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Wird die Gleichheit unserer Freiheit die Tür eintreten? Die Posaunen der Egalitaristen werden immer lauter. Sie erschallen aus den Lautsprechern vor allem dann, wenn wir die staatlichen Radio- und Fernsehsender einschalten. Sie sind die Hauptverbreiter dieser ideologischen Infektion, ihre Superspreader sozusagen.
Selbständige und betreute Menschen
Wir sollen alle gleich werden. Ihre Propagandisten machen sich nicht mehr die Mühe, diese gruselige Utopie zu hinterfragen oder zu begründen. Es sei ja ungerecht, plauderte letzte Woche ein Moderator auf WDR 2 säuerlich, daß der Wohnraum in Deutschland ungleich verteilt sei. Manche haben halt mehr, andere weniger. Eine Viertelstunde später hielt er es im nächsten Beitrag für ungerecht, wie verschieden gebildet unsere Wohnbevölkerung sei. Die Linke erhebt den Machtanspruch, Ungleichheiten zu beseitigen.
Daß wir nicht mehr frei sein können, sobald wir alle gleichgemacht sein werden, ist seit langem bekannt. Weil jeder Mensch verschieden ist, stellt sich Gleichheit niemals von allein ein. Gleich werden wir nur, wenn wir zuvor gleichgemacht worden sind. Erst als Objekte eines gleichmachenden Subjekts können wir gleich werden. Das kann der Staat sein, aber auch ein anderer Akteur.
Wer vom Staat betreut wird, fühlt sich auch von ihm abhängig und ist geneigt, sich
ihm zu beugen.Ernst Forsthoff, Verfassungsprobleme des Sozialstaats, 1961, S.150.
Alle Gleichheit ist betreuungsbedürftig. Der große Soziologe Helmut Schelsky hatte dazu schon 1978 unter dem einprägsamen Titel „Der selbständige und der betreute Mensch“ publiziert. Gleichheit erfordert immer staatliche „Betreuung“, Kontrolle, Aufsicht, Regelung aller Lebensbereiche und Unselbständigkeit der Menschen. Freiheit dagegen ist unverzichtbar für selbständig denkende und handelnde Menschen.
Die Forderung nach Gleichheit bildet den Nukleus aller linken Theorien. Nach Freiheit hingegen strebt alles Rechte. Gleichheit ist der Tod der Freiheit, die Freiheit aber Gift für alle Gleichheit. Rechts ist, wer sich nicht gleichmachen lassen will.
Meinungsumfragen zufolge ist aber die Sehnsucht nach Gleichheit in Deutschland seit Jahrzehnten auf dem Vormarsch. Immer mehr Menschen fühlen sich ohnmächtig und schwach, lebensuntüchtig oder dem harten Wettbewerb nicht gewachsen. Sie lassen sich gern betreuen und bemuttern. Warum sollen sie sich auch die Mühen einer schwierigen Ausbildung auf sich nehmen: womöglich, um dann jahrzehntelang früh aufzustehen, zur Arbeit zu gehen oder gar Verantwortung für eine zu gründende Familie auf sich zu nehmen?
Es gibt keine Letztbegründung für Gleichheit
Für Linke bildet die Gleichheitsforderung ein nicht weiter begründungsbedürftiges Postulat. Es lautet schlicht: Alle sollen gleich sein.
„Alle gleich“? Wer sagt das? Wer befiehlt uns das? Wieso sollen wir solch einem Befehl gehorchen? Wir sehen nämlich weit und breit niemanden mit der Autorität und Befehlsgewalt, so etwas über uns zu verhängen.
Also, warum bitte sollen alle gleich sein? Michel de Montaigne hatte schon 1580 gespottet: Jenen, die mit Postulaten in den Kampf ziehen, muß man deren jeweilige Umkehrung ins Gesicht postulieren.“[1] Freiheit erlaubt darum das Gegenpostulat: Alle dürfen gern ungleich sein!
Doch woher nehmen Linke eigentlich ihr „Postulat“? Wo liegen seine Wurzeln? Wie könnten heutige Linke „Gleichheit“ begründen, wenn sie weder argumentativ noch zur Analyse ihrer eigenen Positionen fähig sind?
