Die Auflösung der Weiblichkeit durch die Moderne

Politische Ideologien sind Orientierungshilfen für Menschen, die die Welt nicht mehr verstehen. In der Moderne gerät man schneller in die Lage als mancher denkt. Alles verändert sich immer schneller – “Alles fließt”, wie schon Heraklit wußte. Das frühere Selbstverständnis von Weiblichkeit ist vielen Frauen verlorengegangen, und vielen Männern die besondere Hochachtung und Wertschätzung, die Frauen einst entgegeggebracht wurde.

Die Gründe finden wir nicht in verqueeren Ideen einzelner Protagonisten, sondern in den Strukturbedingungen der Moderne. Diese ist ihrerseits der Ausdruck unserer Massengesellschaft und ihrer Funktionslogik. Ideologien sind nur die Indizien dafür, daß die Lebensverhältnisse sich tiefgreifend verändert haben.

Funktionale Frauen

Der jüngsten Neuzeit blieb es vorbehalten, auch Frauen vollkommen in die Erfordernisse der Industrie und der Geldwirtschaft einzubinden. Heute ist bei Stellenanzeigen der ideale Bewerber hochqualifiziert, aber räumlich und familiär ungebunden. Emotionale Bindungen an eine Heimat, dort wohnende geliebte Menschen und Freunde, Verpflichtungen gegenüber seiner Familie oder Rücksicht auf den Freundeskreis der Kinder mindern nur seine Verwendbarkeit. Der substanzielle Kern der Person wird in eine Funktion aufgelöst. Zugleich flüstert ihm eine dazu passende Ideologie ein, er lebe in der besten aller Welten, und mehr persönliche Freiheit habe es noch nie gegeben.

1895 mahnte die „Deutscher Phönix“, eine 1926 von der Allianz übernommene Versicherung, in einem Rundschreiben ihre „jungen Mitarbeiter, die ein geringes Gehalt beziehen“, daß „jeder Beamte, der die Absicht hat, sich zu verheiraten, uns dies rechtzeitig zu seinen Personalakten mitteilt, damit wir im Stande sind, zu erwägen, ob wir auf seine ferneren Dienste noch reflektieren“[1]. Frei und emanzipiert von familiären und emotionalen Bindungen sitzt 150 Jahre nach Marx ein solcher lediger Er oder eine solche Sie nach getaner Arbeit in einem lukrativen Job in einer fremden Stadt in einer eben noch erschwinglichen Kleinstbehausung. Die Erziehung zu menschlich bindungslosen, ja oft bindungsunfähigen sogenannten Singles beginnt in einem “alleinerziehenden” Elternhaus und setzt sich über Kindergarten, Schule und Hochschule fort.

Die früheren persönlichen und sozialen Differenzierungen und Unterschiede abzulegen oder hintanzustellen, wurde seit dem 19. Jahrhundert zur Funktionsbedingung industrieller Massenproduktion. Es liegt im objektiven Interesse der hinter ihr stehenden Eigentümer und Finanziers, diese aufrechtzuerhalten. Optimale Voraussetzungen für die weitere Vermehrung und Akkumulierung des Geldes ist es, ein jederzeit verfügbares Potential und Reservoir an Arbeitskräften zu besitzen.

Diese sollten untereinander beliebig austauschbar und frei von störenden Staatsgrenzen verfügbar sein. Dieses objektive Interesse wird flankiert durch eine spezifische Ideologie, die es potentiellen Arbeitern oder Verbrauchern als Menschenrecht schmackhaft macht, frei von Bindungen an eine ethnische oder sexuelle Identität möglichst global und ohne störende Grenzen hin und her fluktuieren zu dürfen. Alle Identität stiftenden besonderen Merkmale gelten als hinderlich für die Bedürfnisse des frei von Erdteil zu Erdteil flottierenden Kapitals, das in seinem Gefolge überall verfügbare Arbeitskräfte schätzt. Der ideologische Druck dieser Bedürfnisse äußerte sich in heftigen Angriffen auf alle Menschen verwurzelnden Einrichtungen: Lächerlich gemacht wurden Nation, Volk, Staat, Familie und schließlich sogar die Geschlechtsidentität, denn der zu schaffende Wunschmensch definiert sich nur noch als Arbeitnehmer und Verbraucher.

Die Massenproduktion produzierte neben massenhaften Gütern auch Massenmenschen als produzierende und wieder konsumierende Arbeiter und Verbraucher. Anstelle alter substanzieller und persönlicher Unterscheidungen traten funktionale Unterscheidungen und sprechen uns an jeweils in einer bestimmten Funktion als Verbraucher, Steuerzahler oder Arbeitnehmer. Unsere Funktion besteht darin, innerhalb einer immer komplexer werdenden Wirtschaftswelt auf bestimmte Zeit an einem beliebigen Ort einen beliebigen “Job zu machen.” Ein Lehrer etwa ist nicht mehr primär zum Lehrer berufen und hat diesen Beruf, er “macht einen Job” an einer Schule. Der Unterschied zwischen substanzhaftem Denken und funktionalem Denken wird hier sehr deutlich.

Wenn alle Menschen prinzipiell austauschbar und insoweit gleich sein sollen, mag das ihre sozial und persönlich prägenden Merkmale in den Hintergrund treten lassen. Vielleicht konvergieren sie bei ähnlichen Lebensbedingungen und -verhältnissen und unter dem Eindruck derselben Massenmedien auch wirklich zu einförmig Denkenden und Handelnden. Es gibt aber ein verbleibendes Differenzierungskriterium der massenindustriellen Produktionsweise, das allein übrig bleibt und darum zum sozialen Unterscheidungsmerkmal schlechthin wurde: das Geld.

