Der SPD-Verfassungsschutz hat eine neue Feindgruppe erspäht: die Delegitimierer. Sie zersetzen angeblich den Glauben an unseren Staat.
Das BfV hat daher den Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ eingerichtet. Die diesem Phänomenbereich zugeordneten Akteure zielen darauf ab, das Vertrauen in das staatliche System zu erschüttern und dessen Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen. Dies versuchen sie zu erreichen, indem sie unter anderem demokratisch gewählte Repräsentanten des Staates verächtlich machen, staatlichen Institutionen und ihren Vertretern die Legitimität absprechen, zum Ignorieren gerichtlicher Anordnungen und Entscheidungen aufrufen, staatliche oder öffentliche Institutionen (z.B. der Gesundheitsfürsorge) mittels Sachbeschädigungen sabotieren oder zu Widerstandshandlungen gegen die staatliche Ordnung aufrufen. Diese Verhaltensweisen stehen im Widerspruch zu elementaren Verfassungsgrundsätzen wie dem Demokratie- oder dem Rechtsstaatsprinzip.
Webseite des Bundesamttes für Verfassungsschutz, abgerufen am 31.8.2022
Wir wollen diesen angeblichen Widerspruch einmal hinterfragen.
Selbst in der besten Gesellschaft lauert das heimtückische Element der Zersetzung überall und wartet auf seine Gelegenheit, unseren Staat von unten zu beknabbern. Die Damen im Bild des Künstlers Yakovlev zeigen gern, daß jedermann ihnen zu nahe treten darf. Aber jeder Oberverdachtschöpfer weiß sofort: Sie stehen sich vor dem Nachtclub in Wahrheit nur die schönen Beine in den Bauch, um die moralische Weltordnung zu delegitimieren!
Demokratieprinzip
Was besagt das Demokratieprinzip? Da stellen wir uns erst mal ganz dumm und fragen im Grundgesetz und beim Bundesverfassungsgericht nach. Art.20 Abs.2 GG lautet:
Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
Und unser höchstes Gericht sieht es im Recht der Bürger, in Freiheit und Gleichheit durch Wahlen und Abstimmungen die sie betreffende öffentliche Gewalt personell und sachlich zu bestimmen:
Das Demokratieprinzip ist konstitutiver Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Demokratie ist die Herrschaftsform der Freien und Gleichen. Sie beruht auf der Idee der freien Selbstbestimmung aller Bürger (vgl. BVerfGE 44, 125 <142>). Das Grundgesetz geht insoweit vom Eigenwert und der Würde des zur Freiheit befähigten Menschen aus und verbürgt im Recht der Bürger, in Freiheit und Gleichheit durch Wahlen und Abstimmungen die sie betreffende öffentliche Gewalt personell und sachlich zu bestimmen, zugleich den menschenrechtlichen Kern des Demokratieprinzips.”[1]
BVerfG, Urteil vom 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 –, BVerfGE 144, 20-369 (LT 1-9), Rn. 542.
“Delegitimierer” wären nach dem SPD-VS wohl Leute, die kein Vertrauen “in das staatliche System” mehr haben” und deshalb das Recht der Bürger beseitigen wollen, “in Freiheit und Gleichheit durch Wahlen und Abstimmungen die sie betreffende öffentliche Gewalt personell und sachlich zu bestimmen”?
Aufgrund seiner überlegenen Fähigkeiten, die wahren Absichten und hintergründigen Pläne der Bürger zu durchschauen, meint er zu wissen, wann jemand nicht bloß einen unfähigen Parteipolitiker als unfähig bezeichnet, sondern zugleich das demokratische Wahlrecht beseitigen will. Wenn der Demonstrant freilich unsere Verfassungsordnung als faschistisches Schweinesystem bezeichnet und Transparente mit Mördern wie Che Guevara als Monstranzen hochhält, dürfte er sich über einen solchen Verdacht nicht wundern. Solche Kommunisten hatten für demokratische Wahlen nichts übrig.
Rechtsstaatsprinzip
Ein wenig leichter haben wir es beim Rechtsstaatsprinzip. Wer grundsätzlich nicht den inneren Frieden hält, sondern gewalttätig vorgeht und dadurch ständig das Gewaltmonopol des Staates ignoriert, hat mit dem Rechtsstaat nichts am Hut.
Läßt sich etwa feststellen, daß Anhänger einer Partei in einer ihr zurechenbaren Weise Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele anwenden, spricht dies dafür, daß die Partei das im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Gewaltmonopol des Staates nicht anerkennt und insoweit auf eine Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtete Ziele verfolgt. Zugleich wäre eine der Partei zurechenbare Anwendung oder Billigung von Gewalt ausreichend, um davon ausgehen zu können, dass das Handeln der Partei hinreichend qualifiziert eine Beseitigung oder Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vorbereitet.
BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13 –, BVerfGE 144, 20-369 (LT 1-9), Rn. 580
Das sind Menschen, die Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele bejahen und einsetzen. Es sind allerdings nicht Leute, die nach der angeordneten Auflösung eines maskenfreien Spaziergangs wegen seiner Gesundheitsgefahren nicht schnell genug machen, daß sie vor den Gummiknüppeln wegkommen, und die sich dann wider Willen zu Boden geworfen und in ein Knäuel mit behelmten Polizisten verstrickt sehen. Nur wer “Gewalt zur Durchsetzung seiner politischen Ziele” einsetzt, mißachtet die Rechtsstaatlichkeit.
Nun entsteht der Eindruck, der SPD-Verfassungsschutz unter Haldenwang könnte die Verächter der Rechtsstaatlichkeit und des Demokratieprinzips nicht wahrnehmen, weil er seinen Kopf in die falsche Richtung gedreht hält. Fackelzüge von Demonstranten, die im Stechschritt nach einen neue Führer rufen, sieht man seit Jahrzehnten eher selten. Demonstrantengewalt ist ein linksextremes Phänomen.
