Mit Etikettenschwindel in die Denunziations-Republik

Das neue Gesetz gegen Haßkriminalität

Die Regierungskoalition hat am 10.3.2020 einen Gesetzesentwurf eingebracht unter der Überschrift

Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Haßkriminalität

Deutscher Bundestag, Drucksache 19/1774119. Wahlperiode10.03.2020

Die Proteste der üblichen Verdächtigen halten sich in Grenzen. Wer sonst laut „Meine Daten!“ schreit, hält sich zurück. Man hält sich bedeckt, wollen sie doch keinem Gesetzesentwurf widersprechen, dessen Überschrift „den Rechtsextremismus“ zu bekämpfen verspricht.

Wir haben uns daran gewöhnt, daß nicht in jeder Verpackung drin ist, was außen draufsteht. Viele Flüchtlinge sind keine Flüchtenden, viele Seenotrettungen entbehrten jeder Seenot. So gibt es auch im vorliegenden Gesetzesentwurf nichts, das speziell „den Rechtsextremismus“ bekämpft.

Er gliedert sich in drei große Abschnitte. Auf S.1-5 beschreiben CDU und SPD das Problem aus ihrer Sicht. Von S.6-13 reichen die eigentlichen Gesetzesänderungen. Ab Seite 14 folgen lange Begründungen und Rechtfertigungen.

In den 8 Seiten mit den eigentlichen Gesetzesänderungen finden wir kein Wort über Rechtsextremismus. Änderungen des materiellen Strafrechts sind geringfügig: Es wird nichts zusätzlich verboten, das bisher erlaubt war.

Es dürfte Einigkeit unter allen besonnenen Menschen herrschen, daß das innenpolitische Klima seit 2015 extrem aufgeheizt ist. Die Straftaten gegen Leib und Leben Andersdenkender nehmen zu. Hauptopfer sind statistisch gesehen Funktionsträger der AfD. Das nimmt nicht Wunder, wenn selbst der Kanzlerkandidat der CDU Friedrich Merz die Anhänger dieser Partei als Gesindel bezeichnete.

Keine Einigkeit besteht eben darum über die propagandistische Zuschreibung politisch feindseliger Delikte an die rechte Adresse. Die tägliche Parole „gegen rechten Haß und Gewalt“ ist reiner Dummenfang und leicht durchschaubare Propaganda. Natürlich gibt es auch rechten Haß. Aber linker Haß und linke Gewalt haben eine Pogromstimmung gegen alles vermeintlich Rechte erzeugt, der inzwischen schon CDU- und FDP-Mandatsträger zum Opfer fallen.

Auch die in der Begründung des Regierungsentwurfs angeführten statistischen Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen. Wenn ein rechter Politiker sein Haus morgens mit einem Hakenkreuz beschmiert vorfindet, wird das als rechte Straftat verbucht, auch wenn ein linker Aktivist genau das Gegenteil erreichen wollte: eine Schädigung und Stigmatisierung. Unter „rechte Straftaten“ werden auch von Moslems verübte antisemitische Straftaten gezählt.

Der Name des neuen Gesetzes „Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Haßkriminalität“ beinhaltet also Etikettenschwindel. Im Wort Haßkriminalität steckt ein weiterer: Eine ganze Reihe der betroffenen materiellen Strafrechtsvorschriften erfordert für ihre Begehung keinen Haß.

Der Teufel steckt im Verfahrensrecht

Die einschneidenden Neuerungen finden sich in verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Gesetzentwurfs. Wer sich bei Twitter, Facebook und Co. unter falschem Namen anmeldete, war bisher vor Strafverfolgung ziemlich sicher. Das verdankte er dem heftigen und erfolgreichen Widerstand der Linken gegen die Vorratsdatenspeicherung. Bis richterliche Beschlüsse zur Ermittlung der IP-Adressen bei Medienunternehmen angekommen waren, waren diese Daten längst gelöscht.

Jetzt wird das Netzwerkdurchsetzungsgesetz vom 1.9.2017 erhebliche Änderungen in einem § 3a mit sich bringen:

„Der Anbieter eines sozialen Netzwerks muß dem Bundeskriminalamt als Zentralstelle zum Zwecke der Ermöglichung der Verfolgung von Straftaten Inhalte übermitteln,

1. die dem Anbieter in einer Beschwerde über rechtswidrige Inhalte gemeldet worden sind,

2. die der Anbieter entfernt oder zu denen er den Zugang gesperrt hat und

3. bei denen konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, daß sie mindestens einen der Tatbestände

a) der §§ 86, 86a, 89a, 91, 126, 129 bis 129b, 130, 131 oder 140 des Strafgesetzbuches,

b) des § 184b in Verbindung mit § 184d des Strafgesetzbuches oder

c) des § 241 des Strafgesetzbuches in Form der Bedrohung mit einem Verbrechen gegen das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit erfüllen und nicht gerechtfertigt sind.

Wenn man von einer „Meldung“ eines Nutzers ausgeht und der Medienanbieter diese binnen einer Woche prüft, den verdächtigen Beitrag sperrt und die IP-Adresse eigens speichert, ist der Vogel gefangen:

(4) Die Übermittlung an das Bundeskriminalamt muss enthalten:

1. den Inhalt,

2. sofern vorhanden, die IP-Adresse einschließlich der Portnummer, die als letztes dem Nutzer, der den Inhalt mit anderen Nutzern geteilt oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat, zugeteilt war.

