Der Krieg zwischen den afghanischen Taliban und den USA ist vorbei. Die USA haben ihn auf der ganzen Linie verloren. Die Paschtunen wollten sich in ihrer Mehrheit partout nicht „westlich“ amerikanisieren lassen
In den deutschen Medien und Parteien ist der Jubel über den Frieden so gedämpft, daß man nichts von ihm hört. – „Frieden!“ – Wo bleibt das medialen Glockenläuten, die Böller, die Sektkorken?
Hieß es nicht jahrzehntelang, Friede gehe über alles, alle deutsche Politik müsse ihm dienen, von deutschem Boden dürfe nie wieder Krieg ausgehen und so weiter und so weiter? Warum sehe ich keine strahlenden Pazifistenaugen, in denen sich der Glanz langer Lichterketten widerspiegelt?
Hieß es nicht in stereotyper Phrase: „Stell dir vor, es wäre Krieg, und keine geht hin?“ Nun, als der afghanische Krieg vor den Toren der Provinzhauptstädte und schließlich Kabuls aufmarschierte, ging tatsächlich keiner hin. Jedenfalls kein Soldat und kein Polizist der Kabuler Marionettenregierung mit ihrer Operettenarmee. Werden unsere medialen Friedensfreunde ihnen jetzt Denkmäler für ein paar hunderttausend bekannte Deserteure bauen?
Nicht nur die Friedens-Seifenblase unserer üblichen linken Pazifisten ist geplatzt. Fundamentale Pazifisten waren sie immer, wenn die Interessen unserer eigenen Freiheit auf dem Spiel standen wie bei der Nachrüstung. In militante Glaubenskrieger verwandeln sie sich immer dann, wenn sich irgend jemand ihrer globalistischen Ideologie verweigert. Daß es in Hongkong unter der roten Fahne keine Menschenrechte gibt und im islamischen Afghanistan keine Frauenrechte geben wird, treibt sie zur Weißglut. Darum vermögen sie sich auch über den Frieden nicht zu freuen. Es ist nicht ihr Friede.
Der Schnellzug der Realität hat schon manchen ideologischen Dreiradfahrer überrundet. Unsere Bürger-, Grund- und Menschenrechte sind Ausdruck unserer Identität und unseres Verständnisses von Freiheit, gelten aber keineswegs global oder gar universell. Feierlich unterzeichnete Deklarationen sind das Papier nicht wert, wenn sie in der Realität nicht eingehalten werden.
Bildern in den sozialen Medien zufolge wurden die Taliban in Kabul von vielen Menschen freudig empfangen. Andere suchten sich durch Hintertüren in Sicherheit vor der Vergeltung ihrer Landsleute zu bringen. In amerikanischem Sold lebt es sich bequem, aber nur bis zum Abzug der USA. Das Gros der von amerikanischem Geld bezahlten, tatsächlich meist schlecht besoldeten Truppen Kabuls hatte keine Lust für den reichen Onkel aus Amerika zu kämpfen, wenn dieser schon seine Koffer packt. Ein paar Minderheiten sind jetzt traurig. Mehrheitlich bedeutet das Kriegsende für die meisten Afghanen schlicht: endlich Friede!
Die reale Welt ist nicht eindimensional und abstrakt wie kategorische Prinzipien, sondern bunt und vielfältig. In ihr ist Platz für völlig unterschiedliche Völker mit diametral entgegengesetzter materieller Kultur und einander widersprechenden geistigen Entwürfen vom guten Zusammenleben. Sie gliedert sich in verschiedene Völker und Kulturen auf. Multikulturalität gibt es tatsächlich: auf globaler Ebene. Innerhalb eines Landes ist sie aber kein stabiler Kulturzustand. 1979 schrieb ich:
Wer aber von den Völkern schweigt, soll nicht von den Menschen sprechen. In erster Linie gebührt jedem das Recht, sich gemäß seiner Eigenart selbst zu verwirklichen, als Massai, als Indianer, als Baske, Kirgise, Elsässer. Solange ihm dieses fundamentale Menschenrecht genommen ist und ihm fremde Lebens- und Denkweise aufgezwungen wird, ist jeder “Klassenstandpunkt” für ihn zweitrangig, möglicherweise aber auch das, was uns als westliche “Lebensqualität” oder demokratisches Recht unverzichtbar erscheinen mag. Wenn Millionen Araber es wollen, daß Verbrecher nach den Gesetzen des Korans Strafen erleiden, die uns “unmenschlich” erscheinen – sollen sie doch! In Wahrheit denken sie lediglich uneuropäisch, und das ist ihr gutes Recht. Zeit und Raum, Ordnungsdenken und Sprachstruktur sind kulturrelativ.
Klaus Kunze, Ethnopluralismus – Prinzip der Zukunft, Student, Mai 1979
Ich verstehe das nicht als Aufforderung oder politisches Programm. Wir haben weder die Aufgabe, unsere Ideen am Hindukusch tapfer vorwärs zu verteidigen und eine fremde Kultur umzukrempeln, noch die Aufgabe, uns einen Ethnopuralismus auszudenken und die Welt mit ihm zu beglücken. Es würde völlig genügen, ein wenig bescheidener zu werden und die reale Welt mit pragmatischen Augen zu betrachten. In Übersee wartet niemand darauf, daß am deutschen Wesen und ihrem Humanitarismus die Welt genesen soll.
