Gegnern ein stigmatisierendes Etikett anzuheften, gehörte schon immer zu den bewährten Stategien. Ganz körperlich gingen die Nationalsozialisten so vor und zwangen Juden, Schwule und andere, bestimmte Aufnäher zu tragen, damit jedermann sie erkennen und als minderwertig einstufen sollte. Im Mittelalter mußten Dirnen in viele Städten Bändchen in bestimmten Farben tragen, um nicht mit ehrbaren Damen verwechselt zu werden.

Ein solches entehrendes Abzeichen kann auch in einem bloßen Schimpfwort bestehen, das einer Minderheit systematisch aufgeklebt und angehängt wird: Der verbale Weg führte vom Ketzer über den Kriegsgewinnler bis zum heutigen Nazi. Immer geht es darum, bestimmten Leuten die eigene Entscheidung zu verwehren, wie sie genannt werden möchten. Aus Sicht des Rechtgläubigen sind alle anderen Gläubigen Ketzer, und aus Sicht ganz Linker sind alle anderen Leute Rechte. Ihnen gilt der „Kampf gegen Rechts“.

Soweit, so gut. Aber wer ist denn wirklich rechts? Was ist das überhaupt: rechts?

Bis 1918 war die politische Rechte in Deutschland soziologisch Befürworter einer ständisch und ökonomisch geliederten Gesellschaft Ungleicher. Ihr entgegen stand eine Linke in der geistigen Tradition der französischen Revolution. Sie trat für Gleichheit aller Menschen und Abschaffung von Klassenunterschieden ein.

Nach dem 1. Weltkrieg organisierte sich die Rechte hauptsächlich in der Deutschnationalen Volkspartei. Die auf Gleichheit setzende Linke kämpfte für dem Sozialismus und meinte damit eine Staatsform, in der alle Bürger gleichberechtigt und glücklich sein sollten.

Pardon – wirklich alle? Wie alle ideologischen Bewegungen benötigt der Sozialismus ein Feindbild, einen Außenseiter, der nicht gemeint ist, wenn Glück und Gleichheit für alle gefordert werden. Wäre dieser erst endgültig besiegt, könnte das Volk endlich in glücklicher Gemeinschaft leben. Doch wer ist der Bösewicht, der ausgegrenzt und bekämpft werden muß? Hier schieden sich die sozialistischen Geister:

Für die Internationalisten waren weltweit „die Kapitalisten“ der Feind, für die Nationalsozialisten „die Juden“. Für diese hieß es in einem ihrer markanten Lieder:

Wir sind nicht Bürger, Bauer, Arbeitsmann,

reißt die Schranken doch zusammen, Kameraden!

Uns weht nur eine Fahne voran:

die Fahne der jungen Soldaten!

Ihre homogene Volksgemeinschaft beruhte auf einer genuin sozialistischen, einer linken Idee. Die Rechte dagegen träumte derweil noch von ihrem Kaiser und seiner alten, in Adel, Bürger und Arbeiten gegliederten Gesellschaft Ungleicher. Wir erkennen linke Ideologien mit Sicherheit daran, daß sie Gleichheit fordern, rechte hingegen am Festhalten an der Ungleichheit.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Nach 1989 mußte die Linke zwar schmerzlichen Abschied nehmen von Karl Marxens fixer Idee, eine „Arbeiterklasse“ werde eine in sich homogene, klassenlose Gesellschaft glücklicher Menschen erkämpfen, in der jeder der Gleichen nach seinen Fähigkeiten arbeitet und nach seinen Bedürfnissen konsumiert. Die linke Schreckstarre ist aber überwunden, indem die Arbeiterklasse, wie bei einem Hütchenspiel, ausgetauscht wurde gegen immer wieder zu findende Minderheiten, denen das glückliche Gleichsein noch verwehrt wird. Schwulen, Frauen, Migranten und anderen werde das Gleichsein in böswilliger Weise verwehrt.

Die Böswilligen sind finstere „rechte“ Kräfte. Diese pochen darauf, Männer und Frauen seien etwas Unterschiedliches, Deutsche und Migranten sowieso, und sexuelle Minderheiten seien bedauerliche Abweichungen von einer Norm. Diese Norm, meinen Linke, sei eine gesellschaftliche Fiktion, ein Konstrukt, eine bloße Phantasterei. Eigentlich seien schließlich alle Menschen gleich.

Rechte fühlen sich immer unbehaglich bei der Vorstellung, jedem beliebigen anderen Menschen „gleich“ zu sein. Wenn tatsächlich alle gleich wären – wo bliebe dann ihre Freiheit, ungleich zu sein? Sie lieben ihre eigene, unverwechselbare Identität. Der geliebte Partner, die geliebten Kinder seien mit irgendwelchen fremden Leuten gleich? Womöglich austauschbar? Ein Aberwitz für rechtes Denken.

Der Rechte liebt die Differenz zwischen verschiedenen Menschen und Kulturen. Er liebt ihre Vielfalt. Vermischte man alle Farben in einem Topf, ergäbe sich ein Einheitsbraun. Braun! Schrecklich! Der Rechte liebt es dagegen bunt, aber nicht durcheinandergewürfelt, sondern fein sortiert, wie es sich gehört. Jedes Durcheinander führt zur Einebnung aller Unterschiede, zur allgemeinen Gleichheit und Einheitlichkeit.

