Vorwort
Alle
großen Weltanschauungen haben ihren Gegnern mancherlei Götter
und Heilige entrissen und ihrem eigenen Pantheon eingefügt. In
der Geistesgeschichte setzt sich diejenige Strömung in
einer bestimmten Zeit durch, die imstande ist, fremdes Gedankengut
gemäß den eigenen Zielen umzudeuten bzw. umzufunktionieren,
so daß dieses schließlich Absichten dient, die mit denen seiner
Urheber sogar im Gegensatz stehen können.Wie ein eleganter
Fechter die Dynamik des Gegners zum eigenen Hieb ausnutzt, trifft
der geistige Kontrahent seinen Gegner am wirkungsvollsten
mit dessen eigenen Ideen.
Geistige
Kämpfe haben ihre eigenen Gesetze. Ihr oberstes lautet, daß Ideen
Waffen sind. Wer sie souverän beherrscht, läßt keine unbenutzt.
Leider haben Eleganz und Esprit in Deutschland wenig Tradition.
Statt mit dem Degen geht man lieber mit verbalen Keulen aufeinander
los. Wer den Gegner widerlegen will, muß ihn aber erst einmal
verstanden haben. Dazu fehlen heute oft schon die Grundvoraussetzungen:
Moralisierender ideologischer Haß will
nicht verstehen, und mangelnde historische und philosophische
Bildung kann nicht verstehen. Engstirniger Denkstil läßt gute Ideen unbenutzt,
bloß weil sie ursprünglich von jemandem gedacht waren, der
heute als politisch nicht korrekt gilt. So dominieren Dogmatiker,
die nicht einmal imstande sind, die geistigen Waffen auch nur
vom Boden zu heben, mit denen Kontrahenten in früheren Zeitaltern
mit Leichtigkeit fochten.
Wehe,
Ideen gelangen in die Hände von Bürokraten! Sie können mit ihnen
nicht umgehen, denn das selbständige Denken ist ihnen fremd. Sie
sortieren uns in bürokratische Schubladen, je nach dem, welche
Begriffe wir benutzen. Wer "Freiheit" sagte, galt schon
der landesfürstlichen Policey im Vormärz als verdächtig. Mancher
kluge Kopf landete in der Festung. Auch heute gibt es wieder
Reizworte, die bei gewissen Eiferern Pawlowsche Reflexe auslösen.
Wir sollten jeden belächeln, der andere nur in Gut-Böse- oder
Rechts-Links-Schablonen pressen und ihnen krampfhaft irgendwelche
Ismen aufkleben kann.
Dagegen
achte ich jeden Andersdenkenden hoch und spare nicht mit Bewunderung,
wenn er Hiebe pariert und gewitzt kontert. Gäbe es doch mehr geistreiche
und gewitzte Gegner! Die verbeamteten Alt-68er sind so humorlos
wie ihre schmalbrüstige Ideologie witzlos. Wo sie noch 1968
auf Gymnasium oder Uni mit dem geistigen Florett auf Muff von
tausend Jahren losgegangen waren, schwingen sie 1998 nur noch
müde ihre Faschismus-Keule. Doch die handhaben sie inzwischen
von oben herab: Von Kanzeln predigen Pastoren Dritteweltschmerz,
vom Katheder pauken Lehrer Betroffenheiten ein, und hinter
den Schranken mancher Gerichte lugen unter schwarzen Roben
ausgefranste Jeans hervor. Was dabei herauskommt, ist Thema
dieses Buches:
Die
dunkle Seite der Macht des Verfassungsschutzes liegt in seiner
inquisitorischen Tendenz. Wie jede historische Inquisition sucht
sie die Menschen erst zu bespitzeln und dann in ihr Handeln, zuletzt
auch in ihr Denken einzudringen. Neben einfältigen Bürokraten
treiben in den Amtsstuben und Gerichten bereits linksextremistische
Ideologen ihr Wesen. Was ihnen für Überzeugungsarbeit an Geist
fehlt, machen sie durch amtliche Macht wett. Auch sie interpretieren
um, und zwar unser Grundgesetz: von der freiheitlichen demokratischen
hin zur antifaschistisch-doktrinären Grundordnung. Ohne einen
einzigen ihrer Buchstaben verändern zu müssen, legen sie der Verfassung
ihre Ideologie unter. Der ideologische Systemwechsel auf Samtpfötchen
hat schon stattgefunden.