Legalität und Legitimität
Es ist die politische Linke, die jahrzehntelang Gewalt so lange zur Durchsetzung ihrer Ziele benutzt hat, bis sie an die Macht kam. Ist sie erst einmal an der Macht, verhauen ihre Polizisten jetzt Leute, die für “rechts” erklärt werden und für die man jetzt so nette Schimpfworte benutzt wie Coronaleugner, Schwurbler oder Verschwörungstheoretiker.
Für die Linke ist Protest so lange legitim, wie er links ist. Richtet er sich gegen linke Herrschaft, wird er über Nacht illegitim, auch wenn er legal ist. Legalität bedeutet bekanntlich die Übereinstimmung mit Verfassung und Gesetzen. Die Legitimität einer Herrschaft oder einer Maßnahme erkennt man hingegen daran, daß sie mit der metaphysischen Werteordnung übereinstimmt, die den jeweiligen Gesetzen und Maßnahmen zugrundeliegt.
So fiel unseren jungen Politikern und Richtern eines Tages auf, daß der frühere § 175 StGB mit seiner Strafbarkeit von Homosexualität selbst zur Zeit seiner Geltung bis 1994 illegitim gewesen sein soll. Seine “Opfer entschädigt” man jetzt, auch wenn sie damals legal verurteilt worden waren.
Legitimität ist ein höchst dehnbarer Begriff, weil er an Weltanschauungen, Ideologien oder theologische Überzeugungen anknüpft.
Ausgerechnet diese dehnbare Kategorie soll jetzt vom SPD-Verfassungsschutz genutzt werden, von heftiger Bürgerkritik an SPD-Politikern auf die finstere Absicht zu schließen, gleich den ganzen “Staat zu delegitimieren”. Als legitim dürfte nach diesem Fehlschluß nur ein Partei- oder ein Parteienstaat linker Prägung gelten. Nur indem sich die Regierungsparteien und ihre Politiker sich als “der Staat” fühlen”, können sie eine Kritik an sich, eine “Delegitimierung” ihrer Person oder Partei, als “Delegitimierung des Staates” verstehen.
Eine unausgesprochene Selbsteinschätzung als Staatsparteien ermöglicht es, jeden Angriff einer Konkurrenzpartei auf ihr Machtmonopol juristisch wie propagandistisch als Angriff auf Staat und Verfassung umzudeuten. So pflegten parteiangehörige “Verfassungsschützer” in jenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Republikaner ab 1993 gegen ihre nachrichtendienstliche Beobachtung regelmäßig der Opposition als Beweis für ihre angebliche Verfassungsfeindlichkeit anzukreiden, daß diese “die demokratischen Parteien” politisch hart attackiere; woraus geschlossen werden müsse, daß die Partei den demokratischen Verfassungsstaat bekämpfe.
Die Parteipolitik färbt das Bild der zu schützenden Verfassung[2]
Während das benachbarte Ausland Demokratie gelassen praktiziert, zelebrieren wir sie feiertags, unterwerfen sie aber alltags einem Deutschland eigentümlichen, bürokratischen Kontrollapparat namens “Verfassungsschutz (VS). Dieser deutsche Sonderweg hatte in den 1950er Jahren den Zweck, kommunistische Subversanten aus der DDR oder fossile Altnazis zu erkennen und an einer Machtergreifung zu hindern. Die Demokratie darf sich nicht selbst abschaffen, so die Lehre von 1933. Um sie verteidigen zu können, war der Parlamentarische Rat einem Rat Carl Schmitts gefolgt und hat sie wehrhaft ausgestaltet: “Wenn eine Verfassung die Möglichkeit von Verfassungsrevisionen vorsieht, so will sie damit nicht etwa eine legale Methode zur Beseitigung ihrer eigenen Legalität, noch viel weniger das legitime Mittel zur Zerstörung ihrer Legitimität liefern,”[3] schrieb Schmitt 1932 gegen die NSdAP, die in den Reichstag schon mit der offenen Absicht drängte, das Weimarer System abzuschaffen. Mit Hinweis auf “grundlegende Prinzipien” eines “unveränderlichen Verfassungssystems” befürwortete Schmitt Auflösung und Verbot von Gruppierungen wie der SA durch den Reichspräsidenten als Hüter der Verfassung. Die damaligen Machtverhältnisse erlaubten keinen wirksamen Verfassungsschutz.
Die heutigen machen ihn überflüssig: Die freiheitliche Demokratie ist in ihren Grundprinzipien allgemein anerkannt. Strukturelle Veränderungen erlebt Deutschland heute taktgleich mit seinen Nachbarländern als unvermeidliche Anpassungsprozesse an die Rahmenbedingungen einer teils schon postindustriellen Massengesellschaft in globaler Konkurrenz. Wer ein grundsätzlich anderes System erfolgreich installieren wollte, müßte mit der Demokratie zugleich diese Grund- und Rahmenbedingungen verändern, auf denen sie beruht. Sie optimiert die funktionalen Erfordernisse der Massengesellschaft, kann während ihres Bestehens keine nachhaltig erfolgreiche Konkurrenz haben und bedarf darum nicht mehr des behördlichen Schutzes.
