Ohne
spezifisches, auf das politische Funktionieren des Gemeinwesens
gerichtetes Ethos läßt sich ein Staat nur unter den Bedingungen
einer Diktatur aufrecht erhalten. Inhalt des republikanischen
Ethos ist es, das Volk als politisches Gemeinwesen zu konstituieren.
Es ist der einzige Wert, den wir bewußt setzen,
notfalls geradezu erfinden müssen. Der Eigenwille und der Trieb
zur Gemeinschaft sind phylogenetisch vorfindbare und nicht disponierbare
Größen. Der als grenzenlos gedachte Eigenwille und ein ebenso grenzenlos
gedachtes Eigenrecht der Gemeinschaft können nicht unversöhnt
nebeneinander bestehen. Nach einem genetisch ererbten, politischen
Verantwortungsbewußtsein, für ein Ethos des Staates, haben
Verhaltensforscher bisher aber vergeblich gesucht. Diese Tugend
entspringt offenbar rein kultureller Überlieferung und ist darum
besonders störungsanfällig.
Was geschieht,
wenn der Gedanke individueller Autonomie sich durchsetzt und
die Gemeinschaft verdrängt, erleben wir in Deutschland heute tagtäglich.
Was geschehen konnte, als die Gemeinschaft alles und der einzelne
nichts galt, haben wir nicht vergessen. Eine freiheitliche Gemeinschaft
ohne einen Wert, der zwischen beiden Extremen vermittelt und sie
verbindet, kann nicht auf Dauer aufrecht erhalten werden. Gustav
Radbruch hatte als dritten Wert die Kultur einführen wollen, und
wenn man das politische Gemeinwesen richtigerweise als kulturelle
Leistung begreift, hatte er damit recht. Wir sind von Natur aus Kulturwesen,
und als Kulturwesen sind wir auch von Natur aus Gemeinschaftswesen
- aber: freiheitsliebende! Es ist einfach unbegreiflich, wie
der evidente Zusammenhang dieser Werte immer wieder bestritten
und mit intellektualistisch halbierter Vernunft immer nur der eine
oder der andere Wert verabsolutiert werden konnte.
Wir
nähern uns mit dieser Überlegung nicht nur dem Ideenkreis der griechischen Polis, der römischen res publica und neuzeitlichen Denkern
seit der Renaissance an, sondern auch der Rezeption dieser alten Ideen
durch eine neuere amerikanische Strömung, den sogenannten Kommunitarismus.
Die klassische Staatsphilosophie hatte angenommen, der Mensch finde
erst als Bürger unter Bürgern seine sittliche Bestimmung. Zugrunde
liegt die gemeinsame Einsicht, daß ein Gemeinwesen nur dauernd
bestehen kann, wenn es seinen Bürgern die Freiheit ermöglicht,
in aktiver Mitverantwortung den Staat zu gestalten und in Permanenz
aufrecht zu erhalten. Seine spezifische Tugend beruht auf dem Gefühl
unserer individuellen und kollektiven Verantwortlichkeit für die
Freiheit jedes einzelnen und den Bestand des Ganzen, das uns diese
Freiheit sichern soll. Die republikanische Tugend ist eine freiheitliche
und eine gemeinschaftsbindende Tugend zugleich. Sie läßt jeden
einzelnen fühlen, daß die Polis in ihm lebe.
[1]
Der
amerikanische Kommunitarismus ist so bescheiden, die Tugenden der
eigenen Republik nicht universalieren zu wollen. Maßstäbe für eine
objektive Beurteilung von Wertfragen lassen sich nicht vom Zusammenhang
der eigenen kulturellen und politischen Überlieferung trennen.
