Flügelt ein kleiner, blauer Falter ...
Heimatforschung Fürstenhagen
 
Einheimische Falter des Weserberglandes
Sphingidae - Schwärmer
Acherontia atropos - Totenkopfschwärmer
 

Totenkopfschwärmer sind im Weserbergland nicht bodenständig. Gelegentlich wurden ihre Raupen in Gärten der Dörfer an der oberen Weser gefunden. Die aus dem Mittelmeerraum zugewanderten Weibchen legen auf Kartoffeln und anderen Nachtschattengewächsen ihre Eier ab. Die Puppen in der Erde überstehen gewöhnlich den Winter nicht.

Die Raupen lassen sich in der Zucht mit Liguster willig füttern. Aus ihrer orientalischen Heimat kennt die Art nicht unsere langen Sommertage und kurzen Wintertage. Will man fertile, also fortpflanzungsfähige Falter züchten, muß man die Raupen nach etwa zwölf Stunden Tageshelligkeit ins Dunkele stellen.


10.10.2023 ausgewachsene Raupe in der Zucht, fast 10 cm und immer gefräßig.


Geschlüpft ein halbes Jahr nach der Verpuppung am 16.4.2024

Das ähnelt nur zufällig einem Mund. Das große Gelbe unter dem Kopf sind behaarte Teile der Vorderbeine (Coxa und Trochanter). Der Rüssel ist zwischen den Augen eingerollt und mißt nur einen guten Zentimeter.
 

Totenkopfschwärmer - Weibchen, aus Eiern 1996 gezüchtet und 1997 ausgeschlüpft.




Ein Weibchen, 4.5.2024



















Wegen seines auffälligen Zeichens auf dem Rücken ist der Totenkopfschwärmer seit alters her Gegenstand abergläubischer Ängste.


Lesen Sie dazu die folgenden Geschichten.

Wenn die Schwärmer zu träge zum Trinken sind, kann man sie mit Honigwasser füttern, 20.7.1996.

1720    
Eigentliche Abbildung und glaubwürdige Nachricht von einem sehr abentheuerlichen Vogel, welcher sich im Jahr 1719, den 21. Dec. in der hochfürstlichen Residenz Gotha antreffen lassen, der curiosen Welt zu beliebiger Betrachtung mitgetheilet Anno 1720.   Quelle: Johann Kanold, Sammlung von Natur und Medicin- wie auch hierzu gehörigen Kunst- und Literatur-Geschichten so sich von 1717-26 in Schlesien und andern Orten begeben und als der zehende Versuch ans Licht gestellet (Breslauische Sammlungen), Leipzig 1721, S.720-725.

Hochgeneigter Leser!

Man vexiret die Leute fast jährlich mit Erzehlung von allerhand wunderbaren Begebenheiten. Bald soll hier und da gantz gewiß Blut in Wasser, oder gar in den Speisen, gefunden seyn. Das meiste von dergleichen Dingen verdienet billig den meisten Glauben; und man thut klug, wenn man so wohl einer artigen Erzehlung Beyfall giebet, als auch denen leuten nicht gleich alles, davon man doch keine zuverläßige Nachricht hat, zu wissen sich unterstehet.

Das letztere sonderlich ist in gegenwärtiger Abbildung eines abentheuerlichen Vogels beobachtet worden, der hochgeneigte Leser siehet hier denselben in seiner richtigen Gestalt, und die gantze Begebenheit von ihm verhält sich folgender Massen:

Nachdem man vom Gothaischen Bürgermeister Herrn Wallich[1] erfahren, daß selbiger bettlägerig worden, auch gemuthmasset, als ob er wohl schwerlich mit dem Leben davon kommen möchte; welches auch nochmals der Ausgang nicht anders gewiesen: so trug es sich zu, daß in des dasigen Herrn Rath Weitzens[2] Schlaff-Zimmer die Nacht zuvor, ehe besagter Bürgermeister Wallich verstorben, ein sonderlicher Vogel herum zu fliegen anfieng, so gar, daß er auch das gewöhnlicher massen brennende Nacht-Licht mit seinem Flattern auslöschete. Es wurde solches wiederum angezündet, aber wiederum noch etliche mal von diesem Vogel ausgelöschet, biß er endlich zu Boden geschmissen und den Morgen darauf gefunden worden.

