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Lebensbilder aus dem alten Weserbergland von Klaus Kunze Folge 8 1757: Das Scharmützel auf blutiger Heide In der Kirche von Wriedel in der Lüneburger Heide befindet sich ein steinernes Epitaph. Es erinnert an drei dort im Siebenjährigen Krieg gefallene Offiziere der hannoverschen Armee. Einer der drei, Leutnant Friedrich von Thangel, war ein junger Ehemann aus Bodenfelde. Die Kriegsgeschichte meldete 1759 über das Gefecht von 1757: Den 4.Decembr. wurde ein Hannöverisches Commando von 4
Escadrons des Breitenbachischen Regiments, nebst einigen Jägers zu Pferde und
200 Infanteristen nach Ebstorf gesendet, um das Fischersche Corps, nebst 1500
Mann französischer Cavallerie von dort zu vertreiben. Bey ihrer Ankunft
fanden sie die Franzosen, unter dem Marquis von Caraman, bereits in Schlachtordnung.
Die diesseitige Cavallerie mußte zuvor einen engen Weg Mann vor Mann
paßiren. Hierauf aber rückte sie mit dem Pallasch in der Faust auf
den Feind loß. Das Gefechte dauerte bey 8 Minuten und es wurde, von
beyden Seiten entsetzlich eingehauen, bis endlich der Feind zum Weichen gebracht
wurde, da denn die Unsrigen noch alles nieder hieben, was ihnen vorkam, ohne
Quartier zu geben. Wenn die Dragoner nicht zu hitzig gewesen wären, und
die noch zurückgebliebene Infanterie abgewartet hätten; so
würden viele Gefangene gemacht worden seyn. Diesseits wurde der Herr
General von Schulenburg, welcher das Commando führte, nebst dem Obersten von
Breitenbach und dem Major von Böhmer verwundet. Der Oberstlieutenant von
Alvensleben, der Capitain König und 1 Lieutenant sind geblieben und an
Gemeinen sind 30 Mann theils getödtet, theils verwundet worden. Von dem
Feinde bekamen wir 1 Officier und einige 20 Gemeine gefangen, und ihr Commandeur,
der Oberste von Caraman, verlor dabey das Leben.
[1]
Jener Krieg von 1756-1763 ist vielen Deutschen, wenn überhaupt, nur aus der Berliner historischen Perspektive geläufig als Existenzkampf Preußens unter Friedrich dem Großen gegen die übermächtige Koalition aus Frankreich, Rußland und Österreich-Ungarn. Unser westlich benachbartes Niedersachsen trug aber eine große Kriegslast, weil der Kurfürst von Hannover zugleich als Georg II. König von England war und Preußen unterstützte. Gegen sein Land richtete sich ein von mehreren übermächtigen französischen Armeen geführter Angriff. Nach der Schlacht bei Hastenbeck vor der Toren Hamelns am 26.7.1757 [2] drangen Franzosen weiter bis zur Elbe vor und plünderten die Bevölkerung durch erzwungene Lieferungen an die französische Armee aus. [3] Die hannoversche Armee indessen drängte sie von Lauenburg aus langsam wieder nach Süden zurück. Dabei kam es in der Heide zu dem Scharmützel, bei dem auch ein Bodenfelder sein junges Leben einbüßte. Über ihn schrieb Pfarrer Fuchs ins Kirchenbuch von Bodenfelde: Den 4. Decembris (1757) sind
Ihro Hochwohlgeboren der Herr Ernst Diederich
Ludewig Friderich von Thangel, Erb-, Lehns- und Gerichtsherr zu Thangelstädt,
Tannenrode
[4]
etc., Seiner
Königl. Majestät von Großbritannien unter dem hochlöblichen von
Breidenbach’schen Dragoner-Regiment wohlbestallter Lieutenant, in einem
scharfen Scharmützel, welches dieses Regiment benebst einigen
Feld-Jägern mit denen Franzosen à 4000 Mann stark unweit Ebstorf im Lüneburgischen
[5]
gehalten, vermittels
eines Stiches durch den Leib und
zwei Hiebe über den Kopf, in einen sogenanten Chock
[6]
tot auf dem
Platze geblieben, und haben dero junges Leben in dem Dienste des Königs,
auf dem Bette der Ehre und vors Vaterland eingebüßet. Ihro
Hochwohlgeboren sind anno 1728 zu Thangelstedt im Sachsen-Weimarischen geboren.
Der selige Herr
Vater waren der weiland hochwohlgeborene Herr Ernst Friderich von Thangel,
hochfürstlich Sachsen-Weimarscher Kammerjunker. Nachdem sich unser seliger
Herr Lieutenant von Thangel in hiesige Krieges-Dienste engagieret und deren
letzteren Feldzügen wider die Franzosen in deren Niederlanden beigewohnet
hatten, so kamen sie anno 1748 nach getroffenem Frieden allhier zu Bodenfelde als Fähnrich
unter dem damaligen hochlöblichen von Adelebschen Dragoner-Regiment
[7]
ins Quartier.
