entstand der Gedanke eines menschheitsumspannenden
Naturrechts.
Eine
analoge Entwicklung hat sich während des 20. Jahrhunderts abgespielt:
Wieder gewinnen in den Quasi-Vielvölkergebilden USA und Europa
universalistische Vorstellungen an Boden, so daß Kosmopoliten
und Globetrotter sich überall heimisch fühlen dürfen. Der
geistige Anspruch einer Menschheitsmoral hat aber auch immer
eine polemische Spitze. Sie richtete sich zunächst gegen diejenigen
Staaten, die sich der Zumutung widersetzten, sich die amerikanischen
Ansichten von Moral, Demokratie und Freiheit zu eigen zu machen.
Früher war das Deutschland, heute ist es Jugoslawien.
Staaten
pflegen wie Individuen ihre Interessen heute im Vokabular universaler
Zielsetzungen und weltumspannender Sozialentwürfe zu formulieren.
[6]
Sie begründen heute den universalen
Geltungsanspruch einer konkreten Weltmacht, unter Berufung
auf das, was sie als Menschenrecht definiert, notfalls global
militärisch einzugreifen. Vom Standpunkt ihres universalistisch-imperialistischen,
raumaufhebenden Weltrechtse aus sind unabsehbare 'humanitäre'
Interventionen völkerrechtlich zulässig.
[7]
Sie sind im Völkerrecht die typischen
Waffen des Interventionismus: eine imperialistische, unter
humanitären Vorwänden in alles sich einmischende, sozusagen
pan-interventionistische Weltideologie.
[8]
Sie
predigt nicht ganz zufällig, aber subjektiv guten Willens den
Glauben an eine Menschheitsmoral, auf deren Fuß die Weltbank
folgt. Jede Ideologie mit universalem Anspruch ist eine objektive
Bedrohung für jedes Volk, das geistig eigenständig bleiben will.
Im lebenswichtigen Punkt seines Glaubens, seiner Moral, seiner
Werte gleichgeschaltet und fremdbestimmt, treibt das Volk
"der Auflösung entgegen: zur Gegenwehr nicht nur unfähig,
sondern auch unwillig."
[9]
Das
Staatsvolk der Deutschen ist Träger von Staat und Verfassung,
der Demos im Sinne unserer Demokratie als Staatsform. Seit der
letzten Bundestagswahl sind parteipolitische Vertreter der
entgegengesetzten Meinung mit zur Regierung gekommen: Manche
wollen das als Abstammungsgemeinschaft begriffene deutsche
Volk aus ideologischen Gründen in eine multikulturelle Bevölkerung
transformieren. Andere geben sich pragmatisch und meinen, der
faktischen Einwanderung müsse durch eine Änderung des Verfassungsverständnisses
Rechnung getragen werden. So will man bei der Staatsangehörigkeit
das ius sanguinis aufgeben
und die Staatsangehörigkeit kraft Geburt in Deutschland verleihen
(ius soli).
Um
den Staat der Deutschen, festgeschrieben im Grundgesetz, vollends
in eine multikulturelle Gesellschaft zu überführen, müßten
alle Anknüpfungspunkte an das deutsche Volk und die von ihm ausgehende
Staatsgewalt aus der Verfassung gestrichen werden. Dahin geht
die Tendenz. In einem ersten, noch bloß weltanschaulichen Schritt
soll die Vaterlandsliebe durch Verfassungspatriotismus ersetzt
werden. In einem zweiten Schritt muß die Verfassung erst uminterpretiert
und schließlich geändert werden: Politikwissenschaftler wie
Dieter Oberndörfer vertreten bereits die Meinung
[10]
, wo das Grundgesetz an die deutsche
Volkszugehörigkeit anknüpfe, handele es sich um "verfassungswidrige
Verfassungsnormen" im Grundgesetz - verfassungswidrig
nämlich im Lichte eines multikulturellen ideologischen Vorverständnisses.
Solche Verfassungsnormen müßten abgeschafft werden, "um
eine zivilisierte Einwanderungsgesellschaft zu ermöglichen".
