Nachdem ein Dortmunder Amtsrichter einen Betroffenen freigesprochen hatte, der Corona-Vorschriften nicht einhielt, hat der Gesetzgeber nachgebessert.

Von Ermächtigungsgesetzen

Es schäumt und stürmt im deutschen Wasserglas: „Ermächtigungsgesetz!“ Die Wellen der Empörung schwappen über.

Was ist ein Ermächtigungsgesetz? Da stellen wir uns erst mal ganz dumm und fangen mit dem rechtlichen kleinen Einmaleins an. Grundsätzlich darf jeder alles. In diese grundrechtliche Handlungsfreiheit darf der Staat nur auf gesetzlicher Grundlage eingreifen. Rechtsverordnungen von Ministern sind kein Gesetz. Also muß ein Gesetz dem Minister erlauben, etwas per Verordnung zu befehlen.

Solche Ermächtigungen, Verordnungen zu erlassen, gibt es zahllos. Zum Beispiel erlaubt das Straßenverkehrsgesetz dem Bundesministerium, die Straßenverkehrsordnung zu erlassen, die uns bei Verstößen bußgeldpflichtig macht.

Das Ermächtigungsgesetz hatte der Regierung erlaubt, Gesetze zu erlassen und sich über die Verfassung hinwegzusetzen.

Historisch wird ein Gesetz vom 24.3.1933 als Ermächtigungsgesetz bezeichnet. Dieses hatte der Regierung aber nicht nur erlaubt, Verordnungen zu erlassen, sondern anstelle des Reichstages Gesetze zu machen, die sogar von der Verfassung abweichen durften. Das am 18.11.2020 vom Bundestag beschlossene Gesetz erlaubt dagegen der Regierung nur, eine (Corona-)Verordnung zu erlassen.

Gerichtliche Überprüfbarkeit

Diese ist jederzeit gerichtlich überprüfbar. So werden laufend Entscheidungen von Verwaltungsgerichten erlassen und publiziert. Mit mehr oder weniger Erfolg wenden Bürger sich gegen geltende Verordnungen der Bundesländer oder gegen einzelne Regelungen.

Die Fachgerichte sind sich nicht in jeder Frage einig, auch nicht mit sehr kritischen Stimmen namhafter Verfassungsrechtler. Von keinem Juristen wird aber bestritten, daß der Gesetzgeber Verordnungsermächtigungen aussprechen darf. Diese arbeiten immer mit unbestimmten Rechtsbegriffen wie „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ im Polizeirecht, weil der Gesetzgeber nicht jede einzelne konkrete Gefahr vorhersehen und im Gesetz konkret beschreiben kann. So ist es

in der Rechtsprechung ist auch anerkannt, daß es im Rahmen unvorhergesehener Entwicklungen aus übergeordneten Gründen des Gemeinwohls geboten sein kann, nicht hinnehmbare gravierende Regelungslücken für einen Übergangszeitraum insbesondere auf der Grundlage von Generalklauseln zu schließen, um so auf schwerwiegende Gefahrensituationen auch mit im Grunde genommen näher regelungsbedürftigen Maßnahmen vorläufig reagieren zu können.

Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluß vom 16.11.2020 – 13 B 1655/20.NE.

Das am 18.11.2020 erlassene Gesetz berücksichtigt, daß diese Übergangszeit inzwischen abgelaufen ist. Es regelt darum jetzt gesetzlich, welche Maßnahmen uns im einzelnen durch Rechtsverordnung anbefohlen werden dürfen. Das Gesetz ist darum ein Schritt in die richtige, rechtsstaatliche Richtung. Das heißt nicht, daß es nicht immer noch schwere Mängel aufweist. Auf das neue Gesetz gestützte Verordnungen und Einzelmaßnahmen werden sich wie bisher strenger richterlicher Kontrolle unterwerfen müssen.

Krieg, und keiner geht hin

Die Rechtmäßigkeit aller Rechtsverordnungen und Maßnahmen hängen von der Lage ab:

Eine epidemische Lage von nationaler Tragweite liegt vor, wenn eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland besteht, weil 1. die Weltgesundheitsorganisation eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ausgerufen hat und die Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit in die Bundesrepublik Deutschland droht oder 2. eine dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit über mehrere Länder in der Bundesrepublik Deutschland droht oder stattfindet.