Die
Funktion des Verfassungsschutzes für den Parteienstaat
Die
Bundestagsdrucksache 12/6000 vom 3.11.1993 enthält den Bericht
der Gemeinsamen Verfassungskommission (Bundestag, 12.Wahlperiode,
BT-Drucksache 12/6000 vom 5.11.1993, S.14.). Dort findet wir bundestagsamtlich
den offenherzigen Satz:
"Probleme der Verfassung und der
Verfassungsreform sind letztlich politische Machtfragen."
So
ist es. Im Gewaltstaat kommt die politische Macht nach einem Wort
Mao Tse Tungs aus den Gewehrläufen. Im Rechtsstaat äußert sie
sich hingegen in der Interpretationsmacht über das Recht. Die
Macht hat, wer die Regeln regelt: Die Spielregeln im Rechtsstaat
heißen Gesetze. Gesetze sind allgemeingültige Gebote und bestehen
aus Worten und Sätzen. Wer über den Sinn interpretationsfähiger
Worte entscheidet, bestimmt darüber, welcher Bürger und welche
Partei gesetzlich und welche ungesetzlich denkt oder handelt.
Anders
als der buchstabengläubige Laie glaubt, gibt es keine Worte, die
nicht verschiedener Auslegung fähig sind. Da glaubte man jahrzehntelang:
eine Ehe - das sei notwendigerweise ein Mann und eine Frau.
Wenn nun aber eine neue Präsidentin Limbach des Bundesverfassungsgerichts
erklärt: Warum soll ein
Homosexuellen-Pärchen keine Ehe sein? - muß eben jemand entscheiden, ob das Wort "Ehe"
auch gleichgeschlechtliche Paare umfaßt. Wer diese Entscheidungsmacht
zur letztverbindlichen Interpretation besitzt, vermag andere
Bürger innerhalb oder außerhalb "des Gesetzes" zu
stellen. Wer sich draußen vor die Tür von Recht und Verfassung
gesetzt findet, muß sich von drinnen "Verfassungsfeind"
nennen lassen.
Die
Interpretationsmacht über Verfassung und Gesetze ist einer der
heißestumkämpften Schauplätze der politischen Arena. Weil
Worte wie Ehe, Demokratie oder Menschenwürde
keinen realen Bedeutungskern besitzen, sondern nur Ideen oder
Ideale umschreiben, wechselte ihre Auslegung im Laufe der Jahrhunderte
mit den Moden der Philosophie und der Theologie. Es gibt darum
kein Gesetzesrecht, das durch den Wortlaut seiner Buchstaben
allein unumstößlich und ewig gilt. Es wird jeweils aus der Sicht
wechselnder Weltanschauungen oder Ideologien interpretiert.
Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet die dem Grundgesetz
zugrundeliegende Weltanschauung treffend als Wertordnung.
Ein und derselbe Begriff wie etwa Gemeinwohl
oder Gemeineigentum kann aus Sicht verschiedener
Wertordnungen ganz verschiedenes bedeuten. Darum suchen die
Gegner im politischen Wettkampf den für alle geltenden Gesetzesworten
jeweils ihren eigenen weltanschaulichen Sinngehalt zuzusprechen.
Klar
bekannte sich dazu im Namen des Landes Land Rheinland-Pfalz Prof.
Friedhelm Hufen (Prof.Dr.Friedhelm Hufen, ord. Prof. f. öff. Recht
an der Uni Mainz, hier: Schriftsatz vom 16.2.1998 an das VG Mainz,
Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG Mainz
vom 10.12.1997 7 K 102/94.Mz, S.16.): Es komme darauf an, "normative
Begriffe wie freiheitliche demokratische Grundordnung und Menschenwürde
nicht statisch zu interpretieren." In diesem Eingeständnis
liegt ein Abschied von der Fiktion der unverbrüchlichen "Herrschaft
des Gesetzes". Wer das Gesetz durch einen Vorbehalt wechselnder
ideologischer Auslegungen relativiert, verändert die Natur
des politischen Konflikts: Er wird nicht mehr mit rechtlichen,
sondern mit ideologischen Waffen ausgetragen. Wer diesen Schritt
vom Rechtsstaat zum Weltanschauungsstaat geht, sollte es ehrlich
zugeben. Die Innenminister und Verfassungsschützer täuschen
dagegen gern die Öffentlichkeit: Sie stellen die demokratische
Rechte außerhalb des Gesetzes, obwohl sie tatsächlich nur außerhalb der Ideologie der CDU- oder SPD-Minister
stehen.
