Das rechte Weltbild als Befreiungsphilosophie gegen die Herrschaftsideologien[1]

Die proto-rechte Denkstruktur  und das rechte Weltbild

1. Denkstruktur und Denkinhalt

2. Merkmale der rechten Denkstruktur

3. Die politische und soziale Funktion.

4. Rechte Erben des bürgerlichen Weltbildes

5. Emotionale Merkmale des rechten Weltbildes

6. Abgrenzungen

(1) Religionen.

(2) Liberalkonservative

(3) Kollektivismus

7. Strategisches

(1) Die nihilistische Zerstörungswaffe

(2) Die So-tun-als-ob-Devise

(3) Das Sinnangebot der Selbsterhaltung

8. Rechtsextremismus

Die proto-rechte Denkstruktur  und das rechte Weltbild

Wer jeweils Freund und Feind ist, hängt von der gegebenen historischen Lage ab. Diese kann sich ändern. Die geistesgeschichtliche und politische Lage ist heute grundlegend verschieden von der etwa aus den 1920er Jahren. Darum kann auch die Rechte nicht mehr sein, was sie damals war.

Darum möchte ich Sie heute auf die bleibenden Strukturmerkmale und Voraussetzungen rechten Denkens hinweisen. Ich möchte diese bewußt machen, dadurch die potentielle Durchschlagskraft rechter Argumentation erhöhen und die uns zur Verfügung stehenden geistigen Waffen schärfen.

Dabei ist mir bewußt, auf Widerspruch zu stoßen, wo jemand sich als rechts versteht, dieses Selbstverständis aber mit einem fundamentalistischen religiösen Glauben verbindet, ebenso auch bei den Liberalkonservativen, die im Grunde Liberale sind und den Liberalismus konservieren möchten. Mit beiden Gruppen gemeinsam haben Rechte den Gegner und kämpfen Seite an Seite oft für dieselben inhaltlichen Werte. Sie unterscheiden sich aber in ihrer Denkstruktur und damit auch in letzter Konsequenz in vielen inhaltlichen Positionen.

Ich stelle Ihnen insgesamt ein idealtypisches Bild der strukturellen Voraussetzungen rechten Denkens vor. Idealtypisch ist es, weil seine Einzelmerkmale ein kohärentes Ganzes bilden und kein Merkmal im Widerspruch zum anderen steht. Weltbilder, bei denen ein Postulat im Widerspruch zu einem anderen steht, sind leicht angreifbar. Sie haben keinen dauerhaften Bestand, so wie beispielsweise ein Verständnis von Christentum keinen Bestand haben konnte, das jeden einzelnen Menschen als gottesebenbildlich ansieht und befiehlt, seinen Nächsten zu lieben, auf der anderen Seite aber anordnet, man dürfe den Ketzer nicht leben lassen.

1. Denkstruktur und Denkinhalt

Rechtes Denken beruht auf einer Denkstrukur mit rational nachvollziehbaren Merkmalen. Diese führen aber nicht zwangsläufig zu rechten Denkinhalten. Rechte Denkinhalte wachsen originär aus Gefühlswerten wie der Liebe oder dem Selbsterhaltungstrieb. Die aus diesen Gefühlen naheliegende Vaterlandsliebe beispielsweise ist also ein Denkinhalt, den nicht jeder teilen muß, selbst wenn er von der Denkstruktur alle Voraussetzungen rechten Denkens mitbringt.

2. Merkmale der rechten Denkstruktur

Eine proto-rechte Denkstruktur bildet die Voraussetzung für ein inhaltlich rechtes Weltbild. Eine meiner zentralen Thesen beruht auf der Beobachtung, daß die strukturellen Einzelmerkmale eines proto-rechten Weltbildes einander bedingen und insgesamt ein zusammhängendes Ganzes bilden. Ein Merkmal folgt konsequent aus dem anderen. Stellen Sie sich diese Einzelmerkmale, es sind sieben, als Siebeneck vor. Diese sieben Eckmerkmale sind das rationale Denken, das skeptische Denken, das naturwissenschaftliche Denken, das realistische Denken, das Entscheidungsdenken, das geschichtliche Denken und das vergleichende Denken.


Die strukturellen Merkmale proto-rechten Denkens gehören zusammen.

Des Denkens aller Anfang ist die Neugierde. Um zweckgerichtet handeln zu können, müssen wir wissen, ob die uns umgebenden Phänomene sind, was sie zu sein scheinen, ob wir in einer Matrix leben oder ob wir bloß träumen. Alle Menschen möchten realitätsbezogen handeln. Schlichte Gemüter wie die Zeugen Jehovas schlagen dazu die Bibel auf und entnehmen dieser ihre Realität. Für einen naturwissenschaftlich gebildeten Menschen unserer Tage ist aber nur real, daß irgendwann einmal irgendwelche Leute jenes Buch geschrieben haben. Alles andere wäre erst zu beweisen.

Logisch eng miteinander verknüpft sind das skeptische Denken, das vergleichende Denken und das geschichtliche Denken. Diese Denkstile hatten sich in der Phase der sogenannten antiken griechischen Aufklärung bereits ausgeprägt. Der mit allen antiken Schriften eng vertraute Michel de Montaigne hat das Ende des sechzehnten Jahrunderts in seinen Essais neu begründet. Ihm fiel auf, wie viele unterschiedliche Völker, Kulturen, Moralvorstellungen und Religionen es gibt, von denen schon die bloße Existenz der einen die Wahrheitsansprüche aller anderen relativierte.

Selbstverständlich ging es ihm dabei nicht um historische oder theologische Quisquilien. Michel de Montaigne kannte bereits die Schriften Niccoló Machiavellis, der keinen Gedanken daran verschwendet hatte, ob irgendeine Religion, eine Konfession oder ein Moralgebot etwas mit “Wahrheit” zu tun hatte. Machiavelli hatte erkannt, daß alle diese Wahrheitsbehauptungen in ihrer konkreten politischen Funktion auf die Stabilisierung von konkreten Machtverhältnissen hinausliefen. Ein erfolgreicher Fürst, schrieb er, müsse nicht in moralischen Sinne gut sein, er müsse aber von seinen Untertanen dafür gehalten werden.