Wo die prägenden Unterschiede verwischt werden, fühlt sich der Rechte nicht wohl: Er liebt Frauen in Röcken und Männern in Hosen, männliche Männer und weibliche Frauen, braune Neger und helle Weiße, Stadt und Land, Berg und Tal, die kölsche Sprache in Köln und Plattdeutsch in Rostock, Christen im Abendland und Moslems im Morgenland. Zwischen allen Kontrasten verortet er seine persönliche Identität.

Wo alles durchmischt wird, fühlt er sich bedroht. Bedroht nämlich darin, was für ihn Identität und Harmonie ausmacht: die eigene Identität in der eigenen, unverwechselbaren Heimat und die Harmonie, die sich zwischen bestehenden Gegensätzen unweigerlich einstellt. Wie Stadt, Land und Fluß in einer harmonischen Landschaft nebeneinander bestehen und ein unverwechselbares Bild erzeugen, benötigt rechtes Denken das nebeneinander bestehende Eigene und das Fremde. Ohne den Kontrast zum Fremden wäre die eigene Identität sinnentlehrt.

Rechtes Denken liebt die Harmonie, die sich aus dem Kontrast ergibt.

Was wäre eine Bundesligamannschaft in rot-weißen Trikots, wäre sie die einzige Mannschaft der Welt? Sie benötigt unbedingt eine andere, vielleicht eine blau-weiße, als Konterpart, als Kontrast, als Selbstbestätigung der eigenen Identität. Sie kann der anderen Mannschaft als Gegner konkurrierend entgegentreten. Hassen wird sie diese aber niemals. Sie benötigt sie schließlich, sonst gäbe es kein Fußballspiel. Trügen alle auf dem Platz braune Einheitstrikots, wäre der Spaß vorbei.

Rechtes Denken bejaht das Andere, das von ihm Abweichende, das grell Konstrastierende. Es benötigt dieses strukturell, weil eine unterscheidbare eigene Identität anders nicht möglich ist.

Auf der eigenen Identität beharrt, wer sich selbst innerlich bejaht und ein Mindestmaß an Eigenliebe mitbringt. Die Liebe zum Eigenen ist Merkmal jeder psychisch gesunden Person. Diese Liebe umfaßt die eigene Familie, die Eltern, den Ehepartner, die Kinder, den Heimatort, das eigene Land. Wer von tiefer Liebe zu ihnen allen erfüllt ist, kann gar nicht anders als strukturell „rechts“ denken. Er möchte alles dieses Geliebte erhalten und schützen.

Zugleich fühlt er sich stark und den Anforderungen des Lebens gewappnet: tüchtig und gerüstet für den täglichen Alltag des Lebens. In einer Gesellschaft Ungleicher, darauf vertraut er zuversichtlich, wird er sich jederzeit seinen Platz erkämpfen und erhalten können.

Die industrielle Massengesellschaft hat unterdessen ein Millionenheer psychisch angeschlagener Menschen hervorgebracht, die sich dem täglichen „Streß“ nicht gewachsen fühlen. Konkurrenzdruck überfordert sie. Unzählige Menschen sind kaum noch existenzfähig ohne Arzt, Therapeut, Rechtsanwalt, Familienhelfer und Sozialamt. Andere haben schon in der Schule gelernt, daß ihre Väter und Großväter Verbrecher waren und daß es sie am besten gar nicht gäbe.

Wenn alle Farbpunkte ineinander übergehen, verschwindet das Bild und gruselt sich der Rechte.

Wer manifeste Minderwertigkeitsgefühle hat und alles zu verachten gelernt hat, was mit dem eigenen Selbst zu tun hat, füllt die Reservoire der extremen Linken. Sind erst einmal alle Menschen gleich, gibt es keinen täglichen Konkurrenzkampf mehr. Das zerbrochene Selbstwertgefühl als Deutscher darf sich wieder aufrichten, wenn es gar keine Deutschen mehr gibt, sondern nur noch antifaschistische, hübsch bräunliche Einheitsverbraucher.

Mit rattenhafter Wut verteidigt die Linke die Reste ihrer verfaulenden Macht über die Herzen und Hirne der Menschen. Sie hat diese Macht in den Fernseh-, Rundfunk- und Zeitungsredaktionen erobert. Sie ist zerfressen von Haß und Angst vor rechtem Denken. Dieses steht ihrem Traum entgegen, der Utopie einer multikulturellen Gesellschaft Gleicher.

Wer an seiner Identität festhält und das Eigene liebt, steht ihr im Weg. Ihm wird im „Kampf gegen Rechts“ unterstellt, alle Welt zu hassen, die nicht dem Rechten selbst gleicht. Welch groteske Verdrehung! Linke begreifen nichts. Sie sind nicht fähig, die Gründe ihres eigenen Selbsthasses zu erkennen und emotional nachzuvollziehen, daß Rechte rechts sind, weil sie das Eigene lieben.

Das ist nämlich „rechts: die Liebe.