§ 5 infSchG in der Fassung vom 19.11.2020

Nach § 5 Abs.1 InfSchG ist es nach wie vor Sache des Bundestages, durch Beschluß festzustellen, daß „eine epidemische Lage von nationaler Tragweite“vorliegt. Wie alle gesetzgeberischen und regierungsamtlichen Maßnahmen ist das gegebenenfalls gerichtlich überprüfbar. Vielleicht besteht die „ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit“ ja nur in der Einbildung der Abgeordneten?

Stellen Sie sich vor, der Kalif von Dingsbums ruft zum Heiligen Krieg gegen Deutschland auf, und am nächsten Morgen platzt im Reichstag eine Stinkbombe eines durchgeknallten Gläubigen. Wenn der Bundestag deshalb nach Art. 115 a Grundgesetz den Verteidigungsfall feststellen würde, gäbe er ihm das Recht, gesetzliche Verordnungsermächtigungen auszusprechen, ja: rechtstechnisch gerade solche wie die zur Corona-Verordnung. „Für die Dauer ihrer Anwendbarkeit“ würden solche „… Gesetze nach den Artikeln 115c, 115e und 115g GG und Rechtsverordnungen, die auf Grund solcher Gesetze ergehen, entgegenstehendes Recht außer Anwendung.“ setzen. So steht es in Art. 115 k GG.

Wenn nun amtlich Kriegszustand herrscht, aber weit und breit kein Feind zu sehen ist, kann jeder Bürger Gerichte anrufen, wenn Ausgangssperren verhängt sind, uns aber in Wirklichkeit keiner etwas tut. Ausgerufener Notstand entbindet unseren Staat niemals von seiner Pflicht, im Rahmen der Gesetze zu handeln und uns nicht aufgrund bloß eingebildeter Notlagen zu schikanieren.

Gilt das auch beim „Krieg gegen Corona“, wie ihn der französische Präsident nannte? Ja, es gilt:

Amtsgericht Dortmund: Freispruch!

Ein Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 2.11.2020 hat für Aufsehen gesorgt, weil es viele rechtsstaatlichen Bedenken gegen unsere Grundrechts-Einschränkungen berücksichtigt hat. Für ein Urteil in einer Bußgeldsache ist es außergewöhnlich sorgfältig begründet. Dazu hatte der Amtsrichter umso mehr Anlaß, als er sich in Widerspruch zum Oberverwaltungsgericht Münster setzt, das die herangezogenen Corona-Regelungen des Landes NRW für rechtmäßig hielt.

So zwingt sich der Richter zunächst einen tiefen Kniefall vor der Bundesregierung ab und sichert ihr sein pflichtgemäßes Vertrauen als Staatsdiener zu, bevor er ihr ihre Corona-Verordnung gleich im nächsten Absatz um die Ohren haut:

Angesichts der besonderen Materie der vorliegenden Entscheidung ist ihrer Begründung voranzustellen, daß sie mit dem größten Respekt vor den seit Anfang März 2020 getroffenen Entscheidungen der Bundesregierung und der Landesregierungen ergeht und in keiner Weise von einem staatspolitischen Mißtrauen oder Argwohn gegenüber diesen und der sie repräsentierenden Personen getragen ist. Dem Gericht ist bewußt, daß der Erlaß der hier maßgeblichen Verordnung im Rahmen einer der größten Krisen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und zudem unter großem Zeitdruck erfolgt ist und nach bislang vorliegenden Erkenntnissen ihren Zweck zumindest vorübergehend erfüllt hat, Gesundheit und Leben der Bürgerinnen und Bürger vor den Gefahren einer sich unkontrolliert ausbreitenden Epidemie und einer damit einhergehenden Überlastung der medizinischen Versorgung zu schützen.