Wer das einmal verstanden hat, wundert sich nicht, wenn unsere Herrscher uns mit Klimaabgaben überziehen, während sie selbst fröhlich in der Weltgeschichte herumjetten. Sie müssen sich persönlich nicht klimafromm verhalten, sie müssen nur vom Volk für klimafromm gehalten werden, um ihre Herrschaft zu stablilisieren. Diese soziologische Sicht nimmt Religionen und moralische Gebote niemals zu ihrem Nennwert, sondern fragt: Stehen die Machtinteressen, die hinter diesen Geboten stehen, mit meinen eigenen Interessen in Einklang?

Das skeptische und realistische Denken ist niemals gläubig. Es verzichtet darauf, rein spekulative Konstrukte wie ein Jenseits, Dinge hinter den Dingen oder in den Dingen verborgene magische Kräfte in sein Bild von der Realität einzubeziehen. Es ist strikt antimetaphysisch.

Ein Skeptiker wird darum, was er für Realität hält, nicht in göttlichen Geboten oder Moralgeboten suchen, sondern in nachweisbaren Tatsachen. Die wissenschaftliche Methode, diese Tatsachen herauszufinden, ist der Empirismus. Darum steht Naturwissenschaft für alles skeptische Denken hoch im Kurs. Politische, religöse oder moralische Forderungen, die mit naturwissenschaftlichen Tatsachen unvereinbar sind, lehnt dieses Denken ab.

Vor moralisierendem Einschüchterungsvokabular wie “Gendergerechtigkeit” zuckt Skeptizismus  die Achseln und verläßt sich lieber auf eine medizinische Untersuchung.

Ein Skeptiker ist sich immer bewußt, daß alle Vorschriften, Normen, Gebote und Moralvorstellungen mit denen man ihn beherrschen will, Menschenwerk sind. Strukturell sind alle diese Normen Befehle: “Du sollst!”, oder “Du sollst nicht!” Je nach den Machtverhältnissen oder auch aus eigener Einsicht wird er solchen Befehlen gehorchen. Eins wird er aber gewiß nicht, er wird den Befehl eines anderen Menschen nicht für einen Befehl irgendwelcher Götter halten, nur weil der Befehlende sich auf Götter beruft. Solange der angebliche Gott nicht persönlich vorbeikommt und befiehlt, wird er hinter jedem “Gebot” und jeder Sollensvorschrift, die ihm ein Mensch macht, diesen Menschen als Urheber erkennen. Er glaubt nicht einfach irgendetwas, sonst wäre er kein Skeptiker.

Die Gegenbegriffe zur proto-rechten Denkstruktur

In rechtem Denken verkörpert sich aufgeklärter Selbstbehauptungswille. Nach allen Überlegungen dürfen wir darum das strukturell rechte Denken definieren als ein

die historische Identität von Individuum und Gruppe betonendes

rationales,

aufgeklärtes,

skeptisches,

auf naturwissenschaftlicher Grundlage die empirische Ungleichheit

anstelle metaphysischen Gleichheitsdenkens betonendes Menschenbild,

das alle fremdbestimmenden Sinnstiftungen zurückweist.

Dabei ergeben seine in untrennbarem Zusammenhang miteinander stehenden ontologischen und philosophischen Grundlagen das Resultat einer vollständigen, sich ihrer selbst bewußten und reifen Aufklärung. Während verschiedene Ideologien die Folgerungen aus der Aufklärung immer nur für ihre Gegner zogen und selbst Kernbestände metaphysischen Glaubens bewahrten, zog das rechte Weltbild als einziges die Konsequenz, die Erkenntnisse der Aufklärung auch auf rechtes Denken früherer Epochen anzuwenden und deren metaphysische Schlacken und ideologische Restbestände abzuwerfen. Damit setzt es erstmals und als einziges Weltbild konsequent die aufklärerische Erkenntnis in die Tat um, daß alle Wertungen nur in unserem Kopf ihren Ursprung haben und wir Menschen a limine normativ ungebunden sind. Alle Menschen sind zu eigener Sinnstiftung und Normsetzung befähigte und von absoluten, universellen Werten freie Wesen.

Wie stark sich bei einer Person im Einzelfall aus der vorhandenen rechten Denkstruktur ein umfassendes und kohärentes rechtes Weltbild ausbildet, ist individuell verschieden. Es hängt von der individuellen Stärke einzelner emotionaler Komponenten ab, aber auch von der Geschichtlichkeit des Individuums, seinen Lebenserfahrungen, seiner familiären Prägung und Erziehung, dem persönlichen Interesse daran, überhaupt ein umfassendes Weltbild auszubilden und nicht zuletzt der nötigen Intelligenz, etwaige Widersprüchlichkeiten zu bemerken.

Darum folgt auch nicht zwangsläufig aus einer rechten Denkstruktur, in welcher Weise jeder Einzelne für sich von seiner Freiheit zur Wertsetzung und Sinnstiftung Gebrauch macht. Gerade diese Freiheit schließt jede Zwangsläufigkeit aus. Daß er rein normativ gesehen alles darf, bedeutet nicht, daß er tatsächlich alles oder irgend etwas Bestimmtes tun soll. Alles liegt in seiner eigenen Entscheidung. Wie auch linke Autonome und Anarchisten betont er diese normative Freiheit. Er wäre aber kein Rechter, machte er von seiner normativen Freiheit einen psychotischen Gebrauch, der sich gegen ihn selbst, gegen seine Familie, seinen Staat oder sein Land richtete. Er benutzt sie, um zu schützen und zu verteidigen, was ihm lieb und teuer ist.

Im Kern heißt rechts zu sein, für das zu kämpfen, was man ist.

3. Die politische und soziale Funktion

Skeptisches, naturwissenschaftliches Denken hinterfragt alle metaphysischen Letztbegründungen und Sinnstiftungen. Es glaubt nicht an Befehle und Gebote aus einem Jenseits, wenn ein solcher transzendenter Ort keinerlei nachweisbare Realität aufweist. Offenbar haben aber alle Menschen die erstaunliche Fähigkeit, sich solche Orte auszudenken, bevölkert von mehr oder weniger freundlichen Geistwesen, die man bei guter Laune halten sollte. Die historischen Wurzeln solchen Glaubens liegen in steinzeitlichem Animismus. Die Literatur liebt sie, von Maupassants Gespenstergeschichten bis zur Science-Fiction-Literatur, und im Glaubensbekenntnis haben Geist und Geister einen heiligen Schein.