Während sich der demokratische Prozeß "nach liberaler Auffassung
ausschließlich in der Form von Interessenkompromissen vollzieht",
ist das "nach republikanischer Auffassung in der Form ethisch-politischer
Selbstverständigung"
[2]
vor dem Hintergrund gemeinsamer Überlieferung der Fall. Richtig
sehen die Kommunitaristen das Ende der Fahnenstange des Liberalismus:
In seiner einseitigen Betonung des Eigennutzes hebt er die Voraussetzungen
für das Gemeinsame und damit wieder die Voraussetzung für nachhaltigen
Schutz des Eigennutzes auf. In einem kommunitaristischen Manifest,
das maßgeblich von Etzioni formuliert wurde, heißt es darum, es könne
nicht "irgendeine Gemeinschaft auf lange Sicht überleben, wenn
ihre Mitglieder nicht einen Teil ihrer Aufmerksamkeit, ihrer Kraft
und ihrer Mittel gemeinsamen Vorhaben widmen. Die ausschließliche
Verfolgung privater Interessen löst das Netz gesellschaftlicher
Strukturen auf, von dem wir alle abhängen."
[3]
Das
Communitarian Movement möchte die Verantwortung für eine gemeinschaftsorientierte Perspektive
betonen in einer "Gesellschaft, die immer stärker vom Verlust
aller moralischen Normen bedroht ist, zur Selbstsucht neigt und
von Raffgier, egoistischen Interessen und einem ungebrochenen Machtstreben
gekennzeichnet ist." Angestrebt wird darum ein Gleichgewicht
zwischen Individuen und Gruppen.
Damit
haben die Amerikaner aber das Rad nicht erfunden, sondern allenfalls
wieder gefunden. Ein Staatsethos, das alle Bürger zum Gemeinsinn
verpflichtete, war einmal untrennbar mit dem Namen Preußens verbunden.
Es wurde in Deutschland schon gelebt, als sich die Vorfahren der
Amerikaner noch mit Vorliebe gegenseitig umgebracht haben. Das
letzte gilt jedenfalls, wenn wir der Selbstdarstellung ihrer eigenen
Geschichte in ihren "Western" Glauben schenken dürfen.
Eine geistige Traditionslinie führte dagegen in Deutschland von
der Romantik über die konservative Revolution bis in unsere Tage
und betont: Zusammengehalten werde die Nation nicht nur durch die
staatlichen Institutionen, sondern, mit Worten Moeller van den Brucks,
durch "eine lebendige Klammer der Anteilnahme." Diese spezifisch
politische Anteilnahme ist die republikanische Tugend, sie ist mehr
als Liebe zu Volk und Vaterland, sie ist die tätige Verantwortlichkeit
für das politisch konstituierte
Gemeinwesen. "Politik," so sieht das auch Jung, "ist
das auf die Gestaltung des Gemeinschaftslebens gerichtete Streben
des Menschen, eines Volkes. Und dieses Streben gehört zur Gesittung,"
[4]
also
in den Bereich der ethischen Tugenden.
Wie
schon der preußische Staat - entgegen anderslautenden Legenden -
nicht auf Zwang und Kadavergehorsam ruhte, möchte jetzt auch der Amerikaner
Taylor gern "die freiwillige Identifikation der Bürger mit der
Polis" durch die "Überzeugung, daß die politischen Institutionen,
unter denen sie leben, Ausdruck ihrer selbst sind." Gerade durch
die Teilhabe am politischen Leben verwirkliche sich der Mensch selbst
als Zoon politikón. Weil Opferbereitschaft für ein Gemeinwesen
wildfremder Leute auch in Amerika als weltfremd gilt, "setzte
Taylor demonstrativ auf Einheit. Verfassungspatriotismus, ein schöner
Luxus für Intellektuelle, ist den Kommunitaristen nicht genug.
Statt dessen sprechen sie umstandslos von Patriotismus, einer unbedingten,
den ganzen Menschen ergreifenden Empfindung, wie sie zur Zeit der
französischen Revolution zum ersten Male wirksam geworden ist.
Das Bekenntnis zu Prinzipien und Parolen zählt nur so weit, als
sich daraus konkrete Pflichten ergeben, die jeder einzelne auch unter
Opfern zu erfüllen bereit ist."