Tatsächlich drohen der Verfassung heute Gefahren ausgerechnet von ihrem parteipolitisch mißbrauchten Beschützer. Am 15.11.1993 hieß es im SPIEGEL: “Spinnennetzartig hat sich der Verfassungsschutz ausgebreitet, seit die alliierten Militärgouverneure die Bundesrepublik 1949 ermächtigten, einen Inlandsgeheimdienst aufzubauen…. Kaum ein Abgeordneter der Bonner Altparteien wagt es, den Dienst in Frage zu stellen.” Gleich zweifach wäre diese Presseansicht als extremistisch zu bewerten, wenn man die etwa gegen die REPUBLIKANER verwandte verfassungsschützerischen Logik anwendet: Wer “Altparteien” sagt, möchte ihr zufolge ebenso “die Legitimitität der Wiederbegründung der Demokratie auf deutschem Boden nach 1945 angreifen”, wie wer rückblickend auf alliierte Einflüsse verweist.[4] Weil aber der SPIEGEL nicht als “extremistisch” gilt, mag er das schreiben, wohingegen solche Formulierungen den REP in VS-Berichten als Beweis angekreidet werden: Sie können dasselbe nur verfassungsfeindlich meinen, weil sie Verfassungsfeinde sind; und daß sie es sind, erweisen wieder ihre – im Lichte des Vorverdachts – nur verfassungsfeindlich verstehbaren Meinungen. – Daß REP heimliche verfassungsfeindliche Ziele haben, zeigt nach Meinung des VS schon ihr Programm. In ihm steht zwar nichts Verfassungsfeindliches,[5] womit aber nur bewiesen sein kann, wie heimtückisch sie ihre “wahren Absichten” verbergen. –
Derartige argumentative Winkelzüge unserer Verfassungsschützer bewegen sich entlang einer Grenzlinie, jenseits deren der wissenschaftliche Ernst endet und die Groteske beginnt: Man glaubt sie nur, wenn man sie selbst gelesen hat. Reizworte wie Altparteien, Umerziehung oder Vaterland lösen beim VS Pawlow’sche Reflexe aus: Wer solche Unwörter benutzt, macht sich verdächtig. – Jede wissenschaftliche Analyse erfordert eine empirische Tatsachenbasis, die ernsthaft analysiert werden kann – oder aber glossiert werden muß. Beides, Analyse des VS oder Glosse, müssen unglaubhaft jedem bleiben, der noch nie schwarz auf weiß las, was der VS für verfassungsfeindlich hält. In einem Augenblick spontaner Offenherzigkeit gab Prof. Michael Sachs – 1998 NRW-Vertreter in der Verhandlung vor dem BVerwG – zu:
“VS-Berichte haben auf Personen, die auf so etwas ansprechbar sind, noch eine gewisse Wirkung.”
Prof. Michael Sachs 1998[6]
Dezenter kann man seine Distanz vor den Erzeugnissen des eigenen Auftraggebers kaum ausdrücken. Das VS-Sammelsurium an Scheinargumenten ist hier in Kürze nur anhand typischer Beispiele darstellbar.[7]
Der Mißbrauch des VS behindert die Willensbildung des Volkes von unten nach oben massiv und widerspricht damit dem Demokratieprinzip. Der politische Willensbildungsprozeß müßte sich vom Volk hin zu den Staatsorganen vollziehen und nicht umgekehrt.[8] Den Staatsorganen ist jede Einflußnahme auf den Volkswillen verwehrt. Demokratie wird als offener, dynamischer und pluralistischer Prozeß betrachtet. Er verträgt sich nicht mit der bürokratischen Ambition, ihn staatlich zu lenken. Amtliche Autorität wird mißbraucht, wenn etwa “Sektenbeauftragte” oder Verfassungsschützer scheinbar objektiv “warnen”. “Sekten seien, heißt es, fundamentalistisch, doch macht der Vorgang eine neue Tendenz zu staatlicher Weltanschauungskontrolle deutlich. – Der Eifer unserer Gesinnungs-, Weltanschauungs- und und Sektenbeauftragten, unserer Groß- und Kleininquisitoren und Wächter über ‘political correctness’ ist zu einer ernsten Bedrohung unserer Freiheit geworden.”[9]
Unmittelbar politisch wird der VS eingesetzt, wenn er gegen Parteien eingesetzt wird. Wenn etwa in Mainzer Amtsstuben ein Heftlein des VS über “Rechtsextremistische Parteien” ausliegt[10] und doppelseitig über die REP berichtet, erweckt es den Anschein amtlicher Objektivität und Neutralität. In einem allgemeinen Vorwort setzt es Extremisten mit Verfassungsfeinden gleich und und zählt angebliche Merkmale von Rechtsextremisten auf. Daß die REP solche Merkmale aufweisen, wird nicht ausdrücklich behauptet, und trotzdem werden sie dazugezählt. Ähnlich ergiebig wäre ein spiegelbildliches Heftchen über “Linksextremisten” mit einer allgemeinen Schilderung des Marxismus und Unterkapiteln über die KPD, die SED, Maoisten und: die SPD. Indem letztere aber in Mainz regiert, während die REP Opposition betreiben, ist der VS einem SPD- und nicht einem REP-Minister nachgeordnet – und der mißbraucht den VS für seine Parteizwecke in amtlichem Gewand, indem er die REP willkürlich in dieselbe Schublade steckt wie Neonazis.
