Am 20. Dezember 2019 standen vier junge Männer in München vor dem Jugendrichter. Sie waren angeklagt, in Braunhemden mehrfach den verbotenen “Deutschen Gruß” entboten zu haben. “Nein”, bestritt der Jugendrichter entschieden, “das ist hier kein politischer Prozeß!”
Das kann man auch ganz anders sehen. Was in Deutschland verboten ist, steht im sogenannten materiellen Teil des Strafgesetzbuchs ab § 80 a StGB. Gleich an der Spitze aller Delikte stehen die Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats, darunter das Verbot bestimmter politischer Grußformen. Es gibt eine Fülle unmittelbar politischer Delikte.
Ob ein Strafprozeß politisch ist, ist keine nur juristische Frage, sondern eine politsche. Vor jeder juristischen Fragestellung steht nämlich die politische Antwort: So etwas soll man verbieten! Die Frage gesetzeskonformen Rechtsprechung ist primär juristisch. Die Legalität des Verfahrens steht auf dem einen Blatt, die Frage nach der Legitimität eines durch Gesetze, Polizei und Richter durchgesetzten Verbots aber auf einem ganz anderen. Sie ist eine politische Frage. Zu jedem juristischen Strafprozeß schreiben Gesetzgeber ein politisches Vorwort.
Während das Amtsgericht München das Verfahren einstellte, weil kein Gesetzesverstoß nachzuweisen war, hält sich hartnäckig die Vorstellung, unsere Polizei für Politik zuständig. Am 5.1.2020 twitterte die Junge Union München Nord:
Die Gegenüberstellung unserer Polizei hier, Extremisten aber dort, legt den Schluß nahe, die Polizei habe mit der “Bekämpfung von Extremismus” irgend etwas zu tun. Das hat sie aber nicht.
Die gesetzlichen Aufgaben der Polizei bestehen in der Strafverfolgung und in der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Direkt politische Gedanken braucht ein Polizist sich nicht zu machen. Wenn der Münchener Jugendrichter recht hat, eine Strafverfolgung wegen eines Deutschen Grußes sei kein politischer Prozeß, dann verfolgen auch Polizisten auf der Straße keine politischen Gegner des Systems, sondern Gesetzesbrecher. Dann kann man nicht Polizisten auf der einen Seite den Begriff des Extremisten auf der anderen Seite gegenüberstellen.
Unsere Polizei verfolgt keine Extremisten. Dazu ist sie nicht da, und dazu ist sie auch nicht ausgebildet. Der Begriff des Extremismus ist ein höchst umstrittener Kaugummi-Begriff, unter dem Leute verstanden werden, die extrem weit von der eigenen Meinung entfernt sind, sonst nichts. Das “Nein” der Münchener Jung-Unionisten zu “Extremismus” ist aus Sicht ihrer Partei höchst ehrenwert. Je weiter ihre politischen Gegner vom Standpunkt der Union entfernt sind, desto schlimmer, desto extremer! Die Extremisten wohnen immer bei anderen Leuten.
Das hat aber mit unserer Polizei nichts zu tun. Extremismus ist nicht verboten und nicht strafbar. Verboten ist es, konkrete Dinge zu tun, die man im Gesetz nachlesen kann. Die sächsischen Polizisten in Connewitz führen keinen politischen Kampf gegen Extremisten. Sie versuchen verzweifelt und oft vergeblich, die öffentliche Sicherheit und Ordnung wieder herzustellen. Diese ist bekanntlich ein Zustand, in welchem der Staat und seiner Bürger keinen Gefahren ausgesetzt sind. Ein gewalttätiger Aufstand in einem Leipziger Stadtteil ist eine solche Gefahr. Ob in den Köpfen der Gewalttäter überhaupt etwas passiert und ob es extremistisch ist, damit mögen sich die örtlichen Sozialarbeiter, Politologen, Politiker, Verfassungsschützer oder Therapeuten befassen. Es geht unsere Polizei nichts an. Sie darf nicht selbst politisch handeln, weil ihre gesamte Tätigkeit sonst nicht mehr allgemein gesellschaftlich zustimmungsfähig ist.
Natürlich setzt sie ständig auch Gesetze durch, die aus direkt politischen Gründen erlassen worden sind. Für diese Gesetze trägt sie aber keine Verantwortung.
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