Heinrich der Löwe, steh uns bei!

Kulturkämpfe kann man nur auf dem Felde der Kultur gewinnen. Weil sie Kämpfe sind, sind sie immer politisch. Ob irgendein Sachgebiet politisch ist, ist immer eine politische Frage.

Daß „Erinnerungskultur“ hochpolitisch ist, wissen wir schon lange. Wir sind indoktriniert, an welchen Gräbern und Mahnmalen wir gefälligst zu knien und zu schweigen haben und welcher Toten wir besser nicht gedenken. Es ist eine spätbürgerliche Illusion, es könne eine unpolitische Kultur geben.

Heute besteht der links-grün-woke Kulturkampf darin, daß man uns unsere Kultur nehmen will. Wir sind in der Defensive. Man will uns ein anderes Geschichtsbild aufzwingen, in dem Germanen eine Erfindung sind und in dem es Deutschland zwar erst seit dem 19. Jahrhundert gab und ein deutsche Volk sowieso nicht gibt, was aber nicht hindert, diesem Volk kollektiv eine „Kolonialschuld“ und andere schlimme Dinge anzulasten.

Nur aus dem Bewußtsein der eigenen Identität aber können Menschen die Kraft schöpfen, sich fremdbestimmen zu lassen. Wenn wir Deutsche uns nicht selbst vergessen wollen, müssen wir diesen Kulturkampf eben führen.

Ob ein Beitrag in unserem Kulturkampf nun darin besteht, die Erinnerung an unsere Vergangenheit wach zu halten oder darauf beschränkt, sich einen teutschen Gartenzwerg vor die Tür zu stellen, muß jeder für sich entscheiden: Jedem das Seine!

Schule ohne Geschichtsunterricht?

In Brandenburg, so las ich jüngst, sei geplant, den Geschichtsunterricht für die Zeit vor 1800 abzuschaffen. Ein Volk von seiner Geschichte abzuschneiden, ist aber ein versuchter geistiger Völkermord. Jungen Leuten kann man dann schnell erzählen, vor 1900 habe es gar keine Deutschen gegeben.

Dagegen dient jeder Blick in alte Literatur der geistigen Selbstvergewisserung, wer wir sind und wie wir einst waren. So werden wir in der nachstehend wiedergegebenen Sage in Strophe 59 und 65 von einer „deutschen Frau“ lesen, die übersetzen konnte. Das Gedicht, ursprünglich wohl als Lied vorgetragen, ist 600 Jahre alt und berichtet von Heinrich des Löwen märchenhaften Abenteuern und wie er seinen treuen Löwen fand.

Der (nieder)sächsische Stammesherzog (um 1130-1195) regierte in Braunschweig, wo sein Löwe heute noch auf seinem Sockel am Dom steht. Im Dom selbst ruht er mit seiner Gattin Mathilde in einem Steinsarkophag. Die Sage um seine Abenteuer mag also in mündlicher Form seit 800 Jahren im deutschen Gedächtnis leben. Ich las sie ungefähr als Achtjähriger in dem Buch „Sagen aus Deutschland“.

Sprachlich steht das Lied oder Gedicht am Ende des Mittelhochdeutschen und auf der Schwelle zu unserem Neuhochdeutsch. Wenn man es im Original laut liest, ist es weitgehend leicht zu verstehen. Nur die altertümliche Orthograpgie hemmt den Lesefluß.

Poetisch steht das Lied zwischen den kunstvollen Liedern des hochmittelalterlichen Minnesanges und der Dichtkunst des ausgehenden 18. Jahrhunderts, mit anderen Worten: Es klingt banausisch. Indes:

Keine Nation, die verwandte englische ausgenommen, ist wohl so reich an historischen Liedern als die unsrige. Unsere ganze politische Verfassung hat das von jeder begünstigt, sie erzeugte beständig Parteien, und die Helden, die sich hervorthaten, gehörten daher nie […] dem ganzen Volke an, sondern nur der Partei, zu welcher sie sich bekannten. In dieser fanden sie ihre Sänger, die sich meist damit begnügten, das was durch einen solchen Edlen oder Tüchtigen vollbracht war, zum besseren Behalten in schmucklose Reime zu bringen, und es irgend einer gangbaren Melodie unterzulegen. So lebte es fort ….

Oskar Ludwig Bernhard Wolff, Sammlung historischer Volkslieder und Gedichte der Deutschen, Stuttgart und Tübingen 1839, Einleitung S.VI.

Am Beispiel des Gedichts über die Abenteuer Heinrichs des Löwen, des Welfen (!) wird schlagartig deutlich, daß solche überlieferten Texte schon bei ihrer Entstehung auch ein Mittel des Kulturkampfes, also des politischen Kampfes waren. Bekanntlich hatte Heinrich der Löwe seinem Lehnsherrn und König Barbarossa, dem Staufer, die Heerfolge verweigert und verlor zur Strafe seine Lehen. Der Machtkampf der späteren Staufer gegen die Welfen entlud sich noch lange Zeit in kriegerischen Auseinandersetzungen. In diesen Konflikt muß ein Lied eingeordnet werden, das den Welfen Heinrich verherrlichte.

Die Abenteuer Heinrichs des Löwen

Hie hebt fich an ey(n) büch von
dem edeln hern von Brünczwigk
als er vber mer füre.
 
1.
MAn ſagt vns hie gar offenbar,
von gröſzen fürsten vnd von herren
Wie die hand vor manchen jaren
Geworben umb wirdickeyt vnd eren
Vnd hand her ſücht fille fremde land
Als durch abentürwer willen
Als ich uch hie wil thün bekant.

2.
VOn eynem fürsten lobesame
Der het land lüde ere vnd güt
Vnd ist genent mit dem namen
Von Brünyczigk eyn edles blüt.
Dem käm in ſlaffes drämen für
Er ſolt daz heilige grabe besüchen,
Als ich von den allen höre.

3.
Eyns machtes lagker an dem beth
Als by der liebſten fraüwen ſyn.
Er ſprach daz ich ny alleſz het
Vnd uff erden iſt wer alles myn.
So wer mir zyt vnd weyl lang
Solt ich alfo ſtille lygen,
Wan het ich lopp ere vnd auch dank.

4.
Da ſprach die fraüw gar dagentlich
Edeler fürst vnd auch herre,
Blibent hie by vwerm rich,
Ibr habent güdes gnück vnd ere,
Kürezwil lüst, früwe vnd ſpad,
Ihr fint auch wol alle wegen lüde,
Die ſagent uch von fremden landen ſtat.

5.
Da ſprach ſich der fürste millte
Frauwe, lagent, wäz ir wollet.
Ich kän mit mynem helme vnd ſchilt
Nit verdienen godes holde
Ich möſz kommer erbet elende han
Ich bit üch aller lichſte fraüwe,
Nü land vns bye dem besten bestan.

6.
Ir leübet mir eyn früntlich ſcheyden
Alhie jn kürtzer tzyt,
Mit güttem willen von vns beyden:
Iſt daz mir got daz leben gyt,
Das ich wider komen mag oder kan,
Ich wil eſz üch alle ſant ergetzen
Byn ich anders eyn bieder man.

7.
Da die fraüwe hort mit ſittened
Von dem edele(n) fürsten güt,
Das da nit halffe ir früntlich bitten,
Das er het ſyn vnd müt,
Da fprach fie mit weindende(n) aügen
Nü ſpyar uch göt gesünt.

8.
Dem fürsten waz ſein hercze beweget
Vnd wart yn erbarmen czwär,
Das ſie yn getrüblichen geseget,
Da by sol man nemen war.
Daz scheyden ist eyn ſchwere pyn,
Wo ſich czeye von einander ſchyden,
Die gern by ein ander ſin.

9.
VOn brunczwigk der fürste wiſſe
Führe auch tzu an allen haſs
Vnd er wolte ym mit gantzem fliſs(e),
Der ym der li(e)bſte ym herczen waz
Vnd auch getrüwet in der mut
Dem befalle er land vnd lüde,
Sin ſchöne fraüwen ere vnd auch güt.

10.
Er ſprach zu ſyner fraüwen ſchön
Er umbfing ſie tzu derselben ſtünt
Ich wil uch zu der lecze lan
Eyn keysches vfs mynes herczen grünt.
Er etſchnyde enzweye eyn golde(n) fingerlin
Daz behalte aller liebſte fraüwe,
Da by solt ir gedencken myn.

