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Glasmacher-Sippenbuch
Werra-Weser-Bergland von der frühen Neuzeit bis zum Beginn
der Industrialisierung um 1820
von Klaus Kunze
Uslar
2000, 545 Seiten, fester Kunstledereinband.
60 € zuzüglich Versandkosten ISBN 978-3-933334-10-7 (1).
Aktueller Bearbeitungsstand der derzeitigen
Druckauflage: 19.12.2020
Das Werk enthält rund 40 Seiten wissenschaftliche Einführung
mit zahlreichen Karten und Abbildungen.
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Kreuzrippenbecher
(Abbildung
aus dem Glasmacher Sippenbuch)
Blau
eingefärbtes, modelgeblasenes, spätgotisches Weinglas, 15.-Anfang
16.Jh., Rekonstruktion eines Bodenfundes aus der Altstadt
von Höxter. Originalhöhe 9,5 cm [(aus Altstadtfunden des Weserberglandes
nach Grabungen von Prof. Dr. Hans-Georg Stephan, (Göttingen,
Seminar für Ur- und Frühgeschichte der Universität, jetzt
ord. Prof. an der Univ. Halle) Zeichnungen Justus Harth und
Susanne Droste]
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Die Genealogie
der Glasmacher bildet eine durch nichts ersetzbare Voraussetzung
für die Erforschung der Glasmacherkunst und damit eines wesentlichen
Zweiges der neuzeitlichen Wirtschaftsgeschichte. Über Jahrhunderte
wurden Glashandwerk und -kunst in immer denselben Meisterfamilien
vom Vater dem Sohne weitergegeben. Wie bei den innerstädtischen
Zünften verbanden sich auch die in Wäldern verstreuten Glasmeister
zu festen Interessenbünden wie dem Spessartbund von 1406 oder
im Großalmeröder Bundesbrief der Glasmacher von 1537. Durch
vielfache Wanderungsbewegungen der Meister und Gesellen lassen
sich familiäre und damit zugleich glasgeschichtliche Zusammenhänge
nur durch eine umfassende Bearbeitung erforschen und erkennen.
Es gab im frühneuzeitlichen
Deutschland drei personell in sich weitgehend abgeschlossene
geographische Glasmachergebiete:
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den Spessart und Südwestdeutschland mit abnehmender Bedeutung
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den Thüringer- und Böhmerwald und
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das Werra-Weser-Bergland.
Das
Glasmacher-Sippenbuch legt für den letztgenannten geographischen
Kernbereich der Glasmacher eine umfassende genealogische Bearbeitung
mit dem Ziel vor, alle Glasmacher zwischen Kaufunger Wald,
Reinhardswald, Bramwald, Harz, Solling und Hils zu erfassen.
Die Kirchenbücher dieser Region wurden vom Verfasser ausgewertet
und die 2495 Familien oder einzelne Glasmacher in der hergebrachten
Form eines Ortssippenbuches geordnet.
Die
bisherige Literatur zu diesem Thema war Stückwerk und bestand
aus Einzelaufsätzen, die meist unter dem speziellen Blickwinkel
nur eines isolierten familiengeschichtlichen Interesses oder
einer bestimmten geographischen Örtlichkeit stehen. Veröffentlichungen
wie die Standardwerke von Killing (1926) und Bloß (1977) interessierten
sich für die Genealogie jeweils nur partiell und eben soweit,
wie es zum Auffinden von Hüttenstandorten und der Wanderungsbewegungen
im Groben unerläßlich war.
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Achtkantiges
Paßglas
(Abbildung
aus dem Glasmacher Sippenbuch)
Nicht
gefärbtes, grünliches Bier- oder Weinglas, schrägoptisch geblasen,
mit gekerbten Fadenauflagen, die Pässe zum Austrinken bilden,
16.Jh. Die Bärenköpfe und der Dekor der unteren Wandung aus
blau eingefärbtem Glas. Rekonstruktion eines Bodenfundes
aus der Altstadt von Höxter. Originalhöhe 22 cm. |
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Aus dem Vorwort:
Im
Werra-Weser-Bergland lag eine der drei großen deutschen Glasmacherregionen
neben dem Spessart und Thüringer-/Böhmerwald. Im Niemetal,
einem Nebenflüßchen der oberen Weser, befinden sich bei Bursfelde
seit dem Hochmittelalter bedeutende Hüttenstandorte. Die umliegenden
Wälder stecken voller nach und nach archäologisch aufgefundener
Hüttenplätze des 13. Jahrhundert bis in die frühe Neuzeit.
Von 1397 datiert die erste urkundliche Erwähnung eines Glasmachers
im Solling. Im 16. Jahrhundert setzen archivalische Quellen
breit an, und ab dem 17.Jahrhundert die Personenregister der
Kirchenbücher.
Der
Genealogie der Glasmacher war mit rein örtlicher Forschung
nicht beizukommen. Ausgehend von Bursfelde und der Weserschiene
wurden darum die Kirchenbücher der Großregion ausgewertet.