[8]
Da es sich denn
nach Gottes Schickung fügete, daß Sie mit Johanna Eleonoren
Götz von Olenhausen
[9]
, Ihro
hochwohlgeborenen seligen Herrn Ferdinand Wedekind Götz von Olenhausen
[10]
etc.
nachgelassene Fräulein Tochter eine christliche Eheverbindung trafen und
sich mit selbiger anno 1751 den 18.September dahier copulieren ließen. In
welcher Ehe Sie 3 Kinder, nämlich einen Junker und 2 Fräuleins
erzeugt haben, welcher erstere aber zum größten Leidwesen
beiderseits Eltern bereits anno
1756 den 17.Novembris tot verblieben ist.
Als es nun das
Verhängnis gewollt, daß unser geliebtes Vaterland von denen
Franzosen anno 1757 mit Krieg sollte überzogen werden, so mußte
unser Herr Lieutenant von Thangel seinem Berufe und seinem Regimente im
Frühjahr folgen, mithin sich von seiner geliebten Frau Gemahlin trennen,
welches, wie leicht zu erraten, nicht ohne Betrübnis und ohne Ahnung von
dero gänzlichem Verluste geblieben ist. Ob nun zwar wohl die
göttliche Vorsehung über dieselben dermaßen gewaltet, daß
Sie auf Commando im Paderbornischen und dabei öfters vorgefallenen
Scharmützeln, insbesondere aber bei der Aktion zu Hastenbeck bei Hameln dero
Gesundheit und Leben in vielen Gefährlichkeiten zur Beute davongetragen;
ja auch der getroffene Waffenstillstand oder Konvention im Kloster Zeven
[11]
sowohl als
auch die späte Jahreszeit uns dahier vermuten ließ, daß eben
nicht vieles mehr wider den Feind würde vorgenommen werden. Und endlich
noch darzu kam, daß der Herr Vater von unserm Herrn Lieutnant den 23.
Octobris Todes verblichen, und derselbe dadurch ein Erbe seiner nachgelassenen
Lehngüter geworden, einfolglich der Herr Lieutnant von Thangel eben im
Begriff stunden, von der Armee abzureisen, um diese ansehnlichen Güter in
Besitz zu nehmen, wie Sie denn schon wirklich dazu von dem kommandierenden
General, dem Prinzen Ferdinand von Braunschweig, Urlaub und den benötigten
Paß erhalten hatten, so daß wir Sie dahier alle Tage, ja
stündlich vermuten waren.
Da hat es denn
das Verhängnis gewollt, daß Sie noch vorher in ermelten
Scharmützel ohnweit Ebstorf mit denen Feinden geraten müssen, und
dabei, wie vorbesagt, dero junges und hoffnungsvolles Leben im 29. Jahre dero
Alters eingebüßet haben. Welcher Todesfall die hinterbliebene Frau
Witwe und lieben Angehörigen um desto empfindlicher sein muß, da der
selige Herr keine männlichen Erben hinterlassen hat, einfolglich dero
Lehngüter in Sachsen dero jüngeren Herrn Halbbruder zugefallen sind.
Übrigens
habe noch dem seligen Herrn Lieutnant zum Ruhme nachzusagen. daß er mein
lieber Herzensfreund und aufrichtiger Gönner gewesen sei. Beständig
und aufrichtig in allen seinen Handlungen, expedit in seinen Unternehmungen,
ohne dabei zu prahlen und viele Worte zu machen, ordentlich und sparsam in
seiner Haushaltung und Wirtschaft. Resonnabel und genereux, wann es auf Honeur ankam.
Tapfer und mannhaft in Krieges-Occasionibus. Ein Freund der Bücher, der
Künste und Wissenschaften, und endlich ein treuer, beständiger und
herzlicher Liebhaber seiner Frau Gemahlin und lieben Kinder. Zu bedauern ist es
wieder, daß der Herr seine Lebensjahre nicht höher bringen und dem
König nebst dem Vaterlande und seinen Neben-Christen nicht länger
nützen und dienen sollen.
Dero
Hochwohlgeboren liegen benebst Herrn Obristlieutnant von Alvensleben und
Hauptmann von König, welche auch zu gleicher Zeit in ermeltem
Scharmützel geblieben sind und vom Breidenbach’schen Dragoner-Regiment
waren, in der Kirche zu Wriedel begraben.
[Randzusatz:]
Die Action ist des Nachmittags bei Brockhöfe
[12]
auf der Heide
vorgegangen und sind außer benannten Herrn Officiers noch 10 Mann an
Reuter, Officiers und Gemeinen vom Breidenbach’schen Regiment auf dem
Platze geblieben. Haben sich gefunden: der Herr Obrist von Breidenbach selbst,
der Herr Major von Bothmar, der Herr Leutnant Dounsing um 36 Mann an
Unterofficiers und Gemeinen.
Pro patria mori, pulchrum est.
