Bis hierher müßt ihr glauben

dahinter erst dürft ihr denken

Auf Aktion folgt zumeist eine Reaktion. Unser Volk und unsere überlieferte Kultur werden einerseits durch Aktionen liberalkapitalistischer und linksliberaler Extremisten, andererseits durch mohammedanische in die Zange genommen.

Die einen lösen die bewährten Grundbausteine unserer Staatlichkeit in Beliebigkeit auf, die anderen schaffen durch Masseneinwanderung demografische Fakten. Die Aktionen der einen zielen auf eine Massengesellschaft entmündigter, leicht manipulierbarer Einzelmenschen unter der Herrschaft einer nicht mehr demokratisch kontrollierbaren politmedialen Funktionselite ab, während die anderen Akteure unverblümt ihren Alleinherrschaftsanspruch in Form eines Kalifats erheben.

Wie wollen wir darauf reagieren? Welche Reaktion ist angemessen, unser Deutschland, unsere Freiheit und die Geltung unserer angestammten Kultur und Verfassung zurückzugewinnen? Wie können wir retten, was zu retten ist?

Im rechten und konservativen Spektrum konkurrieren zwei entgegengesetzte Angebote. Die Reaktion des einen besteht in einer Reconquista, einer christliche Rückeroberung des einst christlichen Abendlandes. Sie ist im Wortsinne reaktionär, weil sie einen historisch längst vergangenen Zustand wiederherstellen will.

„Und wer sich auf das Abenteuer der eigenen Rechristianisierung einläßt, wird schnell erfahren, daß das Christentum auf alle wichtigen spirituellen und philosophischen Fragen unserer heutigen Zeit im Laufe seiner Geschichte eine Antwort entwickelt hat“.

David Engels, Was tun? – Leben mit dem Niedergang Europas, S.173.

Die andere Richtung ist laizistisch und strebt keinen christlichen Gottesstaat an. Sie appelliert nur an die Mündigkeit der Menschen, sich auf ihre eigene Identität zu besinnen und diese zu bewahren. Benötigen wir einen Gott an unserer Seite, um unsere Interessen und unsere Identität als Deutsche zu bewahren? Oder geraten wir dabei vom Regen in die Traufe?

Bis hierher hat uns Gott gebracht?

In alten Zeiten schrieb man Rettung aus höchster Not Gott zu.

Durch innere Glaubenserosion und negative Demografie scheint das Christentum in Deutschland zu ersterben. Seine faulenden Reste glänzen in Regenbogenfarben. Reaktionäre wie David Engels, Maximilian Krah und viele andere möchten es im Sinne früherer Christlichkeit restaurieren. Doch welche strategische Erfolgsaussicht haben sie? Wer glaubt so etwas noch? Und wie könnte eine christliche Restauration politisch operativ vonstatten gehen?

Bei einem großen Teil der Deutschen ist von der christlichen Dogmatik mit ihrer heiligen Dreifaltigkeit nichts geblieben als ein diffuses „Ich glaube, daß es da irgend etwas gibt“, ein einfältiges „Ich glaube an Gott“. Es gerät ins Stammeln bei der simpelsten Nachfrage des christlichen Glaubensbekenntnisses. Der Glaube an die wörtliche Wahrheit dieses Glaubensbekenntnisses ist bei den meisten Deutschen erloschen. Die vom Urchristentum ausgehende soziale Dynamik der menschlichen Gleichheit wurde längst für weltliche Ideologien vereinnahmt, die als Ersatzreligionen fungieren.

Keine Konkurrenz für den Islam

Die Oberhäupter der deutschen Kirchen nahmen auf dem Tempelberg ihr Kreuz von der Brust – fiktive Gedanken, die ihnen dabei durch den Kopf gegangen sein könnten.

Einer Kollision mit der anderen monotheistischen Religion, dem Islam, wäre das europäische Christentum nicht gewachsen. Strukturell und religionsgeschichtlich teilen beide dieselbe Grundannahme: Es gebe (nur) einen Gott, an den jeder glauben muß, der nicht auf ewig verdammt sein will. Auf diesem Dogma baute man in Europa seit Karl dem Großen weltliche Herrschaftsansprüche auf. Theologisch sind sie heute aufgegeben, werden aber vom Islam noch offen erhoben.

