Maximilian Krah, das Naturrecht und die Gretchenfrage

Dr. Maximilian Krah ist ein gefährlicher Mann: gefährlich für das linksdrallige Medienestablishment. Jeder mag sich auf Youtube selbst davon überzeugen, daß es ihm intellektuell das Wasser nicht bis zum Bauchnabel reichen kann. Hier finden wir den tieferen Grund dafür, warum sich Linke so scheuen, neben Rechten eine „Bühne“ zu betreten.

Krahs Vorstellungswelt ist strikt rechtsstaatlich, was bei einem Juristen wenig verwunderlich ist. Juristen können auch mit Begriffen umgehen und vernebeln ihre präzisen Aussagen nicht mit vieldeutigen Phrasen. Krah bezeichnet seine Positionen ausdrücklich als rechts, was sie in ihren Konsequenzen auch sind.

Das Interview fand im Internet viel Beachtung.

Nur in einem Punkte erwiesen sich seine Grundlagen aber als angreifbar. Krah kam ausgerechnet bei der Gretchenfrage in Verlegenheit: „Wie hältst du es mit Gott?“ Natürlich wurde er danach nicht so direkt gefragt. Aber hier verhedderte er sich trotz sonst brillanter Rhetorik. Es ging um die Rolle der Frauen, um die Familie. Wie er zu divergierenden „Lebensentwürfen“, Flickwerkfamilien, Homosexualität und dergleichen stehe?

Hätte er es doch bei dem Hinweis auf die allgemein bekannten naturwissenschaftlichen und soziologischen Erkenntnisse belassen! Diese klären uns ausreichend über das evolutionäre Erfolgsmodell „Familie“ auf. Starke, genetisch ererbte Gefühle und Antriebe ziehen die Geschlechter zueinander, binden sie in Liebe aneinander und gipfeln im Wunsch nach gemeinsamen Kindern. Bei aller gesellschaftlichen Freiheit und Akzeptanz anderer „Lebensmodelle“ der Eheuntauglichen oder -unwilligen ist dieses objektive Sein für Krah ein „Ideal“.

Doch was folgt politisch aus diesem Ideal? Für Krah folgt aus ihm ein Sollen. Das ist philosophisch ein schwerer Argumentationsfehler. Aus einem bloßen Sein kann niemals ein Sollen folgen, auch nicht aus einem gedanklichen Ideal. Anders hatte es im Barock das sogenannte Naturrecht geglaubt. Man behauptete, im Menschen steckten „von Natur aus“ moralische Werte, als „sollten“ die Menschen moralisch handeln.

Was sein soll, kann man aber nie daraus ableiten, was ganz schlicht „ist“, wie es eben ist. Eine argumentativ unangreifbare, rechte Antwort wäre hier gewesen: Es entspricht den emotionalen Wünschen der meisten jungen Erwachsenen, zu heiraten und Kinder zu haben. Ihnen das zu ermöglichen, liegt im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Also fordern wir bei allen politischen Entscheidungen, dem Rechnung zu tragen und es zu ermöglichen.

Die Grundidee des früheren Naturrechts hatte darin bestanden, ein moralisches Sollen nur aus „der Natur“ zu begründen, also ohne einen Gott, der das moralische Sollen befiehlt. Der Gott der Bibel mit seinen Geboten manifestierte sich nämlich seit der beginnenden Aufklärung, also seit dem 16. Jahrhundert, nicht mehr in sozial erforderlichem Maße. Weil er sich nicht sehen ließ, glaubten immer mehr Menschen nicht mehr daran, er lenke gebietend die menschlichen Angelegenheiten. Einen Ersatz für seine Gebote und Verbote glaubten die Naturrechtler in der Natur zu finden, der sie inhärente moralische Gesetze zuschrieben.