[5]
Diese
von Taylor auf Aristoteles zurückgeführten Auskünfte hätte er auch
in Deutschland einholen können. So etwa bei E.J.Jung, der das Problem
1930 formuliert hatte: "Dem allgewaltigen Staate steht
heute eine ungeordnete, im Kampfe aller gegen alle liegende Masse
gegenüber. Ihre einzigen Gesetze empfängt sie von ihm, meist mit
dem Vorsatze, sie zu umgehen. Diese Summe gleichberechtigter Einzelmenschen
bildet die moderne Gesellschaft. Ohne den Geist wahrer Gemeinschaft,
ohne innere Verbundenheit leben sie in stummer Gehässigkeit
nebeneinander her." Der "Geist wahrer Gemeinschaft",
die "innere Verbundenheit" ist das staatsbürgerliche
Ethos, die republikanische Tugend. Fehlt diese, werde Demokratie
zum "mechanischen Mehrheitssystem" ohne innere Teilnahme
ihrer Bürger. Jung trifft sich mit den Kommunitaristen darin,
daß "Demokratie ohne gesellschaftliches Eigenleben eine
Unmöglichkeit ist."
[6]
Der
Staat muß institutioneller Bezugspunkt und Schützer des Gemeinschaftsethos
sein: der republikanischen Tugend. Jeder Kommunitarist könnte die
Klage Sanders unterschreiben: "Es ist eine der wesentlichen
Ursachen für den politischen Niedergang, daß man sich angewöhnt
hatte, Individuum und Staat als etwas entgegengesetztes zu betrachten."
Das Individuum habe sich seit der Renaissance überhaupt erst mit der
politischen Organisationsform des Staates herausgebildet.
[7]
Hier
trennen sich die Wege allerdings wieder von Sander, wenn dieser den
Staat in deutscher Tradition nach Lorenz von Stein und Hegel gegenüber
der Zivilgesellschaft und ihren Verbänden geradezu als Befreier
von den sozialen Abhängigkeiten und großen Neutralisator benötigt.
Dagegen halten alle Spielarten prozeduraler Gerechtigkeitstheorien
"die Idee, daß sich die Staatsgewalt als pauvoir
neutre über die gesellschaftlichen Kräfte erheben könne,"
für eine "insbesondere in der Schule Carl Schmitts verbreitete
Ideologie."
[8]
Auch
die Kommunitaristen denken eher an eine basisdemokratische Gesellschaft
mit sowenig Staat wie nötig. Ihr Gemeinschaftsbewußtsein ist ideell
und meint, es brauche möglichst wenig Institutionen, in denen die
Gemeinschaft sich verkörpert. Dieser Streit führt letztlich zu
Verfassungsfragen, denen wir hier nicht nachzugehen brauchen,
weil im Ergebnis alle in der Wertefrage übereinstimmen: Der Staat,
die Polis, ist nichts ohne Bürgertugenden, die ihn erhalten.
Diese
Einsicht gilt unter amerikanischen Kommunitaristen als linke Position.
Auch in Deutschland hält die politische Linke das Einfordern demokratischer
Teilhabe für ihre Domäne. Wenn das Eintreten für Teilnahme möglichst
vieler Bürger an der Willensbildung, wenn das Gefühl der Verantwortlichkeit
für das politisch konstituierte Gemeinwesen, wenn die republikanische
Tugend eine linke sein sollte: Dann will ich mich gerne zur Linken
bekennen. Zugleich aber daran zu erinnern, daß alle Politik eines
Subjekts bedarf, für das gehandelt wird, und daß diese Zurechnungssubjekte
nun einmal als Familien und Völker vorfindbar sind, dürfte eine
eher rechte Einsicht sein. Der Weg kann nicht vom Individuum unmittelbar
zur Menschheit führen, denn einem Subjekt Menschheit würde jenes Gegenüber fehlen, ohne welches Politik nicht denkbar
ist. Wer sich auf eine abstrakte Menschheit beruft, verwandelt
nur die Politik in Innenpolitik und in letzter Konsequenz den Krieg
in einen Bürgerkrieg.
Von
der gewohnten politischen Gesäßbackengeographie sollten wir uns
ebenso lösen wie von jedem normativistisch inspirierten Freund-Feind-Denken.