Politisch stellt sich also die Frage, mit welcher Erfolgsaussicht man die christliche Gottesinterpretation der islamischen entgegenstellen könnte. Wer dies versucht, muß dem Islam schon im Grundsatz zustimmen, es gebe (nur) einen Gott. Damit öffnet er aber die Büchse der Pandora und dem Islam Tür und Tor, statt ihm schon auf der Schwelle zu widersprechen. Die erfolgversprechende Antwort auf den islamischen Herrschaftsanspruch kann nicht bestehen in einem „Ihr habt im Grundsatz ja Recht, aber …..“

Warum glauben?

Nach einem Jahrhunderte dauernden, oft mühsamen Prozeß der Aufklärung muß jeder Versuch zurückgewiesen werden, den zur Vordertür hinauskomplimentierten religiösen Dogmatismus zur Hintertür wieder hereinzulassen. Dieser besteht in der Anmaßung, zu wissen, ob es einen Gott gibt und ob dieser von uns irgend etwas verlangt.

Auf dem Höhepunkt christlicher Glaubensdogmatik hatte Dante Alighieri (1265-1321) diesen Anspruch idealtypisch formuliert:

Auch müssen wir von diesem Glauben aus
die Schlüsse ziehen ohne Augenschein,
und daher kommt ihm sein Beweischarakter.

Dante, Commedia, 24. Gesang.

Treu der scholastischen Lehre hatte am Anfang allen Nachdenkens der von Bibel und Kirche überlieferte Glaube zu stehen, und von seinen Dogmen aus wurden rein deduktiv alle Schlußfolgerungen abgeleitet. Damit galten diese als bewiesen. Keine noch so schlaue Deduktion von einem frei erfundenen Glaubensdogma kann aber einen höheren Anspruch erheben, Realität zu erkennen, als die induktive, empirisch forschende Methode.

Dante Alighieri (Gemälde von Giotto di Bondone in der Kapelle des Bargello-Palasts in Florenz, Wikipedia)

Die mittelalterliche Scholastik hatte dagegen grundsätzlich die empirische Methode verworfen, die „nach dem Augenschein“ die reale Welt betrachtete, und bezeichnete ihre Erkenntnisse als Trugschlüsse Sie warf vor:

Eure Philosophie geht nicht nach einem
Verfahren vor. Es lockt die Lust am Schein
mit ihrem Trugschluß euch vom Wege ab.

Dante, Commedia, 24. Gesang.

Allen Ideologen und Metaphysikern gemeinsam ist die Verachtung empirischer Forschung. Was schert einen eingefleischten Christen, daß auch ein Jesus nicht durch Jungfernzeugung geboren werden konnte, was einen versponnenen Genderisten, daß es empirisch nur zwei Geschlechter gibt? Er glaubt, was immer er einfach glauben will, und leitet vom Glauben seine Schlüsse ab. Schon die christlichen Dogmatiker der Scholastik wie Thomas von Aquin (1225-1274) waren äußerst scharfsinnig. Sie waren aber gefangen im Käfig ihres ultra rationem liegenden Glaubens.

Wer unbedingt zurück in diesen mittelalterlichen Käfig will, mag eine christliche Reconquista oder Renovatio propagieren. Er muß dann für die christliche Entmündigung der Menschen kämpfen, um die islamische Entmündigung abzuwehren. Beide sind strukturgleiche Brüder im Geiste und behaupten, es gebe einen Gott, und für alle Menschen gleichermaßen müsse der Sinn des Lebens darin liegen, ihm zu gehorchen. Was er im einzelnen befiehlt, wissen seine Priester.

Es war schon häufig eine sozial höchst wirksame Strategie, Menschen zu beherrschen: „Da oben ist irgend jemand, und ich bescheidener Diener weiß ganz genau, was er will. Darum kniet nieder, und höret aus meinem Munde seine Worte ….!“

Das christliche Weltbild ging vom Glauben aus, Gott regiere den Kosmos „von oben“, und daraus leitete es rein deduktiv seine Kosmologie ab.

Wer sich solche Entmündigung gern gefallen läßt, ist selbst schuld. Er merkt nicht, daß es keinen für alle Menschen geltenden „Sinn des Lebens“ gibt, und daß jeder die Fähigkeit hat, seinem persönlichen Leben seinen Sinn zu geben. Jahrhundertelang aber hatten selbsternannte Sinnstifter von den Kanzeln gepredigt, wie man gottgefällig zu leben habe, wenn man kein „Sünder“ sein will. Heute predigen ihre Nachfolger in Presse, Funk und Fernsehen, welchen Sinn wir als Gutmenschen unserem Leben gefälligst zu geben haben, wenn wir nicht „Nazi“ oder „Leugner“ irgendeines Glaubens sein wollen.

