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Lebensbilder aus dem alten Weserbergland von Klaus Kunze Folge 12 1832: Der musikalische Pfarrer[W. Fricke (1838)]
Von 1832-1836 wirkte in Bodenfelde der Pfarrer Streitwolf. Sein Lebensbild müssen wir uns nicht mühselig erarbeiten, weil dies schon bald nach seinem frühen Tod W. Fricke aus Göttingen getan hat: [1] „Er wurde zu Göttingen [am 29.8.1803] geboren. [2] Sein Vater, G[ottlieb] Streitwolf, lebte daselbst und hat sich durch Erfindung einiger neue musikalischer Instrumente einen Namen erworben. das musikalische Talent des Vaters schien reichlich auf den Sohn übergegangen zu sein. Dafür gab er schon früh die auffälligsten Proben, und es ist darum zu beklagen, daß er nicht dem inneren Impuls auch in seiner äußern Stellung folgte. Schon auf dem Arme der Wärterin zeigte er Empfindlichkeit gegen Mißtöne, so daß ihn eine schlechte Musik zu unwilligem Weinen, eine harmonische Musik zur Freude und Ruhe bringen konnte. Dennoch wurde er zum Gelehrtenstande erzogen und zeigte in der Tat auch hierbei überall seine natürlichen guten Anlagen. Schon in seinem 17. Jahre verließ er das Gymnasium seiner Vaterstadt und machte ebendaselbst den Anfang mit den akademischen Studien. Seine Häuslichkeit, sein Fleiß, der aus einer wahrhaftigen Freude am Lernen und Fortschreiten hervorging, zeichnete ihn in dieser Periode seines Lebens ungemein vorteilhaft aus. Er benutzte die Zeit und die dargebotene Gelegenheit gewissenhaft; auch durch Lehren suchte er zu lernen. So unterrichtete er die Kinder des Hofrats Bergmann [3] und nahm bei diesem nach vollendeten Triennium die Stelle eines Hauslehrers an. In dieser Stellung blieb er vier Jahre, kehrte dann auf einige Zeit ins elterliche Haus zurück und ging Ostern 1829 nach Liebenburg, wo er gleichfalls Erzieher bei den Kindern des Amtsassessors Hasenbalg wurde. Seine gediegenen Kenntnisse, sein Pflichteifer, fanden hier wenigstens ein angemessenes Feld, als volle Anerkennung. Namentlich seine Vorliebe für Musik, die manche angenehme Erscheinung hervorrief, machte einen umso günstigeren Eindruck, als die ländliche Beschränktheit des Amtes Liebenburg bis dahin die Annehmlichkeiten der Musik nur in geringem Maße gespendet hatte. Dennoch fand Streitwolf selbst sich hier nicht heimisch, sondern sehnte sich nach der Vaterstadt zurück, aus deren Mauern er bisher nie gekommen war. Sein weiches Gemüt, durch eine sehr häusliche Erziehung noch mehr eingeengt, konnte sich von dem gewohnten Familienkreise nicht mehr trennen, ohne dem Heimweh zu verfallen. Doch wurde sein Wunsch, zurückzukehren, nicht gewährt. Eine Collaboratur [4] zu Hedemünden ward ihm von dem Consistorium angetragen und durfte nicht von der Hand gewiesen werden. Michaelis 1830 ging er dorthin ab und kam durch den unerwarteten Tod des Predigers, den er unterstützen sollte [5], sogleich in einen umfassenden, schwierigen Geschäftskreis. Mit Kraft und Besonnenheit stand er ihm 1½ Jahr vor und wurde it Rücksicht auf seine Verdienste und seine Fähigkeit hierauf sogleich als wirklicher Prediger nach Bodenfelde befördert. In seinen frühern Lebensjahren war er nie krank gewesen, auch nicht schwächlich, obgleich seine etwas gebeugte Haltung auf Schwäche in der Brust hindeutete. Den ersten bedeutenden Stoß bekam seine Gesundheit bei dem Scheiden aus Hedemünden [1832], wo er sich bei der letzten geistlichen Handlung, die er dort verrichtete, ungewöhnlich anstrengte und zugleich einer heftigen, unangenehmen Gemütsbewegung ausgeliefert wurde. Kaum vermochte er Göttingen zu erreichen, so angegriffen fühlte er sich und mußte hierauf im elterlichen Hause drei Wochen lang das Bett hüten. Nur sacheinbar genas er nach diesem Krankenlager. In der Tat zog sich seine Krankheit unausgesetzt bis zum Tod fort. [6] Ruhe und eine fortgesetzte liebevolle Pflege hätte ihn indes retten können. Allein er täuschte sich über seinen Zustand und trat nicht allein sein Amt [in Bodenfelde] an, sondern vermählte sich auch noch kurz vorher zu Göttingen. [7] Die Bekanntschaft seiner Gattin, welche aus einer israelitischen Familie stammt, hatte er in Liebenburg gemacht, und die Neigung beider war mehr aus Gewohnheit und aus der Einförmigkeit des Landlebens hervorgegangen als aus Übereinstimmung des Herzens und des Charakters. Nach dem Vaterhause sehnte er sich daher auch jetzt noch beständig, und es war ein Fest für ihn, wenn ihn seine Geschäfte einmal nach Göttingen führten. Dies geschah aber ziemlich häufig, da er, unablässig auf der wissenschaftlichen Bahn vorwärts strebend, die Bibliothek Göttingens und die Verbindung mit gelehrten Männern nicht entbehren konnte. So hatte er schon als Student den Plan entworfen, die symbolischen Bücher der katholischen Kirche herauszugeben. Mit unermüdlichem Eifer führte er diesen Plan späterhin wirklich aus und scheute keine Arbeit und keine Kosten, um die Materialien zu diesem nützlichen, aber für den Beabeiter undankbaren Werke herbeizuschaffen.
