Warum die globalistische Szene aufjault

Als die Argentinier Ende 2023 den Libertären Javier Milei zum neuen Präsidenten wählte, jaulte der linke Solidaritätschor international auf: Schluß mit sozialistischer Propaganda auf Kosten der Steuerzahler. Die linke Böll-Stiftung legte instinktsicher den Finger in die finanzielle Wunde ihrer Genossen:

Gleiches gilt für die zahlreichen sozialen Bewegungen und Organisationen der selbstbewußten und starken argentinischen Zivilgesellschaft. Auch wenn bislang noch keine konkreten Ansagen zu vernehmen waren, scheint einerseits klar, daß die Finanzierung politisch nicht genehmer Positionen oder Organisationen, gerade in der Erinnerungs- und Menschenrechtspolitik, radikal zurück oder auf null gefahren wird.

Michael Álvarez Kalverkamp, Argentinien: Rechtslibertärer Javier Milei ist neuer Präsident, 22.11.2023, Heinrich Böll-Stiftung.

Mit „Zivilgesellschaft“ meinen Genossen immer nur sich selbst, als sei Milei nicht zivil, sondern Chef einer Militärjunta. Er hat den Fehdehandschuh aufgenommen und den versammelten Weltwirtschaftsmagnaten und ihren politischen Schoßtieren vor die Füße geworfen. „Young global leaders“ passen ihre Staaten peu a peu an die Agenda des globalen Kapitals an. Verbale Streicheleinheiten von George Soros, Black Rock und Konsorten sind ihnen dafür ebenso sicher wie fette Pfründe, wenn sie einmal ausgedient haben werden.

Dabei erscheint manchem Beobachter unübersichtlich, wenn nicht widersprüchlich, wie er den globalistischen WEF-Zirkus und seine Geldherren einzuschätzen hat: Begriffe wie Milliardärssozialismus geistern durch den Raum, „Meinungskollektivierung nach Gutmenschenart“ kritisieren andere, während jedenfalls der ökonomische Nutzen stests zugunsten der Gut-Herren selbst zu Buche schlägt. Sie wissen die globalen Geldströme zu leiten und zu lenken, am Ende auf ihre persönlichen Konten.

Mißton im liberalen Chor

Es überrascht manchen, daß ausgerechnet ein ausgepichter Erzliberaler und Kapitalismusfreak, ein libertärer Finanzexperte wie Milei, mit Mißtönen die liberale Eintracht störte:

Heute möchte ich Ihnen sagen, daß die westliche Welt in Gefahr ist.  Und sie ist gefährdet, weil diejenigen, die die Werte des Westens verteidigen sollen, von einer Weltanschauung vereinnahmt werden, die unaufhaltsam zum Sozialismus und damit zur Armut führt.  Bedauerlicherweise haben die wichtigsten Führer der westlichen Welt in den letzten Jahrzehnten das Modell der Freiheit zugunsten verschiedener Versionen dessen, was wir Kollektivismus nennen, aufgegeben, motiviert durch die Bereitschaft einiger wohlmeinender Menschen, anderen zu helfen, und andere, die durch den Wunsch motiviert waren, einer privilegierten Kaste anzugehören. 

Javier Milei, Präsident von Argentinien, auf dem WEF-Forum in Davos 16.1.2024.

Ihm sind die liberalen Politiker und ihre millardenschweren Einflüsterer nicht liberal genug! Aus Sicht der liberalen reinen Lehre scheint er da Recht zu haben. Wir werden eine Erklärung dafür finden müssen, warum die versammelten Großkapitalisten sich als Proto-Sozialisten beschimpfen lassen mußten. Warum aber finanzieren sie auch international mit „NGOs“ oder auch direkt die woke Blase von Klimaklebern, karnevaleske Umzüge sexuell Perverser, Minderheitengetue, und warum wehen Regenbogenfahnen vor Konzernzentralen?

Milei geißelt sie alle:

Der erste dieser neuen Kämpfe war der lächerliche und unnatürliche Kampf zwischen Mann und Frau … Alles, was diese radikale Feminismus-Agenda bewirkt hat, ist eine stärkere staatliche Intervention, um den wirtschaftlichen Prozeß zu behindern und Arbeitsplätze an Bürokraten zu vergeben, die nichts zur Gesellschaft beigetragen haben .  Beispiele: Frauenministerien oder internationale Organisationen, die sich der Förderung dieser Agenda widmen.