Auf
dieser Linie liegt die Argumentation des Landes Rheinland-Pfalz
in einer Berufungsbegründung vom 4.9.1998. Prof. Hufen rechtfertigt
dort für das Land, was als eine Transformation des Staates durch
Verfassungsschutz oder auch als kalter Verfassungsputsch bezeichnet
werden muß. Während ein ideologisch ahnungsloses Landrichterlein
nicht merkt, was es tut, müssen wir von einem Verfassungsputsch
sprechen, wo bewußt das deutsche Staatsvolk unserer Demokratie
abgeschafft und durch eine multikulturelle Bevölkerung ersetzt
werden soll, zu deren Beitritt allenfalls eine Gesinnungsprüfung
berechtigt.
Anders
als es der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entspricht,
so argumentiert das Land Rheinland Pfalz vor dem OVG Koblenz,
müsse man in den Text des Grundgesetzes heute schon mehr hineininterpretieren.
Die Verfassungsordnung, bekannte dessen Prozeßvertreter, gelte
aber nicht wie ein Königswort ohne Drehen und Deuteln. Es komme
darauf an, "normative Begriffe wie freiheitliche demokratische
Grundordnung
und Menschenwürde
nicht statisch zu interpretieren." Anders als vor dreißig
Jahren müsse man in diese Begriffe heute hineinlesen, was dem
friedlichen Zusammenleben von 7 Mio. Ausländern mit uns diene
und was dafür erforderlich sei.
In
einem neusten Schriftsatz vom 26.2.1999 vertritt das Land ausdrücklich
die Ansicht, Art.20 GG garantiere "die Republik als eine
Verfassungsordnung der friedlichen Koestistenz von Rassen und
Kulturen."
[11]
Tatsächlich lautet die Vorschrift: "Die
Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer
Bundesstaat. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom
Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der
Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung
ausgeübt. Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung,
die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Recht und
Gesetz gebunden."
So
wird die Verfassung wie eine Wundertüte benutzt, aus der man
jeden beliebigen ideologischen Inhalt herauslesen kann. Darin
liegt ein Abschied von der Fiktion der unverbrüchlichen "Herrschaft
des Gesetzes". Wer das Gesetz durch einen Vorbehalt wechselnder
ideologischer Auslegungen relativiert, verändert die Natur
des politischen Konflikts: Er wird nicht mehr mit rechtlichen,
sondern mit ideologischen Waffen ausgetragen. Er geht den Weg
vom Rechtstaat zum Weltanschauungsstaat.
"Nach
der in Art.79 III GG zum Ausdruck kommenden Konzeption des Grundgesetzes
ist ein Kernbereich der Verfassung jeder Änderung entzogen. Überdies
verbietet sich die ausdehnende Neuinterpretation des Klägers
durch Art.79 I 1 GG, weil das GG nur durch ausdrückliche Wortlautänderung
geändert werden darf, auch wenn sich die Verhältnisse geändert
haben sollten. Vorliegend bewegen wir uns im sensiblen Kernbereich
des Art.79 III GG. Die Menschenwürde ist nämlich der begriffliche
und ideelle Kern dessen, was jeder Änderung entzogen ist: nicht
nur jeder gesetzgeberischen, sondern auch jeder interpretatorischen
Änderung durch die Gerichte. Die Gerichte dürfen und müssen
den Rechtsbegriff der Menschenwürde zwar auslegen, ihn aber nicht
verändern. Eine Veränderung stellt es dar, von der Objektformel
abzuweichen und dem Begriff einen ganz anderen Inhalt zu unterlegen.
Nach der Objektformel darf kein Mensch unter Verstoß gegen seine
Würde zum Objekt staatlicher Gewalt herabgewürdigt werden. Insoweit
ist die Menschenwürde staatlich zu schützen. Hingegen darf der
Begriff der Menschenwürde nach richtiger herrschender Ansicht
nicht zum Füllhorn alles und jedes ideologisch Wünschenswerten
mißbraucht werden, auch nicht zur Hintertür für die von Klägerseite
etwa beabsichtigte Umgestaltung Deutschlands zu einer multikulturellen
Gesellschaft, in welcher der Staat unter Berufung auf die Menschenwürde
für ein Nebeneinander mehrerer Kulturen auf deutschem Boden aktiv
zu sorgen hätte."