Die soziale Funktion solchen Glaubens ist ebenso alt: Er stabilisiert die jeweilige Herrschaft des jeweiligen Machthabers, der behauptet, berufener Interpret eines göttlichen Willens zu sein. Daran hat sich nichts geändert, seit die notorische Untätigkeit der Gottesperson zu einer neuen Argumentationsstruktur führte. Einst hatte er noch geschaffen und gewaltet. Jetzt ließ er den irdischen Dingen anscheinend ihren Lauf. Die göttlichen Gebote, hieß es darum, steckten in seiner Schöpfung drin. Man erklärte einen fiktiven Menschen an sich für von Natur aus für gottähnlich, nämlich vernünftig und gut, und man folgerte daraus, alle Menschen sollten vernünftig und gut sein. Damit war der Zirkelschluß perfekt, denn aus einem schlichten Sein folgt niemals ein normatives Sollen.

Skeptisches Denken benötigt dagegen keine Sinnstiftungen aus dem Jenseits, sondern stiftet sich den Sinn des eigenen Lebens bei Bedarf selbst. Es erkennt in jedem Sinnprediger und Heilsstifter jemanden, der ihn über verabsolutierte Wertsetzungen in letzter Konsequenz beherrschen will.

Dieses Denken bildet die reife Frucht der Aufklärung. Weil es jeden normativen Herrschaftsanspruch kritisch hinterfragt, besteht seine soziale Funktion darin, Herrschaft zu delegitimieren. Die hier vorgestellte Denkstruktur dekonstruiert vollständig alle derzeitigen Ideologeme des herrschenden Linksradikalismus wie auch des liberalen Extremismus.

Notwendigerweise muß sie dabei darauf verzichten, Gefühlswerte wie die Liebe zu unserem Volk und Vaterland metaphysisch aufzuladen. Dieser Verzicht bildet aber wieder ihre Stärke in der argumentativen Auseinandersetzung mit Verfassungsschutz-Politologen, weil er ihnen keinen Angriffspunkt bietet.

4. Rechte Erben des bürgerlichen Weltbildes

Eine klassisch bürgerliche Denkfigur besagt, daß ein Ganzes mehr sein kann als die Summe seiner Teile. Der Philosoph Panajotis Kondylis hat in seinem Werk über den Niedergang der bürgerlichen Denk- und Lebensform herausgearbeitet, wie sehr die bürgerliche Epoche von dem Bestreben gekennzeichnet war, selbst aus heterogenen Bestandteilen ein harmonisches Ganzes zu synthetisieren, also z.B. aus substantiell verschiedenen Gesellschaftsschichten ein funktionierendes Staatssystem, in dem jedes Verschiedene noch seinen notwendigen Platz hatte, gerade wie in einem Uhrwerk mit heterogenen Teilen.

Dieses Denkmodell wurde durch die Moderne abgelöst, deren analytisch-kombinatorischer Denkstil prinzipiell alle Teile als gleich ansah, so daß er aus ihnen beliebig alles und jedes konstruieren konnte. Dieser Denkstil schließt prinzipiell die Existenz von Entitäten wie Völkern aus, weil alles aus allem beliebig konstruierbar sei.

Wenn ein Rechter heute von einem Volk spricht, bedient er sich also des im 19. Jh. noch vorherrschenden synthetisch-harmonisierenden Denkstils. Er benötigt keine Metaphysik, um zu erkennen, daß zur Erklärung von Phänomenen wie Familie und Volk andere Regeln gelten als zur Erklärung des Verhaltens einer Einzelperson, daß ein Wald als biologisches Kompositum verschiedenster miteinander verflochtener Tiere und Pflanzen nicht allein mit den botanischen Merkmalen einer einzelnen Spezies zu erklären ist und so fort. Ein Volk ist ein real existierendes soziales Gebilde mit z.B. soziologisch beschreibbaren Gesetzlichkeiten und Funktionsvoraussetzungen.

Darin besteht, bei allem Skeptizismus und Einzelmenschbewußtsein, die konstruktive Komponente rechten Denkens.

5. Emotionale Merkmale des rechten Weltbildes

Die aufgezeigte proto-rechte Denkstruktur ist grundsätzlich offen für verschiedene Denkinhalte. Indem sie betont, daß jeder über den Sinn seines Lebens und seine Moralvorstellungen selbst entscheiden kann, verbietet sich jede inhaltliche Vorgabe. Die proto-rechte Denkstruktur stellt einen für alle denkbaren Inhalte offenen Denkstil dar.

Von der proto-rechten Denkstruktur zum rechten Weltbild im engeren Sinne gelangt man, wenn eine Person innerhalb der gegebenen Leitplanken Entscheidungen trifft, was ihr wertvoll und wichtig ist. Die metaphorischen Leitplanken sind ihr rationalistisches und ihr realistisches Denken, das sie vor Phantastereien bewahrt.

Etwas wertzuschätzen und seinem Leben einen Sinn zu geben, stellt einen gedanklichen Entscheidungsprozeß dar. Dieser geht aber aus keinem Nichts hervor, wie reiner Intellektualismus a la Descartes vermutet. Lange bevor das bewußte Denken einsetzt, sind unsere Gefühle schon lange an der Arbeit. Sie wissen genau, was uns gefällt oder abstößt. Ihnen entsprechend fallen unsere Werturteile aus.

Psychologische Forschungen haben ergeben, daß ein meßbarer Zusammenhang besteht zwischen bestimmten emotionalen Dispositionen und rechten politischen Einstellungen. Anders als bei den sieben Elementen der proto-rechten Denkstruktur bilden derartige emotionale Komponenten aber kein notwendigerweise kohärentes Ganzes.

Häufig aber sind emotionale Bedingungen einer rechten Einstellung eine Wertschätzung der Reinheit, ein eigensinniger, verteidigungsbereiter  Lebenswille und die Liebe zum Eigenen. Zu ihm gehört natürlich die Person selbst mit ihren Angehörigen, aber auch alle, mit denen sie sich mehr oder weniger identifiziert, ihrer Geschichtlichkeit, ihren Mythen und Überlieferungen und ein lebendiges Gefühl der Solidarität.