Der Betroffene war gleichwohl freizusprechen, da § 12 CoronaSchVO gegen höherrangiges Recht verstößt. Zum einen ist die Vorschrift von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage der §§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, 32 IfSG nicht gedeckt und verstößt damit gegen Bundesrecht. Zum anderen ist die Norm für sich genommen keine geeignete gesetzliche Grundlage, weil eine solche Regelung dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten war und die Norm damit wegen Verstoßes gegen den Parlamentsvorbehalt verfassungswidrig ist.

AG Dortmund, Urteil vom 2.11.2020 – 733 OWi – 127 Js 75/20 – 64/20 –

Das Gericht betont schnell die unsere für seine Entscheidung ausschlaggebenden Grundrechte, von denen von offiziellen Stellen und in den offiziösen Medien nicht sonderlich Tiefschürfendes zu hören ist, während unsere üblichen besorgten Bürgerrechtler sich vor allem um Weißrußland, Ungarn oder die USA sorgen, die jenem Gottseibeiuns Trump ausgeliefert sind:

Ausgangspunkt beider Begründungsansätze ist hierbei, daß es sich bei dem in Rede stehenden Kontaktverbot um einen äußerst schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützten Interessen der Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens handelt. Das Verbot von Zusammenkünften und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen betrifft den Kern einer durch Interaktion seiner Bürger in allen Lebensbereichen ausgezeichneten offenen, freiheitlichen und sozialen Gesellschaft, wie sie das Grundgesetz im Blick hat. Für sich genommen greift ein solches Verbot zwar unmittelbar lediglich in die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG ein, da anders als die Ausgangsbeschränkungen in anderen Bundesländern die körperliche Fortbewegung nicht erschwert oder unmöglich gemacht wird und somit ein Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ausscheidet.

Das Kontaktverbot stellt aber das Grundkonzept der Pandemiebekämpfung in Nordrhein-Westfalen wie auch in vielen anderen Bundesländern dar. Nachvollziehbarer Weise und wahrscheinlich auch erfolgreich wurde durch eine möglichst große Reduzierung der sozialen Kontakte der Menschen untereinander durch ein final bezwecktes „Herunterfahren“ des öffentlichen Lebens eine unkontrollierte Infizierung der Bevölkerung mit einem in seinen Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen noch weitgehend unbekannten Virus und eine damit zu befürchtende Überlastung des Gesundheitssystems verhindert. Dieser Logik der Pandemiebekämpfung folgt das Kontaktverbot bzw. ist dessen normativer Grundpfeiler. Durch die übrigen in der CoronaSchVO enthaltenen Ge- und Verbote, die besondere Lebensbereiche betreffen, wird diese Logik fortgeschrieben. So stehen sämtliche in den §§ 1 bis 11 CoronaSchVO in der hier maßgeblichen Fassung vom 30.03.2020 genannten Maßnahmen in unauflösbarem Zusammenhang mit der Systematik der Pandemiebekämpfung durch Kontaktreduzierung und damit dem allgemeinen Kontaktverbot des § 12 CoronaSchVO. Daher betrifft diese Norm nicht nur den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit, sondern darüber hinaus mittelbar die Berufsfreiheit, die Eigentumsfreiheit, die Religionsfreiheit und die Versammlungsfreiheit (vgl. im Einzelnen: Wissenschaftliche Dienste-Deutscher Bundestag, Kontaktbeschränkungen zwecks Infektionsschutz: Grundrechte, WD 3-3000-079/20).

AG Dortmund, Urteil vom 2.11.2020 – 733 OWi – 127 Js 75/20 – 64/20 –

Die bis 18.11.2020 geltende gesetzliche Ermächtgung für unsere Freiheit dermaßen einschränkende Maßnahmen hält das AG nicht für ausreichend:

Das in § 12 CoronaSchVO normierte Kontaktverbot kann unter Berücksichtigung dieser Bewertung nicht auf § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG gestützt werden. Eine Ermächtigung zu einem flächendeckenden, jede Bürgerin und jeden Bürger unabhängig von der konkreten Gefährdungssituation betreffenden Kontaktverbot mit dem Ziel, das öffentliche Leben weitgehend zum Erliegen zu bringen, kann § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG nicht entnommen werden, ohne daß die Vorschrift selbst als verfassungswidrig angesehen werden müsste.