11.
Von brüncczwik der fürste wiſſe,
Von dem man ſchribt vnd list,
Dem wart da noch eren briffen
Vnd bereyt fich zu der ſelben frist
Mit ſynen knechten an verczeyt
Vnd scheyd frölichen von land vnd lüden
Wit güttem willen, als man vns ſeyd.

12.
Da ſchyd von land der werde tegen
Vmb yn fo winnet jüng vnd allte,
Da wart er auch vnder wegen
Befollen in gottes gewalt
Vnd auch der lieben mütter her
Daz sie fyn dae ſolten plegen
Da mit komen ſie an daz mer:

13.
Fvrbaſz ſagent man vns hie,
Als von dem fürsten wyt vnd vil.
Da wart ſich bereyd ſchire
Eyn ſchiffman an dem mere eyn kiel.
Daz wart versorget ſchon mit habe,
Als noch die groſzen fürsten thün,
Wan ſie fären zu dem heilige(n) gräbe.

14.
DA ſtiſzen ſie von land mit ſchälle
Den edele(n) fürsten lobesam.
Sie ſüngen in gottes namen alle.
Der met füren ſie in daz mere für baſz.
Das man vns dar an nit lögen
Da er daz graüsam waſſer ane ſach,
Daz elende flügk ym vnder die aügen,

15.
Ym wart auch grüſſen alſo ſere
Vil wöl er waz eyn köner helt.
Da er die linden vff dem mere
Sach vff flägen manig falt,
Er gedacht an ere vnd güt vnd ritterschafft
Vnd an den kosch den er hat gethan.
Da gewan er widder maneſz krafft.

16.
Da füre er manchen tag ym jare
Vff des wilden mereſz ſträme,
Das er keines landes nye wärt gewar,
Biſz daz eyn gröſzer ſtorm wint kam,
Der dreybe ſie alle vff eyn ort,
Da möſten fie alſo ſtille ligen
Vnd mocht weder hinder noch fort.

17.
Alſo hielt er yn gröſsem kömer
Vnd riffe got getrülichen an,
Einen wintter vnd eynen ſomer,
Biſz daz yn alles da zu ran
Spiſſe vnd küſte, als man vns ſeyd,
Vnd ym auch alle ſyn knecht verturben
Von gröſzem hünger vnd auch leyd.

18.
Alfo blib nyman jn dem ſchiffe mer,
Dan eyn knecht vnd des heren pfert.
Armüt elende dat yn wee.
Der knecht czögt víz des herren ſwert,
Vnd ſtache daz pfert alda zü töt
Vnd zöch ym abe auch fyn hüt,
Daz deth er also von hüngers not.

19.
DAs pfert wart ſere ſtincken vnd nacken
Die weyl eſs yn dem ſchiffe lag.
Daz wart eyn gryffe ſchmäcken,
Der an ſyner wonug da by flögk.
Er qwam geflögen mit grymmen Zorn
Zu dem selben gröſzen ſchiffe,
Da er fräckt der fürste hoch geborn.

20.
Der griffe waz groſz vnd vn gehuwer.
Da yn der fürste rechte an ſach,
Er macht ym ſchimpffe vnd fryde teüwer,
Der fögel bracht ym vngemach.
Sie leytten daz pfert an eyn ende.
Da flöge er ſyn cläen dar yn
Vnd furt eſz alſo behende.

21.
Er bracht eſs ſynen jungen gedräd,
Da er ſie ym nest het ver lon.
Der herre ging mit dem knecht zu rade
Nü wirt iſz an vns beyde gan.
Wir legen eyn löſze in alle geferde
Wellet vnder vns eyner ver lüret
Der stelle sich zu erste dem griffen dar.

22.
Der knecht der ſprach ach lieber her,
War umb müt ir mir daz zü.
Daz wer mir eyn ſchande vnd groſz vnrecht.
Daz ich mit uch ſolt loſzen.
So wer ich nit eyn getruwer di(e)nstman,
Daz ich nit jn üwern nötten,
Mit libe vnd güt ſolt von uch ſtan.

23.
Von brüneczwigk der fürste vnd here
Redet das bedrüplichen eyn wort
Mich rüwet myn leben nit so sere
Und als myn güt da heyme dört,
Als die liebe kinde die ich han
Und myn aller liebſten fraüwen:
Ich han mir eſz ſelber gethän.

24.
DA ſie mich bath zu aller der ſtönde,
Daz ich da heymen bliben folt
Mit wynnenden aügen vnd mit monde,
Das ich ir nye gefolgen wolt
Irem willen vnd irem räd,
So müſz ich aüch dar gegen nemen,
Waz mir zu leyden gät.

25.
VOn bruneczwigk der fürste elende
Sprach betropplichen wort gar lüt
Se ücher für balde vnd behende
Fer neüwe mich in die pferts hüt.
Syn güdes ſwert er zu ym leyd
Daz wil ich auch by mir hän,
Wö mich got oder der griffe hin dreyd.

26.
Den knecht den düch da daz beste,
ae yn ſyn lieber here bät.
Er fernöt yn alfo festen.
Dar nach gar ſchiere vnd geträd
Käm der griffe geflögen here
Zu demselben gröſzen ſchiffe
Vnd waz der heüde begeren,

27.
Er flögk ſyn klaen ſcharpffe vnd diffe
Yn die hut, als man hie ſpricht.
Er läge vernät, recht ob er ſliffe,
Vnd dorff sich aüch geregen nicht.
Er brächten ſynen Jüngen jn daz huſz,
Das fie ihn ſolten haben geſzen,
Dae flöge der alte vndder vſz.

28.
DA der herre hat vernommen,
Dez er ym dem neste waz
Vnd der alt waz dannen kommen,
Eyn jünger nach dem andern vff yn ſafz.
Sie K(n)eyppten ym durch hüd vnd häre,
Dätten yn auch alſo hart,
Daz er wart gedencken czwar.

29.
SOlte ich nü alſo ver derben
Alfo gemerlichen zu hand
In der hüde als eyn ſchelme erſterben,
Das wer mir ewiclichen ſchande.
Got gab yım alſo in den müt
Das er ſich vſs der heüde ſneide
Vnd czöch von ſcheyden ſyn ſwertte.

30.
Er ſlüge in die jüngen geſwinde,
Er ſlüge eynem nach dem andern dot.
Er dancket marien vnd irem kinde,
Das ſie ym holffen vſs der nöt.
Da er fie alle erſlagen hat,
Da ſnyd er yn die kläen abe,
Die hangen zu brüneczwigk in der ſtat.

31.
Er ſach vnder ſich geswinde balde,
Wo er in der welt were.
Dae sach er nichts dan hymmel vnd walt
Vnd furcht fich vſs der möſzen ſere,
Wö der alt griffe widder qwem:
Er wöste wol, worde er fin geware,
Daz er ym ſyn leben neme.

32.
Daz nest waſz gröſs vnd hoch gelegen
Vff einem felſſe, als män ſpricht.
Dae hat er fich auch dez herwegen,
Er möcht her abee komen nicht.
Er ſach zu allen ortten abee zu täll,
Wie er möcht her abe komen
Da ſach er eyn clemmen, die waz ſchräl.

33.
Er nam den clähen jn beyde hende
Vnd fingk an zu ſtigen in gottes namen
Vnd flüge jn des felsch wende ſo lange
Biſz daz er her abe qwäm
Wie groſs freyde er da gewan.
Von brünecźwigk der edelle fürst
Waz eyn elen hafftiger man.

34.
Alo gingk der furste vnd here‘
In der wiltenifs widder vnd füre.
Er aſse die woczel vnd der bere
Er ging alſo lange biſs daz er hort
Eyn groſze geschreye von wilden dyrn
Er gedocht wil dir göt hie helffen,
So magſtü nit verlyren.

35.
VOn brüneczwigk der edele furst
Gingk dem geschreyee hinden nach
Durch wilde hecken vnd durch hürst.
Er quäm als nahe biſs daz er fach
Striden eynen lintworm vnd eynen lewen.
Von bruneczwikg der edele fürste
Sich hinder eynem baym verbarge.