In den Köpfen der linken Intellektuellen sind die Lichter seit Jahren ausgegangen. Heute dominieren jene, die nicht einmal imstande sind, die gewaltigen Waffen auch nur vom Boden zu heben, mit denen noch vor Jahrzehnten ihre Vorgänger mit Leichtigkeit fochten. Nach ihrem Marsch durch die Institutionen suhlen Linke sich in den gepolsteren Sesseln staatlicher Teilhabe. Dicke Bäuche demotivieren selbst den wildesten Revoluzzer.
Gleichheit als Postulat ist eine Sollensforderung. Sie beruft sich auf eine angebliche Gerechtigkeit, die unbedingt Gleichheit erfordere. Die Gerechtigkeit selbst fordere, so das linke Postulat, Gleichheit. Doch fordert sie das wirklich? Prüfen wir es einfach mal nach:
Die Maxime der Gerechtigkeit
„Gerechtigkeit“ ist eine abstrakte Handlungsanweisung. Sie richtet sich an eine Autoritätsperson mit der Macht, etwas an ihre Unterworfenen zu verteilen: materielle Güter, in der ursprünglichen Idee aber auch immaterielle wie Gesundheit, Glück oder Lebenschancen. Als „Justitia distributiva“ geistert sie seit Jahrhunderten metaphorisch durch verstaubte Lehrbücher.
Als Handlungsmaxime befiehlt „die Gerechtigkeit“, man solle Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandeln. Der Philosoph Chäim Perelman hat herausgearbeitet, daß die Maxime darüber schweigt, was im konkreten Fall als gleich und was als ungleich zu gelten hat. Habe ich einen roten und einen blauen Ball sowie einen roten und eine blauen Würfel, sagt mir die Gleichheitsmaxime nicht, ob beide roten Gegenstände oder beide würfelförmigen „gleich“ sind. Sie sind nämlich jeweils nur in einer Beziehung gleich.
Welche Eigenschaft nun als Maßstab für Gleichheit herangezogen werden muß, kann die Gleichheitsmaxime niemals beantworten. Das erfordert nämlich eine willkürliche Vorentscheidung über das maßgebliche Kriterium.
Damit sind wir dem linken Gleichheitspostulat schon hart auf den Fersen. In seiner universalisierten Form lautet es: Alle Menschen müssen gleich behandelt werden, am liebsten sogar gleichgemacht! Darin steckt von Anfang an als unhinterfragtes Postulat, was am Ende als Forderung herauskommen soll: Alleiniges Kriterium für die geforderte Gleichheit soll das Merkmal „Mensch“ sein. Für Hunde und Schmetterlinge soll es nicht gelten.
Alle Menschen sollen gleich werden und behandelt werden, weil sie als Menschen ohnehin gleich sind – ein grandioser Zirkelschluß!
Wie in obigem Beispiel „Kugel“ oder „Würfel“ durch willkürlichen Entschluß zum entscheidenden Kriterium gemacht wird, ist es bei den Linken das Kriterium „Mensch“. Doch was meinen sie damit?
Was ein Mensch ist?
Da stellen wir uns erst mal ganz dumm. Die Naturwissenschaft belehrt uns, daß wir alle zur Spezies Homo sapiens gehören, weil wir alle uns miteinander fortpflanzen könnten. Darum knüpft das linke Gleichheitspostulat an eine biologische Eigenschaft an.
Für unsere nah verwandten Schimpansen gilt es nicht, obwohl diese uns genetisch zu rund 98% gleichen. Andere Menschenarten oder Unterarten wie der Homo habilis, Neandertaler oder die Denisova-Menschen sind ausgestorben, wenngleich sie prozentual in verschiedenen Bevölkerungen noch mehr oder weniger genetisch fortleben. Schade, denn es wäre interessant, zu erfahren, ob das für unsere Linken auch alles „Menschen“ wären, auf die der segnende Blick der gleichmachenden Gerechtigkeit zu fallen hat.
Bei genauer Analyse merken wir allerdings, daß das linke Gerechtigkeitspostulat keineswegs an unsere Biologie anknüpft. Über sie dünken Linke sich erhaben, sonst würden sie nicht vielfach ungeborenem menschlichen Leben das Lebensrecht absprechen.