Javier Milei, Präsident von Argentinien, auf dem WEF-Forum in Davos 16.1.2024.

Um seinen Rundumschlag gegen die woke Agenda zu vervollständigen, läßt er kein Ärgernis aus:

Ein weiterer von den Sozialisten eingeführter Konflikt ist der Konflikt Mensch gegen Natur. Sie behaupten, daß wir Menschen den Planeten schädigen, der um jeden Preis geschützt werden sollte, und plädieren sogar für Bevölkerungskontrollmechanismen oder die blutige Abtreibungsagenda. – Leider haben diese schädlichen Ideen in unserer Gesellschaft starken Einzug gehalten.  Den Neomarxisten ist es gelungen, den gesunden Menschenverstand der westlichen Welt zu kooptieren, und dies ist ihnen durch die Aneignung der Medien, der Kultur und der Universitäten gelungen. Der Fall Argentinien ist ein empirischer Beweis dafür, daß es egal ist, wie reich Sie sind, wie viele natürliche Ressourcen Sie haben, wie kompetent oder gebildet Ihre Bevölkerung ist oder wie viele Goldbarren Sie im Bankzentrum haben, wenn Maßnahmen ergriffen werden, die das freie Funktionieren der Märkte, den freien Wettbewerb, freie Preissysteme behindern, wenn Sie den Handel behindern, wenn Sie Privateigentum angreifen, ist das einzig mögliche Schicksal Armut …

Javier Milei, Präsident von Argentinien, auf dem WEF-Forum in Davos 16.1.2024.

Der Liberalismus hebt sich selbst auf

Wir haben nicht vergessen, daß unlängst ein amerikanischer Großkapitalist Klimakleber für ihr Kleben stundenweise entlohnte. Und bekanntlich haben zwar Neomarxisten in westlichen Universitäten und Medien Einzug gehalten. Die Türöffner und Sponsoren aber saßen in Davos in der ersten Reihe, als ihnen Milei die Leviten lies.

Doch warum zahlt sich die ideologische Kollektivierung für die Geldhaber aus, und warum stabilisiert die Entwicklung die Macht der von ihnen protegierten Politiker? Hat der entwickelte globale Finanzkapitalismus ein Eigeninteresse an linkswoker Gehirnkollektivierung in den von ihm betroffenen Ländern?

Heutzutage müssen Staaten die Produktionsmittel nicht mehr direkt kontrollieren, um jeden Aspekt des Lebens des Einzelnen zu kontrollieren, mit Instrumenten wie dem Drucken von Geld, Schulden, Subventionen, der Kontrolle des Zinssatzes, Preiskontrollen und Regulierungen, um den sogenannten Markt zu korrigieren Mißerfolge.  Sie können das Leben und Schicksal von Millionen Menschen kontrollieren…. – Ein großer Teil der allgemein akzeptierten politischen [Positionen] in den meisten westlichen Ländern sind kollektivistische Varianten, unabhängig davon, ob sie sich offen als Kommunisten, Faschisten, Nazis, Sozialisten, Sozialdemokraten, Nationalsozialisten, demokratische Christen oder Christdemokraten bezeichnen. – Sie sind im Grunde Neokeynesianer, fortschrittlich, populistisch, nationalistisch oder globalistisch.  Es gibt keine großen Unterschiede.  Sie alle sagen, daß der Staat alle Aspekte des Lebens des Einzelnen steuern sollte.  Sie alle verteidigen ein Modell, das im Gegensatz zu dem steht, das die Menschheit zum spektakulärsten Fortschritt in ihrer Geschichte geführt hat.

Javier Milei, Präsident von Argentinien, auf dem WEF-Forum in Davos 16.1.2024.

Der Staat solle alle Aspekte im Leben des Einzelnen kontrollieren, klingt wie süße Musik in den Ohren unserer Neosozialisten. Sie wollen bestimmen, was wir essen sollen, wie wir heizen, uns fortbewegen, ja welche Informationen wir erhalten dürfen und welche nicht, was wir öffentlich sagen dürfen und, zuguterletzt, was wir im Stillen noch denken dürfen.