Wer das Herz auf dem rechten Fleck hat, fühlt sich von fremdbestimmtem Moralisieren gegängelt. Hingegen schlägt sein Herz höher bei allem ästhetisch Vollendeten. Das kann ein Mensch sein, ein anderes Lebewesen, aber auch ein Kunstwerk, ein Gedicht oder vor seinen Augen sich abspielendes Geschehen. Einem Kampf tapferer und ebenbürtiger Gegner wie in einem ritterlichen Tournier oder einem Pokalendspiel vermag er ästhetischen Wert beizumessen, käme aber nicht auf die Idee, in Gut-Böse-Kategorien zu moralisieren. So gesehen hatten die Nibelungen einen großartigen Kampf geliefert.

Aus der Fülle solcher emotionaler Grundlagen bewertet er, je nach Lage der Dinge, menschliches Verhalten, menschliche Werke und unsere Geschichte, aus deren Perspektive er die Welt selbstverständlich sieht und bewertet.

Während man die rechte Denkstruktur definieren kann, weil ihre Elemente zwingend zusammengehören, ist das nicht bei allen typisch rechten Denkinhalten zwingend. Insoweit sind für einen strukturell rechts Denkenden und sein Weltbild aber inhaltlich typisch und häufig

der Selbstbehauptungswille, die eigene persönliche, kulturelle und ethnische Identität zu wahren,

auch in einer manchmal chaotisch scheinenden Welt zu bestehen und ihr seinen Gestaltungswillen entgegenzusetzen,

die Wertschätzung und Liebe seiner Angehörigen,

das unbedingte Einstehen für die, die er liebt und und unbedingt schützen will,

weil sich auch in den eigenen Kindern ein Teil dessen wieder verkörpert, was er ist,

seine generationenübergreifende Identifikation mit den Personengemeinschaften, in die er hineingeboren wurde oder denen er Treue versprochen hat,

Liebe zu seiner Heimat, seinem Volk, seinem Vaterland, seiner Muttersprache und Mundart,

Respekt vor historisch Gewordenem in seiner Mannigfaltigkeit,

staunende Zuwendung zu allem Schönen, Harmonischen und Geordneten und die

Wertschätzung der Vielfalt von Kulturen und Völkern.

6. Abgrenzungen

Ausgehend von der proto-rechten Denkstruktur ergeben sich für das rechte Weltbild klare Abgrenzungen zu bestimmten Ideologien.

Schon im Ansatz bildet es keine geschlossene Ideologie mit irgendwelchen normativen Forderungen. Es enthält kein „Du sollst!“. Was ein rechter Rechter „soll“, gewinnt er aus seinem höchstpersönlichen Willen. Diesen bildet er sich autonom. Er verlangt auch nicht etwa, alle Leute sollten „wollen“ und moralisch autonom sein. Eine solche Willensmetaphysik ist ihm fremd.

(1) Religionen

Weil er als Skeptiker nicht an göttliche Gebote glaubt, benötigt er keine heiligen Bücher als Benutzerhandbücher für sein Leben. Wer auch immer ihm die Gebote irgendeines Gottes predigt, ist allemal selbst ein Mensch, der ihm etwas befehlen will. Doch warum sollte er gehorchen?

Wenn ein gläubiger Mensch um Gottes Willen gegen Abtreibung eintritt, liegt für rechtes Denken nahe, den Vorgang selbst abscheulich zu finden und auch dagegen zu sein, aber aus freiem Willen. Er wird dabei freilich differenzieren und Abtreibung umso schädlicher finden, je näher ihm ein Mensch steht, schließlich werden wir immer weniger.

Somit scheide ich alles Denken grundsätzlich aus einem rechten Weltbild aus, das die Person als gebunden an eine vorgegebene religiöse Metaphysik betrachtet. Emotional näher stehen ihm da schon die alten germanischen Götter, an die er als Skeptiker auch nicht glaubt, die aber nicht die unangenehme Eigenschaft hatten, jedem Menschen irgend etwas abzuverlangen.

(2) Liberalkonservative

Konservative möchten das Gegenwärtige bewahren. Etwas Zerstörtes zu restaurieren, ist nicht mehr konservativ, sondern restaurativ oder reaktionär. Rechtes Denken ist niemals darauf angelegt, das gegenwärtig zufällig Vorhandene zu konservieren.

Wenn heute Liberalkonservative die Reste liberaler Staatlichkeit konservieren wollen, sind sie nicht rechts. Sie sind Liberale mit ganz eigenem Weltbild. Es beruht auf der Grundidee, wenn man alle Individuen weitestmöglich machen lasse, was immer sie wollen, entstehe quasi aus der Quersumme aller Einzelegoismen wie von unsichtbarer Hand das Gemeinwohl. Ganz ähnlich entstehe, was alle als Quasi-Wahrheit akzeptieren könnten, aus einem herrschaftsfreien Diskurs aller. Beide Denkfiguren, die wirtschaftsliberale Theorie von der unsichtbaren Hand und die Diskurstheorie, beruhen auf metaphysischem Glauben an Bewegkräfte jenseits menschlichen Verständnisses, die man nur walten lassen müsse, um uns zu Glück und Wohlstand zu führen.

Rechtem Denken ist dieser Glaube fremd, weil es skeptisch ist und nicht an unbeweisbare Bewegkräfte glaubt. Rechtes Denken hält einen Staat für unbedingt erforderlich, die Einzelegoismen zu zügeln und auszugleichen.

(3) Kollektivismus

Stereotyp werfen linke Politologen der Rechten einen angeblichen Kollektivismus vor. Tatsächlich gibt es Menschen, die sich selbst als rechts verstehen und an ein metaphysisch aufgefaßtes Kollektiv namens Volk glauben, dessen bescheidener, stets gehorsamer und auswechselbarer Teil sie seien. Wer aber Völker auffaßt als Gedanken Gottes und irgendwo den Volksgeist flüstern hört, befindet sich philosophisch noch tief in der Scholastik. Es gibt keine Entität, keine Wesenheit namens Volk, das normative Ansprüche an uns stellt.