Herr Rath Weitz hatte kurtz zuvor in eben dieser Nacht einen Traum gehabt, da ihm vorgekommen, als ob ein fremder und gantz seltzamer Vogel in sein Schlaff-Gemach geflogen käme, und ihm das Nacht-Licht auslöschete.

Nebst dem kam auch gedachten Herrn Weitzen träumend vor, wie man ihm die gewisse Nachricht von des Bürgermeister Wallichs Tod hinterbrächte, welche ihm auch des andern Tages in der That angesaget worden.

Den Vogel nun betreffend, so hat man denselben, als man ihn frühe gefunden, mit nicht geringer Verwunderung, da er noch etwas gelebet, betrachtet, und seine Gestalt gantz fremde und ausserordentlich befunden.

Er praesentirete mit seinen zusammen gethanen Flügeln und Füssen eine vollkommene Todten-Baare. Oben am Kopffe hatte er einen so naturellen Todten-Kopff, daß ihn schwerlich ein Mahler netter bilden dürffte, vor dem Kopffe streckte er ein gelbes und forn gekrümtes Horn von sich, in der Größe war er, wie ein Sperber, davor man ihn auch im Fliegen gehalten, doch hatte er weder am Leibe, noch an den Flügeln, Federn, sondern diese letztern waren etwa wie Floß-Federn, an den Fischen befindlich, nebst dem Schwanze, über dem er ein weisses Creutze, wie auf einem Todten-Sarge, zeigete, von einer subtilen Haut oder Felle, und zum Fliegen sehr wohl geschickt. Weil dieses Thiergen allerdings bey iederman viele Verwunderung und Nachdencken verursachte; so wurde er nach Hofe gebracht, von dem Hof-Mahler Wolffen accurat abgemahlet, der Cörper aber sodann in die Hochfürstliche Kunst-Kammer aufgehoben.

Einige muthmassen, daß dieser Vogel ein Bastart von einer Eule oder Fledermauß sey.

Eine Eule aber ist, der alten Tradition nach, ein avis fexalis, ein dem Tod, Pest und ander Unglück, mit ihrer Gegenwart und ihrem Geheule ankündigende Bestie: Ignavus bubo, dirum mortalibus omen. […]

Hier hat der hochgeneigte Leser alles, was wir von diesem curieusen Vogel zu sagen wissen, unser Urtheil und Reflexions darüber zu eröffnen ist unvonnöthen, ein ieder hat die Erlaubniß davon zu gedencken, was ihm beliebet.



[1] Johann Philipp Wallich, Bürgermeister von 1716-1720, siehe Johann Georg August Galletti, Geschichte und Beschreibung des Herzogthums Gotha, 2. Teil, 1779, S.244.

[2] Jakob Friedrich Weitz, *3.8.1641, 29.7.1723, Stadtphysikus, Rathsherr und mehrfacher Bürgermeister.

 

Abbildung des Totenkopfschwärmers von 1719 durch Hofmaler Wolff in Gotha
 
1720    
Kein Wunder, daß man in Gotha und Schlesien noch sehr überrascht war über den fremden Nachtfalter. Auch der Naturmaler Eleazar Albin in England schrieb 1720, er habe von der Art noch bei keinem Autor je gelesen.

Das hielt in nicht davon ab, Raupe und Falter exakt zu beschreiben und zu malen. Der Falter sei sehr selten. Die Raupe lebe an Jasmin.

Von irgendwelchem Aberglauben war vom Kontinent nichts an das Ohr des englischen Malers gedrungen. Er kannte auch keinen eigenen Namen für Raupe oder Falter und beschreibt anhand der Zeichnung keinen "Totenkopf".

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Eleazar Albin, A natural history of English Insects, London 1720
1726    

In Deutschland berichtete ein Dr. Bruckmann 1726 von einer "schönen, großen", im August in Braunschweig "observirten Jasmin-Raupe".:

"Sonsten haben wir noch bey dieser Raupe angemercket, daß sie erstens ungemein geschwinde ein Blat mit starcken Knappern und Knuppern wegfressen könne, viel geschwinder als ein Seiden-Wurm [er meint den Seidenspinner Bombyx mori].