Alles das steht zunächst in krassem Gegensatz zu den Grundlagen liberalen Wirtschaftsdenkens. Milei kehrt zu ihnen zurück und will die sozialistischen Krusten aufbrechen: Es geht Gesellschaften insgesamt besser, wenn die Menschen frei wirtschaften dürfen. Staatliche Umverteilungsquoten – in Deutschland über 50%! – führen in die Massenverarmung.

Im liberalen Vorkämpfer für Marktfreiheit geht aber eine erstaunliche Mutation vor, sobald er als Hecht im Karpfenteich alle kleineren Hechte geschluckt hat. Je mehr sich der Kapitalismus kleiner Unternehmer zum Monopolkapitalismus wandelt, desto größer wird die Gier des Hechtes nach zusätzlichen Karpfenteichen. Er lebt zu oft von geliehener Stärke und ist zu fortwährendem Wachstum gezwungen: einer ständigen Expansion des Geldes, der Märkte und der verfügbaren Ressourcen. Die Welt: ein einziger großer, nutzbringender Karpfenteich mit wenigen, sich kollegial zuzwinkernden Hechten! Guthechten natürlich, denn sie meinen es immer gut mit uns kleinen Fischen.

Der internationale Finanzkapitalismus hat darum ein Lebensinteresse daran, sich alle Ressourcen verfügbar zu machen. Wildwuchs ist ihm ein Greuel; Wie in Plantagen die Nutzbäume in Reih und Glied stehen, so erträumt er sich eine vereinheitlichte Menschheit, geistig genormt, gleichgesinnt, ökonomisch effizient und politisch handzahm.

Den Frieden dieser One World stören da leider noch ein paar widerspenstige Nationalstaaten. Sie wollen ihre Grenzen partout nicht öffnen für neue Hechte, und nicht für deren Ideen. Manche beharren trotzig auf irgendwelchen mittelalterlichen Ideen wie der Familie, einer Nation oder eigenständigen Religion. Fort mit ihnen! Solche Flausen behindern nur mit ihren nationalen Gesetzen den Fortschritt und unseren Weg in die Zukunft. Divide et impera! Sozial atomisierte Gesellschaften isolierter Solitäre lassen sich leichter abweiden als Völker mit festen, tradierten Sozialstrukturen.

Darum weg mit Staatsgrenzen, weg mit Familien, weg mit Nationalstolz und Bildung! Ein städtisches Sammelsurium woker Querulanten ist hier so nützlich wie eine Abrißbirne, die nützlichen Idioten unserer neuen Geldherren. Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!

So ruft Milei aus:

Wir sind heute hierher gekommen, um den Rest der Länder der westlichen Welt einzuladen, wieder auf den Weg des Wohlstands, der wirtschaftlichen Freiheit, der begrenzten Regierung … und der uneingeschränkten Achtung des Privateigentums zurückzukehren … – Die durch den Kollektivismus hervorgerufene Verarmung ist keine Fantasie und auch kein unausweichliches Schicksal.  Aber es ist eine Realität, die wir Argentinier sehr gut kennen.  Wir haben das erlebt.  Wir haben dies durchgemacht, weil wir, wie ich bereits sagte, seit wir beschlossen haben, das Modell der Freiheit, das uns reich gemacht hat, aufzugeben, in einer Abwärtsspirale gefangen sind, in deren Rahmen wir von Tag zu Tag ärmer werden …. – Abschließend möchte ich eine Nachricht für alle Geschäftsleute hier und für diejenigen hinterlassen, die nicht persönlich hier sind, aber aus der ganzen Welt folgen.  Lassen Sie sich nicht einschüchtern, weder von der politischen Kaste noch von Parasiten, die vom Staat leben.  Ergeben Sie sich nicht vor einer politischen Klasse, die nur an der Macht bleiben und ihre Privilegien behalten will.

Javier Milei, Präsident von Argentinien, auf dem WEF-Forum in Davos 16.1.2024.

Ja, um die Macht geht es natürlich immer, Geld ist nur eine Chiffre für Macht. Schon am Ende des Mittelalters benötigten Kaiser es, um ein Landsknechtsheer aufzustellen. Heute bezahlt man mit sehr viel Geld sogenannte Nichtregierungsorganisationen zur geistigen Infiltrierung widerständiger Völker, wenn man nicht gleich ganze Volkswirtschaften kauft. Geld und Macht sind heute meistens auswechselbare Synonyme.