[13]
Ein steinernes Andenken an die drei Offiziere steht heute noch im
Turmeingang der Kirche von Wriedel in der Lüneburger Heide. Und dort im
Kirchenbuch heißt es:
"Den 6-ten December sind
von unsers allergnädigsten Königs und Landesherrn, Herrn Georg des
andern seine Truppen 3 Herrn Officiers in hiesiger Kirche in der Stille an
einem Tage begraben, als:
1. Die Leiche des Herrn
Oberst-Lieutenant von Alvensleben, so mitten in der Kirche in dem Gange
zwischen den Frauensstühlen begraben ist, an der Seite, wo sein Epitaphium
auf einem Leichenstein eingehauen steht; neben ihm ist begraben
2. die Leiche des Herrn
Hauptmanns August Leopold von Koenig; und nahe bei der ersten Kirchthür
ist in der Kirche begraben
3. die Leiche des Herrn
Lieutenant von Thangel.
Alle diese drei Herrn sind Anno
1757 den 4-ten December, welcher war der 2te Advents-Sonntag, in einem
Scharmützel geblieben, der am bewaldeten Lager in Wriedel seinen Anfang
nahm und bis Ellerndorff continuirte, als von unsers allergnädigsten
Königs seine Truppen die Avant-Garde einen Teil der Königl.
Französischen Cavallerie, so um halb 1 Uhr von 3ten December des
nachmittags bis um halb ein Uhr des folgenden nachmittags in Wriedel,
Schatensen und Brockhöfe sich einquartiert hatte, beim Ausmarsche
verfolgte."
[1] Beyträge zur neuern Staats- und Krieges-Geschichte, 51.-55.Stück, Danzig 1759, S.43 f. [2] 47000 Hannoveraner hatten gegen 105000 Franzosen das Feld behauptet, zogen sich aber nach der Schlacht ins Landesinnere zurück. [3] Der zeitgenössische französische Ausdruck dafür hieß, das Land auszufouragieren. Fourage war alles, was das Heer benötigte, in erster Linie Lebensbedarf für Mannschaften und Pferde sowie Geld. Dieses wurde den Einwohnern des besetztes Landes genommen, bis dem Land alle Lebensgrundlagen so weit entzogen waren, daß es auch militärisch keinen eigenen Widerstand mehr leisten konnte. [4] Thangelstedt und Tannroda südlich von Weimar, wo die freiherrliche Familie ansässig war. [5] westlich von Uelzen [6] Wundschock. [7] Regiment unter dem Regiments-Chef von Adelebsen. [8] Neben den wenigen Garnison-Regimentern wie in Göttingen und Hameln gab es überwiegend Regimenter, die über das Land verteilt bei Bauern und Bürgern im Quartier lagen. Das gilt insbesondere für die Reiter-Regimenter. In Bauernhäusern stand einem Reiter eine sogenannter Reuter-Kammer zu, der Reiter aß mit der Familie, half aber auch in der Wirtschaft, wenn er keine militärischen Übungen hatte. Die Reuterkammern wurden von dem 1778 geborenen August Ludolf Friedrich Schaumann (Kreuz und Quer-Züge, in Leipzig 1922 erschienen) als von Flöhen, Läusen und Wanzen bevölkertes Matratzenlager beschrieben. [9] An der Stelle des heutigen Rewe-Marktes stand der Götzenhof, benannt nach der Familie Götz von Olenhusen.
[10]
Nach
dem Tode Wedekinds 1732 wurde der Hof mit seinen großen Ländereien
in und um Bodenfelde von seiner Witwe Justine Anna Eleonore von Uslar aus dem Hause
Appenrode (*1692) bewirtschaftet, die mehrere kleine Töchter und einen
nach dem Tode des Vaters noch geborenen Stammhalter großzuziehen hatte.
Als sie 1752 starb, wurde der Hof verpachtet an Hans Hinrich Nörtemann aus
Lödingsen (*1714, † Lödingsen 9.8.1795).
[11] Durch die Konvention von Zeven vom 8./9.9.1757 hatte Waffenstillstand geherrscht. Noch nicht bekannt war den Bodenfeldern, daß der Herzog Ferdinand von Braunschweig als Oberbefehlshaber des hannoverschen Heeres am 28.11.1757 dem französischen Marschall Richelieu die Wiedereröffnung der Feindseligkeiten hatte anzeigen lassen. Noch vor Wintereinbruch gelang es, den Franzosen Harburg und Buxtehude zu entreißen und sie bis hinter die Aller zurückzuwerfen. Das Scharmützel bei Ebstorf war Teil dieser Kampfhandlungen. [12] 26 km südlich von Lüneburg [13] Schön ist es, für das Vaterland zu sterben. |
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Friedrich von Thangel überlebte die große Schlacht bei Hastenbeck und fiel ein halbes Jahr später bei Lüneburg.
Bild: Christian Friedrich von der Heyden, Das durch innerliche Kriege bedrängte Teutschland, Augsburg 1759.