Die zerbrochene Kette
Besonderen Anteil nehmen wir am Schicksal alles dessen, was wir besonders lieben. Liebe kann verlangen und binden, sie kann einen anderen einengen und knechten. Eine Liebe, die nur haben und besitzen will, zerstört, was sie scheinbar liebt. Liebe vermag dem Geliebten eine Kette anzulegen, ihm jede Freiheit zu nehmen und ihn tief unglücklich zu machen.
Wie Männer und Frauen miteinander umgehen, hängt stark von Kultur, Tradition und Erziehung ab. In Deutschland bildeten Frauen immer einen Gegenstand besonderen Respekts, Bewunderung und Wertschätzung. Anderslautende Legenden sind in ihrer üblicherweise verkündeten Pauschalität falsch. Partnerschaftliche Ehen gab es schon bei den Germanen, im Mittelalter und erst recht heute. Bei vielen Vätern genießen ihre Töchter, zumal als Nesthäkchen, besondere Liebe.
In der indischen Kultur werden sie dagegen bevorzugt abgetrieben und gelten weniger als Söhne. Vollends wie ein letzter Dreck behandeln viele mohammedanische Männer ihre Frauen. Aschenputtel könnte in Arabien erfunden worden sein. Der gutsituierte Mann hält sich neben seinen meckernden und mähenden Haustieren gern ein paar Frauen, die aber nicht meckern dürfen und nichts zu sagen haben. Sie sind Teil seines Besitzes.
Als kleine Paschas bereits von dienstbereiten Müttern bevorzugt und umsorgt, dürfen sie sich fast alles erlauben. Es sind Frauen, die ihre Söhne zu kleinen Paschas erziehen und ihnen dieses Rollenverständnis vorleben. Vor diesem Hintergrund schrieb die weltberühmte Schriftstellerin Marion Zimmer Bradley (1930-1999) ihren utopischen Roman „Die zerbrochene Kette“. Auf dem abgeschiedenen Siedlungsplaneten Darkover haben sich verschiedene territoriale Kulturen entwickelt. In den „Trockenstädten“ erkennt der Leser schnell das orientalische Milieu.
Frauen tragen ihr Lebtag eine Kette am Handgelenk. Schon kleine Mädchen legen sie sich spielerisch um. Auch wenn verheiratete Frauen nicht wirklich angekettet leben, symbolisiert die Kette doch, daß sie Eigentum eines Mannes sind. Sie sind seine Frau(en), ohne daß er „ihr Mann“ wäre. – Jaelle n’ha Melora wurde mit ihrer Mutter als Mädchen in die Trockenstädte entführt und versklavt. Mutige Frauen aus ihrer Verwandtschaft reisen verkleidet hinterher und befreien sie. Die Kette zerbricht.
Marion Zimmer Bradley hat in phantastischen Romanen so eindringlich das Recht jeder Frau auf Freiheit beschworen, daß das symbolische Zerbrechen der Kette auf jeden Leser eine tiefe, bleibende Wirkung auslöst. Fast auf jeden Leser – Verächter der Freiheit und Feinde des weiblichen Geschlechts muß ich hier ausnehmen. Das Pathos der Freiheit und die Hochachtung vor Frauen verdichten sich in Zimmer Bradleys Romanen eindringlich und unvergeßlich: unvergeßlich für Liebhaber der Freiheit und der Frauen.
Unter dem Titel The Shattered Chain ist der Roman schon 1976 erschienen und doch so aktuell wie nie. In Europa sind Wertschätzung und Gleichberechtigung der Frauen eingelöst. Was uns heute an Quotenfeminismus und Gendergaga aufgedrängt wird, hat nicht das geringste mehr damit zu tun und dient völlig anderen Zielen.
Sklaverei heute
Wie virulent das kulturelle Gegenbild unseres Verständnisses von Ehe und Partnerschaft aber ist, zeigt uns ein Blick in die arabisch-moslemische Welt. Dort hatten arabische Männer nebst anderen auch Tausende jesidischer Mädchen und Frauen in die Sklaverei verschleppt. Viele schlossen sich nach ihrer Befreiung jesidischen oder kurdischen Milizen an.
Heute erst verbreitete jemand auf Twitter ein kurzes Video. Ich weiß nicht, wo und wann es entstanden ist. Jesidische Frauen stehen im Halbkreis um ein Feuer. Eine Befreite zieht ihre Ganzkörperverhüllung aus und verbrennt sie.