Ein politisches Multiversum

Für Milei ist der ganze woke Kram nur ein kostenfressender Klotz am ökonomischen Bein. Da fühlen sich unsere einheimischen Kulturkämpfer natürlich angegriffen wie unser Kalverkamp von der grünen Böll-Stiftung:

Der Wahlsieg Mileis ist auch der Erfolg einer Kulturkampf-Kampagne, die nach dem Drehbuch der internationalen Rechten geschickt in den argentinischen Kontext übersetzt wurde.

Michael Álvarez Kalverkamp, Argentinien: Rechtslibertärer Javier Milei ist neuer Präsident, 22.11.2023, Heinrich Böll-Stiftung.

Doch ist Milei das – ein rechter Kulturkämpfer? Mitnichten. Er ist ein waschechter Liberaler, als Libertärer sogar ein liberaler Ultra. Für Liberale ist alles Staatliche an sich Teufelszeug. Da trifft er sich mit liberalen Großkapitalisten des WEF.

Liberale sind aber Sensibelchen, wenn sie jemand am Geldverdienen hindern möchte oder ihnen gar etwas wegnehmen will. Dann werden sie dienstlich.  So wandelte sich mancher Liberale über Nacht zum Etatisten und rief zeternd nach einer Staatsmacht, sobald von Sozialisierungen, Enteignungen und solchem Teufelszeug die Rede war. Dann werden Liberale sogar bereit, zugunsten ihrer ökonomischen Freiheit die politische einzuschränken. In Südamerika haben Juntas Tradition, die sich zur Wahrung des Kapitals an die Macht putschten und die sozialistische Gefahr mit Todesschwadronen und Lagerhaft bekämpften. „Rechts“ sind solche Liberalen nicht.

Schlichte Gemüter sehen nur die eindimensionale Polarität des Rechts-links-Gegensatzes. Da sind die zweidimensionalen Denker schon weiter, wenn sie das politische Spektrum als Kreis sehen, weil seine Enden sich berühren: Hier die extremen Individualisten, aus denen sich der Liberalismus speist, am anderen Ende aber die Kollektivisten, zum Beispiel Sozialisten und Nationalsozialisten.

Der politische Kosmos hat aber noch mehr Dimensionen. Er ist nicht bipolar, sondern mindestens tripolar. Wir können ihn nur räumlich einigermaßen erfassen. In der oberen Region schweben, vereint im Glauben an einen vorgegebenen Sinn des Lebens, die Metaphysiker. Sie beugen sich vor Gedankengespenstern wie Göttern, der in „dem Menschen an sich“ angeblich wohnenden Humanität, vor einem Weltgeist, universellen sittlichen Gesetzen und anderen Ausgeburten ihrer Phantasie. Sowohl linke als auch rechte Metaphysiker wärmen sich am Feuer ihrer transzendenten Innenwelt.

Ganz nüchtern steht ihnen polar gegenüber das Heer der Ungläubigen, der Skeptiker und der Realisten. Schweben die Idealisten quasi oben im Ideenhimmel, stehen die anderen mit beiden Beinen auf der Erde. Sie sind frei. Ihnen einen vorgegebenen Sinn des Lebens von oben überstülpen zu wollen, verbitten sie sich. Sie durchschauen alle Ideologien als Herrschaftsansprüche konkreter Menschen, die ihnen Gehorsam abverlangen wollen und das mit universellen Normen begründen. Wäre das Universum eine Person, würde sie in homerisches Gelächter ausbrechen.

Solche Menschen glauben Ideologien nicht, sie benutzen sie allenfalls. Es genügt, wenn ihr Publikum gläubig auf sie schaut. Ihre persönlichen Normen setzen sie sich selbst. Manche sind intellektuell redlich. Andere predigen Wasser und trinken Wein. Sie handeln, wie es für sie nützlich ist. Sie kennen ihren Machiavelli, ihren Max Stirner und ihren Nietzsche.

Von solchen Menschen wird in der Welt geführt. Sie denken und handeln pragmatisch, gehen über Völker und manchmal über Leichen. Aus diesem Holz sind die großen Wirtschaftsführer des WEF geschnitzt, aber auch jeder machtlose freie Denker, der sich von keiner Ideologie, keinem Glauben und keiner ökonomischen Obrigkeit total vereinnahmen lassen möchte.