Der Mißbrauch beginnt bereits mit der ostentativen Verkündung der “nachrichtendienstliche Beobachtung”: Auf die öffentliche Einschätzung einer Partei wirkt sie wie ein Zeitungsbericht über die Hausdurchsuchung bei einem Nachbarn auf Kinderpornos: Die später erwiesene Unschuld rettet den Ruf nicht mehr. Diese Wirkung ist beabsichtigt. Nicht auf ausgespähte Geheimnisse kommt es an, denn deren wurde seit Beobachtungsbeginn nicht eines zutagegefördert. Geheime Ziele kann eine Partei unter den Spielregeln der Massenmedien-Demokratie ohnehin nicht erfolgreich verfolgen: Ohne öffentliche Selbstdarstellung kann keine Partei zur Mehrheit werden. Dabei wird sie für das gehalten und gewählt, das sie darstellt, und nicht für das, was sie ist. Mitglieder und Wähler strömen dem in den Medien dominanten Bild einer Partei zu (oder nicht), während papierene Programme oder Hinterzimmerabsichten nichts bewegen. Darum ist die Beobachtung angeblicher geheimer Hintergedanken der Führungszirkel einer Partei sinnlos: Selbst wenn ihre Oberen Hintergedanken hätten: Indem diese heimlich bleiben, sind sie wirkungslos. Relevant ist nur, was öffentlich ist.
Das Stigma
Darum ist eine Opposition seitens der Regierungspartei am einfachsten zu bekämpfen, indem ihr das Stigma des Extremismus aufgedrückt wird. Nachdem die Etablierten und ihre Freunde in den Medien das Zerrbild neonazistischer REP vermittelten[11], blieben Anhänger aus, die dem demokratischen Selbstbild der Partei entsprachen, und mußte sie sich gegen Trittbrettfahrer abgrenzen, die ihrem Zerrbild zuströmten. Den Kampf um Selbstbestimmung ihrer Identität konnten die REP bislang nicht gewinnen. Aus dem demokratischen Mitglieder- und Wählerpotential schöpfen sie nur tröpfchenweise, weil sie ihrer eigenen Klientel als extrem gelten. Das Bestimmungsrecht des eigenen politischen Standorts und des mit ihm verbundenen sozialen Geltungsanspruchs steht auch einer Partei zu,[12] wird aber etwa den REP “amtlich” genommen.
Den qualifizierten Funktionärsstamm und die Selbstbestimmung ihres politischen Standorts können Konkurrenzparteien einer Partei entwinden, wenn sie über den VS verfügen und ihn mißbrauchen. Beamte stellen in Parteien, etwa die Lehrer in der SPD, das personelle Rückgrat. In den vergangenen zehn Jahren verließen hunderte Beamte die Republikaner wieder, nachdem sie von ihrem Dienstherrn Briefe mit der offenen Drohung eines Disziplinarverfahrens für den Fall erhalten hatten, daß sie nicht austreten: Der Dienstherr “stufe die Republikaner als rechtsextremistisch ein”. Weil Beamte jederzeit aktiv für die freiheitliche demokratische Grundordnung (FdGO) eintreten müssen, setze sich dem Verdacht eines Dienstvergehens aus, wer ihre Ziele fördere. Es ist aber kein Fall bekannt, in dem allein die Parteizugehörigkeit bei den Republikanern zu einer Entfernung aus dem Dienst geführt hätte. Wo Beamte in seltenen Fällen so viel Mut bewiesen, die Partei nicht zu verlassen, scheiterte ihre dienstrechtliche Verfolgung vor den Verwaltungsgerichten.[13]
Andererseits erleiden etwa Offiziere durchaus Nachteile, wenn ihnen etwa wegen ihrer REP-Mitgliedschaft die Sicherheitsstufe aberkannt wird,[14] ihnen ein Charaktermangel vorgeworfen[15] oder sie als dienstlich ungeeignet angesehen und nicht befördert werden.[16] So ist die Strategie der SPD- und CDU-Innenminister aufgegangen: Der Mitgliederstamm an Beamten brach den Republikanern weg mit der Folge eines personellen Qualitätsverlustes. Aber nicht nur Beamte werden durch die Qualifizierung als “extremistisch” im VS-Bericht “belastet, läßt sich doch im demokratischen Verfassungsstaat – abgesehen von schweren Straftaten – kaum ein Vorwurf denken, der schwerer wöge als derjenige , daß jemand darauf ausgehe, die Fundamente der freiheitlichen Verfassung zu beseitigen.”[17] Je stärker Vaterlandsliebe abgelehnt und Verfassungspatriotismus gefordert wird, desto mehr verschiebt sich das Ansehen des angeblichen Abweichlers vom noch harmlosen “Radikalen” der späten 60er über den “Extremisten” bzw. Verfassungsfeind zum Staatsfeind oder ideologischen Hochverräter.
Seinem gesetzlichen Auftrag zufolge sichert der VS die wehrhafte Demokratie als “Auge der Politik” ab: Ausgewogen beobachtet er ringsum, spürt die Verfassungsfeinde in ihren verborgenen Winkeln auf, durchschaut ihre hintergründigen, geheimen Pläne und meldet sie den demokratisch gewählten Politikern. Diese entscheiden, ob sie sich noch partei-politisch damit auseinandersetzen, oder ob die Gefahr für die Demokratie nur durch staatliches Verbot abgewendet werden kann. Dieses spricht bei Parteien das BVerfG, bei sonstigen Gruppierungen der Innenminister aus. So wurden Anfang der 50er Jahre KPD[18] und SRP[19] als Parteien und in den letzten Jahren eine Reihe neo-nationalsozialistischer Gruppen als sonstige Vereinigungen verboten.[20]
Tatsächliche Feinde der Demokratie pflegen ihr Verbot gelassen zu nehmen. Auf wechselseitiger Feindschaft beruht schließlich ihre Ideologie, und ein Verbot bestätigt scheinbar eindrucksvoll diese Feindschaft: Man fühlt sich wenigstens ernst genommen. Ebenso sehen es von ihrer Warte die Demokraten: Auch ihr Konzept beruht auf der schon von Verfassungs wegen anerkannten Antagonie von Freund und Feind: hier die wehrhafte Demokratie – dort ihre Feinde. Niemand stellt in Frage, daß auf der einen Seite der geistigen Barrikade die Demokraten kämpfen und auf der anderen ihre verschiedenen Feinde. Dieses wohlgeordnete Schema stören nur, die keinen unangefochtenen Platz auf der gewünschten Seite fanden. Von der Ideologiekontrolle der einen wie der anderen Seite verworfen, schwanken sie zwischen enttäuschter Zuneigung zur einen und der extremen Übersteigerung ihrer Werte auf der anderen Seite hin und her. In dieser Lage befanden sich die Grünen, bevor sie zur etablierten Parlamentspartei wurden, und in ihr befinden sich seit zehn Jahren die Republikaner.