Wer aber einfach nur er selbst sein will, fällt darauf nicht herein. Die Zukunft aller solcher freien Einzelnen hängt aber davon ab, daß wir uns mehrheitlich dazu durchringen, einfach nur wir selbst zu sein: nicht „Sünder“, nicht „Nazi“, nicht „Ungläubiger“, sondern frei von heruntergebeteten Glaubenssätzen, Psalmen, Suren oder Gutmenschenbekenntnissen. Einer allein ist machtlos.

Wer keine Bußprediger und Sinnstifter benötigt, sondern unbedingt geistig sein eigener Herr bleiben will, denkt strukturell rechts.

Die christlichen Konservativen

Wer einem „HERRN“ über sich in Demut „dienen“ möchte, kann niemals als politisch Rechter durchgehen. Das klassische katholische Denken weist zwar einzelne rechte Elemente auf. Anders als die jetzt auf dem Stuhle Petri thronende franziskanische Tradition hatte es unverbrüchlich an seinen Konzepten festgehalten, daß Gott die Menschen als Mann und Weib erschaffen habe, daß des Kaisers sei, was des Kaisers ist und daß nichts gegen irdische Hierarchien spricht, zumal es im Himmel ja auch Hierarchien gebe. Trotz vieler Schnittmengen und im Ergebnis manchmal gleicher „rechter“ Ansichten beruht dieses Christentum aber auf vollständig anderen Grundlagen als rechtes Gedankengut. Die Gegensätze übertreffen die Ergebnisübereinstimmungen bei weitem.

Auch wenn manche Christen sich heute als konservativ verstehen oder von links als Rechte wahrgenommen werden, ist es doch nur ihre traditionelle christliche Lebenswelt, die sie restaurieren möchten. Wenn sie gegen Abtreibung eintreten, dann keineswegs aus „rechten“ Motiven. Sie leiten es unmittelbar aus ihrer Bibel ab. Damit sind sie zwar Gegner desselben linksliberalen Zeitgeistes wie auch Rechte es sind, insoweit können beide Verbündete sein. Trotzdem bleiben sie Gegner. Liest ein Rechter nur die Jesus zugeschriebene Bergpredigt, stehen ihm die Haare zu Berge und er greift zur Beruhigung seiner Nerven zu Friedrich Nietzsche: „Das Christentum ist eine Todfeindschafts-Form gegen die Realität.“[1] Es kollidiert an allen Ecken und Enden mit rechten Grundpositionen, auch wenn es zuweilen übereinstimmende Schnittmengen gibt.

Auch wenn die Kirche als weltliche Institution und soziales Phänomen 1500 Jahre lang von hierarchischen Herrschaftsstrukturen geprägt war, bestand die im Neuen Testament überlieferte christliche Substanz in deren Gegenteil: einer tiefen Gleichheitssehnsucht. Gelegentlich nahmen soziale Bewegungen diese auf und rebellierten. Dolcinianer und andere Sekten wurden von der Kirche und den weltlichen Obrigkeiten schnell als brandgefährlich erkannt und mit Feuer und Schwert bekämpft. Im 19. Jahrhundert blieb die Einsicht dem Marxisten Kautsky überlassen: Wenn man von der urchristlichen Gleichheitssehnsucht das theologische Element wegnimmt, indem man auf eine Gottesperson verzichtet, gelangt man zu denselben Triebkräften wie die Sozialisten. Überspitzt vereinfacht ist Sozialismus eine Erlösungsreligion, ein Christentum minus Gott. In einer Epoche, die sich weitgehend von der Anbetung einer Gottperson abgewandt hatte und quasi den Menschen verherrlichte,[2] war das völlig konsequent.

