Klaus Kunze
- Publizierte Zeitungsartikel (Auswahl) -

Der totale Parteienstaat

(Publikation des Aufsatzes: Junge Freiheit Jan./Feb. 1992)

 

Wirklich Lebensmüde sind nicht zu ret­ten. Wer sich endgültig aufgege­ben hat, den vermag auch die helfen­de Hand von außen nicht dauernd zu halten. Wer aber andere mit in den Unter­gang reißen will, dem muß man Einhalt gebie­ten. Das po­litische Establishment der West-BRD ist dabei, die Existenz des deut­schen Volkes zu beenden. Leider ist dieses Volk bisher nicht gefragt worden, ob es das möchte; die meisten haben es nämlich noch gar nicht bemerkt.

 

Alliierte Umerziehung und das Perpe­tuum mobile der Vergangenheitsbewälti­gung produzieren massenhaft den Ty­pus eines Deutschen, der sich so häßlich findet, daß er sich selbst nicht mehr er­tragen kann: bis zum Selbsthaß Kranke, die nachts her­umschleichen und "Deutschland halts Maul!" an Wände schmieren. Als charakte­ristisch für die Deutschen fand Hellmut Diwald schon 1978 in seiner "Geschichte der Deut­schen", daß sie nicht mehr in der La­ge sind, sich als Deutsche, als eigenes Volk mit eigentümlichen Merkmalen ein­zu­schätzen, sich eine begründete ge­sell­schaftliche Form und politischen Nach­druck zu geben.

 

Von diesen Leuten wer­den wir heute regiert. In ihrem pathologi­schen Selbsthaß zerstören sie bewußt die kulturel­le, dann die politische und schließlich die biologische Existenz des deutschen Vol­kes. Der Weg führt von der Vergangen­heitsbewältigung über die Ausländerbeauf­tragte, den "ausländischen Mitbürger", das Ausländerwahlrecht und das Einwande­rungsland Deutschland bis hin zur mul­tikulturellen Gesellschaft, wobei multikultu­rell als Gegensatz zu deutsch und Gesell­schaft als Gegensatz zu Volk zu verstehen ist. Diesen Plänen zu widersprechen ist mehr als eine Frage anderen Geschmacks oder der politischen Be­liebigkeit. Wie der Selbstzerstörungs­drang des geistig zerrüt­teten Einzelmen­schen als pathologisch bezeichnet wer­den muß, muß auch der in Deutschland gras­sierende umgekehrte Rassismus, die Lust an der Zerstörung des eigenen Volkes, als widernatürliche Per­versität bezeichnet werden. Es muß gestat­tet sein, das nicht zu akzeptieren, resümiert der Verhaltens­forscher und Konrad-Lo­renz-Schüler Prof. Eibl-Eibesfeld in "Der Mensch - das riskierte Wesen", und zwar nicht, weil man sein eigenes Volk für ein besseres hält, sondern weil man bei aller Hoch­schätzung des anderen das eigene Überle­bensinteresse gewahrt sehen will und daher die eigene Verdrängung nicht be­grüßen kann. Überle­ben heiße nun ein­mal genetisches Überleben. Es sei mora­lisch nicht vertretbar, aus ethnischem Selbst­haß oder aus Gleichgültigkeit Bedin­gun­gen herbeizuführen, durch die die Zu­kunft der eigenen Gemeinschaft gefährdet wird.

 

Die "Volks'-Parteien wollen die Brüsseler Machtergreifung

Dem geplanten multikulturellen Genozid am deutschen Volk entspricht im politi­schen Bereich die eingeleitete Ent­mündi­gung und Unterstellung unter die Brüsse­ler Bürokratie. Wie durch Millionen fortpflan­zungsfreudiger Türken und an­derer "mos­lemischer Mitchristen" in deutschen Zen­tren irreversible Fakten geschaffen werden sollen, so will Herr Kohl alle Brücken hin­ter dem Weg nach Brüssel abbrechen. Hier sieht er die letzte Zuflucht vor seinem Schick­sal, deutsche Politik machen zu müssen. Es irrt aber, wer meint, durch eine Freundschaftser­klärung an alle Welt oder durch Aufgeben der eigenen Selbstbestim­mung das Politi­sche aus der Welt schaffen zu können. Dieses liegt, wie Carl Schmitt 1932 in "Der Begriff des Politischen" nach­gewie­sen hat, in letzter Denkkonsequenz in der Unter­scheidung von Freund und Feind, so wie "schön" und "häßlich" die spezifi­schen Merkmale des Ästhetischen und "nützlich" und "schädlich" des Ökonomi­schen sind. "Wenn ein Volk die Mühen und Risiken der politischen Exi­stenz fürchtet, so wird sich eben ein anderes Volk finden, das ihm diese Mühen ab­nimmt, indem es seinen 'Schutz gegen äußere Feinde' und damit die politische Herrschaft übemimmt; der Schutzherr bestimmt dann den Feind, kraft des ewi­gen Zusammenhangs von Schutz und Ge­horsam". So marschierten die politischen Großväter Helmut Kohls 1812 unter der Trikolore zum Ruhme Frankreichs gegen Rußland, und so werden deutsche Söhne dereinst unter "europäi­schem" Komman­do sterben, im Irak, in Libyen oder an­derswo. "Dadurch, daß ein Volk nicht mehr Kraft oder den Willen hat, sich in der Sphäre des Politischen zu halten, verschwindet das Politische nicht aus der Welt. Es verschwindet nur ein schwaches Volk".