Ihrem Selbstverständnis nach wollen sie, wie heute die AfD, nicht das System verändern, sondern innerhalb des Verfassungsbogens den von der CDU geräumten rechten Flügel besetzen. Doch damit verstießen sie gegen die oberste Räson der Union zu ihrer Machterhaltung: Es darf rechts von ihr keine demokratische Partei geben! Die REP mußten daher zu Extremisten gestempelt werden. In einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung von April 1989 taucht bereits der Satz auf: “Daher scheinen mir die nachstehenden Methoden der Stigmatisierung der REP erfolgreicher zu sein.”[21] Um das Stigma quasi amtlich zu machen, wiesen die Landesinnenminister ihre VS-Ämter im Dezember 1992 an, die Partei künftig mit nachrichtendienstlichen Mitteln auf Verfassungsfeindliches zu beobachten.
Dagegen half den REP keine öffentliche demokratische Kontroverse, weil die Mikrophone der ARD für sie ausgeschaltet blieben. Man sprach über sie, aber nicht mit ihnen. So blieb der Weg zu den Verwaltungsgerichten als Notbehelf, doch gibt es keine “positive Feststellungsklage”, mit der eine Partei auf Anerkennung ihrer Verfassungstreue klagen könnte. Die politische Auseinandersetzung wird seither auf Nebenschauplätzen mit justizförmigen Mitteln der Verfassungsinterpretation ausgetragen. – Im Kampf um die richtige Interpretation rechtspolitischer Begriffe siegt aber, wer die Entscheidungskompetenz über verschiedene Auslegungsmöglichkeiten besitzt. Es ist ein offenes Geheimnis, daß die letzte Interpretation so allgemeiner Begriffe wie Gerechtigkeit oder Freiheit Glaubenssache und die Entscheidungsmacht über sie zur Frage des Parteienproporzes im BVerfG geworden ist. Vor einfachen Verwaltungsgerichten sind die Prozeßergebnisse hingegen so vorhersehbar wie Lottozahlen.
So sind die Waffen ungleich verteilt, wenn eine große Bundestagspartei um ihre Macht fürchtet: Sie regiert Länder oder gar den Bund und verfügt damit über die Schaltstellen des Staatsapparates: Innenministerien, VS und – darauf kommt es auf dem Felde der Rechtsauseinandersetzung an: die Richterstellen. “Es wird von keinem Sachkenner bezweifelt, daß in Deutschland weit mehr als in anderen westlichen Demokratien Beamtenschaft, aber auch Gerichte, mit Personen, die aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit ernannt oder befördert wurden, durchsetzt sind.”
Das Orakel
Daß in zunehmendem Umfang in wichtige Stellen nur Parteiangehörige berufen werden, gilt nach verbreiteter Auffassung auch bei hervorgehobenen Richterpositionen.[22] Und wem die “Deutung der Orakel der Gerechtigkeit anvertraut ist”, durchschaute schon Pufendorf 1667, wird erfahrungsgemäß “diese Göttin bewegen können, nichts zu antworten, was wider den eigenen Vorteil ist.”[23] Der “eigene” Vorteil: Das ist nicht immer ein direkter persönlicher Vorteil eines Richters. Teilt aber generationsbedingt ein wesentlicher Teil der Richterschaft die ideologische Grundposition seiner Regierungspartei, urteilen also etwa Alt-68er Richter darüber, ob ein SPD-Verfassungsschutz ideologisch korrekt handelt oder eine kleine, rechte Partei, sind die Weichen gestellt. Hinzu kommt ein guter Instinkt der meisten Richter für karrierefördernde Urteile.
