Klaus Kunze

Monat: Dezember 2021

„Querfront von linken Theoretikern und Rechtsradikalen“ ?

Linke und Scheinlinke

Für einen klassischen Linken steht außer Frage, daß Menschen ungleiche Interessen haben und verschiedene Klassen miteinander im Kampf stehen. Wenn eine Menschengruppe andere Interessen hat als eine andere, muß sie sich formieren, um diese wirksam durchzusetzen. Dabei ist Solidarität im Binnenbereich der Gruppe höchst nötig: Kollektives Klasseninteresse rangiert dann vor jedem Einzelinteresse.

Mit diesem tendenziell kollektivistischen Ausgangspunkt ist der liberale Individualismus prinziell unvereinbar. Dem radikalen Individualisten geht „nichts über mich“, wie Max Stirner paradigmatisch formuliert hatte. Damit wurde er zum geistigen Urahnen der Anarchisten, der Autonomen wie auch der ultraliberalen Kapitalisten. Ein radikaler Individualist bezieht sich nur auf sich selbst: „Keine Sache, kein sogenanntes »höchstes Interesse der Menschheit«, keine »heilige Sache« ist wert, daß du ihr dienest, um ihretwillen dich damit befassest; ihren Wert magst du allein darin suchen, ob sie dir um deinetwillen wert ist.“ Weiterlesen

Pfizer und unsere systembedingte Korruption

Wir werden in Geld umgerechnet

Der Kapitalist hat nichts gegen Schönheit. Sie darf aber keine Mehrkosten verursachen. Heldentum – gern – wenn es etwas einbringt. Moral? Jederzeit, vor allem wenn der Beutel dabei klingelt. Der Nobelpreisträger Konrad Lorenz warnte schon 1979 vor dem rein ökonomischen Wettbewerbsdenken, das ausschließlich von wertblinden, kommerziellen Erwägungen bestimmt ist.[1]

Als Wert werde von der heutigen Mehrheit nur noch empfunden,

„was in der mitleidlosen Konkurrenz erfolgreich und geeignet ist, den Mitmenschen zu überflügeln. Jedes Mittel, das diesem Zwecke dienlich ist, erscheint trügerischerweise als ein Wert in sich. Man kann den vernichtend sich auswirkenden Irrsinn des Utilitarismus als Verwechslung der Mittel mit dem Zweck definieren. […] Wie viele Menschen aber gibt es heute noch, die einen überhaupt noch verstehen, wenn man ihnen erklären will, daß Geld an sich keinen Wert darstellt?“

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Unsere neue Unmündigkeit

So weit sind wir schon gekommen: Im September 2020 aß ich an einer Landstraße in Mittelhessen eine Currywurst. Ein hinzukommender Kunde duzte sich mit dem Inhaber des Wurststandes und erzählte: Die seien „mit 30 Vermummten gekommen und hätten dem einen Hund aus dem Zwinger“ geholt, „diese roten Nazis!“

Ich fragte neugierig nach, was da geschehen sei. Damit war das Gespräch zuende. „Ich rede über so was mit niemandem, den ich nicht kenne. Das ist heutzutage viel zu gefährlich!“

Inzwischen meinen „nach einer Allensbach-Umfrage zwei Drittel der Deutschen, daß man hierzulande aufpassen müsse, was man sagt. Es wird nicht mehr auf die Argumente gezielt, die man gebracht hat, sondern sofort auf die eigene Person, wobei Stichworte ausreichen, um ein extremistisches Weltbild zu unterstellen und hierzu Aussagen bewußt verkürzt werden.“[1] „Das Institut für Demoskopie Allensbach hat in einer repräsentativen Studie den Mut der Deutschen untersucht, sich zu politischen Themen zu äußern. Weiterlesen

Eine Seefahrt, die ist lustig

Das Berliner Narrenschiff

„Die Lage ist hoffnungslos“, soll Konrad Adenauer gesagt haben, „aber nicht ernst.“ Als er 1967 gestorben war, defilierte ich mit meinen Eltern im Chor des Kölner Domes an seinem Sarg entlang. Die Menschenschlange war lang, die Gesichter noch länger und sehr ernst. Alle spürten: Eine Epoche war zuende.

Ein ähnliches Gefühl eines Epochenendes beschleicht dieser Tage viele Bürger. Teile der Gesellschaft haben Narrenschiffe bestiegen und treiben den Rhein oder die Spree abwärts. Wenn ich mal einen flüchtigen Blick auf die Mattscheibe erhasche, wende ich mich peinlich berührt ab. Die Witze des neuen Witzfigurenkabinetts sind schal. Sie sind nicht nur närrisch, sondern oft einfach dumm. Aus ihren Mündern lösen sich Seifenblasen wie bunte Luftballons. Sie klatschen sich selbst dazu Beifall und lachen dazu in die Kamera.

Sebastian Brant, Das Narrenschiff (1499)

Es ist kein Albtraum, sondern ähnelt dem Einmarsch der Hauptdarsteller auf die Bühne in Institutionen, in denen man die Ärmel gewöhnlich hinter dem Rücken zusammenbindet. Weiterlesen

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