Die
verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Beurteilung heutiger Parteien
und Gruppierungen als verfassungskonform oder verfassungsfeindlich entnimmt die Rechtsprechung
den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, mit welchen die
KPD und die SRP verboten worden waren. In eben jenen Urteilen
hatte das BVerfG anhand des Textes des Grundgesetzes den Merkmalskatalog
der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entwickelt (SRP-Urteil,
BVerfG E 2, 1. ff.. S.15 ff.). Anhand dieses Katalogs hatte es
in den Einzelfällen der KPD und der SRP überprüft, ob diese Parteien
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung kämpfen. Die
Prüfungen endeten mit der Feststellung der Verfassungsfeindlichkeit
und dem Verbot der beiden Parteien. Bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit
heutiger Parteien und Gruppierungen greifen Verwaltungsgerichte
darum auf die Argumentation des BVerfG formal und auch inhaltlich
zurück. Der Merkmalskatalog wurde nämlich von den Bundes- und
Landesgesetzen übernommen und findet sich mit Gesetzeskraft
zum Beispiel in den Verfassungsschutzgesetzen. Um beurteilen
zu können, ob dieser Rückgriff im Einzelfall argumentativ tragfähig
ist, muß man die entscheidenden Aussagen des BVerfG gelesen
haben und kennen (BVerfG Urteil vom 23.10.1952, E Bd.2 S.15 f.,
sog. SRP-Urteil.).
"Die besondere Bedeutung der Parteien im demokratischen
Staat rechtfertigt ihre Ausschaltung aus dem politischen Leben
nicht schon dann, wenn sie einzelne Vorschriften, ja selbst
ganze Institutionen der Verfassung mit legalen Mitteln bekämpfen,
sondern erst dann wenn sie oberste Grundwerte des freiheitlichen
demokratischen Verfassungsstaates erschüttern wollen. Diese
Grundwerte bilden die freiheitliche demokratische Grundordnung,
die das Grundgesetz innerhalb der staatlichen Gesamtordnung
- der verfassungsmäßigen Ordnung - als fundamental ansieht.
Dieser Grundordnung liegt letztlich nach der im Grundgesetz
getroffenen verfassungspolitischen Entscheidung die Vorstellung
zugrunde, daß der Mensch in der Schöpfungsordnung einen eigenen
selbständigen Wert besitzt und Freiheit und Gleichheit dauernde
Grundwerte der staatlichen Einheit sind. Daher ist die Grundordnung
eine wertgebundene Ordnung. Sie ist das Gegenteil des totalen
Staates, der als ausschließliche Herrschaftsmacht Menschenwürde,
Freiheit und Gleichheit ablehnt. Die Vorstellung des Vertreters
der SRP, es könne verschiedene freiheitliche demokratische
Grundordnungen geben, ist falsch. Sie beruht auf einer Verwechslung
des Begriffs der freiheitlichen demokratischen Grundordnung
mit den Formen, in denen sie im demokratischen Staat Gestalt
annehmen kann.
So
läßt sich die freiheitliche demokratische Grundordnung als
eine Ordnung bestimmen, die unter Ausschluß jeglicher Gewalt-
und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung
auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem
Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit
darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung
sind mindestens zu rechnen. Die Achtung vor den im Grundgesetz
konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der
Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität,
die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung (Demgegenüber bezeichnen
heutige Verfassungsschutzgesetze in Bund und Ländern nicht die
Verantwortlichkeit der Regierung, sondern ihre Verantwortlichkeit
gegenüber dem
Parlament als Wesensmerkmal der FdGO, was nicht zutrifft
und vom BVerfG so nicht für richtig gehalten wurde.), die Gesetzmäßigkeit
der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip
und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit
dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung uns Ausübung einer
Opposition."
Um
diese Grundordnung verteidigen zu können, hat der Parlamentarische
Rat sie, einem freundlichen Rat Carl Schmitts folgend (Carl
Schmitt, Legalität und Legitimität, 1932,
55 f., 61.), als wehrhafte Demokratie ausgestaltet.
Ein System kann nicht stabil sein, wenn es die Machtfrage zuläßt
und für seine eigene Abschaffung offen ist. Solange ein Staat
als politische Einheit bestehen will, muß er den "inneren
Feind" mit verbindlicher Wirkung bestimmen. Historischer
Erfahrung nach braucht jeder Staat seine Ketzer, Häretiker
oder Abweichler. In allen Staaten und allen politischen Systemen
gibt und gab es daher jene Geächteten, Verfemten und Ausgegrenzten.