 

Ja, aber dürfen die Bundestagsparteien, darf Helmut Kohl das deutsche Volk denn einfach so abschaffen? Darf er es ent­mündi­gen? Hat der vom Volk gewählte Bundestag ein Mandat zur Abschaffung des Vol­kes, zu seiner eigenen Entmündi­gung und zum Schritt in die Brüsseler Eurokratie? Ja, das Bonner Grundgesetz verleiht allen die­sen Schritten formelle Legalität. Bei rein positivistischem Geset­zes- und Verfassungsverständnis sieht das Grundgesetz die Übertragung von Ho­heitsrechten vom Bund auf überstaatliche Organisationen sogar vor. Wenn man den im Bundesverfas­sungsgericht sitzenden Vertretern der Bon­ner Parteien juristi­schen Glauben schenken darf, ist es nicht zu beanstanden, wenn das Volk nach den Spielregeln von 1949 seine Vertreter in den Bundestag wählt und wenn diese Vertreter mit Gesetzeskraft beschlie­ßen, daß das Volk ab sofort in diesen oder jenen Dingen nichts mehr zu sa­gen hat, weil jetzt Brüsseler Beamte bestimmen, wie rein unser Bier sein muß und welche Wurst wir essen dürfen.

 

Die Karlsruher Verfassungs­hüter finden auch nichts da­bei, das deutsche Volk durch eine multi­kulturelle Gesell­schaft zu ersetzen, nur fein positiv-rechtlich muß das abgehen: Man muß aus den "aus­ländischen Mit­bürgem" erst eingebürgerte Ausländer machen, dann hat die Verfas­sung nichts mehr dagegen. Und wenn die Souveräni­tät des deutschen Volkes erst einmal an der Brüsseler Garderobe abgege­ben ist, wird auch kein Weg mehr zurück­führen. Das ist staats- und völkerrechtlich ein­deutig, und das meint Helmut Kohl, wenn er davon spricht, er wolle bezüglich Eu­ropas unumkehrbare Tatsachen schaf­fen. Recht hat er, denn selbst wenn Deutsch­land sich eine Art Rücktritts- und Aus­trittsklausel vorbehalten würde, wäre diese nach einem Aufgehen Deutschlands in einer europäischen staat­lichen Union gegenstandslos. Es würde dann nämlich aus dem Bündel der einzelstaatlichen Souverä­nitäten eine neue, europäische gesamtstaat­liche Souveränität hervorge­hen, die alle Austrittsklauseln und alles in Verträge hin­eingefuchste Kleingedruckte wieder aufheben könnte. Aus dem deut­schen Staat, liebe bayerische Leser, führt ja kein Weg mehr hinaus. So steht für Deutschland der Zug ohne Wiederkehr zur multikulturellen Ge­sellschaft nach Westen voll unter Dampf; Rückfahrkarten werden keine ausgegeben.

 

Doch wie steht es mit der Legitimität der Bonner Regierungspolitik? Müssen wir, das Volk, uns tatsächlich sang- und klang­los abschaffen lassen? Nach den parlamen­tarischen Spielregeln der reprä­sentativen Demokratie, in die wir als stramme Verfas­sungspatrioten verliebt sind, haben die Kohls, Geißlers und Süßmuths zwar die Gesetzesmacht, das Volk zu entmündigen und abzuschaffen - doch benutzen sie diese Macht auch in legitimer Weise? Haben die Repräsentan­ten des deutschen Volkes nicht geschwo­ren, das Wohl desselben zu meh­ren und Schaden von ihm zu wenden? Welchen größeren Schaden kann ein Volk denn erleiden, als den seiner eigenen Ab­schaf­fung? Jeder Ver­fassungspatriot hat nach dem Grundgesetz als letzten Ausweg das Recht, die Verfassung handgreiflich zu verteidi­gen, wenn jemand an ihren Fun­da­menten rüttelt. Soll da nicht das Volk ein Widerstandsrecht haben, wenn es abge­schafft werden soll? Kann das Man­dat eines Parlaments so weit gehen, das eigene Volk zu entmündigen und abzu­schaffen?