[12]
Die
international arbeitsteilige Massenzivilisation ist für ihr reibungsloses
Funktionieren darauf angewiesen, daß Ströme von Menschen, Waren
und Dienstleistungen grenzenlos hin- und hergeschoben werden
können. Ebenso wie in einer kalten Bergumwelt Tiere mit dickem
Fell einen Überlebens- und Vermehrungsvorteil haben, so besitzen
in der Welt-Industriegesellschaft diejenigen Einzelmenschen
Karrierevorteile, die sich auf ihre Bedingungen funktional und
ideologisch voll einlassen, also wanderungsbereit sind und sich
den Gesetzmäßigkeiten des Geldmarktes optimal anpassen. In einer
Tierwelt des Fressens und Gefressenwerdens hat Vorteile, wer gute
Zähne hat und frißt, und in einem Weltkapitalmarkt, wer Kapital
hat und dieses einsetzt, ohne danach zu fragen, ob seine Geldvermehrung
zu einer Rodung von Urwald oder einem Zustrom fremder Arbeitskräfte
in ein Land führt. Der optimal Angepaßte und darum nach den Spielregeln
der One World Erfolgreichste sollte darum dieses Persönlichkeitsprofil
haben: Um nirgends anzuecken und sich überall anpassen zu können,
sollte er keine festen Wurzeln und Bindungen zu einer bestimmten
Nationalität haben, sondern überall bereit sein, sich oberflächlich
anzupassen. Hinsichtlich seiner Ideologie dürfte er aber nicht
anpassungsbereit sein. Er muß nämlich die Umweltbedingungen erhalten,
denen er so gut angepaßt ist, muß also eine Ideologie global durchzusetzen
streben, nach der alle Menschen ihre kulturelle und nationale
Identität geringer achten als die Menschenrechte auf freie weltweite
Migration, auf Unterordnung nationaler Interessen unter die Regeln
des internationalen geldmarktes und so weiter.
Für
einen Staat gilt notwendigerweise dasselbe: Ein Staat ist unter
den derzeitigen Bedingungen des Weltmarktes und der Welt-Massenzivilisation
ökonomisch im Vorteil, der keine feste ethnische Struktur aufweist,
jederzeit offen für Migrantenströme ist und diese sogar als Ressource
zu nutzen versteht. So ist es kein Zufall, wenn Gerhard Schröder
am 15.4.1999 vor dem Bundestag in einem Atemzug erklärte, die
feste Einbindung Deutschlands in die westliche Gemeinschaft sei
Staatsräson, und Ziel der Bombenangriffe auf Serbien sei ein
multiethnischer Kosovo, in dem die Völker friedlich zusammenleben
könnten. Hier bombardiert die Bundesrepublik Deutschland, könnte
man glossieren, die multikulturelle Gesellschaft herbei, und
hier verfestigt sie sich zur heimlichen neuen Staatsräson.
Sieht
man nur die Erfordernisse der Ökonomie und des internationalen
Geldwettbewerbs, dann handelt unsere Regierung völlig konsequent
und richtig nach innen wie nach außen, wenn sie Multikulti im
Kosovo herbeibombt und wenn deutsche Richter Multikultigegner
in Gefängnisse stecken. Hier besteht ein enger Ursachenzusammenhang,
den ich nachdrücklich betonen muß, um deutlich zu machen, in welche
globalen Zusammenhänge der Linkskurs der deutschen Justiz eingebettet
ist. Es ist keinesfalls ein Sonderweg versprengter linker Richter,
sondern liegt voll auf Kurs derjenigen Kräfte in Deutschland,
die sich ideologisch den ökonomischen Erfordernissen unserer Zeit
optimal angepaßt haben. Darum wäre jede Hoffnung auf einen Kurswechsel
illusionär, im Gegenteil, die Repression wird wachsen.
Die
Argumentation des Landes Rheinland-Pfalz in einem der Verfassungsschutzprozesse
erhellt die wahre Natur jedes Rechtskonfliktes, hinter dem immer
ein ideologischer und wieder hinter dem ein Interessenkonflikt
steht. Unterschiedliche konkrete Interessen sind es nämlich, die
sich in antagonistischen abstrakten Idealen ausdrücken. Klugerweise
erklärt jeder, er kämpfe für eine ideale gute Sache, nicht etwa
für seine Interessen, daß klänge zu banal und egoistisch. So kämpfen
die USA stets für Ideen wie die Humanität, und nur wer dahinter
blickt, findet hinter den schönen Worte regelmäßig die Interessen
der Wallstreet.
