Wenn Linke ihren ideologischen Zauberstab schwingen, lautet ihre Beschwörungsformel immer: „Gerechtigkeit!“ Sie bildet den Schlüssel zum Verständnis alles dessen, was links ist, und darum ist der Rechts-Links-Gegensatz nicht überholt.
Natürlich wollen Rechte auch Gerechtigkeit, aber eine völlig andere als Linke. Sie erkennen, daß hinter der Forderung nach Gerechtigkeit gewöhnlich ein Machtanspruch steckt. Wer ihn erhebt, strebt nach der Herrschaft, die Ressourcen anders zu verteilen als bisher – zu seinen Gunsten, versteht sich. Die Parole „Gerechtigkeit“ ist ein Mittel, die eigenen Interessen zur Geltung zu bringen.
Wem die „Deutung der Orakel der Gerechtigkeit anvertraut ist“, wird erfahrungsgemäß „diese Göttin bewegen können, nichts zu antworten, was wider den eigenen Vorteil ist,“[1] erkannte schon 1667 der Jurist Samuel von Pufendorf. Und sein späterer Kollege Ernst von Hippel seufzte resignierend, nach Verlorengehen der „höheren Rechtsstufen“ des göttlichen und des Naturrechts seien „endlich nur noch der Rechtsbegriff als leere Form und Tarnung bloßer Interessen wie politischer Macht übrig“ geblieben. Weiterlesen