  Quelle: Johann Kanold, Sammlung von Natur und Medicin- wie auch hierzu gehörigen Kunst- und Literatur-Geschichten so sich von 1717-26 in Schlesien und andern Orten begeben und als der dreizehenter Versuch ans Licht gestellet (Breslauische Sammlungen), Leipzig 1726, S.234 f.
   
1755    
Viel weiter war man 1755. Der Künstler August Johann Rösel von Rosenhof gab fortlaufende "Insecten-Belustigungen" heraus. Seine Darstellungen von Raupe und Falter sind äußerst präzise.
  August Johann Rösel von Rosenhof, Insecten-Belustigungen, Teil 3, 1755
Rösel von Rosenhof machte die eindrucksvolle Raupe des Schwärmers noch als "Jasmin-Raupe" bekannt. Jasmin ist für die Raupen nur ein Notbehelf. In Preußen begann erst 1738 der Kartoffelanbau in größerem Stil. Seitdem werden die Raupen vor allem auf den oberirdischen Kartoffelblättern gefunden, kaum auf Jasmin.
In ihrer nordafrikanischen Heimat fressen die Raupen gern das Nachtschattengewächs Solanum incanum, einen Verwandten der ursprünglich amerikanischen Kartoffelpflanze.

Rösel von Rosenhof beobachtete sehr genau. Er stellte ganz richtig einen Zusammenhang her zu besonders warmen Jahren, "wann sich nämlich bey mehr als gewöhnlich warmer Frühlings=Zeit ein Papilion im Fliegen bis in unsere Gegend verirret und seine Eyer auf das der Raupe sonst zur Nahrung dienende Gewächs leget." Am 28. August wurde "wiederum eine andere vor dem Thor im Sand kriechend gefunden, und verschiedene Gärtner, denen dieselbe bey mir zu Gesichte gekommen, haben mich berichtet, daß sie etliche gesehen, die sie mit Füssen zertretten; weil sie solche, ihrer Grösse wegen, für die gefährlichsten Heck-Mütter allen Geschmeisses gehalten."

"Die Furcht vor dem Tode, das törichte Verlangen, sein künftiges Schicksal zu wissen, die schlechte Aufmerksamkeit, welche man auf die natürlichen Zufälle insgeheim zu haben pflegt, machen, daß der größte Teil der Menschheit gar viele Dinge für Vorboten eines großen Unheils hält, vor welchen ein gesetztes und durch reifes Nachdenken aufgeheitertes Gemüt nicht im geringsten erschrickt. Ist es denn also wohl Wunder, daß auch der Totenkopf von vielen nicht ohne Schrecken erblickt wird, zumal da er bei seiner besonderen Zeichnung auch noch einen Kläglichen Ton von sich gibt, sich nur bei Nacht sehen läßt und noch überdies beim Fliegen ein ziemliches Geräusch macht.
Ist es dann also wohl Wunder, daß auch der jezt beschriebene Papilon von ihrer vielen nicht sonder Schrecken erblicket wird, zumal da er bey seiner besondern Zeichnung auch noch
einen kläglichen Thon von sich giebet, sich nur bey der Nacht sehen lässet, und noch über dieses im Fliegen edin ziemliches Geräusche machet?
Herr von Reaumur saget, es seien ihme Klöster bekannt, woselbst alle die Nonnen eines Schlaf-Zimmers in den größten Schrecken gesezet worden, weil ein solcher Papilion in demselben herumgeflogen.
In Bretagne hat er bey dem Volck zu verschiedenenmalen, wie eben derselbe berichtet, viele Furcht erwecket; und weil er sich gerad zu der Zeit in ziemlicher Menge gezeiget, da ansteckende Krankckheiten grassirten, so mußte er auch, bey den Einwohnern der Provinz, ein Vorboth gefährlicher Seuchen und des Todes selbsten heissen.
So geschwind aber der Pöbel in Franckreich auf dergleichen fürchterliche Gedancken verfället, so geschwind würde solches auch in unserm Deutschland geschehen, wann sich etwann dieses Insect einmal häufiger zeigen sollte."
 