36.
Er gedacht yn synem herczen nü
Wiltu ſehen die abentüwer.
Der lintworm ſtelt dem leben zü
Vnd ſcheüfcht yn alſo mit dem feüwer.
Da daz lier ſach der werde man
Wie balde er zu dem lewen fprangk
Ich wil dir ſtetlich hie by ſtan,

37.
Dv dünckest mich ſyn eyn edelich dire
Vnd bist mir dar ezu wol erkant:
Dere da bereyt er fich gar ſchire,
Daz ſwert daz nahm er in die hand.
Da daz der lewe jnnen wart,
Wie balde er vor den herren ſprangk
Vnd neygte dem edelen fürsten zart.

38.
DA der edele fürste werde
Von dem lewen das er säch,
Das er früntschafft zu ym begert,
Der herre zu ſtünd da widde(r) ſprangk
Ich wil dir ſtetlichen hie by ſtan
Und ſolt ich hie by dir verderben.
Er liffe den lintworm litlich an.

39.
Er flüg vff yn mit gänczen crefften
Mit dem ſwerte vſs grymmen czorn.
Das ſwert daz wolt vff ym nit hafften,
Wan er waz eytel horn.
Da deth ym got vil helffe schin
Da ſie nü mit eyn (ander) gefechten,
Dae her ſtache er yn züm monde yn.

40.
DA dotten ſie den lyntworm geswinde
Mit gottes hilffe yn dem waldem
Der here (Der lewe) wart ſyn ynnen balde.
Er gröb ym die worczeln vſs der erdene
Vnd auch vil der gütter kreütten
Vnd bracht fie dem furſten werden.

41.
Der lewe waſs dem herren getrüwe
Wöe er mit ym hin gingk,
Waſs er haſſen vnd wilde dire
Ergriffen möcht öder fingk
Die ſlöger vmb die baym ſo fere,
Daz ſie worden weyche vnd linde
Vnd ſie aſse der fürste vnd here.

42.
Also gingk der fürste rich(e)
In der wiltenyſs manigk zyt.
Der lewee wolt von ym nit wichen
Er waz ſtedeſz by ym an ſyner ſytten
Dag und nacht ſpäd vnd früe
Wolt er auch von jm nit komen
Da quämen ſie zu eynem waſzer czü.

43.
Daz waſzer daz waz groſz vnd breyd
Da bye eyn gröſzer bergk auch lag
Here göt gib mir dyn geleyde,
Daz ich widder komen magk,
So wirt eſz beſzer hie umb mich:
Hilffe mir vſs diſſer wilteniſs.
Lieber here, daz bit ich dich.

44.
Er gingk daz waſzer vff vnd abe
Vnd ſach betrüplichen wider vnd fur
Got ym yn den syn gabe,
Daz er ſolt flechten eyn hort
Da hübe er an zu der ſelben frist
Ein ſchöne hort zu machen
Nach dem besten, daz er von ſynnen wist.

45.
Da die hort nü wart gemacht
Vff das beste, daz er hat bedächt
Vnd vff daz waſzer wart geleyd
Der herre nam heymeliche flücht
Von dem ſtarcken lewen gryn
Er fürcht, qwem er zu ym vff die hort,
Er brecht yn vmb daz leben ſyn.

46.
Da ſtiſze er ſich von lande dae
Wol czweyer fpifze lange
Der lewe wart fyn ynnen dae,
Wie balde er czu ym vff die hort ſprange.
Wö ſich die hort ſencket nydermthod
So ſprangk er vff die andern ſytten
Vnd drange ſie vff widder.

47.
Alfo füre der fürste riche
Mit dem lewen sicherlich.
Daz waſser waſz swinde vnd ſtrenge
Vnd dribe yn alleſz vnder ſich
Zu eynem gröſsen berge ſünder wan.
Da müst doz ſelbe groſse waſser
Zu eynem finstern löch yn gan.

48.
Da der fürste vnferceyt
Daz gruſzlich löch reth an sach,
Er riffe an marien die keyserliche mäget
Behüde mich vor vngemäch.
Ich bin eſs alles wol gewert
Kommer erbeyt vnd auch elende,
Daz ich dae heymen han begert.

49.
Da füre der edele fürst mit ſörgen
Zu dem finstern löch hyn jnne,
Eyn langen tag vnd eyn nacht verbörgen
Daz ym keynes lichtes nye wart ſchyn,
Biſs er sach eyn car fünekel ſtein,
Der lücht vnd brant fich alſo helle,
Als wern hündert lich gewest by eyn.

50.
Er künde auch dae nit erkennen
Waz daz yn dem berge were.
Da er eſz ſach ſo hel brennen,
Er fürchte ſic vs der möſsen fere
Got behüt mich vor vngefelle:
Mich drigen dan alle myn ſyn,
So köm ich zu der bittern helle.

51.
Alſo möst er fürbaſs ſchalten
Von des ſtrengen waſser nöt
Vnd möcht nit lenger ſtille gehalten.
Da qwam er an den karfünkel röt.
Vſz zöche er ſyn ſwert ſcharpffe vnd lang
Vnd ſtach frolichen in den berg,
Daz eyn ſtücke vff die hort ſprangk.

52.
Der herre da gröſze freyde gewan,
Als von des claren ſteynneſſz glast
Das waſzer dribe yn balde dar von.
Er füre ſo ſere vnd ſo faste,
Bifs daz er vſs dem berge qwäm
Von brüneczwig der edele fürste
Waz eyn clender man.

53.
Da fille er nider vff die knye
Vnd dancket dem almechtigen got,
Daz er ym hat gehülffen hie
Vſs ſollicher groſſer not,
Die er yn dem berge hat.
Von brüneczwick der edele fürste
Got mit fliſs vnd ernste bät,

54.
Das er yn folt wyſſen vnd fügen,
Wer eſs anders ſyn lieber wilde,
Wege, die yn zu den lütten dröge.
Der lewe ſtünt by dem herren ſtylle.
Da wolt er eyn wenig fürbafs gan
Vber eyn wytte heyden
Da sach er eyn bürgk vor ym stan

55.
In eynem wönsten brüche vnd röre
Der here qwam yr alſo nähe
Er klopffet frölichen an daz döre
Der pforttener der waz balde dae.
Er deth ym vff zu der selben fünd.
Da yn der here an sach,
Da het er ſyne lichten müt.

56.
Er war do yn also ſere frögen,
Von wannen er auch qweme nü.
Er künde eſs ym auch nit gesagen
Der pfortner der ſloſs wider züe
Vnd seyd dem herren vff der bürge die mere,
Wie alſo eyn grüstlich dire
Vnd eyn man vor der pfortten were.

57.
Dye herren begünde zubym jehen.
Lass yn zu vns vffer gan,
Das wir mögen in gesehen
Das dire vnd auch den fremden man,
Wie sie sint alſſo gestalt.
Da liffe der knechte alſo behende
Vnd liſs ſie yn gar balde.

58.
Vnd an alles messe wende
Füren sie yn nyn den salla
Er hat den leven in der hende,
Die herren hetten all zu mall
Lange snebbel manigfalt.
Von brüneczwick der edelle fürst
Eynen nach dem andern ane ſach,

59.
Sye worden ye also ſere fragen
Von mancher hande geschicht
Er künt es yn‘ auch nit gesägen,
Wan er verstünd der ſprach nicht.
Da qwäm eyn deuscheze fraüwe angeferd,
Die waz auch vff die burgk komen,
Die bracht man dem herren dar.

60.
Sye wart daezu ym kallen
Vnd vmb fingk yn zu der selben stunden.
Daz wart dem herren wol gefallen,
Der herre deth der fraüwen kündt,
Wie ess umb ſin sache gelegen were,
Wie er mit ſollicher groſsen not-
Wer vss der welt komen here.

61.
Da die fraüwe erhorte daz,
Sie frogett ye den herren fort,
Wie els umb ſyn ſache gelegen bass.
Dar nach schid vngern diet.
Dar drüg man ym vor spiſe vnd köst
Nach des ſelben landes ſytten
Des beste ſo man da wiste.

62.
Dye fraüwe wart sich zu dem herren halten,
Saget vns des boches lere,
Vnd gar fruntliche mit ym ſchympffen
Das verdross dye gesnebelten ſere,
Das ſie fruntschafft zu ym gewand
Sie were auch gern gewest zü lande,
Da möcht ſie auch von ym nit komen.

