Flügelt ein kleiner, blauer Falter ...
Heimatforschung Fürstenhagen
 
Einheimische Falter des Weserberglandes
Nymphalidae - Edelfalter
Vanessa cardui - Distelfalter
Rand
 

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Heiß brütet die hochsommerliche Luft. Kein Windhauch bringt Erleichterung. Mensch und Tier liegen apathisch im Schatten.

Alle Tiere? Nein. Die Insekten natürlich nicht. Bei Hitze kommen sie erst richtig in Fahrt. Der Distelfalter ist so ein sommerlicher Hitzegast. Frost verträgt er gar nicht.

Distelfalter kommen als Wanderfalter rund um die Welt. An uns Menschen schätzen sie die Neigung von Gartenfreunden zur Buddleja davidii, dem wunderbar duftenden Sommerflieder. Wenn die Felder abgeerntet sind und die meisten Wiesenblumen jener zweiten Heuernte zum Opfer gefallen sind, die man hier Grummet nennt, stürzen unsere Wandervögel sich auf die lila oder weiß blühenden Sträucher.

Eine britische Langzeitstudie ergab, daß 2009 im Frühling 11 Millionen Distelfalter von Süden kommend in England einflogen, ihre Nachfolgegeneration aber 26 Millionen Falter stark im Herbst wieder nach Süden flog. Wir Deutschen nennen sie in unserer bodenständig-bäuerlichen Sicht Distelfalter, die Engländer aber bewundernd Painted Lady. Die Wanderer sind schwer zu beobachten, weil sie in bis zu 500 Metern Höhe fliegen. In mehreren aufeinander folgenden Generationen legen sie vom Polarkreis bis an den Rand des tropischen Afrika 14000 Kilometer (9000 Meilen) zurück zu immer frischen Weidegründen ihrer Räupchen. Wie ein gewaltiger Heerwurm schwappen die Wellen der himmlischen Flatterer seit undenklichen Zeiten von Afrika her zu uns und zurück, ein unendlicher Pendelschlag, an dem jedes einzelnen Tier nur einen Etappenanteil hat. Was ist schon der Einzelne im Angesicht der Gesamtheit seiner Art? Wie eine allumfassende, im Genom verankerte Schwarmintelligenz handelt die Art gemeinschaftlich und überdauert so die Zeiten. Jeder der kleinen Beschwingten wiegt weniger als ein Gramm und besitzt nur ein winziges Etwas von Gehirn. Und dennoch reiht er sich ein in den immerwährenden Wiegenschlag des Lebens seiner Art.

Sie brauchen Kraft: die Männchen, um nach Weibchen zu suchen, die Weibchen aber noch mehr für ihr Eiablage-Geschäft. In braver Rücksichtnahme auf Bäuerinnen und Kleingärtner legt sie die Eier nicht auf hohe Kulturgüter wie Kohl. Der Kohlweißling hat sich dabei schon unbeliebt genug gemacht. Distelfalterraupen - wir ahnen es, seit wir den Namen hörten, fressen Disteln. Bauern und Kleingärtner freilich dankten die Rücksicht nicht und rotten die Disteln als übles, langwüchsiges Unkraut aus wo sie können. Wo aber ein ölschmieriger Schrotthändler seine Waren lagert, wo immer Müllkippen, Bahndämme und Schutthalden der Distel eine Chance lassen, da findet auch der Distelfalter die seine. -

 

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Vanessa cardui
Foto: K.Kunze, Fürstenhagen (Bramwald) 4.8.2013

 

 

Menschen nennen mich Distelfalter. Das ist mir einerlei, denn ich bin frei.
Lieber ein schlanker Pfeil sein als ein dicker Sack. Fliegen!
Fliegen, welche Lust! Ich überfliege euch, all ihr wuselnden Maulwürfe und lahmen Schnecken. Mein Leben ist nur ein Spiel.
Wind laß mich steigen, laß mich gleiten, machst mich jauchzen, blütenwärts, sonnenwärts, himmelwärts. Allem bin ich über.
Braust, meine Flügel, laßt mich sausen, immer vorwärts, schneller und schneller, rastlos, zielwärts.

Wohin zielst du, Pfeil meines Lebens?

 

 

 

 

 

 

 

 



 

 

Foto: K.Kunze, Fürstenhagen (Bramwald) 1.8.2014

Nebenstehend: Die Raupe knabbert gern an gerade den Pflanzen, die Gärtner und Bauern weniger mögen: Disteln.

 

Biologisch weiterführend: Lepiwiki, KURZ-ZELLER, Schmetterling-Raupe


Verbreitungskarte Deutschland (links) und Karte der Wanderwege nach Europa (rechts)
(ohne Berücksichtigung der Rückwanderung), zum Vergrößern anklicken:

 
Foto: K.Kunze, Fürstenhagen (Bramwald) 31.7.2021

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