Wem
aber noch nicht genügt, seinen Egoismus hinter hohen Idealen zu
verstecken - schließlich kann man über Ideen lange streiten -,
der befiehlt klugerweise die Geltung seiner Ideologie in Form
von Gesetzen, und wer diese ungehorsam übertritt, bricht das Recht
und darf bestraft werden. Hinter unserem Horizont dämmern bereits
Gesetzesideen herauf, in denen dereinst auf Rassismus eine Gefängnisstrafe
steht, und was als Rassismus gelten wird, werden nicht wir entscheiden.
Weil es aber heute politisch noch nicht durchsetzbar ist, den
multikulturalistischen Vielvölkerstaat zum Gesetz zu erheben,
wird er in das geltende Recht hineininterpretiert. Dann urteilt
etwa ein Arnsberger Landrichter am 16.2.1999, es sei strafbar,
öffentlich zu erklären, Rassismus sei Notwehr eines Volkes, übrigens
ein krasser Fall von Gesinnungsjustiz, weil das öffentliche Bekenntnis
zu einer bestimmten ideologischen Gesinnung bestraft wurde
Es
wird also der eigentliche Interessenkonflikt zwischen verschiedenen
Menschengruppen erst kaschiert, indem jede Seite ihr Interesse
auf eine abstrakte, ideologische Stufe hebt, und schließlich,
indem sie die Geltung ihrer Weltanschauung bei Strafe zur allein
seligmachenden erklärt.
Ich
schildere diese Funktionsweisen menschlichen Interessenkampfes
und Machtstrebens, wie sie immer und überall funktioniert haben
und auch künftig funktionieren werden. Darum bin ich denjenigen
nicht böse, die sich für meine ideologischen Gegner oder mich
für einen Rechtsbrecher oder Verfassungsfeind halten, weil ich
eine andere Sicht der Welt habe. Auf eine Gefahr muß aber eindringlich
hingewiesen werden:
Im
Altertum kämpften die Menschen im Namen oder unter Mithilfe von
Göttern, und so saßen als Statthalter der verschiedenen Völkerinteressen
die olympischen Götter auf ihren Wolken und halfen einerseits
den Griechen, andererseits den Trojanern. Gehaßt haben sich die
Feinde nicht unbedingt, wenn sie sich bekriegten, denn die eine
Seite galt als so ehrenhaft wie die andere. In späteren Zeiten
traten Ideologien anstelle der alten Götter, und diese ließen
den Feind oft als minderen Menschen erscheinen, den man austilgen
mußte im Namen irgendeiner Ideologie. Wo ideologischer Kampf offen
ausgetragen wird, führt er zu Haß, zu Mord über den Kampf hinaus
und geradewegs in die Barbarei der Massenvernichtung, der gegenüber
die Plünderung Trojas ein Kuraufenthalt war. Die ersten ideologischen
Gemetzel fanden im 30jährigen Krieg und der französischen Revolution
statt.
Dagegen
setzte sich im 19. Jahrhundert die Erkenntnis durch, daß der ideologische
Bürgerkrieg mit den Mitteln des Rechts aufgehalten werden muß.
Die siegreiche Konfliktpartei setzte ihre Wertordnung als Recht
und Gesetz. Im Rechtsstaat, so glaubte man naiverweise, herrschte
nicht mehr ein persönlicher Herrscher oder eine Ideologie, sondern
herrsche das Gesetz.
Dies war natürlich eine Fiktion, denn jedes Gesetz ist ein Befehl
und muß von Menschen erteilt werden. Hinter der Fiktion des Rechtsstaates,
in dem nur Recht und Gesetz galten, verbargen sich immer konkrete
Menschen, die ein bestimmtes Recht zu ihrem Nutzen und nach ihren
Ideen erließen und durchsetzen.
