Sie können das Wort „moralisch verpflichtet“ nicht mehr hören? Ich auch nicht mehr. Gerade darum sollten Sie aber weiterlesen. Es geht Ihnen nämlich wie dem Hund, der die Worte Maulkorb und Leine nicht mehr hören mag. Eine durchgesetzte Moral ist ein Mittel sozialer Disziplinierung. Zwangsläufig müssen wir uns mit den uns angelegten Leinen und moralischen Nasenringen auseinandersetzen, mit denen man uns durch die Manege führt.

Das Wort „unmoralisch“ ist zur Killerphrase geworden. Gutmenschen tragen sie als Waffe vor sich her wie einen Spieß, mit dem ein schlichter Landsknecht selbst den schönsten Ritter vom Pferd holen konnte. Solche Killerphrasen haben keinen greifbaren Inhalt. Sie sind leere Worthülsen. Über alles und jeden gießen Spießbürger die Einheitssauce ihrer Moral aus. Es wäre gefährlich, die guten Leute einfach ihrem moralischen Delirium zu überlassen. Zu dessen Symptomen gehört nämlich oft eine besserwisserische Arroganz gegenüber allen, die nüchtern geblieben sind. Wir sollen uns einreihen in die Triumphzüge der professionellen Betroffenen, sollen einstimmen ins Aufheulen der immer Empörten, doch schweigen, wo sie bußfertige Stille ansagen.

Schweigend sollen wir bis zu Kind und Kindeskind  dafür zahlen, daß sie ein gutes Gewissen haben. Schon 1667 glaubte Pufendorf, daß selbst „das Fege­feuer nur zu dem Zweck angezündet ist, um die­jenigen mit einer Abgabe belegen zu können, die der Tod sonst von allen mensch­lichen Dingen be­freit.“ Wir werden erst frei von solchen Ab­ga­ben sein, wenn alle morali­schen Fegefeuer ge­löscht sind.

Linksextreme Taktik hat sich unterdessen des Moralismus bemächtigt und benutzt ihn, um ihre strategischen Ziele zu erreichen. Wer nicht durchschaut, mit welchen Mechanismen sie funktioniert, bleibt dagegen wehr- und hilflos. Wenn endlich ganze Nationen ihre ökonomischen Eigeninteressen durchboxen, indem sie ihre Moral wie ein klebriges Spinnennetz um den ganzen Globus hüllen, wird es für uns alle gefährlich – auch für unsere eingeborenen Moralisten.

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