„Die Natur“ ist aber keine Person und kann darum keine moralischen Befehle erlassen. Wer an allgemeingültige, universelle und absolute Moralgesetze glaubt, benötigt zwingend eine gesetzgebende Person. Darum hatte die mittelalterliche Scholastik noch in sich schlüssig argumentiert: Gott habe es geboten, also müßten alle so handeln. Maximilian Krah berief sich auf solche alten Theologen ausdrücklich.

Dann aber widersprach er sich massiv selbst. Die Scholastik und mit ihr die katholische Kirche hatten fest an einen klaren Dualismus geglaubt: Gott ist Geist, wir Menschen sind auch Geist (Seele), der in einem Körper „wohnt“ und ihn „beseelt“. Ein solcher Glaube ist logisch unangreifbar. Die alten Scholastiker waren Meister logischen Denkens.

Krah hingegen ist Monist. Für ihn ist der Mensch „Körper und Geist vereint“. Damit ist Krah, philosophisch ausgedrückt, Monist, kein Dualist. Dualisten behaupten, er bestehe aus einem Leib und einer körperlosen Seele. Sehr treffend weist Krah darauf hin, diese Vorstellung laufe darauf hinaus, der Körper sei „nicht Teil meines Ichs“. Spinnt man diese dualistische Idee zuende, kann man wähnen, man sei „im falschen Körper geboren“. Aus christlicher, scholastischer Sicht wäre ein solches Phänomen denkbar, nicht aber aus naturwissenschaftlicher Sicht, die keine Seele, keine Geister und kein Jenseits kennt.

Wortreich und freundlich erzählt Krah, warum er nach seiner Lebensgeschichte katholisch ist. Er zieht daraus aber nicht die katholischen Konsequenzen. Katholisch zu sein heißt im Kern, an einen Gott-Geist, an menschliche Seelen und an ein Jenseits zu glauben. Man sage sich nur einmal das christliche Glaubensbekenntnis auf, in dem es von “Geistern” nur so wimmelt. Christentum ist eine dualistische Religion in Reinkultur.

Man kann entweder ein naturwissenschaftliches Weltbild vertreten und mit Krah feststellen, daß der menschliche Körper und seine geistigen Fähigkeiten eine Einheit bilden, oder man kann sich – wiederum mit Krah – dazu bekennen, katholisch zu sein. Beides zugleich geht aber nicht ohne massiven Widerspruch in sich.

Es ist kein Christentum denkbar ohne Jenseits, ohne transzendenten, also vom Körper unabhängigen Geist und ohne einen Gebote gebietenden Gott. Wenn Maximilian Krah hingegen auf dem richtigen naturwissenschaftlichen Standpunkt steht, daß Körper und Denken eins sind, daß wir also mit dem Körper denken und daß das dieses Denken erzeugende Organg das Gehirn ist, dann ist das richtig und klug gedacht, aber eben nicht christlich.

Christen und Rechte haben viele Gemeinsamkeiten im Denken. Vor allem stimmen sie überein, wenn sie Schulter an Schulter gegen die stattfindende Auflösung aller kulturellen Errungenschaften des Abendlandes kämpfen. In ihrer Position zu einem “Jenseits” sind ihre Positionen aber unvereinbar. Ein Rechter unterwirft sich keinen Göttern, die andere Leute erfunden haben, damit er sich ihnen unterwirft. Hier ist Krahs Weltbild inkohärent. Nähme er seinen Katholizismus ernst, wäre er den moralischen Geboten und Anweisungen seines Gottes in Gestalt der Interpretation seines Bischofs unterworfen.

Als Kölner bin ich in katholischem Milieu aufgewachsen und verstehe Maximilian Krah emotional gut. Genau so kenne ich meine katholischen Freunde: Sie haben, so formuliert Krah, ein spirituelles Bedürfnis. Katholisch zu sein ist für ihn ein Lebensgefühl, keine rationale Denkübung. Dogmatische Feinheiten und Fragen wie nach der unbeflecken Empfängnis interessieren ihn nicht sonderlich. Ich kann das gut nachempfinden, und wenn ich im Dom sitze und die Architektur auf mich wirken lasse, ergreift sie auch mich tief. Daß vor tausend Jahren schon Gläubige dieselben Lieder in derselbe Sprache gesungen hatten wie heute, gefällt Maximilian Krah und rührt mich auch.