Auf
gerade dieser Fiktion des Rechtsstaats, nämlich der unverbrüchlichen
Geltung des gesetzten Rechts, gründet aber unsere Rechtsordnung,
unser Grundgesetz. Nach heutiger Verfassungslehre weist ein Rechtsstaat
eine formelle und eine materielle Komponente auf: Formell ist
er Rechtsstaat, wenn alles staatliche Handeln durch unverbrüchliche
Gesetze gebunden ist, und materiell ist er einer, wenn diese Gesetze
inhaltlich gerecht erscheinen. Das ist der Fall, wenn sie ideologisch
für legitim gelten. Vorsichtshalber haben die Schöpfer des Grundgesetzes
aber nicht dem Zufall oder der Willkür eines Richters überlassen,
welchen konkreten Inhalt Gesetze haben müssen, um materiell rechtsstaatlich
zu sein, mit anderen Worten: um ideologisch legitim zu sein. Das
Grundgesetz enthält nämlich eine materielle Wertordnung, wie
das Bundesverfassungsgericht schon 1952 urteilte. Diese Wertordnungslehre
besagt, daß alle staatliche Gewalt materiell bzw. ideologisch
gebunden ist, die Wertentscheidungen des Grundgesetzes als unmittelbar
geltendes Recht anzuwenden.
Die
Wertordnung des GG konkretisiert sich in denjenigen Artikeln des
Grundgesetzes, die unsere Grundrechte und gewisse Grundzüge des
Staatsaufbaus enthalten. Das GG legt alles staatliche Handeln
von Rechts wegen darauf fest, daß wir freie Menschen sind, daß
die Familie unter besonderem Schutz steht, daß alle Staatsgewalt
vom Volk ausgeht und so weiter. Es wäre darum allemal ein versuchter
Verfassungsputsch, wenn uns jemand weismachen wollte, Freiheit
bedeute heutzutage etwas ganz anderes als bisher, also nicht mehr
Freiheit gegenüber der Allmacht eines totalitären Staats, sondern
ab morgen vielleicht Freiheit der Türken, einzuwandern; oder vielleicht:
eine Familie sei nicht mehr ein Mann, eine Frau und ein Kind,
sondern künftig sei ein gleichgeschlechtliches Pärchen eine Familie,
oder sogar: das Volk, von dem alle Staatsgewalt ausgeht, seien
gar nicht wir, sondern andere Leute.
Die
Position des Landes Rheinland-Pfalz im Prozeß gegen die Republikaner
ist verfassungswidrig, ja der Versuch eines Angriffs auf den
Souverän unseres demokratischen Verfassungsstaats schlechthin.
Ein schleichender Verfassungsputsch droht nämlich, wo der ideologisch
erwünschte Abschied vom deutschen Volk nicht durch den Verfassungsgeber,
sondern durch juristische Künste der Uminterpretation vollzogen
werden soll. Die freiheitliche demokratische Grundordnung
wird heute begriffstechnisch verändert:
[13]
Über Bewußtseinsformung und strafbewehrte
Verhaltenssteuerung mit staatlichen Mitteln wird ein neues Herrschaftssystem
vorbereitet. Vertreter des Status quo der Verfassung und nachgeordneter
Gesetze zur Staatsangehörigkeit und zur Stellung von Ausländern
werden schon heute als Feinde der Verfassung deklariert. Dagegen
bedürfte die Umwandlung in eine multikulturelle Gesellschaft
eines gesellschaftlichen Konsenses und der demokratischen
Legitimierung durch das Staatsvolk.
[14]
Doch
eine offen politische Auseinandersetzung findet nicht statt.