§ 3a Absatz 4 NDG in der Fassung des Gesetzesentwurfs vom 10.3.2020

Gefangen werden in diesem Netz allerdings nicht alle Vögel, die tatsächlich etwas Haßerfülltes verbreiten, zum Beispiel die Beleidigung einer Person (§ 185 StGB) oder dergleichen. Die Maschen dieses Gesetzes erfassen lediglich die üblichen politischen Delikte wie das Verbreiten von Propaganda verbotener Organisationen, das Leugnen unter dem Nationalsozialismus begangener Völkermorde und dergleichen.

Daß im Katalog der Straftaten aus dem neuen § 3a NDG auch die Bildung krimineller und terroristischer Vereinigungen (§§ 129 bis 129b StGB) genannt werden, ist nicht zu beanstanden, hat allerdings nichts mit dem Thema und der Verpackung der neuen Regelungen zu tun.

Wer früher am Stammtisch hörte, daß jemand haßerfüllt lästerte, wurde in den seltensten Fällen zum Denunzianten. Die neuen Regelungen institutionalisieren die Aufforderung zu massenhaftem Denunziantentum. Massenhaft wird gegen politische Gegner nicht mehr argumentiert werden. Statt dessen wird man sich daran setzen, die sozialen Medien zu durchforsten und petzen was das Zeug hält. Bereits jetzt sind die Denunziationszahlen eindrucksvoll:

Aus den bisher vorliegenden Berichten dieser sozialen Netzwerke ergibt sich, dass vom ersten Halbjahr 2018 bis zum zweiten Halbjahr 2019 insgesamt 2 921 553 entsprechende Meldungen eingingen. Davon haben die sozialen Netzwerke etwa 28 Prozent (Mittelwert) gelöscht. Jenseits der Löschungen ist es Aufgabe des Staates, daß die Verfasser strafbarer Inhalte auch einer effektiven Strafverfolgung zugeführt werden.

Bundestags-Drucksache 19/17741, Begründung des Gesetzentwurfs vom 10.3.2020, S.14

Die neu zu schaffenden staatliche Überwachungsbürokratie wird teuer werden.

Der für die Bundesverwaltung entstehende Erfüllungsaufwand verteilt sich auf das Bundesamt für Justiz, bei dem ein jährlicher Mehraufwand von 173 000 Euro entsteht, und auf das BKA, bei dem einmaliger Umsetzungsaufwand in Höhe von rund 27,5 Millionen Euro entsteht. Der jährliche Mehraufwand an Sachkosten für das BKA liegt aufgrund wachsender jährlicher Sachkosten bis zum Jahr 2024 bei 47,6 Millionen Euro. Der jährliche Mehraufwand an Personalkosten beim BKA liegt bei 19 Millionen Euro zuzüglich 5,7 Millionen Euro Sacheinzelkosten. Der Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln beim Bund soll finanziell und stellenmäßig im jeweiligen Einzelplan ausgeglichen werden. Über Einzelheiten zur Deckung des Mehrbedarfs wird im Rahmen kommender Haushaltsaufstellungsverfahren zu entscheiden sein.

Begründung des Gesetzentwurfs vom 10.3.2020, S.4.

Hinzu kommen die Kosten für die Länder, denn nur diese bezahlen die regionalen Staatsanwälte, die dann tatsächlich die Ermittlungsverfahren führen.

Bei den Ländern sind Mehrkosten im justiziellen Kernbereich von jährlich 24 Millionen Euro zu erwarten.

Hieraus werden den Ländern Kosten entstehen durch die Schaffung von insgesamt 180 neuen Stellen bei den Staatsanwaltschaften.

Begründung des Gesetzentwurfs vom 10.3.2020, S.5 und S.30.

Freuen wir uns auf unsere neue flächendeckende staatliche Rundumüberwachung! Vermutlich wird uns irgendwann niemand mehr hassen, sobald unter der schönen Überschrift „Haßkriminalität“ jede ablehnende Gefühlsäußerung verboten sein wird. So weit sind wir noch nicht. Es wehrt aber niemand den Anfängen. Wenn Franz Josef Strauß 1974 sagte:

„Was wir hier in diesem Land brauchen, ist der mutige Bürger, der die roten Ratten dorthin jagt, wo sie hingehören – in ihre Löcher!“,

Franz Josef Strauß 1974

wird solche Redefreiheit bald nicht mehr möglich sein. Der Verlust an Freiheit und vor allem an Mut zur freien Rede ist der Kollateralschaden, den das neue Gesetz jetzt schon anrichtet. Gerade im Bereich der Meinungsdelikte weiß heute kein Laie mehr genau, was noch erlaubt und was schon verboten ist. So steckt einiger Zynismus in der Begründung der Regierung:

Meinungen frei, unbeeinflußt und offen sagen und austauschen zu können, stellt einen Grundpfeiler der demokratischen pluralistischen Gesellschaft dar, die der Staat zu verteidigen hat. Der Entwurf sieht daher für die Meldepflicht einen Katalog von Straftaten vor, deren strafrechtliche Ahndung für den Schutz der demokratischen und pluralistischen Gesellschaft von besonderer Bedeutung sind.

Begründung des Gesetzentwurfs vom 10.3.2020, S.16.

Unsere Meinungen werden rund um die Uhr auf Strafbarkeit überwacht werden von einem Denunziantenheer, millardenschweren Medienunternehmen, Polizisten, Staatsanwälten und Richtern – um unsere Meinungsfreiheit zu schützen? Darauf muß man erst einmal kommen.

Daß Meinungsäußerungen zum Risiko wurden, hat eine breite gesellschaftliche Debatte ausgelöst (hier: Samira El Ouassil, Sechs Dinge, die Sie sich vielleicht nicht zur Meinungsfreiheit zu fragen trauen, Über Medien 29.10.2019)

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Träumfalter

  1. Krönert

    unglaublich!und Linksextremismus gibt es natürlich nicht!!!naja,die sitzen Ja in der Regierung

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