Vollständig sollen die Glasmacher im Kaufunger Wald, Reinhardswald,
Bramwald, Solling und Harzrand bis ins Paderborner Land erfaßt
werden. Das Buch möchte die Glasmacher dieses Untersuchungsgebiets
nach Schriftquellen vollständig dokumentieren; in den Randbereichen
Harz und Ostwestfalen-Lippe, soweit die Daten erreichbar waren.
Hinzu kommen identifizierbare Abwanderungsgebiete wie
Essen-Königssteele und Holland, wo Familien etwa aus Oedelsheim
und Bursfelde an der Weser im 18.Jahrhunderten hinwanderten.
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Bei den Pionierwerken von Margarethe Killing und Otto BLOSS über Glashütten lag das Gewicht darauf, genealogische
Forschung für die Suche nach Glashüttenstandorten zu nutzen
und die Hüttenstandorte möglichst vollständig zu erfassen.
Komplette Genealogien zu erstellen und diese vielleicht
auch aus Sicht ganz anderer Disziplinen zu betrachten, war
nicht das Ziel. BLOSS grenzte sein Thema überdies regional
ein auf Südniedersachsen. Aus personengeschichtlicher
Sicht hat die räumliche Begrenzung auf die heutige Landesgrenze
aber keinen Sinn. Die Glasmacherfamilien hatten im landschaftlich
weitgehend einheitlichen und in vieler Weise wirtschaftlich
verknüpften Waldgebiet von Kaufunger Wald, Reinhardswald,
Bramwald, dem Solling und nördlich angrenzenden Wäldern
sowie dem westlichen Harzrand ihren natürlichen, einheitlichen
Entfaltungsrahmen.
Ziel dieser vor allem genealogische Quellen auswertenden
Arbeit war es nicht, zusätzliche Erkenntnisse darüber zu
gewinnen, welche Hütten es wann und wo genau gab. Das haben
Killing, Bloß und andere schon lange versucht und für das
17. und 18. Jh. wohl auch weitgehend geklärt. Hier soll hingegen
möglichst genaues Material über die mit der Glasherstellung
befaßten Personen und Familien vorgelegt werden. Dieses eignet
sich außer für genuin genealogische Zwecke auch als Basis
etwaiger sozial- und wirtschaftsgeschichtlicher Untersuchungen.
Personengeschichtlich sind skizzierten Wanderungsbewegungen
wegen der „zigeunerhaften“ Lebensform der Glashüttenleute
nicht einfach zu erforschen. So hieß es am 17.6.1826 im Bericht
des Kreisamtes Rinteln
über die Glasmacher der Fabrik
in Obernkirchen:
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„Dieses Völkchen
hat nämlich in der Rücksicht viel Ähnlichkeit mit den Zigeunern,
daß sie ihre Wohnungen bald hier bald da, wo eine Glasfabrik
raucht, und Gelegenheit zum Verdienst ist, aufschlagen und
selten ein anderes forum als das forum originis haben, dessen
Ermittelung noch dazu nicht immer möglich ist, da einestheils
der Producent eines Geburtsscheines nicht immer die Identität
seiner Person nachzuweisen vermag, anderntheils der Geburtsort
öfters eine, in einem Walde liegende Glashütte ist, welche
einer bestimmten Gemeinde nicht einmal zugehört.
Dabei sind die Glasmacher ungebildeter und roher als andere Leute ihrer Art und bei ihrem guten Verdienst ziemlich verwegen, so daß der Fabrikherr bei einer ungewöhnlichen - geschweige denn wirklich lästigen – Anforderung seine Noth mit ihnen hat und nur Gefahr läuft, daß sie seinen Dienst verlassen und dadurch seine Fabrik lahm legen. Zu der harten Arbeit der Glasmacher lassen sich nämlich nur die Kinder der Arbeiter an und nur nach einer langen, mühevollen, schon im siebten Jahre anfangende und vielleicht im zwanzigsten erst vollendeten Lehrzeit, wenn letztere gleich nach den Handwerksbräuchen in fünf Jahren vollendet sein soll - ist der Glasmacher zu allen Geschäften geschickt.“
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Lage
einer typischen Waldglashütte 1685 |
Haben Glasmachersippen sich aus der Bevölkerung der Umgebung durch Heiraten ergänzt? In welchem Umfange wanderten Holzhauer, Fuhrknechte und einfache Arbeiter mit, wenn die Wanderglashütte verlegt wurde? In welchem Umfang und in welchen Zeiten schieden Glasmacher aus ihrem Gewerbe aus und ergriffen andere Berufe? Antworten auf diese und viele andere Fragestellungen mehr mag der Interessierte dieser Datensammlung entnehmen. Umfassende sozialgeschichtliche Fragestellungen hat mit genealogischen Methoden zum Beispiel E.Voland untersucht, indem er sämtliche Kirchenbücher der Großgemeinde Krummhörn in Ostfriesland auswertete, den Rechner der Universität Göttingen mit ihnen fütterte und anthropologische Erkenntnisse gewann.
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