Die proto-rechte, nämlich skeptische Denkstruktur geht ganz realitätsnah vom Individuum aus. Dieses hat freilich soziale Bedürfnisse, die uns genetisch rammeltief in den Knochen stecken. Unser Sozial- und Gefühlsleben ist unbedingt auf die Nähe unserer Angehörigen angewiesen. Ein Mensch allein ist unglücklich und machtlos. Rechtes Denken sieht sich verwandtschaftlich und kameradschaftlich verbunden mit allen, mit denen die Person sich noch identifizieren kann aufgrund gleicher Abstammung, Kultur, Geschichte oder Mentalität. Es sieht sie als die Seinigen und es als das Seinige an. Es aus freiem Entschluß und tiefer Liebe bis zum letzten Blutstropfen zu beschützen, entspricht rechtem Denkstil, nicht aber eine ameisenhafte Unterordnung unter ein Kollektiv.

Literaturkennern wird der Unterschied sofort deutlich anhand des Buchs Heliopolis von Ernst Jünger, dem ich im Satz zuvor auch das Wort ameisenhaft entnommen habe. Hier wird beispielhaft die tiefe Kluft klar, die schon in den 1930er Jahren zwischen den kollektivistischen Nationalsozialisten und einem originär rechten Denker bestanden hatte. Keine Spielart von Kollektivismus ist mit rechtem Denkstil vereinbar.

Rechtes Denken ist zu realistisch, nicht hinter jedem Kollektiv die realen Personen zu sehen, die angeblich im Namen dieses Kollektivs sprechen. Kollektive haben nämlich die gleiche Eigenschaft wie Götter: Sie äußern sich nur aus dem Mund irgendwelcher Machthaber, Sinnstifter, Heilsbringer oder Propheten.

Darum schaudert rechtes Denken angewidert zurück vor jeder Forderung, die alle Menschen als gleich betrachtet oder sie wenigstens in Zukunft gleich machen möchte. Wenn Rechte aufopferungsbereit und solidarisch sind, dann nicht aus linkem Egalitarismus. Vielmehr erstreckt ihre Selbstliebe sich, wie in einer Familie, auf ihre Angehörigen und im weitesten Sinne auf alle, die mit ihnen dasselbe historische Schicksal teilen. Ein Rechter benötigt bei allem Individualismus ganz bewußt die Nähe seiner Familie und die Existenz seines Volks und seiner Nation, denn nur diese gewährleistet ihm die dauerhafte Sicherung seiner Identität.

7. Strategisches

Die Richtigkeit meiner Ausführungen entspricht meiner wissenschaftlichen Überzeugung. Bei der Suche nach einer Strategie gegen den linken Gegner beantwortet aber die philosophische und psychologische Richtigkeit einer Analyse nicht alle relevanten Fragen. Genau genommen beantwortet diese Analyse nur die grundlegenden Vorfragen politischer Auseinandersetzungen.

In jeder Auseinandersetzung gibt es Angriffswaffen und Verteidigungswaffen. Es gibt Waffen, den Gegner zu entmutigen, und es gibt welche, die auf der eigenen Seite Hingabe und Opferbereitschaft erzeugen.

(1) Die nihilistische Zerstörungswaffe

Meine Analyse gibt uns eine Waffe, jeden gegnerischen ideologischen, moralischen oder religiösen Herrschaftsanspruch zu zerbrechen. Indem sie jede metaphysische Überhöhung von Machtansprüchen dekonstruiert und delegitimiert, läßt sie unsere modernen rotgrünen Kaiser unversehens ohne Kleider dastehen. Indem wir jede Norm, von der angeblichen Klimarettung bis zum angeblichen Kampf gegen Phantasmagorien wie Gendergerechtigkeit, auf ihre menschlichen Urheber zurückführen und ihr Phrasenkarussell als leere Worte enthüllen, nehmen wir unseren Mitbürgern den Glauben daran, ihnen gehorchen zu müssen. Solche Ideologeme kennen wir aus der traditionellen Kirche: Auf leeren Worten wie Sünde bauen komplexe theologische Begründungszusammenhänge und Machtansprüche konkreter kirchlicher Amtsträger auf. Nimmt man solchen Weltanschauungen einen Grundstein, bleibt von ihnen nur noch Schall und Rauch.

Doch aus welchem Grunde sollten unsere Mitbürger danach ausgerechnet unsere Werte annehmen, da doch alle Werte aus emotional subjektiven Emotionen geschöpft und letztlich beliebig sind? Die aufgeklärte Überzeugung, daß uns kein Jenseits und kein Absolutheitsanspruch moralisch bindet, daß man sich vor keinem eingebildeten Gott und keinem Teufel fürchten muß, diese Befreiung allein hat es sozial noch nie vermocht, Massen um eine Fahne zu scharen, Opferbereitschaft zu wecken und legitime Herrschaft zu begründen.

Darin liegt ein logisches Dilemma. Unsere Aufklärung kann gewaltige destruktive Kräfte entfalten, vor ihren Posaunen fallen die Mauern jedes ideologisches Jericho. Dann aber gehen die aufgeklärten Mitstreiter nach Hause und überlassen es anderen, ein neues Reich wieder aufzubauen. Wozu auch? Hier erinnern wir uns an die Antwort des braven Soldaten Schwejk, der auf die rhetorisch gemeinte Frage des Hauptmanns, warum der gute Soldat für Kaiser und Reich sein Leben einsetzen solle, antwortete: „Ja Herr Hauptmann, wozu auch?“

(2) Die So-tun-als-ob-Devise

Wir müssen darum nach einem überzeugenden konstruktiven Element suchen, unsere Menschen dauerhaft solidarisch zu verbinden. Wir verharren hier sonst bei aller Aufgeklärtheit in einer Geistesverfassung, die mit liberalistisch halbierter Vernunft glaubt, wenn der Sozialismus zusammengebrochen ist, könne man friedlich nach Hause gehen und seinen Kleingarten bestellen. Wir wissen dagegen, daß kollektivistische und auch andere Herrschaften und Fremdbestimmungen wie eine Hydra sind, deren Köpfe immer nachwachsen.