Ein Mainzer Verwaltungsrichter erklärte mir telefonisch unumwunden, ich könne mir doch vorstellen, was ein Urteil gegen den VS für politische und öffentliche Folgen hätte, und glaubte wohl nicht ernsthaft daran. “Seien Sie nicht unpolitisch,” erteilte “aus eigener Erfahrung” ein Richter am BGH “einen freundlich-wohlwollenden Ratschlag”, sondern passen Sie sich dem Zeitgeist, das heißt dem Geist der Herren unserer Zeit, an; … Nehmen Sie sich ein Beispiel an …erg.: Roman Herzog. Er hat nicht nur ein feines Empfinden, woher der politische Wind weht, sondern weiß auch, wer ihn macht. Der Gleichheitssatz gebietet keine Gleichbehandlung aller gesellschaftlichen Gruppen. Eine geläuterte Rechtsauffassung erkennt klare Unterschiede, aus denen sachliche Differenzierungsgründe für eine Ungleichbehandlung herzuleiten sind. Ist es etwa kein relevanter Differenzierungsgrund, wenn man das Wählerpotential im Auge hat? … Im übrigen: Sie rücken in die Nähe eines Verfassungsfeindes, wenn Sie Zweifel an den Differenzierungen unserer obersten Rechtsverwalter vom Schloßplatz bei der Anwendung des Gleichheitssatzes äußern. Alle Bürger sind gleich, aber einige sind gleicher als die anderen. Wissen Sie nicht, daß Not kein Gebot kennt und wo gehobelt wird, Späne fallen?”[24]
Carl Schmitt und der Verfassungsschutz
So öffnet die verwaltungsrichterliche Rechtsprechung der politischen Opportunität Tür und Tor. Obwohl sie parteipolitischen Mißbrauch des VS verhindern sollte, bewegt sie sich zuweilen hart am Rande der Rechtsbeugung. Paradigmatisch für das Zusammenspiel von VS-Behörden und Gerichten sind die zahlreichen Prozesse der Republikaner gegen ihre Beobachtung seit 1989.[25] Die VS-Gesetze der Länder erlauben den Einsatz von V-Leuten und Anwendung anderer nachrichtendienstlicher Mittel, wenn Anhaltspunkte den Verdacht einer Bestrebung begründen, der sich gegen die FdGO richtet. Während über die Verfassungsmäßigkeit einer Partei gem. Art. 21 II GG nur das BVerfG entscheiden kann, standen Verwaltungsrichter vor der heiklen Aufgabe zu entscheiden, ob einzelne Anhaltspunkte einen “Verdacht” solcher Bestrebungen begründeten. Richter, deren Aufgaben gewöhnlich in der Überprüfung von Asylanträgen oder Baugenehmigungen liegt, sollten etwa entscheiden: Begründet der Rat in einem Parteirundschreiben, man solle einmal Bücher des Prof. Carl Schmitt lesen, den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen?[26]
Dieser Vorwurf des VS gegen die Republikaner wurde stillschweigend fallengelassen nach dem Hinweis, daß Schmitt als geistiger Urheber der “Ewigkeitsklausel” in Art.79 III GG gilt. Seither hat sich in den VS-Berichten und in der Begründung der Beobachtungspraxis ein fester Kanon an Vorwürfen gebildet: Republikaner verunglimpfen Institutionen des demokratischen Rechtsstaats und diffamieren demokratisch gewählte Politiker, indem sie die hinter ihnen stehenden Parteien “Altparteien” nennen. – Republikaner trachten die Demokratie zu delegitimieren, indem sie angeblich einen Zusammenhang zwischen der Umerziehung durch die Alliierten nach 1945 und der Legitimität der Demokratie herstellen. – Republikaner zweifeln Grundnormen der Verfassung an, denn sie “leugnen die deutsche Geschichte”, indem sich gegen “monokausale Deutungen der Kriegsschuld” und “Geschichtsfälschungen” wenden. – Sie sind nationalistisch-kollektivistisch, was man daran erkennt, daß sie das Volk als “Schicksals- und Sprachgemeinschaft” bezeichnen. – Vor allem aber beanstanden Verfassungsschützer und Gerichte gelegentlich drastische kritische bis zu geschmacklosen Äußerungen über Ausländer wie etwa, es müsse sich “bis in den letzten Negerkral herumsprechen, daß wir die hier nicht haben wollen.”
Die Vorwürfe der “Geschichtsleugnung” oder etwa der es Kollektivismus gegen jemanden, bloß weil er “Vaterland” sagt, wurden in zunehmendem Maße von Verwaltungsgerichten als nicht stichhaltig verworfen. Auch als Verfassungsfeind den anzusehen, der “Altparteien” sagt, erschien 1998 den Verwaltungsgerichten Mainz[27] und Berlin[28] zu simpel. Sie erklärten die nachrichtendienstliche Beobachtung für rechtswidrig. Als “ausländerfeindlich” angesehene Äußerungen hingegen kristallisierten sich als Hauptargument gegen die Partei heraus. Wenn Republikaner Einwände gegen Minarette neben Kirchen und in Wohngebieten erheben oder wenn sie “schnelle Abschiebung von Scheinasylanten” fordern, dann knüpfen Verfassungsschützer daran inquisitorische Konstruktionen: Wer solches verlange, lautet die auch von manchen Gerichten gebilligte Folgerung, wende sich “gegen das friedliche Zusammenleben” mit Ausländern und damit gegen deren Menschenwürde. Weil aber das Gebot der Menschenwürde oberster Verfassungsgrundsatz sei, liege die Verfassungsfeindlichkeit der Partei klar vor Augen.
Im vor dem OVG Koblenz laufenden Prozeß des Landes Rheinland-Pfalz gegen die in erster Instanz siegreichen Republikaner gegen die Beobachtung verstieg das Land sich sogar zu einem seinerseits verfassungsfeindlichen Gipfel: Es stehe zwar nur im Grundgesetz, daß die Achtung der Menschenwürde eine Verpflichtung aller staatlichen Gewalt sei. Es komme aber heute darauf an, “normative Begriffe wie freiheitliche demokratische Grundordnung und Menschenwürde nicht statisch zu interpretieren.” Anders als vor dreißig Jahren müsse man in diese Begriffe heute hineinlesen, “was dem friedlichen Zusammenleben von 7 Mio. Ausländern mit uns diene und was dafür erforderlich sei.”
Die Verfassung als Wundertüte
Das Land behauptet, Art.20 GG garantiere “die Republik als eine Verfassungsordnung der friedlichen Koestistenz von Rassen und Kulturen.”[29] Tatsächlich lautet die Vorschrift:
“Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Recht und Gesetz gebunden.” –
Art. 20 GG
So wird die Verfassung wie eine Wundertüte benutzt, aus der man jeden beliebigen ideologischen Inhalt herauslesen kann. Darin liegt ein Abschied von der unverbrüchlichen Herrschaft des Gesetzes und ein Bruch des Rechtsstaatsprinzip aus dem soeben zitierten Art.20. Wer das Gesetz durch einen Vorbehalt wechselnder ideologischer Auslegungen relativiert, verändert die Natur des politischen Konflikts: Er wird nicht mehr mit rechtlichen, sondern mit ideologischen Waffen ausgetragen. Er geht den Weg vom Rechtsstaat zum Weltanschauungsstaat. Überdies verbietet sich diese ausdehnende Neuinterpretation durch Art.79 I 1 GG, weil das GG nur durch ausdrückliche Wortlautänderung geändert werden darf, auch wenn sich Verhältnisse geändert haben sollten.