Statt ihrer werden die Vertreter des verfassungsrechtlichen Status
quo erst ideologisch als rechtsextrem verdächtigt und - aus der
Deckung juristischer Uminterpretation des geltenden Rechts -
als Verfassungsfeinde belauscht. Wer dagegen mit gleicher Münze
erwidern wollte, dürfte mit der jetzt in Göttingen tätigen Wissenschaftlerin
Christiane Hubo auf die Verfassungsfeindlichkeit solcher Bestrebungen
hinweisen:
"Wenn man das Zerfließen von Staat und Gesellschaft im Parteienstaat
berücksichtigt und bedenkt, daß der Personenverband der Deutschen
der Träger demokratischer Staatsgewalt ist, sich das staatliche
Gemeinwesen im Zusammenwirken von Staat und Gesellschaft jeden
Tag neu konstituiert, und das deutsche Volk nach dem körperschaftlichen
Staatsbegriff mit dem Staat identisch ist, bedeutet dies, daß
durch die geförderte Heterogenisierung des Staatsvolkes zum
einen die Identität des Volkes als Träger des Staates und daraus
folgend auch der Staat in seiner geschützten Identität als bestehender
Staat zerstört wird. An seine Stelle träte dann ein neuer Staat
mit einem neuen Volk als Träger der Staatsgewalt. Dies alles
ohne die Zustimmung durch die verfassunggebende Gewalt des (bestehenden)
Volkes dürfte letztlich auf eine Zerstörung der jetzt verfassungsmäßigen
Ordnung hin sich entwickeln."
[15]
Das
Wort deutsches Volk hat ebensowenig
einen objektiv feststellbaren Inhalt wie irgendein anderes Wort,
es ist also auslegungsfähig. Darum eignet es sich bestens dafür,
von Juristen mit multikultureller Ideologie anders ausgelegt
zu werden, als die Väter des Grundgesetzes es sich vorstellten.
Dem deutschen Volk im Sinne unserer romantischen, nationalen
Tradition des frühen 19.Jahrhunderts gehörte alles Land und gehörten
alle Leute, soweit die deutsche Zunge klingt. Zum deutschen Volk
im Rechtssinne zählte man im 3.Reich nicht mehr diejenigen, die
zwar deutsch sprachen, aber zum Beispiel jüdischer Abstammung
waren. Deutsches Volk im Sinne des Grundgesetzes ist das Staatsvolk
der Bundesrepublik, sind also nur diejenigen Deutschen, die auf
diesem Territorium leben und Staatsbürger sind. Dabei setzte
und setzt das geltende Recht immer für die Volkszugehörigkeit
zweierlei voraus, deutsche Abstammung und deutsches Bekenntnis.
[16]
"Deutscher Volkszugehöriger
gem. § 6 Bundesgesetzes über die Vertriebenen und Flüchtlinge
von 1971 ist etwa, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum
bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale
wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird"
[17]
Bei
der Dehnbarkeit des Begriffs deutsches Volk wundert es also nicht,
wenn ideologisch motivierte Bemühungen um die multikulturelle
Gesellschaft hier ansetzen. Soweit man das verhaßte Wort Volk
nicht bereits durch den Begriff der Gesellschaft ersetzen konnte,
zählte man zum Volke plötzlich alle und jeden, kaum daß er in
Frankfurt gelandet und seinen Fuß auf deutschen Boden gesetzt
hatte. Wo Uminterpretation am klaren Wortlaut der Gesetze doch
einmal scheitert, müssen eben die Gesetze geändert werden, nur
beim Grundgesetz ist das mangels Mehrheit noch nicht gelungen.
Aber beim einfachen Recht, nämlich dem Ausländerrecht, suchte
die rot-grüne Koalition mit beispielhafter Frechheit genau das
durchzusetzen, was der renommierte Bonner Verfassungsrechtler
Prof.Isensee als Staatsstreich des Parlaments bezeichnete:
[18]
Isensee ist nicht irgendeiner, sondern
wurde eben erst am 13.4., vor vier Tagen, vor dem Innenausschuß
des Bundestages als Sachverständiger zur doppelten Staatsangehörigkeit
angehört.
"Die Problematik besteht darin", erläutert Isensee, "daß geplant wird, durch einfachen Gesetzesbeschluß
des Parlaments das deutsche Volk umzudefinieren und auf einen
Schlag drei Millionen Personen als Deutsche zu bestimmen, obwohl
diese sich nicht zur Gemeinschaft des deutschen Volkes, sondern
zu der eines anderen, im wesentlichen des türkischen bekennen.
Eine solche obrigkeitliche Umdefinition durch das Parlament liegt
außerhalb seiner verfassungsrechtlichen Befugnisse. Die Staatsangehörigkeit
in ihren wesentlichen Strukturen wird vom Grundgesetz garantiert
und kann nur durch Verfassungsänderung aufgehoben und wesentlich
umstrukturiert werden. Die Artikel 16 und 116 GG garantieren die
Institution der Staatsangehörigkeit in ihren hergebrachten Strukturen.