63.
Da die gesnebbelten lüde daz beducht
Daz fie früntschaff zu ym gewan,
Eyner stieſs den andern das er strüchelt
Vnd wolten yn geslagen han
Da haczte er den lewen an sie
Der reysz yn abe die snebbel müller,
Wöller ym käm fo nahe her bye.

64.
Der lewie schrie mit lutter stym,
Daz ess in der burg her hall.
Er flüge yn sy mit grossem grym.
Dyſſ wonden an zalle
Die worden gethan zu der selben frist
Von dem starcken lewen vnd herren,
Als noch manche kofich man ist

65.
Dae der fürste löbesam
Dieg snebbelten lüde alle vberwan(t),
Die deützschen fraüwen er mit ym nam.
Er fürt sye hyn weck alda zu händ.
Got wölt den herren nye gelan,
Als wil er noch den ginen dön,
Die yn fragen getrüwen wollen han.

66.
Von brüneczwick der fürst vnd herre
Wolt sich aber fürbass gan
Da qwam er vnder daz wöden her
Dae die böſſen geiste ir wonüg han.
Da begeget ym eyner vff der fart
Der waz sich grüfs vnd vngehüwer.
Da aber ersräck der fürste zart.

67.
Da der edele fürste vnd herre
Ver näm vnd hort, wer er wäz,
Er beswöre yn vil hartte vnd ſere,
Dü most mich bescheiden bäſse
Dü most mir dar czü ſagen mee,
Wie esz vmb myn kinder da heymen
Vnd vmb myn lieben fraüwen stee.

68.
Der geyste da mit grymme zorn
Widder dae zu dem herrén fprach
Du hast mich alſo hart besworn
Das mir nye ſo wee geschach
Vnd ich dir nit verswygen kan:
Brüneczwigk du ſolt wiszen,
Dyn fraüwe wil nemen eyn andern man.

69.
Da der edele fürste zart
Von dem geiste erhortte ſolliche antwort
Er beswore yn fürtter aber by gottes crafft
Vnd by ſyner martet grosze
Du most mich vnd myn lewen
Füren vor myn ſlofze.

70.
Der geiste ſprach sich dar gar eben
Ich wil dir sagen, waz efz ist.
Ich wil dir eyn gedeyltze geben
Alhie in kurczer frist.
Finde ich dich slaffen an der stat
Wan ich dir dyn lewen bringe
Daz saltu mich wiszen lan gar drät

71.
Wan ich dich vor din ſlosz gestelle,
Das du efz ſyst vor dir lygen,
Wiltu dich mir vnd myn gesellen
Geben allhie zu eygen,
Wann ich dich beym bringe scheyre
Vnd auch dynen lieben ſtarcken lewen:
Wiltü nach myner begire?

72.
Der edele fürste lobesäm
Der wart aber bekomert ſere.
Er ryffe got getrülichen an
Vnd ſprach ach herczer lieber herre,
Düe mir din rat vnd hilffe schin,
Daz ich lib vnd ſell behalt
Vnd beyde die ere der fraüwen myn.

73.
GOt der herre mit syner güde
Deth ym balde dic vffenbäre.
Ergab ym schire in syn gemöde,
Daz er mit dem geiste ſolt faren.
Da wart die glopniſs von dem herren gethan.
Findestu mich alfo ſlaffen,
So ſaltu mich zu eygen han.

74.
Der here wart sich vff geladen
Düth vns dess buch nü hie bekant
Von dem geist an allen schaden:
Er fürt yn wider in ſyn land
Er faezt yn für syn burgk gar feste.
Finde ich dich alfo ſlaffen
Du weyst wol, waz du mir verfprochen hast.

75.
Ich wil dir nü dynen lewen bringen
Auch gar gar in zeller zill
Der geist wart ſich balde swingen
In kürczer ſtünd manche mylle.
Da er schire zu ym kommen wäz,
Von brüneczwicke der edele fürst,
Der waz entschlaffen in dem grafs.

76.
Göt der walt den herren her freuwen
Vnd hat yn alczyt in der acht:
Der lewe hob an gar lüde zü schrien,
Da von der edele fürste er wacht.
Der geyst quam dart her geflogen:
Brüeneczwick wie bistü eyn man,
Du hast mich felschlichen betrogen.

77.
Er warffe den lewen geswinde her nyder
Vor den aügen hin zu hant.
Der geist wart sich balde ſwingen
In daz vor benannte land.
Da waz der fürste von herczen fröe,
Daz ym got het geholffen
Zu lande mit gesündem liebe däe.

78.
Das worden balde geware man vnd fraüwen.
Die qwamen alle dar czu.
Yder man wolt wonder schaüwen,
Waz fremdes wer komen nun
Da stunt der furste lobesam
Mit langem harre vmbhangen,
Recht ob er wer eyn wilder man.

79.
Dye mere qwamen vff die fesste
Syner lieben fraüwen für,
Wie ſollich fremde geste
Da vſzen stunden vor dem töre
Sie wern so geistlichen gestalt.
Vff stünd die fraüwe mit iren dynern
Vnd ging zu yn hyn üss vil balde.

80.
Dye fraüw sach den brüder an
Vnd mocht yn nit erkennen woll.
Sie sprach man fol yn erhin lan,
Das dire dar vssen bliben soll.
Da sprach der fürste daz foll nit syn:
Ee wolt ich dar vmb verderben
Vnd ver liſſen daz leben myn.

81.
Er hat so vil in groszen notten
Gelyden by mir jn liebe vnd in leyd,
Ee daz ich mich von ym wolt scheyden:
Frauwe, daz folt ir glaüben mir.
Da sprach die fraüwe zu iren dynern
Nü land ſie beyde ryn gar schir.

82.
Der here wart ſich yn gelaszen
Da daz gebot die fraüwe zart.
Man deth ym gütlichen vſz der massen.
Der here mit dem langen bartte
Sach ſin fraüwen gar fruntlichen an
Vnd wolt fich doch nit melden,
Biss er sach, wie ess wolt ergan.

83.
Vyl herschafft qwamen dort her geritten,
Die zu der hochgezijt worn geladen
Wol bereyt mit schönem ſytten
Sie qwamen geritten angefertte
Da gedacht der fürste lobesam
Ich getrüwe got vnd ſyner gnaden
Dem ſchympffe dem wil ich widerstan.

84.
Man wart zu dische phiffen und schrieen.
Man ſaezt yclichen nach fynem stat.
Graffen vnd ritter vnd frien.
Dar nach yelichen als er adel hat,
An den herren vnd daz dire
Liſs man in dem hoffe siczen.
Das be elent den herren schire.

85.
Sye worden frolich vnd begünden lachen
Fürsten vnd herren jn dem ſall
Heifsent vns den brüder etwaz machen
Des begerren wir alle zu mal.
Da waren bereyd dry knecht oder fyer
Die liffen in den hüffe hyn vfs
Vnd holten den herren vnd daz dire.

86.
Da ſprach der fraüwen kemmerer
Nu ſwiget alle jüngk vnd alt:
Brüder ſag vns nü nüwe mere
Wie ess in fremden landen sy gestalt.
Ir düncket mich ſin eyn weyt gewandert man:
Hant ir nit gehort oder vernommen
Von eynem fürsten lobesam?

87.
Da ſprach ich der fürste slecht
Ich habe ess alles wol gehort
Seyt ich üch die warheit recht,
So gleübent ir nit myner wort
Ich habe gesehen in kürtzer stünd,
Er kompt schire widde(r) heym zu lande
Vnd ist auch frisch vnd wol gesünd.

88.
Doch han ich wol von ym vernommen,
Da her wass myn wandels genöfs,
Wöe ich yn ſyn land bekommen
Irgent vor ſyn bürgk vnd ſlosse,
Er het eyn dochter vnd eyn jungen hern,
Die folt er ym grosen vnd ſyn fraüwen,
Der gedrüt er alles güt vnd ere.

89.
Sie worden yn alfo ſere frogen
Von manchen abenttüwer czwar..
Er fprach_ ich kan uch nit gesagen,
Fraüwen haben langes hare.
Das mercke recht, wer eſs mercken wil:
Vſz den aügen vnd vfz den herczen
Das selbe daz ist ein gewares spil.