Es genügt nicht, nachzuweisen, daß kein metaphysischer Sinnanspruch über uns waltet und daß jeder selbst seinem Leben einen guten Sinn geben kann. Hier bieten sich gedanklich zwei verschiedene Konzepte an, das ehrliche und das weniger ehrliche. Das weniger ehrliche wäre die „Als-ob-Lösung“. Sie würde den Vorhang der Aufklärung wieder schließen, sobald die gegnerischen argumentativen Bastionen untergraben sind und niemand mehr an sie glaubt. Es würde so tun, als ob ausgerechnet die eigenen subjektiven Wertsetzungen absolut gültig wären und alle Welt sie annehmen müsse.

Man würde dann ein neues Sinnangebot wie das Kaninchen aus dem Zylinder zaubern und für absolut wahr erklären. Man würde dieses mit schönen Worten aus scheinbar glorreichen Zeiten unterlegen, wobei Adjektive wie ewig und heilig ebensowenig fehlen dürften wie Substantive wie Treue und Reich. Man könnte Barbarossa heraufbeschwören und Herzen entflammen. Man würde bei Fackelschein laut in alle vier Himmelsrichtungen rufen: „Du sollst! Deutschland will es!“

Zweifellos würde ein solches Konzept bei dafür aufnahmefähigen 5% des Volkes auf Begeisterung stoßen. Es wäre aber nicht ehrlich, weil es gegen alle strukturellen Grundlagen rechten Denkens verstoßen würde. Jeder kann für sich im Herzen so fühlen, aus diesem Empfinden folgt aber kein verpflichtendes, absolut geltendes Sollen. Die dekonstruierende Retourkutsche von linker und liberaler Seite wäre vorprogrammiert.

(3) Das Sinnangebot der Selbsterhaltung

Ehrlich wäre dagegen ein Konzept, das auf den elementaren Antrieb jedes Menschen zur Selbsterhaltung setzt. Dieser bildet den Kern des rechten Weltbildes wie auch den Nukleus jedes heuristischen Individualismus, der bis zum Aufweis höherer Entitäten vom Einzelmenschen als höchster selbst denkender Instanz ausgeht.

Diesen Selbsterhaltungstrieb müssen wir niemandem erst pädagogisch eintrichtern, weil er angeboren ist. Er manifestiert sich allerdings nicht nur im frei den Sinn seines Lebens bestimmenden Individuum, das sich vor jeder moralischen Fremdbestimmung gruselt. Er lebt ebenso stark in Menschen, die sich übersinnliche Entitäten ausdenken und sie anbeten, um von denen beschützt zu werden oder ihr Leben in ein Jenseits zu verlängern. Das sind die eher ängstlichen Menschen, denen Geborgenheit wichtiger ist als Realität. Sie verteidigen die Matrix ihrer Glaubenswelt wie ihr eigenes Leben.

Alle starken Persönlichkeiten aber sind ansprechbar für unsere „frohe Botschaft“: Ihr seid frei, nichts ist euch anbefohlen, nichts über euch verhängt, alle „Du-sollst-Regeln“ beruhen nur auf menschlichem Erfindungsreichtum, und den Sinn seines Lebens kann sich jedermann jeden Morgen zum Frühstück neu überlegen, wenn er mag.

Und jetzt das Entscheidende: Natürlich kann jeder sich entscheiden, ein Leben in Armut, Keuschheit und Gehorsam zu verbringen oder sich einen Strick zu nehmen. Niemand schreibt ihm vor, was er tun soll. Darin liegt aber auch seine große Chance: Jeder kann sich völlig ungeniert etwa dafür entscheiden, seinem Selbsterhaltungstrieb zu folgen, seine individuelle Existenz zu erhalten, geistig und körperlich fortzupflanzen und sich, seine Familie und sein Volk mit allen Mitteln zu verteidigen. Er kann in vollständiger moralischer Autonomie seine Existenz gegen innere und äußere Feinde zu sichern suchen. Er kann, wie Max Stirner Mitte des 19. Jahrhunderts, überspitzt formulieren: „Mir geht nichts über mich!“. Dabei kann er alles einbeziehen, was ihm angehört und was er auch zur Sicherung seiner geistigen Integrität benötigt: die Seinen, sein Volk und seine Kultur.

Dazu benötigt er keine göttlichen Gebote, aber auch keine ihm immanenten Naturgesetze wie der Biologie, denn diese mögen viele seiner Gefühle prägen, bestimmen aber nicht zwingend seinen Willen. Es genügt die Botschaft: Du bist völlig frei darin, deine eigenen, selbstbestimmten Interessen zu vertreten.

Natürlich stößt man dabei unweigerlich auf Mitmenschen, die ihre Interessen anders definieren, zum Beispiel den Sinn ihres Daseins darin erblicken, die halbe Welt einzuladen, sie durchzufüttern und zu lehren, wie man sich den Po abputzt. Natürlich stößt man auch an die Grenzen unserer Gesetze, die solche Menschenfreunde sich ausgedacht haben. Nach dem ewig gültigen untrennbaren Zusammenhang zwischen Schutz und Gehorsam muß jeder sich überlegen, ob dieser Staat noch sein Staat ist, was ich für mich bejahe, und ob seine Gesetze mich noch soweit schützen, daß mir legitimerweise Gesetzesgehorsam abverlangt werden kann. Dabei wird ein Rechter nie vergessen, daß unser Staat besteht, auch wenn Regime und ihre Gesetze sich häufig gewandelt haben. Der Staat als solcher ist nicht unser Gegner.

Nicht den Staat gilt es zu delegitimieren, auch nicht die freiheitliche demokratische Grundordnung. Daß diese unser letzter Schutz ist, haben wir eben erst gesehen, als das Bundesverwaltungsgericht das verfassungswidrige Verbot vom Compact vorläufig aufgehoben hat. Zu delegitimieren gilt es aber alle jene ideologischen und moralischen Herrschaftsansprüche des Linksextremismus und des Linksliberalismus und der Kirchen, die auf unsere moralische Unterwerfung abzielen.