Was für linke Gleichheitsvorstellungen ein gleich zu behandelnder Mensch ist, erfahren wir nur bei einem kritischen Blick hinter die linken Kulissen. Linke wähnen nämlich hinter den schnöden Kulissen unserer Biologie und unseres empirischen Menschseins ein immaterielles Sein. Metaphysiker siedelten dieses in einem „Jenseits“ an und nannten es „unsterbliche Seele“. Das kleine Geistwesen erst sei es, daß den menschlichen Körper „beseele“ und ihn damit zum Menschen mache.
Erst mit dieser Beobachtung packen wir die Linken endgültig am Kragen und lassen sie nicht entfleuchen samt ihrem Glauben an etwas Übersinnliches. Ihre Forderung nach empirischer, realer Gleichheit aller Menschen ist eine düstere Utopie, außer aber, wenn man alle Menschen für spirituell gleich hält. Das lateinische Wort spiritus heißt „Geist“. Er, glauben Beseelte, sei der gottesebenbildliche Kern einer speziellen Menschenwürde und allen Menschen gleich.
Mit der esoterischen Vorstellung, in jedem Menschen gleichermaßen spuke ein Phantom namens Seele, gewinnt die Gleichheitsforderung tatsächlich Sinn. Aber auch erst und nur dann! Wer ein Jenseits und seine Bewohner für die „wahre“ Welt hält und unsere arme empirische Erde nur für ein irdisches Jammertal, muß freilich uns Menschen, die wir jeder eine bemessene Zeitlang hier herumwandeln, nur als zweitrangige Vorstufe zum ewigen Seelenheil ansehen und in unserer „Seele“ den Sitz unseres „eigentlichen“, „wahren“ Menschseins suchen. Als stolzer Inhaber und Träger einer solchen Seele wäre dann jeder Mensch dem anderen „gleich“.
Gleichheitsutopie für Phantasten und Neidhammel
Wir sagen dagegen: Jeder Mensch ist ungleich. Jeder ist als Person einzigartig. Und das ist großartig so.
Darum dürfen wir auch beliebig Menschen ungleich behandeln. Nur für unseren Staat gilt etwas anderes, wenn wir diesem Gesetze zur Gleichbehandlung in bestimmten Fällen gegeben haben.
Soziologisch betrachtet wächst die Forderung nach Gleichheit der Lebenschancen, Güter, Ressourcen und gesellschaftlichem Ansehen auf dem Boden des Sozialneides. In ihr treffen sich die minder Tüchtigen mit denen, die Tüchtigkeit viel zu anstrengend finden. Von diesen haben sich viele auf das Feld der Ideologieproduktion geworfen. Sie schüren Haß und Hetze gegen alle Tüchtigen, die Fleißigen und alle Besitzenden. Zu einem „Besitzenden“ kann man nämlich schnell werden aufgrund eigener Anstrengung oder dem Fleiß seiner Eltern, denn die Kinder sollten ja einmal alles besser haben. Die Früchte elterlichen Fleißes und elterlicher Liebe möchten aber gerne jene Habenichtse ernten, die „Gerechtigkeit“ auf ihre Fahnen geschrieben haben und in Form konfiskatorischer Erbschaftssteuerbescheide wieder absondern.
Es gibt in Einzelfällen gute Gründe für Gleichbehandlung. Zum Beispiel stößt die Funktionalität eines Staat an ihre Grenzen, wenn bestimmte Menschen grundsätzlich bevorzugt oder benachteiligt werden. Zu krasse soziale Gegensätze destabilisieren jede Herrschaft. Als vor über hundert Jahren Adelsvorrechte abgeschafft wurden, waren sie in der Sache nicht mehr vermittelbar und einleuchtend. Ebensowenig einleuchtend sind aber Vorrechte zum Beispiel für Frauen in Form einer Frauenquote oder für Ausländer, die höhere Leistungen beziehen als Deutsche oder bevorzugtenZugang zum öffentlichen Dienst haben.
Jeder Privatmann aber ist frei, willkürlich zu entscheiden, wen er sich zu Tische lädt und wen nicht, wen er liebt und was er haßt und wem er freundlich oder ablehnend gegenübertritt. Gerechtigkeit herrscht nicht, wenn jeder Dasselbe genießt, sondern jeder das Seine.
[1] Michel de Montaigne, Essais, 1580, Hrg. Hans Magnus Enzensberger, Übersetzer Hans Stilett, Frankfurt 1998, II, 12, S.270.
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