90.
Dye fraüwe bät dem herren drincken
Sie sach yn lenger ye basse.
Da lifs er daz halbereyllee fingerlin ſincken
Hob selich in daz drinck glass.
Man bot der fraüwen widder zur hand.
Daz fingerlin lücht alfo hell,
Also wereſz gewest eyn adamant.

91.
Vnd an alles meſe wende
Sie hübe eſz vſs gar behende
Sie nam eſz gar balde jn ir hand
Da waz daz teyll dem andern glich.
Sie schrüwe we gar lüt aller myner eren,
Ich han widder daz gemachel fünden
Myn lieben man vnd mynen herren.

92.
Vnd ſo gar an alles miſſwenden
Sie zu dem edeln fürsten gingk
Vnd ſo gar mit ganezen trüwender
Gar liplich ſie yn enpfingk
Gnade mir, edeler herre myn
Ich habe an uch gebrochene
In ywer büfs wil ich ſyn.

93.
Da sprach der edele fürste zart
Swiget edele fraüwe schön:
Nemet eſz üch nit an ſo hart,
Wir wollen eſz by dem besten bliben lan.
Wiel ir noch halt üwer wiplich ere.
Het ich daz alſo verſumpt
Ich weyss nit, wie eſz gangen were.

94.
Da nü er hortte die mere,
Der die fraüven ſolt genomen han,
Er gingk vor den fürsten here
Vnd ſprach herre fürste lobesäm
Ich gebe mich gänez in uwer Gewalt,
Lebent mit mir, wie ir wolt.
Da ſprach der edele fürste gar balde.

95.
Wer ich in fremden landen verdorbene
So wereſz gewest der möt wil myn.
Hastü hie heymen nach eren geworben,
So trage ich dir nit dar yn.
Kein örtel ich dar vber finden kan
Blib by mir vor als nach
Als eyn getrüwer dinstman.

96.
Alſo kam der fürste vnd herre
Mit gottes hillffe alda zu lande
In syn güd vnd in syn ere.
Vnd hat er sücht vil fremder lande
Wonder vnd abentüwer czwar
Vnd lebt dar nach by syner fraüwen
Wol ſesch vnd ezwenczig jare.

97.
Da nü qwam die zijt vnd dage,
Daz der herre sterben solt,
Keyn mensche hort nye groszer clagen
Dan der lewen vmb den herren hat.
Er leyt sich zu ym vff daz gräb
Vnd wölt auch nit von dannen komen,
Biſz daz er auch ſyn leben vff gäb.

98.
Da wart ni ze vrkünde gegoſzen
Eyn heübscher lewen vnd ſind
Zu brüneczwick al vff dem floſse.
Da by ſol man gedencken ſyn,
Wie es ymergangen were
Mit dem lewen jn fremden landen.
Singet vns michel wyffenhere

Hie endet daz buch von dem edelle herren von
brüneczwick
amen. 
Got wol vns auch gnedig ſyn,
Wins behutten vor der helle pin

(Von späterer Hand) Got wöl vnſz auch verczeihen thon
Daſz wir fehr vil gelogen hon.




Hier hebt sich an ein Buch vom edlen Herrn von Braunschweig, wie er übers Meer fuhr.

1.
Man sagt uns hier ganz offen,
von großen Fürsten und von Herren,
wie die vor vielen Jahren
um Würde und Ehre geworben haben
und viele fremde Länder bereist,
um Abenteuer willen,
wie ich es euch hier kundtun will.

2.
Von einem lobenswerten Fürsten,
der Land, Leute, Ehre und Gut hatte
und mit dem Namen genannt wird
von Braunschweig, ein edles Blut.
Dem kam im Schlaf ein Traum vor:
Er solle das heilige Grab besuchen,
wie ich von allen höre.

3.
Eines Nachts lag er im Bett
bei seiner liebsten Frau.
Er sprach: Daß ich nie alles hatte
und auf Erden alles mein ist.
So wäre mir Zeit und Weile lang,
sollte ich so still liegen,
wenn ich nicht Lob, Ehre und Dank hätte.

4.
Da sprach die Frau ganz traurig:
Edler Fürst und auch Herr,
bleibt hier bei eurem Reich,
ihr habt Gutes genug und Ehre,
Kurzweil, Lust, Freude und Spaß.
Ihr seid auch wohl alle Wege Leute,
die euch von fremden Ländern berichten.

5.
Da sprach der milde Fürst:
Frau, laßt, was ihr wollt.
Ich kann mit meinem Helm und Schild
nicht Gottes Huld verdienen.
Ich muß Kummer, Arbeit, Elend haben.
Ich bitte euch, allerliebste Frau,
nun laßt uns beim Besten bleiben.

6.
Ihr leistet mir einen freundlichen Abschied
hier in kurzer Zeit,
mit gutem Willen von uns beiden:
Wenn mir Gott das Leben gibt,
daß ich wieder kommen mag oder kann,
will ich es euch allesamt erfreuen ,
bin ich sonst ein biederer Mann.

7.
Da die Frau mit Sitten hörte
vom edlen guten Fürsten,
dass da nicht half ihr freundliches Bitten,
dass er seinen Sinn und Mut hatte,
da sprach sie mit weinenden Augen:
Nun spare euch Gott gesund.

8.
Dem Fürsten war sein Herz bewegt
und es erbarmte ihn schwer,
daß sie ihn betrübt ansah,
dabei soll man wahrnehmen.
Das Scheiden ist eine schwere Pein,
wo sich zwei voneinander scheiden,
die gern beieinander sind.

9.
Von Braunschweig der weise Fürst
führte auch zu an allen Haß
und er wollte ihm mit ganzem Fleiß,
der ihm der Liebste im Herzen war
und auch getreu in der Mut,
dem befahl er Land und Leute,
seine schöne Frau, Ehre und auch Gut.

10.
Er sprach zu seiner schönen Frau:
Er umfing sie zu derselben Stunde.
Ich will euch zum Letzten lassen
ein Keuschheitszeichen aus meines Herzens Grund.
Er schnitt entzwei einen goldenen Fingerring.
Das behaltet, allerliebste Frau,
dabei sollt ihr meiner gedenken.

11.
Von Braunschweig der weise Fürst,
von dem man schreibt und liest,
dem ward da noch Ehre geboten
und bereitete sich zu derselben Frist
mit seinen Knechten ohne Verzug
und schied fröhlich von Land und Leuten
mit gutem Willen, wie man uns sagt.

12.
Da schied von Land der werte Degen,
um ihn weinten Jung und Alt,
da ward er auch unterwegs
in Gottes Gewalt befohlen
und auch der lieben Mutter Herr.
Daß sie ihn da pflegen sollten,
damit kamen sie ans Meer.

13.
Vorbei sagen man uns hier,
wie vom Fürsten weit und viel.
Da ward sich bereit gemacht schnell
ein Schiffmann am Meer ein Kiel.
Das ward versorgt schön mit Habe,
wie noch die großen Fürsten tun,
wenn sie zum heiligen Grab fahren.

14.
Da stießen sie von Land mit Schall
den lobenswerten edlen Fürsten.
Sie sangen in Gottes Namen alle.
Der Wind führte sie ins Meer voran.
Dass man uns daran nicht lügt:
Da er das grausame Wasser ansah,
das Elend flog ihm unter die Augen.

15.
Ihm ward auch grüßen also sehr
viel wohl, er war ein kühner Held.
Da er die Linden auf dem Meer
sah aufsteigen vielfach,
er dachte an Ehre und Gut und Ritterschaft
und an die Kosten, die er gethan.
Da gewann er wieder Mannes Kraft.

16.
Da fuhr er manchen Tag im Jahr
auf des wilden Meeres Strömen,
dass er keines Landes nie gewahr ward,
bis dass ein großer Sturmwind kam,
der trieb sie alle auf einen Ort,
da mußten sie also still liegen
und konnten weder hinter noch vor.

17.
Also hielt er in großem Kummer
und rief Gott getreu an,
einen Winter und einen Sommer,
bis daß ihnen alles da verrann
Speise und Kost, wie man uns sagt,
und ihm auch alle seine Knechte verdarben
von großem Hunger und auch Leid.

18.
Also blieb niemand im Schiff mehr,
als ein Knecht und des Herren Pferd.
Armut, Elend tat ihnen weh.
Der Knecht zog aus des Herren Schwert,
und stach das Pferd da zu Tode
und zog ihm ab auch seine Haut,
das tat er also von Hungersnot.