Kautsky schrieb:

„Dem Proletariat und den mit ihm Sympathisirenden konnte weder das römische Recht noch die klassische Literatur behagen. Was sie suchten, fanden sie in einem anderen Erzeugniß der römischen Gesellschaft, im Evangelium. Der Kommunismus des Urchristenthums entsprach völlig ihren Bedürfnissen. Noch waren die Grundlagen einer höheren kommunistischen Produktion nicht gegeben, noch konnte der Kommunismus nichts Anderes sein, als eine Art Ausgleichungskommunismus, als ein Theilen, ein Zutheilen des Ueberflusses der Reichen an die Armen, die des Nothwendigen entbehrten.“[3]

Karl Kautsky, Vorläufer des neueren Sozialismus, 1895, S.172

Wir müssen dem hier nicht weiter im Detail nachgehen, doch wird in Abgrenzung zum rechten Weltbild eines sofort klar: Hier besteht ein antagonistischer Gegensatz zu allen Grundlagen rechten Denkens. Die katholischen deutschen Bischöfe unserer Tage haben dies klar erkannt, Gläubige, die sich für rechts halten, hingegen nicht. Eine reaktionäre Rückkehr unter den Krummstab führt nur von einer geistigen Knechtschaft in die andere.

Das Gebot kohärenten Denkens

Wer Christentum mit politisch rechtem Denken vereinen will, kann zu keinem kohärenten Weltbild finden. Kohärent ist ein Weltbild, dessen einzelne Bestandteile miteinander harmonieren und sich nicht widersprechen. Rechtes Denken beruht auf der aufgeklärten Eigenmacht der Person, ihrem Leben selbst Sinn und Gebot zu verleihen, während der Christ schon im Ansatz dem unterworfen ist, was seine Priester ihm als göttlichen Willen vorgeben. Beides ist miteinander im Ansatz unvereinbar.

Die Kirche selbst hatte ein Jahrtausend lang mit sich gerungen, ein in sich kohärentes Weltbild zu entwerfen, und das oft unter schweren Schmerzen und Erschütterungen. So galten ihr diverse Heiligenlegenden lange Zeit als wahr, etwa die des Heiligen Gregor (540-604). Dieser Papst soll den heidnischen Kaiser Trajan (53-117) aus der Hölle befreit, von den Toten erweckt, ob eines moralischen Verdienstes posthum getauft und ihm so den Himmel verschafft haben. Weil das theologischen Dogmen mehrfach widersprach, löste es erbitterte Debatten der führenden Theologen des Mittelalters aus. Gottes Verdammungsurteil zur Hölle durch ein päpstliches Wunder rückgängig machen? Für Scholastiker war das übelste Blasphemie. Unvereinbar waren letztlich jene

Heiligenviten und Exempel, deren im weitesten Sinne offene narrative Strategien nicht auf Kohärenz angelegt waren, auf der einen Seite, und die rationale und demonstrative Theologie der Summen und Sentenzen auf der anderen, die genau diese Kohärenz einforderte und sich über sie definierte.[4]

Bernd Roling, Die Seele Trajans, Gattungsreflexion im Grenzgebiet von hagiographischer Literatur und Theologie, in: Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch (2023) 97:525–552

Nun mag jeder irrationale Narr an ein Sammelsurium antagonistischer Behauptungen zugleich glauben, etwa die Jungfrau Maria habe Buddha zur Welt gebracht und arbeite heute undercover als Wünschelrutengängerin in Palästina. Der esoterische Narrensaum bietet immer wieder bizarre Überraschungen. Im Kreise rational Argumentierender hingegen kann man sich nicht selbst als rechts verstehen und zugleich vor der Vorstellung eines moralisierenden Gottes auf den Knien herumrutschen.


[1] Friedrich Nietzsche, Der Antichrist, 27 = S.36 der Goldmann-Ausgabe

[2] Klaus Kunze Wie der Mensch sein eigener Gott wurde. Humanitarismus – die Religion der Gottlosen. Hamburg, Hrg. Die Deutschen Konservativen e.V., 2022, Max Stirner, Der Einzige und sein Eigentum, S.61 f., 192 f.

[3] Karl Kautsky, Vorläufer des neueren Sozialismus, 1895, S.172.

[4] Bernd Roling, Die Seele Trajans, Gattungsreflexion im Grenzgebiet von hagiographischer Literatur und Theologie, in: https://doi.org/10.1007/s41245-023-00191-z, Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch (2023) 97:525–552

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  1. Ich darf gewissermaßen als Ergänzung auf meinen Beitrag „Christliche Grundlagen des Kommunismus“ verweisen:
    https://links-enttarnt.de/wp-content/uploads/2021/12/SoziBwltg-XIX-ChristKommism.pdf
    bzw. (zusammenfassend:
    https://links-enttarnt.de/sozialismusbewaeltigung-teil-19
    „rechts“ ist die Organisationsstruktur, „links“ eher die Dogmatik, also das Gleichheitsversprechen. Schüßlburner

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