Bereits die Wortlautgrenze der genannten Vorschriften würde in unzulässiger Weise überschritten, wollte man diese als Ermächtigungsgrundlage für ein Kontaktverbot für den gesamten öffentlichen Raum Nordrhein-Westfalens und damit den gesamten örtlichen Wirkungsbereich der Verordnung aktivieren.

Wie ich eingangs schon erklärt habe, ist aber die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe in Generalklauseln des Rechts der Gefahrenabwehr kein grundsätzliches Problem, sondern ein alter Hut des Polizeirechts, wie ich es schon 1972 auf einer Landespolizeischule gelernt hatte:

Die Vorschrift stellt besonderes Gefahrenabwehrrecht dar, auf das die allgemeinen Grundsätze dieses Rechtsgebiets unter Berücksichtigung der Eigenarten der Spezialmaterie des Infektionsschutzes anwendbar sein müssen. § 28 Abs. 1 IfSG ist als offene Generalklausel ausgestaltet (OVG Münster, Beschl. v. 06.04.2020 – 13 B 398/20.NE), in der exemplarisch einzelne Maßnahmen benannt werden. Gemäß dem Zweck des IfSG, die Verbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhindern, dient die Norm, wie gefahrenabwehrrechtliche Generalklauseln im Allgemeinen, der Effektivität der Gefahrenabwehr. Aus den Gesetzesmaterialien zur seinerzeitigen Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, durch die der mit dem § 28 IfSG a.F. inhaltsgleiche § 34 BSeuchG als Generalklausel neben dem bis dahin geltenden abschließenden Katalog an Schutzmaßnahmen eingeführt wurde, kann entnommen werden, dass diese Gesetzesänderung den Gefahrenabwehrbehörden ein flexibel handhabbares Instrumentarium an Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Übertragung von Krankheiten an die Hand geben wollte (BT-Drs. 8/2468, S. 27). Gerade angesichts des dort ebenfalls erwähnten Umstands, dass nicht jede staatliche Reaktion auf jede denkbare Gefahrenlage durch typisierte Standardbefugnisse abzubilden ist, sind Generalklauseln notwendig und im Grundsatz auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, soweit die ihnen begriffsnotwendig eigene tatbestandliche Weite durch Anwendung bestimmter Rechtsgrundsätze eingehegt wird (zur polizeirechtlichen Generalklausel: BVerwGE 115, 189 unter Hinweis auf BVerfGE 54, 143; vgl. auch BVerfG DVBl 2001, 558.).

Diese Generalklauseln aus dem Recht der behördlichen Gefahrenabwehr können aber im Einzelfall immer nur greifen, wenn eine Gefahr konkret nachgewiesen ist.

    Gefahrenabwehrrechtliche Generalklauseln setzen demgemäß in der Regel als Tatbestandsvoraussetzung eine konkrete Gefahrenlage voraus, um im Hinblick auf die regelmäßig mit präventiven Maßnahmen verbundenen Grundrechtseingriffe ein gewisses Maß an Konturierung und Vorhersehbarkeit zu gewährleisten. Als konkrete Gefahr ist dabei eine im Einzelfall bestehende Sachlage zu verstehen, bei der in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schadenseintritt für ein zu schützendes Rechtsgut prognostiziert werden kann.

Die Corona-Verordnungen erlauben aber Grundrechtseinschränkungen weit im Vorfeld konkret feststellbarer Gefahren:

Ein Blick in die Legaldefinitionen der Begriffe „Krankheitsverdächtiger“ und „Ansteckungsverdächtiger“ in § 2 IfSG in Verbindung mit den gemäß §§ 28 bis 31 IfSG gegen diese Personengruppen zugelassenen Eingriffsmöglichkeiten könnte darauf schließen lassen, dass das Infektionsschutzgesetz bereits bei Vorliegen eines Gefahrenverdachts, also einer Sachlage im Vorfeld konkreter Gefahr, in der nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit ein Schadenseintritt prognostiziert werden kann, grundrechtsrelevante Eingriffsmaßnahmen möglich sein sollen (vgl. BVerwG, Urteil v. 22.3.2012 – 3 C 16/11 -).