19.
Das Pferd ward sehr stinken und faulen,
die Weile es im Schiff lag.
Das ward einem Greif schmecken,
der an seiner Wohnung da bei flog.
Er kam geflogen mit grimmem Zorn
zu demselben großen Schiff,
da er frackt der hochgeborene Fürst.

20.
Der Greif war groß und ungeheuer.
Da ihn der Fürst recht ansah,
er machte ihm Schimpf und Freude teuer,
der Vogel brachte ihm Ungemach.
Sie legten das Pferd an ein Ende.
Da flog er seine Klauen hinein
und führte es also behende.

21.
Er brachte es seinen Jungen dreien,
da er sie im Nest hatte verborgen.
Der Herr ging mit dem Knecht zu Rate:
Nun wird es an uns beide gehen.
Wir legen ein Los in alle Gefahr:
Welcher unter uns einer verliert,
der stelle sich zuerst dem Greif dar.

22.
Der Knecht der sprach: Ach lieber Herr,
warum mutet ihr mir das zu.
Das wäre mir eine Schande und groß Unrecht,
dass ich mit euch losen sollte.
So wäre ich nicht ein getreuer Diener,
dass ich nicht in euren Nöten
mit Leib und Gut von euch stehe.

23.
Von Braunschweig der Fürst und Herr
redete das betrübliche ein Wort:
Mich reut mein Leben nicht so sehr
und als mein Gut daheim dort,
als die lieben Kinder, die ich habe,
und meine allerliebste Frau:
Ich habe mir es selbst getan.

24.
Da sie mich bat zu aller der Stunde,
dass ich daheim bleiben sollte,
mit weinenden Augen und mit Munde,
dass ich ihr nie folgen wollte
ihrem Willen und ihrem Rat,
so muss ich auch dagegen nehmen,
was mir zu Leide geht.

25.
Von Braunschweig der elende Fürst
sprach betrübliche Worte gar laut:
Seht euch vor bald und behende,
näht mich neu in die Pferdehaut.
Sein gutes Schwert er zu sich legte:
Das will ich auch bei mir haben,
wo mich Gott oder der Greif hin dreht.

26.
Den Knecht dauchte da das Beste,
da ihn sein lieber Herr bat.
Er nähte ihn also fest ein.
Danach gar schnell und getreu
kam der Greif geflogen her
zu demselben großen Schiff
und war der Haut begehren.

27.
Er flog seine Klauen scharf und tief
in die Haut, wie man hier spricht.
Er lag vernäht, recht ob er schliefe,
und durfte sich auch nicht regen.
Er brachte seinen Jungen in das Haus,
dass sie ihn fressen sollten,
da flog der Alte und der aus.

28.
Da der Herr hat vernommen,
dass er im Nest war
und der Alte davon gekommen,
ein Junges nach dem andern auf ihn fasste.
Sie kniffen ihm durch Haut und Haar,
taten ihm auch also hart,
dass er gedenken schwer.

29.
Sollte ich nun also verderben
also jämmerlich zur Hand
in der Haut als ein Schalk ersticken,
das wäre mir ewiglich Schande.
Gott gab ihm also in den Mut,
dass er sich aus der Haut schnitt
und zog von Scheiden sein Schwert.

30.
Er schlug in die Jungen geschwind,
er schlug einem nach dem andern tot.
Er dankte Maria und ihrem Kind,
dass sie ihm halfen aus der Not.
Da er sie alle erschlagen hat,
da schnitt er ihnen die Klauen ab,
die hängen zu Braunschweig in der Stadt.

31.
Er sah unter sich geschwind bald,
wo er in der Welt wäre.
Da sah er nichts als Himmel und Wald
und fürchtete sich aus der Maßen sehr,
wo der alte Greif wieder käme:
Er wüsste wohl, würde er seiner gewahr,
dass er ihm sein Leben nähme.

32.
Das Nest war groß und hoch gelegen
auf einem Felsen, wie man spricht.
Da hat er sich auch des hergewagt,
er mochte herab kommen nicht.
Er sah zu allen Orten ab zu Tal,
wie er mochte herab kommen,
da sah er eine Klamm, die war schmal.

33.
Er nahm die Klauen in beide Hände
und fing an zu steigen in Gottes Namen
und flog in des Felsens Wende so lange,
bis dass er herab kam.
Wie große Freude er da gewann.
Von Braunschweig der edle Fürst
war ein herzhafter Mann.

34.
Also ging der Fürst und Herr
in der Wildnis wieder und vor.
Er aß die Wurzeln und die Beeren.
Er ging also lange, bis dass er hörte
ein großes Geschrei von wilden Tieren.
Er dachte: Will dir Gott hier helfen,
so magst du nicht verlieren.

35.
Von Braunschweig der edle Fürst
ging dem Geschrei hinterher
durch wilde Hecken und durch Hurst.
Er kam so nahe, bis dass er sah
streiten einen Lindwurm und einen Löwen.
Von Braunschweig der edle Fürst
sich hinter einem Baum verbarg.

36.
Er dachte in seinem Herzen nun:
Willst du die Abenteuer sehen.
Der Lindwurm stellte dem Löwen zu
und scheucht ihn also mit dem Feuer.
Da das Tier sah der werte Mann,
wie bald er zu dem Löwen sprang:
Ich will dir stetig hier beistehen.

37.
Du dünkst mich sein ein edles Tier
und bist mir dazu wohl bekannt.
Da bereitete er sich gar schnell,
das Schwert nahm er in die Hand.
Da das der Löwe inne ward,
wie bald er vor den Herren sprang
und neigte dem edlen Fürsten zart.

38.
Da der edle werte Fürst
von dem Löwen das er sah,
daß er Freundschaft zu ihm begehrte,
der Herr zu Stund da wider sprang:
Ich will dir stetig hier bei stehen
und sollte ich hier bei dir verderben.
Er lief den Lindwurm leicht an.

39.
Er schlug auf ihn mit ganzen Kräften
mit dem Schwert aus grimmem Zorn.
Das Schwert wollte auf ihm nicht haften,
denn er war eitel Horn.
Da tat ihm Gott viel Hilfe scheinen.
Da sie nun mit einander fochten,
da stach er ihn zum Munde hinein.

40.
Da töteten sie den Lindwurm geschwind
mit Gottes Hilfe in dem Walde.
Der Herr ward sein innen bald.
Er grub ihm die Wurzeln aus der Erden
und auch viel der guten Kräuter
und brachte sie dem werte Fürsten.

41.
Der Löwe war dem Herren getreu,
wo er mit ihm hinging,
was er hassen und wilde Tiere
ergreifen mochte oder fing,
die schlug er um die Bäume so sehr,
dass sie weich und lind wurden
und sie aß der Fürst und Herr.

42.
Also ging der reiche Fürst
in der Wildnis manche Zeit.
Der Löwe wollte von ihm nicht weichen,
er war stets bei ihm an seiner Seite,
Tag und Nacht, spät und früh.
Wollte auch von ihm nicht kommen,
da kamen sie auf ein Wasser zu.

43.
Das Wasser das war groß und breit,
da bei ein großer Berg auch lag.
Herr Gott, gib mir dein Geleit,
dass ich wieder kommen mag,
so wird es besser hier um mich:
Hilf mir aus dieser Wildnis.
Lieber Herr, das bitte ich dich.

44.
Er ging das Wasser auf und ab
und sah betrüblich wider und vor.
Gott ihm in den Sinn gab,
dass er flechten eine Hürde sollte.
Da hub er an zu derselben Frist
eine schöne Hürde zu machen
nach dem Besten, das er von Sinnen wist.

45.
Da die Hürde nun ward gemacht
auf das Beste, das er bedacht hat,
und auf das Wasser ward gelegt,
der Herr nahm heimliche Flucht
von dem starken Löwen Grimm.
Er fürcht, käme er zu ihm auf die Hürde,
er brächte ihn um das Leben sein.

46.
Da stieß er sich von Lande da
wohl zweier Spieße lange.
Der Löwe ward sein innen da,
wie bald er zu ihm auf die Hürde sprang.
Wo sich die Hürde senkte niederwärts,
so sprang er auf die andere Seite
und drängte sie auf wieder.