 

Gibt es denn keinen legalen, systemim­manenten Weg aus der Zange, deren beide Backen "Brüssel" und "Multikultopia" heißen? Da wäre zu­nächst der Weg, über Bundestagswahlen zu einer anderen Regie­rung zu kom­men. Nach Umfragen findet sich zur Zeit keine Mehrheit, die bewußt bereit ist, den Weg mit dem lebensmüden Bonner Establish­ment bis zum bitteren Ende zu gehen. Die strukturelle Mehrheit der Deutschen käme hinsichtlich des Gei­steszustandes solcher politischer Extermi­natoren zu einem klaren Urteil, wenn ihr die letzten Konsequenzen vor Augen stunden.

 

Indes­sen verschwimmen die Konturen der multikulturellen Zukunft hinter einem Nebel öffent­lich-rechtlicher Politagitati­on. Was da täglich an One-World-Ro­mantik, an Ausländertümelei und Be­griffsverdre­hung auf uns niedergeht, ist seit Goebbels Zeiten an staatlicher Mei­nungsdiktatur nicht dagewesen und wurde nicht einmal von den stumpfsinni­gen Parolen zum x-ten Parteitag der SED erreicht. Nein, diese Gehirnwäsche ist gefähr­licher. Sie erstickt jeden öffentli­chen Widerspruch und ver­teufelt, bisher erfolgreich, mit den ihr zur Verfügung ste­henden Machtmitteln des totalen Par­teienstaats jeden demokratisch organisier­ten Widerstand. Das ist ein empi­ri­scher Befund, über den sich nicht streiten läßt und der mittelfristig jede Hoffnung darauf zunichte macht, dem de­moskopisch er­mittelten Mehrheitswillen der Deutschen in der Ausländerfrage zu einer parlamen­tarischen Mehrheit zu verhelfen. Daß das deutsche Volk langfristig irgendwann ein­mal bemerken wird, daß es in einer multi­kulturellen Mausefalle steckt und den Schlüssel für die Falle in Brüssel abgege­ben hat, ist da kein Trost, denn der Weg in die Europäische Union ist ein Weg ohne Wiederkehr. Nach allen demo­graphischen Erkenntnissen wird schon die Gene­ration unserer Kinder zu Lebzei­ten in Deutsch­land in die Minderheit gegenüber Auslän­dern kommen. Diese Ent­wicklung wird sich durch die geplante Europäische Union mit erheblichem Wohlstands- und Sozial­gefälle bei voller Freizügigkeit der "Mit­bürger" zwischen Palermo und Jütland noch erheblich ver­schärfen. Die Regierung des neuen Le­viathan "Europäische Union" wird dann kraft ihrer eigenstaatlichen Sou­veränität Gesetze machen, die für die ar­me Mehr­heit der Europäer vorteilhaft ist, nicht aber für die Deutschen.

 

Hier einen Ausweg mit dem Stimmzettel zu suchen, ist wie mit einem Stoppschild einen Zug Lemminge aufhalten. Nach Un­tersuchungen leitet über ein Drittel der Wahlberechtigten seine Meinung direkt aus dem Fernsehen ab. Ein parteifreies Femse­hen, wie es die Rundfunkgesetze fordern, kann es im parteiproportionierten Medien­staat nicht ge­ben. Der totale Par­teienstaat ist allgegenwärtig. Die Aufhe­bung des al­ten Gegensatzes von Staat und Gesellschaft machte alles Staatshandeln gesellschaftlich und alles Gesellschaftli­che unentrinnbar politisch, parteipoli­tisch. Wie im Märchen vom Hasen und vom Igel dürfen wir uns am Anblick der Staatspartei CDU­CSUSPDFDP tagtäglich er­freuen, sei es im Bundestag, sei es in der parteiproportio­nierten Staatsverwal­tung, bei den partei­proportionierten hö­heren Gerichten oder anläßlich der tägli­chen "Zwei-Minuten­-Haß-Sendung" auf Ausländerfeinde. So ist das berühm­te "Kreuzchen alle vier Jahre" ein untaugli­ches Mittel, im totalen Partei­enstaat die Machtfrage zu stellen.

