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Dem Pappel-Eulenspinner gab die große Gruppe der Spinner den deutschen Grundnamen "Spinner". Die naturwissenschaftliche Namengebung hat sich von diesem früheren Sammelnamen schon lange verabschiedet. Morphologische und zunehmend genetische Forschungsergebnisse schreiben Genealogie und Stammbaum der Schmetterlinge heute anders als vor mehr als hundert Jahren, als die eingebürgerten deutschen Namen entstanden.
Eulenspinner sehen mit ihrer runden Flügelform und den fadenförmigen Fühlern aus wie Eulen-Falter. Und weil die Raupen der Art Tethea or ausschließlich an Pappelarten fressen, ergibt sich der vollständige deutsche Artname. Die Gattung Tethea ist in Deutschland mit zwei Arten vertreten, von denen die andere - Tethea ocularis - in Fürstenhagen noch nicht gesichtet wurde.
Das Geheimnis des Erfolges der Schmetterlinge ist ihre Wandlungsfähigkeit, die Metamorphose vom Ei über die Raupe und die Puppe zum Falter. Jedes neue Lebensstadium bringt eine völlige äußere Verwandlung mit sich und ist der jeweiligen Jahreszeit und dem jeweiligen Nahrungsangebot angepaßt. Die Wandlungsfähigkeit ist das Erfolgsrezept alles Lebendigen schlechthin. Wer sich in den erdgeschichtlichen Zeitläuften nicht immer wieder anpaßte, starb aus.
Wie könnten ausgerechnet wir Menschen davon eine Ausnahme sein? Als Art verdanken wir unsere Stellung unserer Vielseitigkeit und einer unübertroffenen Dynamik, uns zu wandeln und fortzuentwickeln. Wer seine Bestrebungen nicht mit den Zeitverhältnissen in Einklang zu bringen weiß, wußte schon vor 500 Jahren Niccolo Machiavelli, muß scheitern.
Doch vermag sich ein Einzelner nicht so vollständig zu wandeln, wie sich eine Raupe in einen Falter und damit scheinbar in ein anderes Wesen verwandelt. Wir ähneln eher Bäumen, die immer aufs neue Jahresringe ansetzen, unter ihnen die alten aber treu bewahren und im Kern sie selbst bleiben. Nur müssen wir den Kern nicht immer nach außen kehren. Sich zu wandeln heißt: sich immer wieder neu zu orientieren und alte Gewißheiten an den heutigen Umständen zu überprüfen.
Der berühmte Science-Fiction-Autor Theodore Sturgeon hat dies in seinem Vorwort zu dem Roman „Fleisch“ des nicht minder renommierten Philip José Farmer 1968 mit den Worten aufgegriffen: „Es gibt eine große Anzahl ehrlicher, redlich gesinnter Menschen, die, ohne zu zögern, Pornografie, Gott, Recht, Das Böse, Die Menschenrechte, Gesetz und Ordnung, Science Fiction, Kommunismus, Freiheit, Ehrenhafter Frieden, Obszönität, Liebe definieren können, und auf der Grundlage der Definitionen denken, handeln, Gesetze erlassen und manchmal auch verbrennen, einsperren und töten können. Diese Leute sind Etikettierer, und sie sind ausnahmslos die tödlichste und destruktivste Kraft, der sich jede Spezies je gegenübergesehen hat.“ Sie übersehen nämlich die elementarste Grundlage des Universums: Wandlung. „Was sich nicht verändert, lebt nicht.“
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Tethea or
Foto: Klaus Kunze, Fürstenhagen (Bramwald) 29.7.2016
Tethea or
Foto: Klaus Kunze, Fürstenhagen (Bramwald) 18.7.2015
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