Das rechte Weltbild besteht im ultimaten Angebot geistiger Freiheit zu allem, was immer wir wollen. Reue, Scham, Buße oder moralische Zerknirschung sind in ihm nicht vorgesehen. Alle moralischen Gedankengespenster sind ein Nichts, nihil, doch dieser ontologische Nihilismus zieht mich nicht hinunter, sondern bildet die offene Tür zu meiner Freiheit, meiner höchstpersönlichen Sinnstiftung und meinem Lebensgenuß. Dieser kann, wenn jemand das will, auch in antiker Heiterkeit bestehen, in einem dionysischen Rausch, in ästhetischer Verzückung, in Naturverbundenheit oder auch der Selbstgewißheit: Am Ende werde ich zwar so tot sein wie alle anderen – aber ich habs den Kerlen mal so richtig gezeigt. Es kommt nicht darauf an, daß wir sowieso sterben, sondern, wie wir leben. Auch heroischer Realismus ist  eine mögliche Option, wenn man sich fei entscheiden kann.

8. Rechtsextremismus

Unsere staatlich bezahlte Politologie, Publizistik und in Teilen auch die Rechtsprechung ordnet sich dem von der Linken ausgerufenen Kampf gegen Rechts unter. Indirekt greift sie alles an, was sie rechts von der Linken verortet. Die Speerspitze dieses Angriffs bildet ihr Rechtsextremismusbegriff. Er hat sich wie ein Angriffskeil von links nach und nach durchs politische Spektrum gefressen: von einem angeblichen Extremismus der Mitte bis in die Union: Wer heute programmatisch auf dem Boden der Union des letzten Jahrhunderts steht, wird bereits angegriffen.

Der Begriff des Rechtsextremismus bedient sich wiederum der Methode, zwei Randerscheinungen aufzuspießen und von ihnen auf rechtes Denken zu verallgemeinern: das Kollektivistische und generell das Metaphysische. Beides hat sich für uns allerdings gar nicht als rechts herausgestellt und ist es auch nicht. Wir haben Rechte als geborene Individualisten kennengelernt, den historischen nationalen Sozialismus als Kollektivismus dem internationalistischen Sozialismus an die Seite gestellt und jede Form von Metaphysik verworfen.

Die alten Rechten und Linken hatten noch vor 100 Jahren ihre jeweiligen Standpunkte in den Formen und Denkmustern ihrer Epoche äußern müssen, um verstanden zu werden und soziale Macht zu gewinnen. Nach dem Ende der großen religiösen Systeme waren viele Menschen auf der Suche nach etwas neuem Heiligen, und so heiligten alle ihre jeweilige Weltanschauung. Für Rechte des 20. Jahrhunderts stand im Mittelpunkt unsere Nation, für Liberale die dem Menschen „immanente, vorstaatliche“ und damit ins Metaphysische verklärte Menschenwürde und der so interpretierte Humanismus und so fort. Die heutige Substanz eines Weltbildes darf aber nicht an den Fahnen und Monstranzen verflossener Epochen gemessen werden.

Aus Sicht eines rechten Weltbildes spricht nichts gegen diese Verfassungsgrundsätze und umgekehrt aus Sicht der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nichts gegen ein rechtes Weltbild. Insbesondere spricht nichts dagegen, alle jene gegen staatliche Übermacht gerichteten Abwehrrechte, auf die so selbständig Denkende wie Rechte unabdingbar angewiesen sind, für notwendig zu halten. Aus den Erfahrungen mit staatlichem Totalitarismus folgt zwingend, niemandem so viel Macht einzuräumen, daß er das Individuum sozial vernichten kann. Das können auch übermächtige gesellschaftliche Kräfte, wenn sie sich der Staatsorgane bemächtigt haben. Auch ihnen muß verwehrt sein, die Freiheit der Einzelnen zur Farce werden zu lassen, indem religiöse oder ideologische Phantasmata in die staatlichen Gesetze hineininterpretiert werden.

Gegenüber der juristischen Definition unserer Verfassungsgrundsätze führt der politologische Begriff des Rechtsextremismus allerdings ein Eigenleben. In ihn packen Linke[2] in zunehmendem Maße alles hinein, was ihnen nicht in den Kram paßt: in ihre sozialreligiöse Ideologie der Gleichheit nämlich. Die Idee eines real nicht existierenden „Menschen an sich“ wird in den Rang pseudoreligiöser Verklärung erhoben, und eine abstrakte Würde dieses Menschenabstraktums entspricht funktional der einstigen „Würde Gottes“ im christlichen Menschenbild. Jeder Mensch habe ein wenig davon abbekommen, und darin bestehe aus fundamentalistischer Sicht die „menschliche Fundamentalgleichheit“. Wer sie nicht ehrt, gilt als Rechtsextremist und wird mit jemandem gleichgesetzt, der einen der Verfassungsgrundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekämpft.

Aufgrund seiner generellen Skepsis gegen „höhere“ Weisheiten und Absolutheitsansprüche ist rechtes Denken im Ergebnis gar nicht weit entfernt von einer Politologie, die in Vertretern solcher universalistischer Moralansprüche Extremisten erkennt. Uwe Backes, inzwischen der Nestor der Extremismusforschung, arbeitete „nach einer Analyse des linken, rechten und religiösen Extremismus heraus: erstens den exklusiven Erkenntnisanspruch (Glaube an ein “höheres” Wissen), zweitens den dogmatischen Absolutheitsanspruch (Behauptung der unbezweifelbaren Richtigkeit eigener Positionen), drittens das essentialistische Deutungsmonopol (alleinige Erfassung des “wahren” Wesens der Dinge), viertens die holistischen Steuerungsabsichten (angestrebte ganzheitliche Kontrolle der Gesellschaft), fünftens das deterministische Geschichtsbild (Wissen um den vorgegebenen historischen Weg), sechstens die identitäre Gesellschaftskonzeption (Forderung nach politischer Homogenität der Gesellschaft), siebtens den dualistischen Rigorismus (Denken in kompromißlosen Gegensatzpaaren wie Gut-Böse) und achtens die fundamentale Verwerfung des Bestehenden.“[3]

Alle diese Merkmale enthalten einen metaphysischen Kern und werden von rechtem Denken darum grundsätzlich abgelehnt. Was von rechts mit der eingeführten philosophischen Begrifflichkeit als metaphysisch kritisiert wird, nennt der Politologe Backes extremistisch. Offenkundig wird das, wenn Backes “exklusive Erkenntnisansprüche” aufgrund “höheren Wissens” nennt, wenn er als extremistisch ein “Deutungsmonopol” eines “wahren Wesens der Dinge” bezeichnet, ein deterministisches Geschichtsbild und so fort. Rechtes Denken bildet das Gegenteil von alledem. Es betont, daß es da im Universum gerade nichts zu “deuten” gibt. Man kann die Dinge drehen und wenden, solange man will, es steckt kein “höherer Sinn” in ihnen. Genau die von Backes aufgezählten Merkmale sind es, vor denen rechtes Denken sich stirnrunzelnd abwendet.

