Globale Konflikte aller gegen alle scheinen die Globalisierung des 21. Jahrhunderts zu sein.

Der Zusammenprall der Zivilisationen findet global unter anderem zwischen dem Islam und dem früher so genannten Westen statt. Dieser aber zerlegt sich unterdessen selbst in seine gegeneinanderprallenden Bestandteile. Das postideologische Intermezzo ist vorüber. Interessen werden auch wieder im Gewand heiliger Ideale durchgesetzt. Selbst „America first!“ mit der Hand auf dem Herzen und ins Unendliche gerichtetem Blick tritt quasireligiös auf. Traditionell marschiert man nicht einfach irgendwo in, sondern macht „the world safe for democracy“.

Von Nordkorea über den mittleren Osten bis Südamerika mag “die Welt” das aber nicht unbedingt. Der Multilateralismus der Nachkriegszeit war, machtpolitisch gesehen, oft nicht mehr als ein Kindergarten für die Vasallen der großen Kindergärtnerin USA, in dem sie miteinander Vertragsunterzeichnung spielen durften, solange sie brav die ihnen gesetzten Spielregeln einhielten. Die ersten, die sie nicht mehr einhielten, waren die USA selbst. Der Multilateralismus ist jedenfalls vorläufig am Ende. Nur die Bundesregierung glaubt noch an ihn. Wie würde Herr Macron formulieren: “hirntot”?

Der Multilateralismus war an eine konkrete historische Epoche gebunden. Diese scheint zuende zu gehen.

Völkerbundpalast in Genf: Der Multilateralismus war an eine konkrete historische Epoche gebunden (Foto: Wikipedia).

Vor dem 1. Weltkrieg standen sich die Staaten feindselig, aber ideologisch ähnlich gegenüber und fochten ihre Machtkonkurrenz aus. 2020 entsprechen den machtpolitischen Konfliktlinien meistens auch ideologische. Im früheren Westen selbst findet ein innerer Kulturkampf zweier Lager statt. Sein Graben spaltet jedes einzelne Land tief. Die mentale Frontstellung zerreißt viele Länder. Schon der Nachbar kann als Feind durchgehen, aber im Ausland finden sich Verbündete. Regierungen ergreifen gegenüber anderen Staaten Partei je nach ideologischem Standpunkt. Darin ist die Bundesregierung Weltmeister.

Von Deutschland bis in die USA sind Völker in heterogene Hälften zerfallen, die sich gegenseitig nicht mehr zuhören, nicht mehr begreifen und miteinander nicht mehr in Frieden zu leben verstehen. Darin ist Deutschland führend. Diesen ideologischen Bürgerkrieg können wir tagtäglich in den gewalttätigen Haßausbrüchen aber nicht nur auf Deutschland Straßen und Plätzen, sondern seit der Trump-Wahl ebenso in den USA beobachten.

Auf der einen Seite der geistigen Barrikade steht ein Bürgertum, das sich selbst als postnational und global versteht und seine ideologischen und moralischen Präferenzen global zur Geltung zu bringen sucht.

Die andere Seite vertritt eine gleich große Anzahl von Menschen, die sich in nationalen und ethnischen Strukturen geborgen fühlt und diese durch Masseneinwanderung, Globalisierung, Zertrümmerung herkömmlicher Sozialstrukturen und ideologischen Druck der anderen Seite bedroht sieht.

Beide Seiten tragen ihre Interessen als Verteidigung höherer, letzter Werte vor, in deren Licht betrachtet der Gegner und seine Anschauung in letzter Konsequenz kein Existenzrecht haben.

Nicht zufällig bricht diese Konfrontation mit Urgewalt wie aus heiterem Himmel in einer Zeit hervor, in der das exponentielle Bevölkerungswachstum südlicher Länder bei gleichzeitiger Verarmung und Naturzerstörung einen globalen Verteilungskampf um Siedlungsgebiete und Lebensmöglichkeiten ausgelöst hat. Während die einen Völker bei zunehmender Verarmung demographisch explodieren, implodieren die anderen und vergreisen bei wachsendem Wohlstand. Der Interessenkonflikt ist existentiell.

In dieser Lage beherbergen die nördlichen Industrieländer in sich unterschiedliche Interessengruppen.

