Klaus Kunze

Kategorie: Poesie

Sag mir, wo die Elfen sind!

Keine Angst, es gibt noch welche. Wir sehen sie nur nicht. Um Schmetterlinge zu sehen, müssen wir unsere Augen nur öffnen. Um Elfen zu sehen, müssen wir die Augen dagegen schließen.

Wir können wieder sehen lernen. Neon-Helligkeit hat unsere Augen geblendet. Alles Grelle und Bunte wird groß herausgezoomt – wozu da noch genau hinsehen? Für das Feine, das Kleine, schwanden uns die Sinne.

Hauhechel-Bläuling, Männchen, Eberhausen 21.5.2016

Und flach ist alle Tage unsere Augenwelt, flach wie ein Bildschirm. In die räumliche Tiefe zu sehen haben wir uns abgewöhnt. Darum sehen wir die Falter nicht mehr, auch wenn sie da sind. Und weil wir auch in die Seelentiefe nicht mehr schauen, sehen wir auch keine Elfen mehr.

Doch halt – huschte da nicht etwas von der Blüte aus unserem Gesichtsfeld? Ein Bläuling war es, ein Weibchen. Stahlblau prunken die Männchen, aber urlaubsbraun die Weibchen der Art. Weiterlesen

Elfenflug

Schwing die Flügel, kleine Elfe,
denn es ist die höchste Zeit,
hoch im Mittag gleißt die Sonne,
Auch die andern sind soweit!

Hoch zum Himmel lasset steigen
schwirren, trunknen Elfentanz,
mit den andern uns vereinen,
lieben bis zum Abendglanz.

Auf zum Reigen! Deinen weißen
Nacken neige Du in banger Lust,
spürst die fremden Blicke schweifen
über Lenden, Po und Brust.

Fliege süße Elfe, schwebe,
jauchze hell im Sonnenstrahl,
dreh dich nackt im Tanz und wiege
dich zu unsrer Lust zumal.

Ja, das Feinste zu erhaschen,
das ist höchste Elfenlust,
zu ergreifen, zu erfassen,
Senken in Dich Kuß um Kuß.

Doch das stärkste allen Sehnens
endigt jäh den irren Flug,
und auf moosigweichem Grunde
brennet lodernd heiße Glut.

KK 2011

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Waldgängerträume

Die Stille singt mir ein Lied
wie Traum aus uralter Zeit.
Mit ihm die Sehnsucht fliegt
über Wälder und Hügel weit.

Wie Adlerflügelrauschen
aus Eichen raunt mirs zu
Vergebens all mein Lauschen
das Herz gibt keine Ruh.

Im Traum an meinem Beine
leis winselt auf mein Freund.
Vier Pfoten zucken leise
in schlafender Urkraft des Wolfs.

Ja, träum nur, treuer Gefährte,
der Seele laß ihren Raum,
dann weinen wir gemeinsam,
ein jeder um seinen Traum:

Wenn alle untreu werden,
in dieser dunklen Nacht,
so bleiben wir doch treu,
bis unser Land erwacht.

KK

In memoriam
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Schmetterlinge und Saurier

In welchem Zeitalter erschienen auf unserer Erde die ersten Schmetterlinge?

Friedrich Schnack, Das Leben der Schmetterlinge, 1928

Gebannt las ich die Frage am Beginn des Buches, das ich mir eben für 1 Mark antiquarisch gekauft hatte. Ich war neun Jahre alt und auf Ferienfahrt in Bad Zwischenahn mit meinem Kölner Judo-Club Wu Wang. Auf dem Buch im Wühltisch vor dem Laden prangte ein Schmettelings-Stich von Merian und stach mir ins Auge. Sofort griff ich zu. Ich habe das Buch noch als Kind unzählige Male gelesen.

Sein Lyriker Friedrich Schnack fragte sich:

Ich wüßte gern, ob damals schon Blumen blühten und welche, auf dem vom Beben geschüttelten Land, in jener menschenlosen Vorzeit, als auf der Erdenflur die Berge hüpften wie Wogen auf Meeren. Die Blumen, hatten sie ihre Schmetterlingsspeise, den Nektar, schon erfunden?

Seine Zeiten überspannende Phantasie entzündete meine kindliche Neugierde bis heute. Weiterlesen

Pfotentreue

Vier Pfoten tappen und mein Schritt,
als Vorzeitschatten wandern mit,
die da trabten und jagten als Freunde fürs Leben
Dein Schicksal war mir und Dir meines gegeben.

So spurten auf diesem Waldespfad
einst Ahnherr und Ahnwolf dem Urochs nach
Auf ewig mit dem Menschen im Bund
ergab sich ihm der Wolf als Hund.

Der Pfad ist endlos und windet sich fort
zu den Sternen, dem fernen Sehnsuchtsort
sie heulen nächtens die Lieder der Ahnen,
wie trifft mich und rührt mich im Herzen ihr Klagen.

Zum Sternenhimmel auch hebt sich mein Sinn:
Jahrtausende eilen im Fluge dahin,
dann folgt auf Sirius’ klüftigem Grund
in Liebe vereint seinem Menschen ein Hund.

KK 5.8.2017

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… folg ich der Vögel wundersamen Flügen

Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,

Folg ich der Vögel wundersamen Flügen,

Die langgeschart, gleich frommen Pilgerzügen

Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.

Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten,

Träum ich nach ihren helleren Geschicken

Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.

So folg ich über Wolken ihren Fahrten.

Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern,

Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen,

Es schwankt der rote Wein an rost’gen Gittern,

Indes‘, wie blasser Kinder Todesreigen,

Um dunkle Brunnenränder, die verwittern,

Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.

Georg Trakl  (gefallen 1914)

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