Sie verwehren eine solche Maßnahme. Daher ist eine autoritative
Umdefinition des deutschen Volkes so etwas wie ein Staatsstreich
durch das Parlament. Es ist schon erstaunlich, daß man Himmel
und Hölle in Bewegung setzt, wenn es um geringfügige Einschränkungen
des Grundrechts der Wohnungsfreiheit geht. Daß man die Verfassung
völlig aus dem Blick läßt, wenn es um die Fundamente des Staates
geht und damit die nationale Einheit planmäßig aufgesprengt wird
und nationale Minderheiten hier geschaffen werden."
Anders
als ein Teil der Öffentlichkeit meint, liegt das eigentliche Problem
dabei nicht in der Frage einer doppelten Staatsangehörigkeit.
Massenhafte Doppelstaaterei wären nur ein weiteres Absurdum eigener
Art. Das Problem liegt vielmehr darin, daß dies unser Land ist,
das heißt das Land des deutschen Volkes, und das dieses deutsche
Volk der Souverän unseres Landes ist, nicht etwa das Parlament.
Der Bundestag darf sich darum nicht mal so eben mit einfacher
Mehrheit ein neues Volk zulegen, ebenso wie ein Konzernvorstand
nicht eigenmächtig alle Grundstücksnachbarn zu Aktionären erklären
kann.
Mit
der Frage, was ein Gremium wie ein Gericht oder der Bundestag
von Rechts wegen darf, ist aber noch lange nicht entschieden, was es tatsächlich kann. Wenn Richter hanebüchenen Unsinn
für Recht erkennen und kein anderer Richter mehr über ihnen steht,
bleibt es bei dem Fehlurteil. Und wer steht über dem Bundestag?
Da schweben nur noch die Richter des Bundesverfassungsgerichts
in ihren höheren Sphären und entscheiden letztverbindlich, wie
die Werte unserer Verfassung zu verstehen sind. Bezüglich seiner
Auslegungsmacht ist das BVerfG faktisch souverän. Nachdem sie
den Satz, Soldaten seien potentielle Mörder, für straflos erklärt
hatten, notierte die FAZ zurecht: "Mit
solchen offenbar ideologisch motivierten und durch nichts begründeten
Entscheidungen sei das Verfassungsgericht auf dem besten Wege,
seine einstmals hohe Reputation zu verspielen. Das hänge vermutlich
auch mit der Auswahl der Verfassungsrichter zusammen, die 'nicht
nach juristischer Qualifikation, sondern nach Parteibuch und Proporz
erfolge."
[19]
Ich
kann gerade darum keine Hoffnung machen, an diesen Zuständen etwas
durchgreifendes zu ändern. Sie sind im menschlichen Machtstreben
und seiner Neigung angelegt, Interessen im Namen von etwas höherem,
heiligen oder idealen zu vertreten und seinen Egoismus dahinter
zu verstecken. Interessen verfolgte man darum erst im Namen von
Göttern, dann von Ideologien, schließlich im Namen des Rechts.
In jeder Rechtsnorm steckt eine ideologische Wertung. Der Kampf
um Interessen findet darum heute statt als ein Kampf um ideologische
Positionen und Begriffe und als ein Kampf darum, wie Schlüsselrechtsbegriffe
zu verstehen sind.
Dieser
Kampf ist aber wieder nur scheinbar ein geistiger Kampf um die
besseren Argumente, denn die Spielregeln lauten so, daß diejenigen
über den konkreten Inhalt von Rechtsbegriffen entscheiden, die
dazu die Macht haben. Heutzutage können das nur diejenigen sein,
die gesellschaftlich schon durch ihre Anzahl dominieren. Die
Schlüsselpositionen der Justiz befinden sich bereits in Händen
früherer Linksradikaler der 1968er-Generation. Sie sind in diese
Positionen gelangt, weil die konkreten gesellschaftlichen Verhältnisse
es zuließen. Sie haben sich durchgesetzt, weil ihre Haltung und
Ideologie ihnen offenbar Vorteile bot im innergesellschaftlichen
Wettbewerb um Einfluß und Karrieren.