Das multinationale Kapital profitiert von einem Gesellschaftskonzept, das Grenzen hinwegfegt und einen freien Zustrom neuer Verbraucher in die Industrieländer ermöglicht. Es wird unterstützt von herkömmlichen Ideologien letztlich christlicher Herkunft. Das Christentum ist im alten Rom als Religion der Unterprivilegierten groß geworden und fordert im Einklang mit traditionell kommunistischen Utopien im Kern, jedermann habe alles mit jedem anderen gleich zu teilen, weil „die Gerechtigkeit“ das gebiete. Parteipolitisch findet das Kapital in Deutschland in der CDU und FDP seine Hauptstütze, das Christentum in der CDU/CSU, wohingegen die „Gerechtigkeits“-Utopie die Herzen der Linken bis in die SPD beherrscht. Gemeinsam haben sie ihre Macht in Form eines Parteienstaates zementiert, dessen Machtbasen Bundestag, Kirchen und Medien noch immer im wesentlichen in ihrer Hand sind.

Auf der anderen Seite stehen ein Großteil der oft apathischen Bevölkerung, eine parteipolitische Laienspielschar und wenige Intellektuelle, die alle erst durch die heutigen sozialen Medien sichtbare Relevanz gewonnen haben. Hier verteidigt man seine nationale und damit die persönliche Identität vor dem Hintergrund einer Alltagserfahrung, derzufolge das Land zunehmend seinen deutschen Charakter verliert und mit ihm die Rückbindung an seine überkommenen freiheitlichen demokratischen Wertvorstellungen. Mit dieser Positionierung weiß man sich einig innerhalb einer „nationalen Internationale“, die ihrerseits für ihre Forderungen globale Geltung beansprucht.

Es ist noch kein treffender Begriff gefunden für die beiden sich anfeindenden Lager dieses Kulturkampfes. Aber die verschiedenen ideologisch-philosophischen Ausgangspunkte schälen sich heraus:

Die einen möchten Völker, Familien und andere ethnische, traditionelle Erscheinungsformen der sozialen Wirklichkeit bewahren. Manche empfinden sie als ebenso substanzhaft wie den einzelnen Menschen. Aus ihrer Sicht existiert zum Beispiel das deutsche Volk als überzeitliche Gemeinschaft der Lebenden, der Toten und der Ungeborenen. Völker sind aus metaphysischer Sicht gleichsam „Gedanken Gottes“ im Sinne Herders, woraus unmittelbar sittliche Pflichten des Einzelnen gegen sein Volk und alle Angehörigen abgeleitet werden. Kraft seiner substanziellen Andersartigkeit kann ein Fremder gegebenenfalls zwar einen deutschen Paß erhalten, aber nie Deutscher werden. Eine solche Deutung wird von unseren Verfassungsschutzbehörden als rechtsextremistisch betrachtet, weil sie die „fundamentale Menschengleichheit“ bestreitet, die sich angeblich aus dem Grundgesetz ergeben soll.

Die andere ideologische Seite sucht alles Substanzhafte in seine Bestandteile aufzulösen. Sie hält soziale Wirkeinheiten wie Völker für überholt und billigt global ausschließlich Einzelpersonen legitime Rechte zu, die überall gelten sollen. Weil nichts Substanzielles die Menschen einander verpflichte, gewinnen ideologisch-moralische Prämissen wie ein globaler Egalitarismus den Vorrang. Aus dieser Position kann man den eigenen Vetter jenseits der Barrikade als Feind, einen eben eingereisten Marokkaner aber als Hilfsbedürftigen betrachten. Wer diese Ideologie vertritt und ohne demokratische Legitimation im Alleingang Ausländer einschleust, um hier eine multikulturelle Gesellschaft zu installieren, ist schon darum Verfassungsfeind, weil die Staatsgewalt in unserer Demokratie vom deutschen Volk ausgeht und an Recht und Gesetz gebunden ist.

Es liegt auf der Hand, die Annahme welcher dieser beiden ideologischen Pole im Interesse aller Fremden liegen muß, die in Deutschland sind oder hierher wollen.

Die Zukunft des deutschen Volkes und der bisherigen Mehrheits-Bevölkerungen beidseits des Atlantiks wird davon abhängen, wie sie ihre Eigeninteressen künftig definieren und im Namen welcher Ideologie sie diese also vortragen werden.