Titel des 1838 erschienenen Werkes von Streitwolf,
posthum fortgeführt von Klener.
Im Jahre 1835 erschien die erste Lieferung dieses Buches unter dem Titel: Libri symbolici Ecclesiae Catholicae. Conjunxit atque motis prolegomenis indicibusque instruxit F.H. Streitwolf, Gottingae. Die allgemeine lobende Anerkennung krönte das Unternehmen, und auch das gleichzeitige Erscheinen eines ähnlichen Werkes von dem Professor Danz in Jena hinderte ihn nicht, sondern trug nur zu seiner Erhebung bei. Denn wenn auch die Danzesche Bearbeitung durch Umfang und geschmackvolle Ausstattung äußerlich viel versprechend auftrat, so zeigte doch ein Blick in das Innere die Mangelhaftigkeit in der inneren Anordnung, die Flüchtigkeit in der Bearbeitung, die Ungenauigkeit im Drucke. Dagegen tritt in dem Werke unseres Streitwolf eine große Vertrautheit mit dem ganzen Gegenstande, eine sorgfältige Prüfung des Einzelnen und Anordnung des Ganzen, sowie eine fast unglaubliche Genauigkeit in den Zitaten, kritischen Bemerkungen etc. hervor. In den meisten protestantischen Literaturzeitungen erschienen die günstigsten Rezensionen, un auch die katholische Kirche konnte ihren Beifall nicht versagen. [8] Doch vermochte die Freude und Zufriedenheit über das Gelingen seines Lieblingsplans die damit verbundenen mühsamen Reisen und Forschungen nicht aufzuwiegen. Seine Gesundheit litt augenfällig unter diesen Anstrengungen. Trotz aller ärztlichen Hilfe wurde sein Zustand täglich bedenklicher, und die liebreiche Pflege und Sorgfalt der Seinen, welche zu ihm hinüber eilten, konnten sein Ende nur noch erheitern, nicht hinausschieben. Am oben genannten Tage endete er sein tätiges Leben, ohne zu einem Ziele gelangt zu sein, welches ihm innere Kraft und innerer Beruf vorgesteckt hatten. Verhältnisse haben in ihm der Welt einen gewiß höchst bedeutenden Musiker, der Tod einen brauchbaren Prediger [9] und tüchtigen Gelehrten entrissen. Er hinterläßt zwei Knaben. [10] Die Herausgabe des libr.symbol. wird gegenwärtig fortgesetzt durch den Licentiaten der Theologie R.E.Klener.“ [1] W. Fricke, in: C.W.Hufeland, Neuer Nekrolog der Deutschen, 14. Jahrgang 1836, 2. Teil, Göttingen 1838, S.873 ff. - Die Orthographie der Quelle wurde angepaßt. [2] Sohn des Instrumentenmachers und Musiklehrers Heinrich Gottlieb Streitwolf und der NN Kayser.
[3]
Friedrich
Christian Bergmann, Jurist, seit 1808 Professor
in Göttingen, 1823 Hofrat, 1840 Geheimer Justizrat, *Hannover 29.9.1785, † Göttingen 28.2.1845.
[4] Stelle als Hilfspfarrer. [5] Johann Georg Daniel Richter, † Hedemünden 6.11.1830. [6] Nach dem Sterbuch Bodenfelde starb er am 2.2.1836 an Verknöcherung des Herzens.
[7]
¤ Göttingen (Albani) 17.5.1832 Caroline Emilie Donner *(wo?) 12.6.1814 T.v. Georg Carl Ludwig D., Apotheker in Freyburg/Stade
und Maria Elisabeth Freudenthal, 2. ¤(wo?)
15.10.1837 Nicolaus Gerdts, † Ahrensbök 22.5.1883, vgl. Deutsches Geschlechterbuch Band 127, S.211.
[8] Anmerkung im Originaltext: siehe Beilage zur katholischen Kirchenzeitung August 1835. [9] Er konnte offenbar besser musizieren als predigen. [10] 1. Carl Gottlieb *Bodenfelde 2.5.1833, 2. Gottlieb Emil Adolph *Bodenfelde 7.12.1834, ¤13.9.1864 Emma Degener, † Plön 24.1.1907
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