Die Feministin Julia Rosenstock wiederum bezeichnet „rechtes Denken als analytischen Klammerbegriff für Formen eines Denkens, das sich von bürgerlich-konservativen Wertvorstellungen bedächtigen Erhaltens des Bewährten bis zur radikalrevolutionären Totalopposition gegen das Bestehende erstreckt und für das Gleichheitskritik einen wesentlichen, wenn auch im einzelnen sehr unterschiedlich ausgeprägten Charakterzug ausmacht.“[4] Damit kommen wir zum Kern des Problems und dem Nukleus dessen, um das es eigentlich geht. Hinter dem Begriff der Gleichheitskritik versteckt sich nämlich die alle politischen Lager durchziehende Kluft zwischen Metaphysikern und Realisten. Die von Autoren wie Rosenstock proklamierte menschliche Gleichheit ist nämlich keineswegs als empirische, als reale Gleichheit gemeint. Empirisch als Menschen gleich sind, wäre eine rein zoologische Aussage.

Als konkrete Personen sind aber alle Menschen empirisch ungleich, ausgenommen eineiige Zwillinge bei ihrer Geburt. Über dieser Ungleichheit zucken Rechte die Achseln oder erfreuen sich ihrer. Wenn linksmotivierte, christliche oder andere Metaphysiker dagegen auf einer Menschengleichheit beharren, meinen sie gar nicht die empirisch vorfindbaren, wirklichen Menschen. Sie behaupten alle Menschen seien gleich in Bezug auf eine angebliche Eigenschaft. Diese nennen sie Menschenwürde und verstehen unter ihr wiederum nicht, ob eine Person sich würdig verhält, ob man sie entwürdigt oder ob sie womöglich erst ein Fötus ist, seiner selbst noch gar nicht bewußt.

Rechtes Denken bejaht den grundgesetzlichen Schutz der Menschenwürde vollauf, weil er dem Staat verbietet, sie einem Menschen zu nehmen und ihm aufgibt, sie zu schützen. Schutz der persönlichen Würde und Ehre sind rechte Herzensanliegen. Rechte benötigen dazu aber keinen christlichen oder sonst metaphysischen Seelenglauben. Als historisch denkende Menschen wissen sie nur zu gut, daß Folterknechte einem Opfer den Rest seiner Würde nehmen konnten, wobei speziell die metaphysisch Inspirierten unter ihnen das auch noch mit gutem Gewissen vollbrachten, etwa um einen Teufel aus ihrem gequälten Opfer auszutreiben oder einen verstockten Ketzer zum Geständnis zu bringen. Über ein solches, wirklichkeitsnahes Verständnis menschlicher Würde geht aber fundamentalistische Dogmatik weit hinaus und versteigt sich bis in Quisquilien, ob ein Recht auf einen eigenen Kühlschrank oder Freikarten fürs Bordell unabdingbar seien, ein menschenwürdiges Dasein zu gewährleisten. „Die These, menschliche Würde oder Selbstentfaltung müsse unter den Bedingungen materieller Entbehrungen leiden,“ kann aber zum Beispiel „auf der Basis christlich-asketischer Grundsätze nicht ohne weiteres einleuchten und kommt in concreto der Auffassung gleich, der Einzelne solle zum Konsum von Waren fähig sein, um als ganzer Mensch gelten zu dürfen.“[5]

Allen Extremisten gemeinsame Denkstrukturen sind der zur Intoleranz führende Normativismus als Glaube an transzendente oder uns immanente Sollensvorschriften, das Ableiten eines ideologischen Gedankengebäudes aus einer verabsolutierten Zentralnorm, die fanatische Unterordnung des eigenen Ichs und des Lebens anderer Menschen unter eine fixe Idee und der universalistische Geltungsanspruch im Namen eines Wertes, an dessen Wesen die ganze Welt genesen soll. Nur diese rein deskriptive Betrachtung ohne mitgebrachtes wertendes Vorurteil eignet sich dazu, eine “extremistische” Denkstruktur nicht nur beim jeweils Andersdenkenden zu entdecken. Diesem Irrtum unterliegt dagegen jeder, der seine subjektive Wertentscheidung objektiviert.

Extremismus ist überall, wo irgendein Wert verabsolutiert und zur alleinigen Grundlage einer in sich geschlossenen Ideologie gemacht wird. Das Ideologische besteht dann darin, daß Glaubensgewißheit an die Stelle skeptischer Zurückhaltung tritt. Nur diese Skepsis als strukturelles Merkmal rechten Denkens ist imstande, auch den eigenen Standpunkt zu analysieren, zu relativieren und gegebenenfalls neuer Erkenntnis anzupassen. Ein Extremist, der das nicht über sich bringt, glaubt allenfalls pseudorechts an bestimmte Denkinhalte, denkt aber nicht strukturell rechts.


[1] Vortrag auf dem Kongreß der GfP am 31.8.2024.

[2] Vgl. im einzelnen Kalinowski, Harry H., Rechtsextremismus und Strafrechtspflege, 2.Aufl. 1986, Hrg. Bundesministerium der Justiz, S.2 f.2.

[3] Armin Pfahl-Traughber, Linksextremismus in Deutschland, 2.Aufl. 2020, S.18 f.

[4] Julika Rosenstock, Vom Anspruch auf Ungleichheit, Über die Kritik am Grundsatz bedingungsloser Menschengleichheit, gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Zentrums für Antifeminismusforschung der Technischen Universität Berlin, gefördert durch die Heinrich-Böll-Stiftung, 2015, S.24.

[5] Panajotis Kondylis, Der Niedergang der bürgerlichen Denk- und Lebensform, Die liberale Moderne und die massendemokatische Postmoderne, 1991, ISBN 3-527-17773-6, S.190.