47.
Also fuhr der reiche Fürst
mit dem Löwen sicherlich.
Das Wasser war schnell und stark
und trieb sie alles unter sich
zu einem großen Berg ohne Wahn.
Da musste das selbe große Wasser
zu einem finstern Loch hineingehen.

48.
Da der Fürst unversehrt
das grusliche Loch recht ansah,
er rief an Maria, die kaiserliche Magd:
Behüte mich vor Ungemach.
Ich bin es alles wohl gewert,
Kummer, Arbeit und auch Elend,
das ich daheim habe begehrt.

49.
Da fuhr der edle Fürst mit Sorgen
zu dem finstern Loch hinein,
einen langen Tag und eine Nacht verborgen,
daß ihm keines Lichtes nie ward Schein,
bis er sah einen Karfunkelstein,
der leucht und brannte sich also hell,
als wären hundert Lichter gewesen bei ein.

50.
Er konnte auch da nicht erkennen,
was das in dem Berg wäre.
Da er es sah so hell brennen,
er fürchtete sich ohne Maßen sehr:
Gott behüte mich vor Ungefälle.
Mich trügen wohl alle meine Sinne,
so komm ich zu der bittern Hölle.

51.
Also mußte er voran schalten
von des strengen Wassers Not
und mochte nicht länger still gehalten.
Da kam er an den Karfunkel rot.
Aus zog er sein Schwert scharf und lang
und stach fröhlich in den Berg,
daß ein Stück auf die Hürde sprang.

52.
Der Herr da große Freude gewann,
als von des klaren Steines Glanz
das Wasser trieb ihn bald davon.
Er fuhr so fern und so schnell,
bis dass er aus dem Berg kam.
Von Braunschweig der edle Fürst
war ein kläglicher Mann.

53.
Da fiel er nieder auf die Knie
und dankte dem allmächtigen Gott,
dass er ihm hat geholfen hier
aus solcher großer Not,
die er in dem Berg hat.
Von Braunschweig der edle Fürst
Gott mit Fleiß und Ernst bat,

54.
daß er ihn sollte weisen und führen,
wer es anders sein lieber Wille,
Wege, die ihn zu den Leuten dröge.
Der Löwe stand bei dem Herren still.
Da wollte er ein wenig voran gehen
über eine weite Heide.
Da sah er eine Burg vor ihm stehen.

55.
In einem wüsten Bruch und Röhricht will.
Der Herr kam ihr also nahe no.
Er klopfte fröhlich an das Tor.
Der Pförtner der war bald da.
Er tat ihm auf zu derselben Stunde.
Da ihn der Herr ansah,
da hatte er seine lichten Mut.

56.
Er war do in also sehr fragen,
von wo er auch käme nun.
Er konnte es ihm auch nicht sagen.
Der Pförtner der floss wider zu
und sagte dem Herren auf der Burg die Märe,
wie also ein grusliches Tier
und ein Mann vor der Pforte wäre.

57.
Die Herren begannen zu ihm zu sagen:
Lass ihn zu uns herein gehen,
dass wir mögen ihn sehen,
das Tier und auch den fremden Mann,
wie sie sind also gestaltet.
Da lief der Knecht also behende
und ließ sie ein gar bald.

58.
Und an alles Maße Wende
führten sie ihn in den Saal.
Er hatte den Löwen in der Hand,
die Herren hatten all zu mallwondr
lange Schnäbel mannigfalt.
Von Braunschweig der edle Fürst
einen nach dem andern ansah.

59.
Sie wurden je also sehr fragen
von mancherlei Geschichte.
Er konnte es ihnen auch nicht sagen,
denn er verstand die Sprache nicht.
Da kam eine deutsche Frau angefahrt,
die war auch auf die Burg gekommen,
die brachte man dem Herren dar.

60.
Sie ward dazu ihm rufen
und umfing ihn zu derselben Stunde.
Das ward dem Herren wohl gefallen.
Der Herr tat der Frau kund,
wie es um seine Sache gelegen wäre,
wie er mit solcher großen Not
war aus der Welt kommen her.

61.
Da die Frau das hörte,
sie fragte je den Herren fort,
wie es um seine Sache stehe.
Danach schied ungern diet.
Da trug man ihm vor Speise und Kost
nach des selben Landes Sitten
des Besten, so man da wuste.

62.
Die Frau ward sich zu dem Herren halten,
sagt uns des Buches Lehre,
und gar freundlich mit ihm schimpfen.
Das verdross die geschnäbelten sehr,
dass sie Freundschaft zu ihm gewann.
Sie wäre auch gern gewesen zu Lande,
da möchte sie auch von ihm nicht kommen.

63.
Da die geschnäbelten Leute das bedachten,
dass sie Freundschaft zu ihm gewann,
einer stieß den andern, dass er strauchelte,
und wollten ihn geschlagen han.
Da hetzte er den Löwen an sie.
Der riss ihnen ab die Schnabelmäuler,
wenn sie ihm zu nahe kamen.

64.
Der Löwe schrie mit lauter Stimme,
dass es in der Burg her hallte.
Er flog in sie mit großem Grimm.
Diese Wunden an Zahl
die wurden getan zu derselben Frist
von dem starken Löwen und Herren,
als noch mancher kofich Mann ist.

65.
Da der lobenswerte Fürst
die geschnäbelten Leute alle überwand,
die deutsche Frau er mit ihm nahm.
Er führte sie hinweg allda zu Hand.
Gott wollte den Herren nie gelan,
als will er noch den Ginen tun,
die ihn getreu Fragen wollen.

66.
Von Braunschweig der Fürst und Herr
wollte sich aber voran gehen.
Da kam er unter das wüde Heer,
da die bösen Geister ihre Wohnung han.
Da begegnete ihm einer auf der Fahrt,
der war gruselig und ungeheuer.
Da aber erschrak der Fürst zart.

67.
Da der edle Fürst und Herr
vernahm und hörte, wer er war,
er beschwor ihn sehr hart und sehr,
du mußt mich bescheiden besser:
Du mußt mir dazu sagen mehr,
wie es um meine Kinder daheim
und um meine liebe Frau stehe.

68.
Der Geist da mit grimmem Zorn
wider da zu dem Herren sprach:
Du hast mich also hart beschworen,
dass mir nie so weh geschah
und ich dir nicht verschweigen kann:
Braunschweig, du sollst wissen,
deine Frau will einen andern Mann nehmen.

69.
Da der edle Fürst zart
von dem Geist hörte solche Antwort,
er beschwor ihn weiter aber bei Gottes Kraft
und bei seiner Marter groß:
Du musst mich und meinen Löwen
führen vor mein Schloß.

70.
Der Geist sprach sich da gar eben:
Ich will dir sagen, was es ist.
Ich will dir ein Geteiltes geben
hier in kurzer Frist.
Finde ich dich schlafend an der Stat,
wenn ich dir deinen Löwen bringe,
das sollst du mich wissen lassen gar schnell.

71.
Wenn ich dich vor dein Schloss stelle,
daß du es siehst vor dir liegen,
willst du dich mir und meinen Gesellen
geben hier zu Eigen,
wenn ich dich beim bringe scheyre
und auch deinen lieben starken Löwen:
Willst du nach meiner Begier?

72.
Der edle lobenswerte Fürst
der ward aber bekümmert sehr.
Er rief Gott getreu an
und sprach: Ach herzlich lieber Herr,
tu mir dein Rat und Hilfe schein,
dass ich Leib und Seele behalte
und beide die Ehre der Frauen mein.

73.
Gott der Herr mit seiner Güte
tat ihm bald dies offenbaren.
Gab ihm schnell in sein Gemüte,
dass er mit dem Geist sollte fahren.
Da ward die Gelübde von dem Herren getan:
Findest du mich also schlafend,
so sollst du mich zu Eigen han.

74.
Der Herr ward sich aufgeladen,
tut uns das Buch nun hier kund:
Von dem Geist an allen Schaden.
Er führte ihn wider in sein Land,
er setzte ihn vor sein Burg gar feste.
Finde ich dich also schlafend,
du weisst wohl, was du mir versprochen hast.

75.
Ich will dir nun deinen Löwen bringen,
auch gar in seiner Seele (?).
Der Geist ward sich bald schwingen
in kurzer Stunde manche Meile.
Da er schnell zu ihm kommen war,
von Braunschweig der edle Fürst,
der war entschlafen in dem Gras.