Dies auch nur versucht zu haben, zeigt den ganzen Irrwitz der Ideologie unserer linken Parteien einschließlich der linksliberalen Union auf. Sie alle haben sich mit ihrem Afghanistan-Engagement schwer verhoben. Völlig unfähige Minister tragen die Verantwortung für eine in weiten Teilen gar nicht einsatzfähige Bundeswehr, für Geheimdienste, die erst von der Machtergeifung der Taliban erfuhren, als diese sich schon in Kabuls Präsidentenpalast im Regierungssessel lümmelten und für eine Rettungsaktion fünf Minuten nach zwölf.
Als Fachleute für das Bilden mächtiger Seilschaften in ihren Parteien, für das plakative Herausstellen frommer Sprüche und aalglatter, mehrheitsfähiger Rhetorik sind sie unschlagbar. Aber wohin auch immer wir in diesen Monaten blicken: Staatsversagen an allen Ecken und Enden. Konkret versagen dabei die Exponenten unseres Parteiensystems, deren Macht weniger auf fachlicher Qualifikation beruht, als auf Omnipräsenz in ihren halbstaatlichen Propagandamedien.
Man darf sich gar nicht vorstellen, wenn bis an die Zähne bewaffnete Fanatiker wie die Taliban auf Berlin zu marschieren würden. Unsere Verantwortlichen wären mit dem Kampf gegen Rechts, der Arbeitszeitverordnung für die Bundeswehr und rosaroten Plüschtieren als Regimentsabzeichen so beschäftigt, daß der ganze Laden wie ein Hühnerhaufen auseinanderstieben würde, wenn der Habicht kommt. Sie haben versagt und mit ihnen das von ihnen geschaffene System.
Es geht dabei nicht um den Moment. Es geht um eine ganze Sequenz. Es geht nicht um Personen. Es geht um Strukturen und Institutionen. Es geht um das Relevante, nicht um den Radau. Es geht um die Dysfunktionalität einer Staatlichkeit, die im Helmut-Schmidt-Wahlkampf des Jahres 1976 noch als „Modell Deutschland“ auf den Plakaten stand – und ihm den Wahlsieg bescherte. Dieses Modell Deutschland ist im Nebel der Geschichte verschwunden. Früher meinte das Wort „Staatsversagen“ einen Skandal, heute beschreibt es die Normalität.
Gabor SteingaRT
Sie bilden innergesellschaftlich einen pseudointellektuellen Wasserkopf, den im Ernstfall niemand braucht und der im Ernstfall nutz- und hilflos ist. Auch in Kabul haben die ersten jungen Frauen ihren Abschluß in Gender-Studien gemacht. Man hat ihnen eingeredet, damit einen existenziell wichtigen Beitrag zu leisten. In Deutschland gibt es mehr Lehrstühle für Genderismus als für Hydrologie. Dann kam das Hochwasser, und ein rheinischer Innenminister entblödete sich nicht mit der Ausrede, er habe zwar von kommendem Starkregen erfahren, nicht aber, wo genau dieser niedergehen werde.
Die Realität wird sie alle irgendwann einholen.
Krönert
klasse geschrieben!
Uwe Lay
Zwangsbeglückung
Nachdem die “Rote Armee” gescheitert ist, die Afghanen mit ihrem Sozialismus zu beglücken, sind nun die USA und ihre Verbündeten ebenso gescheitert, diesem Volk von den Vorzügen des westlichen Lebens zu überzeugen. Sie wollen halt anders leben als diese zwei Erziehungsmächte es ihnen vorschreiben wollten.
Es sei daran erinnert, daß die Legitimierungsversuche des Angriffskrieges gegen Afghanistan damals sehr dürftig waren. Die USA besaßen keine überzeugenden Beweise dafür, daß Bin Laden wirklich für den Terroranschlag verantwortlich war und noch weniger Beweise für eine Unterstützung Bin Ladens durch die afghanische Regierung, ja nicht ganz unbegründet scheint der Verdacht, daß ein amerikanischer Geheimdienst selbst den Terrorangriff inszeniert hat, um so Kriege gegen die islamisch-arabische Welt zu legitimieren. Jetzt befreit sich Afghanistan faktisch von den Besatzungsmächten und der von ihnen installierten Regierungen.
Jessica Fischer, USA
Google Übersetzung:
Was du schreibst, ist für mich so offensichtlich. Ich kann nicht verstehen, wie andere, besonders die Linke, so offensichtliche Dinge nicht begreifen können. Ich bin verblüfft über die Dummheit. Der Versuch, eine Gesellschaft zu zwingen, anderen Standards zu folgen, funktioniert nicht! Es wäre, als ob die Taliban eine westliche Zivilisation zwingen würden, ihren Standards zu folgen und sie einzuhalten. In der Sekunde, in der die Taliban die westliche Nation verlassen würden, würden wir sofort zu unseren kulturellen und moralischen Standards zurückkehren. Auf keinen Fall würde ich weiterhin ihre Regeln und Ideen befolgen, als sie sich zurückzogen. Das ist für mich so offensichtlich. Tragischerweise verfügen diese Terroristen jetzt über einige der besten Waffen, die die Vereinigten Staaten zu bieten haben. Das muß Dummheit gemischt mit Wahnsinn sein.
Wolfgang Meier
“Aber wohin auch immer wir in diesen Monaten blicken: Staatsversagen an allen Ecken und Enden.”
Besser kann man die Realität nicht beschreiben und genau dies macht auch noch ein wenig Hoffnung, denn irgendwann könnten es alle kapieren.