Eine nachhaltige Gefahr für die FdGO geht von einem Verfassungsverständnis aus, das die öffentliche Meinung zu bestimmten Sachthemen obrigkeitlich lenkt: durch auf Steuerzahlerkosten gedruckte Wahlzeitungen mit Annoncen “Mein Freund ist Ausländer” etwa, durch scheinbar behördlich-objektive VS-Berichte und eine Beobachtungspraxis, die eine konservative Partei durch den Ruch der Illegalität stigmatisiert. Die Öffentlichkeitsarbeit darf aber nicht durch Einsatz öffentlicher Mittel den Mehrheitsparteien zu Hilfe kommen und die Oppositionsparteien bekämpfen. Das ist mit den Grundsätzen eines freien und offenen Prozesses der Meinungs- und Willensbildung des Volkes und der Gleichberechtigung der politischen Parteien nicht vereinbar.[30] Es gilt das Gebot des grundsätzlich staatsfreien und offenen Meinungs- und Willensbildungsprozesses vom Volk zu den Staatsorganen[31] und nicht umgekehrt. Der VS-Bericht ist hingegen eine ideologische Kampfansage an die betreffende Partei, ein Ausgrenzen aus dem Kreis derer, die sich legitimerweise am demokratischen Willensbildungsprozeß beteiligen dürfen, und zuletzt eine massive Form der politischen Willensbildung von oben nach unten. So gesehen ist der VS in Händen der regierenden Parteien ein zum Bock gemachter Gärtner.
Multikulti als Verfassungsgrundsatz?
Mehr noch: Indem ein Land einen Verfassungsgrundsatz des friedlichen Zusammenlebens eines Plurals von Rassen und Kulturen erfindet, trachtet es den Souverän unserer Demokratie, das deutsche Volk nämlich, durch eine multikulturelle Bevölkerung zu ersetzen. Dieses Ziel verfolgen manche Rot-Grünen auch mit ihren Plänen zur Masseneinbürgerung. Christiane Hubo hat das als eine Transformation des Staates durch den VS oder auch als kalten Verfassungsputsch bezeichnet.[32] Auch der Bonner Verfassungsrechtler Isensee bezeichnete es als Staatsstreich des Parlaments:
“Die Problematik besteht darin, daß geplant wird, durch einfachen Gesetzesbeschluß des Parlaments das deutsche Volk umzudefinieren und auf einen Schlag drei Millionen Personen als Deutsche zu bestimmen, obwohl diese sich nicht zur Gemeinschaft des deutschen Volkes, sondern zu der eines anderen, im wesentlichen des türkischen bekennen. Eine solche obrigkeitliche Umdefinition durch das Parlament liegt außerhalb seiner verfassungsrechtlichen Befugnisse.” [33]
Josef Isensee, Ein Staatsstreich des Parlaments, DIE WELT 6.1.1999
Umdefinitionen jeder Art übersteigen nicht nur die Kompetenz des VS. Verfassungsschutzberichte sollten sich auf Tatsachen beschränken und nicht fragwürdige politologische Interpretationen als amtlich erhärtete Fakten ausgeben.
Es geschieht keineswegs zufällig, wenn Verwaltungsrichter Vaterlandsliebe als Verdachtsgrund für Rechtsextremismus werten, Strafrichter Lieder des Sängers Rennicke als schwer jugendgefährdend verurteilen und Zivilrichter erlauben, Rechte als braune Ratten zu bezeichnen. Ich könnte Ihnen ein Sammelsurium von Urteilen vorstellen und vor Augen führen, daß Rechte seit Jahren rechtloser sind als jemals in der Nachkriegsgeschichte. Flächendeckend befindet sich die deutsche Justiz auf Linkskurs, werden Konzerte rechter Sänger verboten, rechte Demonstrationen untersagt und weggeknüppelt, holen Polizisten bei Trauerfeiern mißliebige Schleifen und Angebinde von Gräbern, und wir müssen uns bereits wieder beim freien Wort am Stammtisch scheu umdrehen, ob uns nicht ein Gesinnungsblockwart lauscht und bei der Staatsanwaltschaft anschwärzt, weil wir vielleicht nicht nett genug über Zigeuner, über Asylbewerber, Polen oder andere Hätschelkinder linker Multikulturpflege gesprochen oder auch nur gewitzelt haben. Rechte Werthaltungen wurden erst von linken Ideologen delegitimiert und zu Unwerten erklärt. Inzwischen sprechen Richter im Namen des Volkes Unwerturteile über alle diejenigen aus, die dieses Volk noch lieben und es erhalten möchten: illegitim!
[1] (vgl. BVerfGE 123, 267 <341>; 129, 124 <169>; 135, 317 <386 Rn. 125>; BVerfG, Urteil vom 21. Juni 2016 – 2 BvR 2728/13 u.a. -, juris, Rn. 124; Häberle, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 3. Aufl. 2004, § 22 Rn. 61 ff.; Unger, Das Verfassungsprinzip der Demokratie, 2008, S. 252 ff.).
[2] Ab hier siehe Klaus Kunze, Verfassungsschutz ist nicht gleich Schutz der Verfassung, Die Parteipolitik färbt das Bild der zu schützenden Verfassung, in: Hans-Helmuth Knütter, Stefan Winckler (Hrg.), Der Verfassungsschutz, München 2000, ISBN 3-8004-1407-4.