Daß
"Feinde der Demokratie" ausgegrenzt werden, ist aus
demokratischer Sicht in Ordnung. Doch wer ist "Feind der
Demokratie"? Das sind diejenigen, zum Feind erklärt werden, und zwar von denjenigen, die über die Macht zur Definition
des Begriffs Demokratie
verfügen. Im Medienzeitalter erfüllen Rundfunk, Fernsehen
und Presse und vor allem der Verfassungsschutz die Funktion,
jede politische Opposition bei Bedarf
als feindlich zu brandmarken
und - speziell die Rechte - als Sündenböcke zu stigmatisieren.
Diese
Strategie der "Stigmatisierung" wird in Papieren
der Regierungsparteien ausdrücklich betont und anempfohlen.
In internen "Überlegungen" des Konrad-Adenauer-Hauses
"zur Strategie der CDU gegenüber den REP" schreibt
der Verfasser etwa:
"Daher
scheinen mir die nachstehenden Methoden der 'Stigmatisierung'
der REP erfolgreicher zu sein." (Hans-Joachim
Veen, Norbert Lepszy und P. Mnich, "Überlegungen zur Strategie
der CDU gegenüber den REP", April 1989, Hrg. Forschungsinstitut
der Konrad-Adenauer-Stiftung, Grundsatz- und Planungsabteilung,,
Interne Studien Nr.14/1991-1992 S.77.) -
Einem
Parteistrategen einer Regierungspartei nimmt es niemand so einfach
ab, wenn er die Opposition als verfassungsfeindlich stigmatisieren
möchte. Die VS-Berichte erwecken aber diesen Anschein und dienen
darum der gleichsam "amtlichen" Stigmatisierung. Wer
sie durchschaut, nimmt sie freilich nicht recht ernst: In einem
Augenblick spontaner Offenherzigkeit gab Prof. Michael Sachs
- am 12.2.1998 Prozeßvertreter des Landes NRW in der Verhandlung
vor dem Bundesverwaltungsgericht - zu: "Verfassungsschutzberichte
haben auf Personen, die auf so etwas ansprechbar sind, noch
eine gewisse Wirkung." Dezenter kann man seine Distanz vor
den Erzeugnissen des eigenen Auftraggebers kaum ausdrücken.
"So etwas" - das mag so einfältig und einseitig sein
wie es will, wirkt aber in zweierlei Weise: Dem Publikum, das
nicht hinter die Kulissen blicken kann, wird ein säuberliches
Schubladensystem vorgegaukelt, in das man die rechten und linken
Bösewichter sortieren kann. Durchetikettiert und stigmatisiert
dienen sie dem Parteienstaat als Feindbild. Einen direkten Rechtsschutz
dagegen gibt es nicht, weil die Minister in VS-Berichten doch
angeblich nur Meinungen ohne Rechtsqualität äußern. Andererseits
ist zum innerdienstlichen Abschuß freigegeben, wer als Staatsdiener
ins Fadenkreuz des Vorwurfs gerät, verfassungsfeindliche Ziele
zu unterstützen. In solchen Disziplinarverfahren benutzen Behörden
dieselben Vorwürfe wie in VS-Berichten und möchten sie verwenden
wie gerichtsverwertbare Fakten. Ihre angeblichen bloßen Meinungen
stellen sie im Handumdrehen als Fakten dar, wenn es gegen Beamte
oder Offiziere geht.
Der
Verfassungsschutz ist das Hauptinstrument des etablierten Parteienkartells.
Als Schild und Schwert des Parteienstaats fällt ihm die Aufgabe
zu, schon im Vorfeld von Parteigründungen filternd zu wirken
und vorsichtige Naturen wie Beamte fernzuhalten ("Sie
wissen doch, als Beamter kann ich mir das nicht erlauben...").