Ihre Kette zerbricht. Die Szene atmet eine tiefe Symbolik – die Symbolik der Freiheit. Es ist jene Freiheit, die ein Mensch sich manchmal erst erkämpfen muß. Sie gehört den Tapferen. Unsere einheimischen Betroffenheitsheulsusinnen wissen gar nichts von ihr. Diese Freiheit lebt nur in den Herzen derer, die sie entbehren mußten. Manchmal lebt sie noch eine oder zwei Generationen fort. Dann weicht sie der Erschlaffung und dem Anspruchsdenken auf einen anstrengungslosen Anteil an der Freßquote.
„Die Jesidin #Israa, 20, wurde als Sexsklavin an 10 verschiedene Männer verkauft. Es gibt immer noch fast 3000 vermißte Frauen und Kinder in Gefangenschaft. Frauen wurden zur sexuellen Sklaverei gezwungen und Jungen zur Indoktrinierung in die Dschihad-Ideologie gebracht. „
Twitter-Übersetzung 21.5.2021
Die Symbolik der Freiheit gerade in Verbindung mit starken Frauenbildern hatte schon in vergangenen Epochen Männerherzen pochen und ihre Phantasie wallen lassen. Die bekannte heroisierende Darstellung der französischen Revolution belegt das. Die Wirklichkeit hatte freilich 1789-1792 ganz anders ausgesehen.
Die Tradition der Ketten
Während viel von amerikanischen Sklavenhaltern zu lesen ist, muß man sich schon gezielt informieren, den Weg der Negersklaven bis in ihre Heimat zurückzuverfolgen. Versklavt wurden sie von afrikanischen Sklavenhändlern. Diese hatten im Laufe der Jahrhunderte bis gegen Ende des 19. auch Hundertausende „christliche“, also europäische Sklaven „gemacht“. Nordafrikanische Staaten lebten lange davon.
Aber keineswegs nur Neger wurden versklavt. Rund ums Mittelmeer waren die Sklavenjäger unterwegs und gut im Geschäft.
Sie kaperten Handelsschiffe, unternahmen regelmäßige Raubzüge entlang der Küsten, verschleppten alle, die nicht fliehen konnten, setzten Fischerdörfer und Städte in Brand. Die Opfer dieser Raubzüge wurden nach Algier, Tunis oder Tripolis gebracht und versklavt. Hunderttausende Europäer erlitten dieses Schicksal.
Beat Stauffer, Neue Zürcher zeitung 25.11.2020
„Zwischen 1530 und 1780, so schätzt der amerikanische Historiker Robert C. Davis, sollen zwischen 1 und 1,25 Millionen Europäer – größtenteils Männer – verschleppt und versklavt worden sein“, beziffert die NZZ. Weder die Sklaven noch die Täter gruppierten sich nach Hautfarbe:
So weist die Versklavung von hellhäutigen und christlichen Bewohnern des Mittelmeerraums darauf hin, daß die Sklaverei in der frühen Neuzeit nicht von Anfang an das Resultat eines tief verwurzelten europäischen Rassismus gegen Menschen schwarzer Hautfarbe gewesen ist. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß dunkelhäutige Sklavenjäger und arabische wie auch kreolische (Zwischen-)Händler beim afrikanischen Sklavenhandel eine zentrale Rolle gespielt haben. Darauf haben unter anderem der algerisch-französische Soziologe Malek Chebel und der senegalesische Anthropologe Tidiane N’Diaye hingewiesen.
Beat Stauffer, Neue Zürcher zeitung 25.11.2020
Vor diesem kulturellen Hintergrund können wir besser verstehen, mit welcher Selbstverständlichkeit und vermutlich bestem Gewissen die Jesidinnen versklavt worden waren. Die Täter waren zwar unter anderem auch fanatische Moslems. Vor allem aber waren und sind sie Kinder einer tief verwurzelten kulturellen Tradition. In ihr spielt der Gedanke der persönlichen Freiheit nicht die überragende Rolle wie bei uns. Versklavung erscheint als Lebensschicksal und Sklaven zu machen als gutes Recht des Siegers.
Solche kleinen Paschas gibt es inzwischen überall. Sie werden mehr. Sie tun, was sie wollen und was sie für ihr gutes Recht als Männer halten – wenn man sie läßt.
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