76.
Gott der waltet den Herren her freuen
und hat ihn allzeit in der Acht:
Der Löwe hob an gar laut zu schreien,
davon der edle Fürst erwacht.
Der Geist kam daher geflogen:
Braunschweig, wie bist du ein Mann,
du hast mich falsch betrogen.

77.
Er warf den Löwen geschwind hernieder
vor den Augen hin zur Hand.
Der Geist ward sich bald schwingen
in das vor benannte Land.
Da war der Fürst von Herzen froh,
dass ihm Gott geholfen hat
zu Lande mit gesundem Leibe da.

78.
Das wurden bald gewahr Mann und Frauen.
Die kamen alle dar zu.
Jeder Mann wollte Wunder schauen,
was Fremdes war gekommen nun.
Da stand der Fürst lobenswert
mit langem Haar umhangen,
recht ob er war ein wilder Mann.

79.
Die Märe kamen auf die Feste
seiner lieben Frau für,
wie solch fremde Gäste
da draußen standen vor dem Tor,
sie wären so geistlich gestaltet.
Auf stand die Frau mit ihren Dienern
und ging zu ihnen hinaus vil bald.

80.
Die Frau sah den Bruder an
und mochte ihn nicht erkennen wohl.
Sie sprach: Man soll ihn herein lassen,
das Tier da draußen bleiben soll.
Da sprach der Fürst: Das soll nicht sein:
Ehe wollte ich darum verderben
und verlieren das Leben mein.

81.
Er hat so vil in großen Nöten
gelitten bei mir in Liebe und in Leid,
ehe dass ich mich von ihm wollte scheiden:
Frau, das sollt ihr glauben mir.
Da sprach die Frau zu ihren Dienern:
Nun lasst sie beide rein gar schnell.

82.
Der Herr ward sich eingelassen,
da das gebot die zarte Frau.
Man tat ihm gütlich über die Maßen.
Der Herr mit dem langen Bart
sah seine Frau gar freundlich an
und wollte sich doch nicht melden,
bis er sah, wie es wollte ergangen war.

83.
Viel Herrschaft kam dort her geritten,
die zu der Hochzeit waren geladen,
wohl bereitet mit schönem Gewand.
Sie kamen beritten angefahren.
Da dachte der lobenswerte Fürst:
Ich getraue Gott und seiner Gnade,
dem Schimpf dem will ich widerstehen.

84.
Man ward zu Tische gepfiffen und geschrien.
Man setzte jedlichen nach seinem Stand.
Grafen und Ritter und Freie.
Danach jeglichen als er Adel hat,
an den Herren und das Tier
ließ man in dem Hofe sitzen.
Das behandelte den Herren als Fremden.

85.
Sie wurden fröhlich und begannen lachen,
Fürsten und Herren in dem Saal.
Befehlt uns den Bruder etwas vorzuführen,
des begehren wir alle zu mal.
Da waren bereit drei Knechte oder vier,
die liefen in den Hof hinaus
und holten den Herren und das Tier.

86.
Da sprach der Frau Kämmerer:
Nun schweigt alle jung und alt:
Bruder, sagt uns nun neue Märe,
wie es in fremden Ländern ist gestaltet.
Ihr dünkt mich sein ein weit gewanderter Mann:
Habt ihr nicht gehört oder vernommen
von einem lobenswerten Fürsten?

87.
Da sprach sich der Fürst schlecht:
Ich habe es alles wohl gehört.
Sagt ich euch die Wahrheit recht,
so glaubt ihr nicht meinem Wort.
Ich habe gesehen in kurzer Stunde,
er kommt schnell wider heim zu Lande
und ist auch frisch und wohl gesund.

88.
Doch habe ich wohl von ihm vernommen,
da her was mein Wandels Genosse,
wo ich in sein Land bekommen
irgend vor sein Burg und Schloss,
er hätte eine Tochter und einen jungen Herrn,
die sollte er ihm grüßen und seine Frau,
der zollt er alles Gut und Ehre.

89.
Sie wurden ihn also sehr fragen
von manchen Abenteuern schwer.
Er sprach: Ich kann euch nicht sagen,
Frauen haben langes Haar.
Das merke recht, wer es merken will:
Aus den Augen und aus den Herzen
das Selbe das ist ein gewisses Spiel.

90.
Die Frau bat dem Herren zu trinken,
sie sah ihn länger je bas.
Da ließ er das halbe Fingerlein sinken,
legt selig in das Trinkglas.
Man bot der Frau wider zur Hand.
Das Fingerlein leucht also hell,
also wäre es gewesen ein Diamant.

91.
Und an alles Maße Wende
sie hub es aus gar behende.
Sie nahm es gar hold in ihre Hand,
da war das Teil dem andern gleich.
Sie schrie weh gar laut aller meiner Ehren:
Ich habe wider den Gemahl gefunden,
meinen lieben Mann und meinen Herren.

92.
Und so gar an alles Mißwenden
sie zu dem edlen Fürsten ging
und so gar mit ganzen Treuen
gar lieblich sie ihn empfing.
Gnade mir, edler Herr mein,
ich habe an euch gebrochen,
in eurer Buße will ich sein.

93.
Da sprach der edle Fürst zart:
Schweigt, edle Frau schön:
Nehmt es euch nicht so schwer,
wir wollen es beim Besten bleiben lan.
Weil ihr noch haltet eure weibliche Ehre.
Hätte ich das also versäumt,
ich weiß nicht, wie es gegangen wäre.

94.
Da nun er hörte die Märe,
der die Frau sollte genommen han,
er ging vor den Fürsten her
und sprach: Herr Fürst lobenswert,
ich gebe mich ganz in eure Gewalt,
lebt mit mir, wie ihr wollt.
Da sprach der edle Fürst gar bald.

95.
Wäre ich in fremden Ländern verdorben,
so wäre es gewesen der Mut Wille mein.
Hast du hier heim nach Ehren geworben,
so trage ich dir nicht dar in.
Kein Örtel ich darüber finden kann.
Bleib bei mir vor als nach
als ein getreuer Diener.

96.
Also kam der Fürst und Herr
mit Gottes Hilfe allda zu Lande
in sein Gut und in seine Ehre.
Und hat er gesucht viel fremder Länder,
Wunder und Abenteuer schwer,
und lebte danach bei seiner Frau
wohl sechs und zwanzig Jahre.

97.
Da nun kam die Zeit und Tage,
dass der Herr sterben sollte,
kein Mensch hörte nie größer Klagen
denn der Löwe um den Herren hat.
Er legte sich zu ihm auf das Grab
und wollte auch nicht von dannen kommen,
bis dass er auch sein Leben aufgab.

98.
Da ward als Urkunde gegossen
ein hübscher Löwe und steht
zu Braunschweig all auf dem Schlosse.
Dabei soll man eingedenl sein,
wie es immer gegangen wäre
mit dem Löwen in fremden Landen.
Singet uns große Wyffenhere.
 
Hier endet das Buch vom edlen Herren von Braunschweig. Amen. Gott wol uns auch gnädig sein,
uns behüten vor der Hölle Pein.

(Von späterer Hand) Gott wol uns auch verzeihen tun,
daß wir sehr viel gelogen haben.




Anmerkung: Vom spätmittelalterlichen Text mit zu unterstellenden kleinen Fehlern über den Abdruck von 1830 bei Wolff, dem Scanvorgang dank der KI Grok mit seiner Texterkennungsfunktion zur richtigen Übersetzung war ein weiter Weg. Grok hat mir auch die Basisübersetzung geliefert, die aber nicht fehlerfrei war und vielfach korrigiert werden mußte. Eine Übersetzung in unser Deutsch gab es anscheinend bisher nicht. Bei der Texterkennung hat Grok sich meistens geirrt, wo im Druck von 1830 ein langes s (ſ) stand und die KI statt dessen ein f gelesen hat.

Trotz Nutzung mittelhochdeutscher Wörterbücher konnte auch ich nicht mit jedem Wort etwas anfangen. Was ist eine Wyffenhere? Was sind (Strophe 65) Ginen? Vielleicht schreibt es mir jemand, damit ich hier und da nachkorrigieren kann.

Heinrich der Löwe (hinten) und seine Gemahlin, Sarkophag im Braunschweiger Dom (Foto: eigenes)