Allein die Möglichkeit der nachrichtendienstlichen Bespitzelung
erzeugt ein Klima der Einschüchterung. Indem niemand gegen
die Behörden auf Feststellung klagen kann, er sei verfassungskonform,
weiß keiner so recht, ob er noch die erlaubte Gesinnung hat
oder als "Radikaler" zum Beispiel im Staatsdienst
Schwierigkeiten bekommen könnte. Diese in den 70er Jahren gegen
Linke geübte Praxis lebte 1993 wieder auf, als Landesinnenminister
verkündeten, wer als Beamter REPUBLIKANER sei, müsse sich
hüten. Objekt der Beobachtung sind dabei immer nur "die
anderen": Obwohl die Bundestagsparteien seit Jahren
am laufenden Band Gesetze produzieren, die das Bundesverfassungsgericht
wegen ihrer Unvereinbarkeit mit Verfassungsnormen wieder
aufhebt, spielen sie sich als alleinige legitime Hüter der Verfassung
auf. Die GRÜNEN wurden bespitzelt, solange sie "draußen"
waren. Nach ihrem Einzug in Parlamente bildete man dann Koalitionen
mit ihnen. Viel wichtiger als die tatsächliche nachrichtendienstliche
Beobachtung ist den Regierenden im Zeitalter der symbolischen
Politik aber, die Opposition quasi amtlich als Staatsfeinde
stigmatisieren zu können. Als Verunglimpfungsinstrument wird
der Verfassungsschutz durchaus bewußt und zielgerichtet eingesetzt.
Der
Verfassungsschutz gibt den jeweiligen Regierungsparteien scheinbar
ein legales Mittel, auch demokratische Konkurrenzparteien
mit nachrichtendienstlichen Mitteln auszuspähen. Welche
Regierungspartei hat nicht gern einen staatlich bezahlten Spitzel
in der Runde, wenn der Vorstand der Oppositionspartei tagt? Den
Spion der SED im Bundeskanzleramt hat es gegeben, und den der
SPD im Republikaner-Vorstand auch.
Hinsichtlich
verfassungsschützerischer
Erkenntnisse aber ist der Informationswert nachrichtendienstlicher
Beobachtung gering: Da schleust man Spitzel in die Reihen einer
Partei ein und nennt sie, anders als bei der Stasi, nicht IM
(Informelle Mitarbeiter), sondern VM,
was offenbar für Vertrauliche
Mitarbeiter stehen soll. Diese sitzen dann in Versammlungen, schreiben fleißig mit und sammeln
für ihren Minister kostenlos an Gedrucktem ein, was dieser
gegen Abonnementgebühr auch hätte bestellen können. In der
mündlichen Verhandlung vor dem VG Hannover am 8.2.1993 zeigten
sich die Verfassungsschützer baß erstaunt, daß man die Zeitung
DER REPUBLIKANER auch einfach abonnieren kann. In eingeheimsten
Druckschriften der Beobachteten streichen dann Ministerialbürokraten
fleißig Worte oder Sätze bunt an, die sie anstößig finden. Diese
Ausbeute, weil man andere nicht findet, wird später stolz den
Verwaltungsrichtern als "Tatsachen" präsentiert,
die Schlüsse auf verfassungsfeindliche Bestrebungen zulassen
sollen. Auf den geringen Erkenntniswert kommt es den regierenden
Parteien dabei gar nicht an, sondern nur auf den erwünschten
Stigmatisierungseffekt.
Der
Erfolg der REPUBLIKANER rührte an den Nerv der Machtinteressen
der Etablierten. Da heiligt der Zweck fast jedes Mittel. So werden
dann brave, rechtstreue Beamte mit Drohungen eingeschüchtert,
man werde dienstrechtlich über sie herziehen und sie schurigeln,
nur weil sie die REPUBLIKANER für demokratischer halten als
einen Landesminister, ihren Dienstherrn. Fände ein Gericht
wider Erwarten tatsächlich einen Verfassungsfeind, hätten
die REPUBLIKANER nichts dagegen, ihn selbst hinauszukomplimentieren.
Der Einzelfall ist aber ebenso unwichtig wie konkrete Beobachtungsergebnisse:
Es kommt nur darauf an, die Beamtenschaft davon abzuhalten,
überhaupt die Opposition zu unterstützen, und flächendeckend
die REPUBLIKANER vor dem Fernsehpublikum als großen bösen
Wolf darstellen zu können, vor dem die geängstigten Bürger
flugs wieder in die Arme der Etablierten flüchten sollen. Auch
hat die nachrichtendienstliche Beobachtung für die beobachtete
Oppositionspartei eine Reihe unmittelbarer faktischer Nachteile:
Von einem Informanten der Verfassungsschutzes, der sich unerkannt
in eine Partei einschleicht und sich dabei zwangsläufig auch
Wahlen zu Parteiämtern stellt, darf kaum erwartet werden, daß
er in der Partei tatsächlich deren Ziele fördert. Wenn er schon
nicht als Agent provocateur
erst die "Verdachtsmomente" selbst produziert, auf
die es dem Dienst ankommt, wird er jedenfalls nicht positiv
die tatsächlichen Parteiziele fördern.