 

Es gibt keinen systemirnrnanenten Weg, das deutsche Volk langfristig biologisch und als politisch selbstbestim­mungsbe­rechtigte Einheit zu erhalten, die über ihr Sein und ihre Existenzform selbst ent­schei­den kann. Dabei waren die gefährli­chen Fehlentwicklungen der heutigen Verfas­sungswirklichkeit in der ursprüng­lichen Verfassungstheorie noch nicht einmal be­absichtigt. Zu den politischen Parteien heißt es im Grundgesetz nur, daß sie an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Faktisch haben die Blockflöten CDUCSUSPDFDP den Staat jedoch usur­piert, durchaus damit ver­gleichbar, wie die DDR-Blockparteien und die NSDAP sich den Staat zur Beute gemacht hatten. [1] Diese Fehlentwicklun­gen waren nicht Absicht der Verfassungs­theorie. Das Grundgesetz ließ das heutige Desaster der Verfas­sungs­­­wirklichkeit lediglich zu. Mit dieser Verfassung lassen sich die verkruste­ten Machtstrukturen des totalen Parteien­staates nicht aufbrechen. Das Grundgesetz muß gemäß Art. 146 GG durch eine neue Verfassung er­setzt werden, die sich das deutsche Volk in freier Entscheidung gibt. Diese neue Verfassung muß den Fehlent­wick­lungen der heutigen Verfassungswirk­lichkeit unter Wahrung der Grundsätze der frei­heitlichen demokratischen Grundord­nung, wie sie das Bundesverfassungsge­richt aufgestellt hat, vorbeugen.

 

Der einzige Ausweg: Verfassungsände­rung

Das wäre auch ohne weiteres möglich. Weder an der Achtung vor den Men­schen­rechten braucht irgendein Abstrich ge­macht zu werden, noch an der Volks­souve­ränität, der Gewaltenteilung, der Verant­wortlichkeit der Regierung, der Gesetzes­mäßigkeit der Verwaltung, der Unabhän­gigkeit der Gerichte, am Mehr­parteienprin­zip, an der Chancen­gleichheit für Parteien oder am Recht auf Opposi­tion. Wesentliche Grundsätze für eine neue Verfassung befin­den sich bereits in der politischen Diskus­sion.

 

So schlägt ein Autor in den Staatsbriefen eine Verfassung vor, bei der Staat und Gesellschaft wieder säuberlich voneinander getrennt sind, dem einzelnen dadurch ein höheres Maß an staatsferner Freiheit gestatten und in der die Macht der Parteien auf gesellschaftliche Fragen be­schränkt ist. Das Staatsoberhaupt soll nach diesem Entwurf unmittelbar vom Volk gewählt werden und den Kanzler bestim­men. Der Grundsatz der Volks­herrschaft soll durch mögliches Volksbe­gehren und Volksentscheid auf allen Ebenen das Re­präsentationsprinzip über­lagern. Die Sou­veränität des deutschen Volkes ist unantast­bar. Souveränitätsrech­te dürfen nicht ver­äußert oder an interna­tionale Einrichtungen übertragen werden.

 

Das verfassungsrechtliche Inventar stün­de zur Verfügung, das Selbstbestimmungs­recht des deutschen Volkes nach­haltig si­cherzustellen und die unkontrolliert wu­chernde Macht der Parteien zu beschnei­den. Damit es dazu nicht kommen kann, haben die Parteien in Bonn jüngst eine "Verfassungskommission" eingesetzt, in der die altbekannten Partei-"Böcke" zu Gärtnern gemacht werden, noch mehr fette Salatköpfe aus dem Steuerbeet mop­sen und das Gar­tentor für jede Konkur­renz ver­schließen.

 



[1] "Je stärker sich die Parteien den Staat zur Beute machen und damit zu Staatsparteien degenerieren, desto mehr hebt sich der Parteienstaat nur noch durch das Mehr-Parteien­system von der Parteidiktatur ab.  Dies ist um­so bedenklicher, als sich die zwei großen Parteien als Volksparteien in ihren Aussagen einander annähem." Hans-Peter Vierhaus: "Die Identifi­zierung von Staat und Parteien - eine moderne Form der Parteidiktatur?" Zeitschrift für Rechts­politik 1991, Heft 12, S.473