Flügelt ein kleiner, blauer Falter ...
Ortsheimatpflege Fürstenhagen im Bramwald
Ortsheimatpfleger Klaus Kunze, Lange Str.28, 37170 Uslar
Telefon 05574-658, Telefax 05571-6327

Wappen von Fürstenhagen
Sehenswertes und Wissenswertes über Fürstenhagen:

Übersichtslandkarte:
Wo liegt Fürstenhagen?

Besuchen Sie Fürstenhagen im Uslarer Land

Fürstenhagenseite der Stadt Uslar

Landgasthaus zur Linde in Fürstenhagen
 
Literatur über Fürstenhagen:
Fürstenhagen im Bramwald (Dorfchronik)
Ortssippenbuch Fürstenhagen
Literatur zum regionalen Umfeld
 
Historisches:
Urkunde aus dem Kirchturmknopf von 1851
Historische Daten zur Ortsgeschichte
Bilder und Baugeschichte
der Kirche von
Fürstenhagen
gute alte Dorfschule
 
Aus dem Dorfleben:
MSC Weser-Solling
Ortsfeuerwehr


Alte Fürstenhagener Originale

von Helmut Voß 1942

 

Wenn ich die Bewohner der reichen Schwülmedorfer mit den Einwohnern meines Heimatdorfes vergleiche, so muß ich immer wieder feststellen,  daß der Zusammenhang und die Zusammenarbeit, die Nachbarhilfe und die Kameradschaft längst nicht an die unseres Dorfes heranreicht.

Herr Büthe mit seinen Pferden

Wie angenehm sind die Winterabende, wenn die Nachbarn im “Spinnentropp“ vereint, in fröhlicher Unterhaltung den Ausgleich für ihre harte Tagesarbeit finden. In fast jeder Notlage greifen treue Nachbarn und gute Freunde helfend ein, ohne das sie darum gebeten werden. Dieser Zug der Hilfsbereitschaft, der  auch im Wesen der Spar-und Darlehnskasse und in der gemeinsamen Ableistung der Hand-Spanndienste nach außen hin seine Dokumentierung findet, sind bestimmt wertvoller als die Protzigkeit der reichen Bauern der Schwülmedörfer.

 

Ein Original in unserem Dorfe war der Bauer Karl Büthe. [1] Man nannte ihn auch den Kinderfreund. Immer war er guter Laune, nie sah man ihn verzagt, auch in den ärgsten Notlagen gewann er den Umständen nach eine heitere Seite ab. Wie oft sah man ihn mit seinen Pferden und Wagen oder Schlitten, von fröhlichen,  lachenden Kindergesichtern umgeben, im Dorf und Feld. Vor Jahren wurden den Kindern die größte Freude des Winters, das Schlittenfahren am Hirtenberg, verboten, weil es den Verkehr auf der Dorfstraße beeinträchtigte. Da zogen wir traurig mit unseren Schlitten heim. Karl Büthe sah das, seine Großkinder waren auch unter uns, spannte seine Pferde an und zog uns mit unseren Schlitten durch die anderen Dorfstraßen. Der Landjäger stand dabei und lächelte selbst. Der alte Büthe hatte ihm ein Schnippchen geschlagen. Das wiederholte sich  im Laufe der Jahre so oft, wie das Schlittenfahren am Hirtenberge verboten wurde. War es dazu verwundern, daß die Jugend an ihm hing? Schade, daß er jetzt tot ist.

Karl Siebert

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein vielgereister Mann in unserem Dorfe ist der ehemalige Kohlenfuhrmann und Bauer Karl Siebert. [2] Als die Holzkohlerei noch in Fürsten­hagen betrieben wurde, fuhr er mit seinem Wagen die Holzkohle nach Kassel, Göttingen und Duderstadt. Fast alle bekannten Per­sön­lichkeiten in diesem weitem Gebiet kennt der alte Siebert. Als ausgezeichneter Erzähler weiß er von seinen Fahrten viel Schnurren und Witze zu erzählen.

Ein unermüdlich flei­ßiger und hilfsbereiter Mann in meinem Heimatdorf ist der Gemeindediener, Totengräber und Schweinehirt Karl Gebert. Er steht schon seit 1912 im Amt und ist bei allen Fürstenhägenern ein gern gesehener und hochgeschätzter Gast.


Unser Bürgermeister ist der Bauer Georg Korte. Er ist seit 1914 im Amt und somit 28 Jahre mit Umsicht die Geschicke der Gemeinde gelenkt.

Herr Gebert beim Schweineaustreiben am Hirtenberg. Auf seiner Brust hängt das Tuthorn, mit dem er die Schweine zusammenbläst.