     
1779    
Im 18. Jahrhundert gedieh die Aufklärung. Man legte in wenigen Jahrzehnten den Weg vom Aberglauben zur Wissenschaft zurück. Vollendet wissenschaftlich in der Methode arbeitet Eugenius Johann Christoph Esper. Er versteht zwar noch den überlieferten Aberglauben. Sein Interesse gilt aber bereits der streng naturwissenschaftlichen Systematik.

Die Unterseiten der Flügel stellt Esper am Falter, aber mit kleinem Abstand dar.

"Was hat nicht vollends die düstere Farbe unseres gar nicht heßlichen Zweyfalters für Auslegungen zum Vorschein gebracht? Dessen besondere Grösse, sein rauschender Flug, die ahndungsvollen Stunden, in denen er sich vernünftigen Geschöpfen nur zeigen kann: die Abenddämmerung, die Gewohnheit, sogar in Zimmer zu fliegen, wohin ihn, wie andere, angezündete Lichter locken; alles dies, sage ich, hat das Seinige beygetragen, daß er in jenen dunklen Zeiten (und vielleicht sind diese noch nicht vorüber) Schrecknisse zu verbreiten vermochte.

Aberglaube, welcher über die heiligsten und reinsten Kenntnisse seine Macht verbreitet, ist im Reiche der Insecten am meisten geschäftig gewesen. Es wurden die Geschöpfe dieser Art am spätesten untersucht. Kaum ist es ein Jahrhundert, wo man den irrigen Wahn des zufälligen Entstehens derselben besiegt. Wie wenig sind diese Aufklärungen noch allgemein worden, bis sie erst zur Bekehrung des Volkes sich eine Bahn gemacht haben. [...]

Ist es daher befremdend, wenn der Sphinx atropos in dem Reiche des Aberglaubens eine wichtige Rolle gespielt? Er wurde nicht für ein Geschöpf, nicht für ein Meisterstück der Allmacht gehalten. Er mußte ein Bothe des Schreckens werden, Furcht und Wehklagen verkündigen, Sterben unter Menschen und Vieh, sogar das Ableben der Grossen der Erde, Pest und Seuchen anmelden unter den Menschen."
 

Esper, Die Schmetterlinge in Abbildungen nach der Natur
2. Teil Erlangen 1779
     
1928   1845
Die schönsten Ergebnisse zeigen sich oft, wenn Wissenschaft, Malkunst und Poesie Hand in Hand gehen. Zu den schönsten Totenkopf-Bildern gehören die von Kunstmalern angefertigten.

Der Lyriker Friedrich Schnack vereinte sichere Kenntnisse über Schmetterlinge mit tiefem Gefühl für die Phantasien, die sich Menschen angesichts eines Totenkopfes einst hingaben.

In seinem Buch "Das Leben der Schmetterlinge" schreibt er:

"Er ist der letzte Zeuge aus einer versunkenen antiken Nachtwelt. Mit seinem schrecklichen Wappen gemahnt er den Menschen an den Tod, an die versunkene Unterwelt, und er, der einzige unter den Faltern, der eine Stimme hat, gibt Töne von sich, die kein Mensch und sicherlich auch kein Totenkopf versteht. Klagt er um die Asphodeloswiesen, die vergilbt sind und gestorben, um die selig-unselige Schattenwelt des Hades, als er dort saß als ein furchterregendes Zeichen auf der Stirn eines Unterweltrichters?

In Turin sah Leander in einem Sarkophag einen Pharao aus einer frühen Dynastie, dessen Bemalung gut erhalten war. Auf seiner Brust war ein großer Totenkopfschmetterling in Gold und Schwarz abgebildet. Mit ausgebreiteten schwingen und düsterem Siegel starrte der Falter. Wovor sollte er das Herz des zweifellos großen Königs schützen?

Gespenster gibt es, die sind furchtbar. Vampire gibt es, wer sie sieht, dem gefriert das Blut in den Adern. Tote gibt es, die mit allen Kräften nach dem Leben gieren. Sollten alle diese abgeschreckt werden von dem Totenkopf auf der Brust des Pharao? Ist er es, der Totenkopfschmetterling, der die bösen Geister bannt?"
 

August Assmann, Abbildung und Beschreibung der Schmetterlinge Schlesiens
Breslau 1845, 2. Teil
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