Ein solches Verständnis des Gefahrenbegriffs übersieht den Grundsatz der umgekehrten Proportionalität. Danach sind für die Annahme einer konkreten Gefahr desto geringere Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu stellen, je schwerer der in Aussicht stehende Schaden wiegt. Gefahr ist also kein naturwissenschaftlich zu ermittelnder Zustand, sondern vielmehr durch situative Wertung festzustellen. Wird eine solche unmöglich gemacht, verläßt man das Grundkonzept gefahrenabwehrrechtlicher Betrachtung.

Eben dies geschieht jedoch gerade dann, wenn wie vorliegend eine Maßnahme wie das Kontaktverbot von dem zu prognostizierenden Kausalverlauf, der zu einem Schadenseintritt führen kann, sowohl im Hinblick auf seine Wahrscheinlichkeit als auch hinsichtlich seiner zeitlichen Komponente gänzlich entkoppelt wird und sich schlichtweg unabhängig von der Gefahr im Einzelfall an jeden Bürger in einem Staatsgebiet richtet.

Das Amtsgericht führt dann ausführlich und überzeugend aus, daß nicht angesteckte Bürger keine „Störer“ im Sinne des Gefahrenabwehr-Rechts sind, sondern „Nichtstörer“, also unbeteiligte Bürger, von denen an sich gar keine Gefahr ausgeht.

    In der Gesetzesbegründung zur Vorgängervorschrift des § 34 BSeuchG hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass auf die infektionsschutzrechtliche Generalklausel auch Maßnahmen gegen Nichtstörer gestützt werden können und durch die Einarbeitung weiter Passagen des § 43 BSeuchG, der Schutzmaßnahmen gegen Allgemeinheit vorsah, in den Tatbestand des § 34 BSeuchG  hinreichend deutlich gemacht, dass nunmehr auch allgemeinwirkende Maßnahmen auf der Grundlage der Generalklausel möglich sein sollen (BT-Drs. 8/2468, S. 27). Eine vollkommene Abkehr vom Grundsatz der ermessensfehlerfreien Auswahl des Adressaten einer gefahrenabwehrenden Maßnahme ist damit jedoch gerade nicht verbunden gewesen.    

Von diesen Grundsätzen aber löst sich eine Regelung wie § 12 CoronaSchVO gänzlich, wenn ein Zusammenkunfts- und Ansammlungsverbot vollkommen unabhängig von situativen, örtlichen und persönlichen Zusammenhängen zu der zu bekämpfenden übertragbaren Krankheit erlassen wird. In dieser Ausgestaltung werden Gefahrenprognose und Adressatenauswahl derart pauschaliert, dass sie als Grundsätze der Gefahrenabwehr gänzlich zu Gunsten einer allgemein gültigen und gänzlich abstrakten Einschätzung aufgegeben werden.

Kein Ausnahmezustand

Darum ist es nicht zulässig, wenn die alte Version des Gesetzes gesunde Bürger ebenso wie infizierte in ihren Freiheiten beschränkt:

Auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 IfSG kann daher zumindest kein für alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen und damit flächendeckendes situationsunabhängiges Verbot der Zusammenkunft von mehr als zwei Personen im öffentlichen Raum ergehen, will die Norm einer geltungserhaltenden verfassungskonformen Auslegung zugänglich sein. Denn der Finalität eines solchen Kontaktverbots im Hinblick auf das Erliegen des öffentlichen Lebens (sog. Lockdown) kommt angesichts der Konzeption des Grundgesetzes als von der Freiheit des Einzelnen und seiner sozialen Eingebundenheit zur Verwirklichung dieser Freiheit getragenen Ordnung der Charakter eines Ausnahmezustands zu.

Den Ausnahmezustand kennt das Grundgesetz jedoch gerade nicht.

AG Dortmund, Urteil vom 2.11.2020 – 733 OWi – 127 Js 75/20 – 64/20 –

Manchmal muß erst ein Amtsrichter unsere Regierung daran erinnern.