Alle jene von Normendienern verabsolutierten Ideen: die soziale,
die liberale, die nationale und viele andere, entspringen der Beobachtung
wirklicher menschlicher Verhaltensweisen. Wir sollten uns nicht
auf einen einzelnen von ihnen verkürzen lassen. Ähnlich unübersichtlich
verlaufen die Bruchlinien, wenn wir die Geistesfreiheit gegen
eine zur Totalität neigende Moralisierung mobilisieren. Es wäre
keine kluge Frage, ob das ein "rechter" oder ein "linker"
Ansatz ist. Berechtigt wäre hingegen die Frage, ob nicht der Ausgangspunkt
des eigennützigen Individuums, das die Gemeinschaft braucht und sie deshalb schützen möchte, ein originär liberaler Gedanke
ist. Im Sinne des historischen Altliberalismus wäre diese Frage zu
bejahen; nur hatte dieser die Idee des autonomen einzelnen mit seinem
gegenüber der Gemeinschaft tendenziell unendlichen Wert noch nicht
verabsolutiert. Gegen einen undogmatischen Liberalen, der seine
Liberalität als ein Kriterium
unter vielen in die Waagschale wirft, wäre nichts einzuwenden.
Sicherlich
nicht könnte man unseren Standpunkt als einen konservativen beschreiben,
ganz gleich, was man darunter versteht. Der historische Konservativismus,
das hat Kondylis aufgewiesen, war durch und durch normativistisch.
Während der extreme Liberalismus willkürliche Handlungsfreiheit
des Individuums anstrebt, ging der historische Konservativismus
der mittelalterlichen societas civilis bis in die Zeit der Gegenrevolution
[9]
davon aus, daß die Menschen von Natur aus Glieder einer objektiven
Ordnung sind: der göttlichen ewigen Seinsordnung. Er ließ deshalb
die individuelle Selbstbestimmung, das heißt die Entfaltung
der Persönlichkeit, nur unter Einfügung in die gesellschaftlichen
und staatlichen Institutionen mit ihren Eigengesetzlichkeiten
zu. Auch was sich an heterogenen Strömungen in der ersten Hälfte
des 20. Jahrhunderts unter dem Schlagwort von der konservativen Revolution
tummelte, war ohne Glauben an eine vorgefundene Seinsordnung nicht
zu denken. Zumeist handelte es sich um Verabsolutierungen des Gemeinschaftsgedankens,
die sich, je nach Geschmack, in etatistischen oder völkischen Modellen
ausdrückten.
Im
Ideenkreis der "konservativen Revolution" hatte eine "jungkonservative"
Richtung "zentrale Motive des Neoliberalismus vorweggenommen."
[10]
Für
den starken Staat hatte der Schmitt-Schüler Forsthoff
[11]
plädiert,
um "die für den Liberalismus lebenswichtige Trennung von
Staat und Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Indem sich der Staat
vom bestimmenden Einfluß von Interessengruppen befreie, ... biete er der Massengesellschaft Einhalt,"
welche Staat und Gesellschaft verschränke, den Staat in der Gesellschaft
aufgehen lasse und so die Freiheit unterminiere.
[12]
Der
Wunsch nach individueller Freiheit führt zur Forderung nach gesellschaftlicher
Autonomie, der gewünschte Fortbestand des Ganzen aber zu einem Staat,
der das Ganze zugunsten des einzelnen erhält. Wer beide Werte anerkennt
und erhalten will, muß sie zwangsläufig als "Gesellschaft"
und "Staat" voneinander zu trennen suchen, um jedem sein
institutionelles Eigenrecht einzuräumen. Die hier vertretene Wertetrias
führt also zu einem Verfassungsmodell
[13]
das
seinerseits historisch auch liberale Vorstellungen enthält, ohne
sie zu verabsolutieren. Nachdem der metaphysische Kern eines
sich selbst absolut setzenden Liberalismus bisher Objekt polemischer
Auseinandersetzung war, ist das eine verblüffend scheinende, aber
letztlich nicht zu vermeidende Einsicht. Sie bestätigt sich bei Betrachtung
eines der Hauptmotive dezisionistischen Denkens. Dieses liegt
nicht in der Beherrschung anderer, sondern in der erstrebten Entlastung
von geistigen, ideellen, religiösen und moralischen Herrschaftsansprüchen.
In diesem Zusammenhang betonte auch Schelsky "die Tatsache,
daß die konsequente Trennung des Rechts von der subjektiven Moral
und Gesinnung jeden fast wider Willen zum Liberalen macht ..."