Der Kölner Dom – ein spiritueller Sehnsuchtsort.

Ich habe aber auch genug Verstand, zwischen emotionalen Bedürfnissen nach „spiritueller“ Geborgenheit in einem „sinnvollen“ Kosmos und der harten Wirklichkeit zu unterscheiden. Es gibt nichts „Höheres“, das mich hält. Das muß ich schon alleine schaffen, das kann ich schaffen, und genau darin liegt meine Freiheit.

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  1. Robert Peer

    Sie weisen ja durchaus mit Recht auf gewisse philosophische Inkonsistenzen in Krah´s Erklärungen hin, wie ich überhaupt mit Ihrer Positionierung, die die Naturwissenschaft als Erkenntnisbasis einer rechten Weltanschauung zu Grunde legt, – prima vista -grundsätzlich einverstanden bin. Ebenso würden wir uns ohne Wenn und Aber in der völligen Ablehnung der christlichen Geistes- und Glaubenswelt und andererseits einem Plädoyer für ein Ganzheitliches Weltbild treffen.

    Weil Sie aber auch die Problematik des “Naturalisten Fehlschlusses” angesprochen haben, würde ich mir erlauben, sofern Sie das interessiert, zur Vertiefung einen hochinteressanten Aufsatz des deutschen Soziobiologen Eckart Voland mit dem Titel “Genese und Geltung” empfehlen. Hier ginge es aus Sicht der evolutionären Erkenntnistheorie um eine quasi Überwindung scheinbarer Widersprüche in dieser tatsächlichen Streitfrage, die sich eben aus einer dualistischen Weltanschauung ergeben. Wie ich sehe, hängen gerade an dieser philosophischen Frage veritable Konsequenzen letztlich für den politischen Bereich.

    MfG Robert Peer

    • Ich kenne Prof. Voland seit ungefähr 35 Jahren und schätze ihn und seine Forschungen sehr. Er wohnt übrigens in meiner Nähe. Ich habe allerdings nicht alles von ihm Publizierte gelesen oder momentan parat. “Genese und Geltung” kannte ich bis heute leider nicht, habe es aber soeben gelesen und stimme dem Autor sehr weitgehend zu.
      Auch ohne bereits von Prof. Voland hier gelesen zu haben: “Was wäre nun, wenn Moral tatsächlich durch Prägungen entstünde, d. h.
      subjektiv erlebte Wertesysteme in der Außenperspektive biografisch kaum veränderliche neuronale Landschaften wären? Wir hätten es folglich im Lebensvollzug mit intuitiven moralischen Präferenzen zu tun, die sexuellen, diätischen, sprachlichen, ästhetischen Präferenzen vergleichbar – gerade nicht rationalen Ursprungs wären, sondern in sensiblen Phasen gleichsam aufgesogen und neuronal fixiert werden, um der gelebten Moral nachhaltig ihren Stempel aufzudrücken.” habe ich in meinem aktuellen Buch “Das rechte Weltbild” dieselbe These vertreten, nämlich daß Wertentscheidungen ultra rationem liegen: Wir rationalisieren nachträglich, was unser Gefühl uns intuitiv schon lange eingegeben hat.

      • Robert Peer

        Danke für Ihre interessante Antwort, sowie das Posten des Aufsatzes.