De ole  Thedur, wie Herr Grote in Fürstenhagen genannt wird.

 

 

Ein alter Köhler ist der Altenteiler Theodor Grote [3] , der mit seinem 80 Jahren noch recht rüstig ist und noch immer in der Landwirtschaft seines Sohnes mithilft. Er war jahrelang der Meister der Fürstenhäger Köhlerleute. Noch gern erinnert er sich dieser schönen alten Zeiten.

Auch mein verstorbener Großvater gehörte mit zu den ältesten Leuten in Fürstenhagen. Er verfügte über eine sehr gute Kenntnis fast aller Tierkrankheiten, er war der Tierarzt im Dorfe. Nebenbei war er Hausschlachter und Köhler. Oft habe ich ihm zugehört, wenn er aus seiner Jugend erzählte.

Wie ich schon erwähnte, gingen die Leute am Sonntag Abend  und an den langen Winter­abenden in die Spinnstube. Doch hat die Spinnstube ihren eigentlichen Sinn längst eingebüßt, denn in keiner Spinnstube wird heute mehr gesponnen. Heute kommen die Männer und Frauen zusammen und erzählen von allerlei interessanten Dingen. Die Frauen stricken dabei und die Männer spielen Karten.

Schon die schulentlassene Jugend tut sich jahrgangsweise zu einer Spinnstube zusammen. Dort werden oft Spuk- und Greuelgeschichten erzählt, die den Mädchen Furcht und Angst einflößten.

 



[1] Karl Büthe *25.8.1869; † 2.11.1941, Ortssippenbuch Fürstenhagen, Familie =182=.

[2] Karl Siebert *19.12.1888, † 2.9.1965, Ortssippenbuch Fürstenhagen, Familie =1075=.

[3] Theodor Grote *22.12.1860, †3.10.1944, Ortssippenbuch Fürstenhagen, Familie =485=.

 

Helmut Voß
1924-1943

Helmut Voß wurde am 26.12.1924 geboren und fiel bei Krassny Dolina südlich von Gomel in Rußland am 6.10.1943.
Er besuchte 1942 ein Göttinger Gymnasium und fertigte als Jahresarbeit eine 62seitige, gebundene Schrift an: "Mein Heimatdorf Fürstenhagen". Ein darin enthaltener Linolschnitt der Kirche von Fürstenhagen ist abgebildet auf der Webseite "Fürstenhagen im Bramwald".
2005 klingelte überraschend ein aufmerksamer Fremder aus Bovenden an der Haustür des Ortsheimatpflegers und bot ihm die in Karton gebundene Jahresarbeit des Schülers Voß zum Kauf an. Er hatte sie auf einem Flohmarkt erworben. Vermutlich stammte sie aus dem Nachlaß des 1977 verstorbenen Vaters von Helmut Voß, dem Landwirt Heinrich Voß aus Fürstenhagen. Dieser ist bekannt durch seinen Erzählungen „Der Graf vom Berge“ und „Es lebe die Freiheit“. Er hatte beide Söhne, einzige Kinder, im 2. Weltkrieg verloren. In seinem Vorgarten hatte ein Findling mit den eingemeißelten Namen seiner Söhne und einem eingemeißelten Stahlhelm an sie und die mit ihnen ausgestorbene Familie erinnert.
Die Arbeit legt letztes Zeugnis vom Leben des Schülers Helmut Voß und seiner Liebe zu seiner Heimat ab. Am Ende dieses Büchleins schreibt er:

„Wenn ich dann recht mal älter geworden bin, vielleicht fern der Heimat meinem Berufe nachgehe, das Leben mit seinen Licht- und Schattenseiten kennengelernt habe, dann ich werde ich sicher in einer einsamen Stunde dieses Büchlein vornehmen und still und versunken darin blättern und lesen. Mag ich später einmal hinkommen wo ich will, ob nah ob fern, vergessen werde ich meine Heimat nicht. Dieses Heft wird mich stets, an mein altes, trautes, liebes Fürstenhagen erinnern.“

 

Dazu kam der Junge nicht mehr. Statt dessen endete sein Leben schon ein Jahr später in den Steppen Rußlands, wo er in mancher Nacht an sein „altes, trautes, liebes Fürstenhagen“ gedacht haben mag. Konnte er seither nicht mehr an Fürstenhagen denken, möge statt dessen die Heimat seiner gedenken.

Fürstenhagen März 2005
Klaus Kunze, Ortsheimatpfleger

 

 

 

Die vollständige Jahresarbeit wurde vom Ortsheimatpfleger von deutscher Schreibschrift transskribiert, einschließlich Fotos gedruckt und kann hier gegen eine Schutzgebühr von 5 Euro plus Porto bezogen werden.

 

KlausKunze.com