[14]
Geistige
Kämpfe haben ihre eigenen Gesetze. Ihr oberstes ist die Erkenntnis,
daß Ideen Waffen sind. Nur ein engstirniger, dogmatischer Denkstil
läßt eine Idee unbenutzt, nur weil sie dereinst einmal von einem
Denker erfunden worden war, der neben anderem auch politisch nicht
Korrektes gedacht hatte. Heute dominieren in den Medien freilich
jene, "die nicht einmal imstande sind, die gewaltigen Waffen
auch nur vom Boden zu heben, mit denen jene heiligen Gelehrten
in den katholischen Zeitaltern mit Leichtigkeit fochten."
[15]
Die
philosophischen und politischen Grundmöglichkeiten sind begrenzt.
Die meisten Gedanken wurden von Bedeutenderen, als wir Heutigen
es sind, schon gedacht. Es kann nur noch darum gehen, sie in polemischer
Absicht neu zu kombinieren und auf aktuelle Bedürfnisse anzuwenden.
"Es ist ein typischer Vorgang der Geistesgeschichte, daß wirksame
Formeln und eindrucksvolle Worte im geistigen Kampf erobert und umgedeutet werden." Alle großen Religionen haben ihren Gegnern mancherlei
Götter und Heilige entrissen und ihrem eigenen Pantheon eingefügt."
[16]
Zu
allen Zeiten, formulierte Kondylis, wurden einzelne Gedanken
als Baumaterialien in Denkgebäuden sehr verschiedener Architektonik
benutzt. In der Geistesgeschichte setzt sich diejenige Strömung
in einer bestimmten Zeit durch, "die imstande ist, fremdes
Gedankengut gemäß den eigenen Zielen umzudeuten bzw. umzufunktionieren,
so daß dieses schließlich Absichten dient, die mit denen seiner
Urheber sogar im Gegensatz stehen können."
[17]
Wir
sollten darum ganz von dem krampfhaften Bemühen Abstand nehmen,
uns und unsere geistigen Kontrahenten in Denkschablonen
pressen zu wollen. Es genügt vollauf, das Leben und die uns verbundenen
Menschen ohne normativen Haß und ideologische Scheuklappen zu
nehmen, wie sie sind. Was uns dann in politicis bleibt, ist der Wille zur
Selbstbehauptung, ohne den Gegner zu verdammen, ist die Freude
an einer Existenz, die auch das antagonistische Gegenüber existentiell
bejaht. Denn was wäre unser Leben ohne Kampf, der in der genuin
menschlichen Welt der geistigen Auseinandersetzung seine edelsten
Blüten treibt?
Auseinandersetzungen
auch geistig führen zu können, zeichnet uns Menschen vor unseren
tierischen Anverwandten aus. Wir entsinnen uns der Worte Konrad Lorenz':
Das geistige Leben ist ein Leben eigener, höherer Art. Darauf dürfen
wir stolz sein. Die Welt der Ideen und Ideale, der Götter und Tugenden
- es gibt sie wirklich: in uns! Wir schöpfen sie täglich neu aus uns
selbst ad majorem hominem gloriam. Daß wir dazu
fähig sind, bleibt unsere staunenswerte Leistung, allen nihilistischen
und materialistischen Zweifeln zum Trotz. Wir haben realistisch
erkannt, daß das Denken metaphysischer Ideale untrennbar zum
Menschen gehört und geradezu eines seiner Wesensmerkmale
ist. Verabschieden müssen wir uns nur von der Hybris, das All sei
um unseretwillen geschaffen, wir seien das Abbild eines göttlichen
Geistes, und irgendwelche transzendenten Kraftlinien des Universums
würden sich ausgerechnet auf unserer lächerlich kleinen Erde in
uns kreuzen. In einem bescheidenen Augenblick intellektueller
Ehrlichkeit bekennen wir uns selbst zu alleinigen Schöpfern
unserer Weltdeutungen. Wir verzichten damit gegenüber unseren
Gegnern nur auf die erschlichene Autorität unserer Gedankengespenster.
Gerade so öffnen wir uns und ihnen den Weg in einen inneren Kosmos
der Ideen, in dem es kein Wahr und Unwahr mehr gibt.