        Ja, das scheint mir auch ein wesentlicher Punkt in einem not-wendigen Paradigmenwechsel hin zu einem modernen rechten Weltbild zu sein, das den Namen auch verdient, nämlich:
        Es ist eben auch die – leider bis jetzt! – noch maßlose Überschätzung der noch vergleichsweise jungen Schicht des Rationalen und des ebenso noch völlig unterbewerteten “Unterbau” unseres “Vor-Rationalen/Ratiomorphen Apparates” (K. Lorenz). Und, wie Sie richtig noch anfügen, das hat dann auch eine falsche Zuordnung und Bewertung zur Folge, was insbesondere das kausale Verhältnis von Bewußtem und Unbewußtem betrifft.

        Vielleicht aber noch ganz kurz zu Voland und (seiner) Interpretation der Soziobiologie (SB):
        Sein Aufsatz läßt sich ja auch in 2 kritische Aspekte unterteilen:

        1. Seine Kritik betreffend die “Funktionslogik des natürlichen Selektionsprozesses” ( insofern auch Kritik am Lorenz´schen “Normativen Biologismus”!),

        2. seine Kritik an der rein a-biologischen, a-naturalistischen (die scheinbar einzig mögliche philosophisch-logisch-rationale!) Begründung bzw. Begründbarkeit des sog. “Naturalistischen Fehlschlusses” bzw. seine Verwerfung in der bekannten Form.

        Zu 2.: Die Argumentation in dieser Abhandlung ist – natürlich vom naturalistisch-evolutionären Standpunkt aus – für mich schlüssig und stringent und wird dem Vorhaben Volands m. E. voll gerecht.

        Zu 1.: Voland vertritt hier aber die Position der “Individual-Selektion” in der SB. Diese ist m. E. schon seit längerer Zeit überholt und durch eine Multi-Level-Konzeption ersetzt worden. Dies hat insbesondere auch mit der Frage zu tun, welche Entitäten es sind, wo Evolution ansetzt, ansetzen kann – also nicht nur bei Individuen sondern eben auch bei Populationen, wie eben z. B. Völkern, die eben Gen-Pools darstellen. Die Grund-Theorie des “egoistischen” Gens bleibt davon aber unberührt.
        (Dazu gab es übrigens eine umfangreiche Literatur bzw. großen Disput in der Community.)
        Interessant und sehr bedeutsam ist i. d. Zhg., daß eben gerade auch Edward O. Wilson, der große Gründungsvater der SB, in seiner letzten Zeit von seiner anfänglichen Position/Interpretation der Individual-Selektion abrückte (wie viele andere!), sie widerrief und zu den “Mehr-Schichten”-Selektionisten überwechselte.

        Es ist sicher unschwer zu verstehen, wie diese – für mich in dieser Interpretation der SB, die damit nun erst umfassend schlüssig wurde – im rechten Weltbild eine entscheidende Rolle spielt.

        • Danke für die interesanten und zustimmungsfähigen Ergänzungen. Für die sich an die Soziobiologie anschließenden politischen Fragen dürfen wir nicht vergessen, daß jede Biologie nur deskriptive Aussagen treffen kann. Es folgt kein den Einzelnen verpflichtendes Sollen daraus.
          Bei aller Einsicht in den Egoismus der eigenen Gene bleibt dem Individuum die Option, sich nach einem kritischen Blick in den Spiegel den Strick zu nehmen und nicht fortzupflanzen, weil er sich als Angehörigen einer “verbrecherischen Köterrasse” identifiziert.
          Freilich muß er sich dann gefallen lassen, sein Verhalten – rein deskriptiv und aus genetischer Sicht – als pathologisch bezeichnen zu lassen.
          Wenn dagegen die Phrase von der Selbstverwirklichung einen objektivierbaren Sinn hat, verwirklicht sich ein Individuum am effektivsten selbst, wenn es seine Lebensentscheidungen im Einklang mit dem “Egoismus” seiner Gene trifft. “Gegen seine Natur” zu handeln, ist qua Willensentscheidung zwar möglich, endet aber leicht in innerer Zerrissenheit einer unglücklichen Existenz.

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