[3] Carl Schmitt, Legalität und Legitimität, 1932, 55 f., 61, 74.
[4] Exemplarisch: OVG Lüneburg U.v. 26.6.97 -13 L 383/95-: “Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Zielsetzungen ergeben sich jedenfalls aus der ständigen Verwendung des Begriffes der “Umerziehung” für die Wiederbegründung der deutschen Demokratie unter dem Einfluß der westalliierten Besatzungsmächte nach 1945.”
[5] BGH U.v.27.9.93, NJW 94, 43: kein Indiz für Verstoß des Parteiprogramms gegen Grundsätze der FdGO.
[6] Verwaltungsrechtsstreit Bundesverwaltungsgericht -BVerwG 3 C 55.96- Republikaner ./. Innenministerium NRW wegen Genehmigung einer parteinahen Stiftung, mündliche Verhandlung vom 12.2.1998.
[7] Ausführlich; Klaus Kunze, Geheimsache Politprozesse, Systemwechsel durch Uminterpretation: Verfassungsschutz und Gerichtsbarkeit nach dem linken Marsch durch die Institutionen am Beispiel der Republikanerverfolgung, Uslar 1998, ISBN 3-933334-05-5, S.21-167.
[8] BVerfG E 20, 56 (99) = NJW 1966,1499 (1503).
[9] Martin Kriele, 1.Zitatsatz: Sekte als Kampfbegriff, FAZ 6.4.1994, 2. Zitatsatz: Leserbrief in FAZ 4.5.1994.
[10] Dez.1998, Hrg. Min.d.Innern und für Sport.
[11] Etwa indem anläßlich von Parteitagen die ARD nicht über die gehaltenen Reden berichtete, sondern die Stiefel vermutlich bestellter Skindheads vor der Halle abbildeten und dazu die Ansicht der Journalisten über die mutmaßlichen Ansichten von glatzigen Stiefelträgern verbreiteten.
[12] BGH NJW 1983, 1415, OLG Köln NJW 85, 273.
[13] Etwa VG Münster B.v.24.2.95 – 15 K 4889/94.0; OVG Münster Beschluß v. 12.10.95 6d A 2690/95.0, VG Münster 15 K 959/97.O, VGH Kassel, 7.5.1998, 24 DH 2498/96 DVBl 98, 1095 L .
[14] BVerwG B.v. 13.10.98 1 WB 86.97, NVwZ 99,299 im Falle eines Majors: Das BVerwG prüfte nicht die Verfassungsmäßigkeit der REP, sondern beließ den Dienstvorgesetzten einen Beurteilungsspielraum: Wenn “Fachbehörden” wie der VS und einige Verwaltungsgerichte Verdachtsmomente sähen, “Bedenken gegen die Eignung nicht ausgeräumt”.
[15] Wehrdisziplinaranwalt beim Truppendienstgericht Nord Az.25-01-24 V 174/97.
[16] Fall eines Oberleutnants der SFOR mit REP-Parteibuch, der nach bestandenem Lehrgang seine Hauptmannsstelle und Beförderung nicht bekam, “Weil er vom MAD als Extremist” eingestuft wurde (laufendes Verfahren BVerwG 1 WB 40., 41. und 42.99.
[17] Dietrich Murswiek, Staatliche Warnungen, Wertungen, Kritik als Grundrechtseingriffe – Zur Wirtschafts- und Meinungslenkung durch staatliches Informationshandeln, DVBl 1997, 1021.
[18] BVerfG Urteil vom 15.8.1956, BVerfGE Bd. 5, S. 85 ff., sog. KPD-Urteil
[19] BVerfG Urteil vom 23.10.1952, E Bd.2, S.15 f., sog. SRP-Urteil.
[20] FAP, Wiking-Jugend BVerwG B.v.21.4.95 NJW 95,2505, Nationalistische Front, Nationaler Block VGH München, 26.1.1994, 4 A 93.2151 NVwZ-RR 95, 200 u.a.
[21] “Überlegungen zur Strategie der CDU gegenüber den REP”, April 1989, Hrg. Grundsatz- und Planungsabteilung der Konrad-Adenauer-Stiftung, S.2.
[22] Jochen A. Frowein Die Macht, die übers Geld gebietet, Parteien und Verfassungsstaat, FAZ 13.9.1996
[23] Samuel von Pufendorf, De statu Imperii Germanici, 1667, Die Verfassung des Deutschen Reiches, Hrg.Horst Denzer, Frankfurt/M.1994, S.165.
[24] Falk Frhr.von Maltzahn, Leserbrief FAZ 27.5.1994.
[25] Übersicht bei Klaus Kunze, a.a.O., S.13 ff.
[26] Prozeß Rep.NRW ./. Land NRW, VG Düsseldorf 1 L5758/92.
[27] VG Mainz U.v.10.12.97 7 K 102/94.MZ.
[28] VG Berlin U.v. 31.8.98, NJW 99, 806.
[29] OVG Koblenz, Rechtsstreit 12 A 11774/98.OVG, Schriftsatz des Landes Rheinland-Pfalz, Autor Prof. Friedhelm Hufen, vom 26.2.1999, S.7.
[30] BVerfG E 44, 125 (150) = NJW 1977,751.
[31] BVerfG NJW 1966, S.1499.
[32] Christiane Hubo, Verfassungsschutz des Staates durch geistig-politische Auseinandersetzung, Ein Beitrag zum Handeln des Staates gegen Rechts, Dissertation Speyer-Göttingen 1998, S.247-256.
[33] Josef Isensee, Ein Staatsstreich des Parlaments, DIE WELT 6.1.1999.