Voraussetzung und Kennzeichen der Moderne als epochenprägender Ideologie ist die Auflösung aller früher als natürlich angesehenen sozialen Institutionen und Differenzierungen. Frühere Epochen dachten von der Substanz her, die Moderne aber denkt prozeßhaft. Mann oder Frau, Bürger oder Bauer oder Edelmann zu sein: das galt früher als etwas substanziell Verschiedenes. Die Eigenschaften männlich und weiblich, bürgerlich, bäuerlich oder adlig steckten danach gewissermaßen im Menschen drin. Sie hafteten seiner Substanz an und charakterisierten ihn. Soziale Rangordnungen gründeten sich früher auf das Maß, in dem jemand spezifische Individualität besaß, heute “durch den Umfang, in dem man den Arbeitscharakter repräsentiert”[2].

Früher galt ein Adliger als etwas anderes als ein Bauer; die Moderne sieht ihn als einen Menschen, der nur etwas anderes tut als ein Bauer. Das ist eine ganz wesentliche Veränderung des Blickwinkels. Aus Sicht des Substanzdenkens ist ein geweihter Priester etwas anderes als ein Laie und tut nicht bloß etwas anderes als dieser. Ein gesalbter König galt im Mittelalter als etwas substanziell anderes als andere Menschen. Eine Frau gilt dementsprechend als etwas wesensmäßig anderes als ein Mann, sie tut nicht bloß etwas anderes. Substanzdenken betont immer wesensmäßige Unterscheidungen, das prozeßhafte Denken der Moderne funktionale Unterschiede. Glaubte er an einen Gott könnte er es auf die Spitze treiben und sagen, Gott sei auch nichts anderes als ein Mensch, er verrichte „nur einen anderen Job.“

Sie lesen hier die Schlußkapitel des Buchs “Das ewig Weibliche” (S.198-227) über das Frauenbild in der Moderne.

Die Moderne entkleidete die Menschen vollständig ihrer alten, substanziellen Merkmale. Für sie gelten einfach alle gleichermaßen nur als Menschen, als prinzipiell gleich, also nicht nur als gleichwertig, sondern als untereinander beliebig austauschbar. Sie betrachtete den Adligen nicht mehr als substanziell adlig, sondern als Menschen mit Adelsvorrechten, einen Bauern nicht mehr als in einen eigenen Stand eingeboren, sondern als einen Menschen, der Landwirtschaft betreibt. Am Ende und in letzter Konsequenz war, eine Frau zu sein, kein prägendes, substanzielles Merkmal mehr. Extreme Verfechter dieser Doktrin sehen sie nur als Menschen, dem eine weibliche Rolle anerzogen wurde, der diese bloß spielt und der im Sinne ihrer Rolle funktioniert.

Aus Sicht des Substanzdenkens spielt eine Frau dagegen nicht nur eine andere Rolle als ein Mann, sondern ist etwas wesensmäßig anderes. Frau zu sein ist dann Bestandteil ihrer Individualität und nicht bloß eine anerzogene Verhaltensweise. Das ist es, was ihre Identität als Frau begründet, nicht ihre jeweilige Funktion.

Auch früher arbeiteten und strebten die Menschen nach Geld. In der Massengesellschaft aber ergreift Kommerzialisierung jedweden Aspekt der menschlichen Existenz. Wo alle anderen, früher als substanziell gedachten Unterscheidungen verpönt oder vergessen sind, wo wir nichts mehr verkörpern und nur noch eine Funktion haben, unterscheiden wir uns doch immer noch dadurch, mehr oder weniger wohlhabend zu sein. Auf unsere Qualifikation zum Geldverdienen und eine Funktion mit bestimmtem Einkommen zu erfüllen wird schon in der Kindheit hingearbeitet: am liebsten in gleich mehrsprachige Kindergärten, mit Abitur für alle und bitte schon nach dem 11. oder 12. Schuljahr und folgender Verkürzung und Verschulung der Studiengänge. Jetzt müssen die Mädchen unbedingt mitziehen in der Konkurrenz um Karrieren und Spitzenpositionen. Sie erwerben irgendeinen Abschluß in einem Alter, in dem Frauen im Mittelalter manchmal schon zehn Kinder hatten.

Gleichheit statt Identität

Zu den letzten und widerstandsfähigsten Bastionen herkömmlicher Identität gehört das Frauenbild, vor allem im weiblichen Selbstverständnis. Der Funktionslogik der Massengesellschaft zufolge geriet es zuletzt unter ideologischen Druck. Dieser hatte das Ziel, Frauen an ihrer weiblichen Identität irre zu machen und diese im Ergebnis in eine beliebige Funktion aufzulösen.

Äußerlich begann die Entweiblichung schon in meiner Schülerzeit: Wie auf ein gegebenes Kommando liefen wir Ende der 1960er Jahre fast alle in Jeans und mit grünem Parka herum. Ob jemand Junge oder Mädchen war, konnte man wegen unserer langen Haare manchmal von vorne noch sehen. Bis heute wollen gerade im universitären Milieu viele Frauen gar nicht mehr spezifisch als Frau wahrgenommen werden und benehmen sich auch so. Auch daß sie als Frauen besondere, prägende Bedüfnisse und Eigenschaften haben, spielt gegenüber dem Vorrang ihrer Ökonomisierung keine Rolle mehr. Und sie beugten sich willig. Man hätte ja ein massenhaftes Aufbäumen dagegen vermuten können, ein Beharren auf betont weiblicher Identität. Das sehe ich aber nirgends. Wo auch immer Frauen als Frauen gemeinsam politisch kämpfen, kämpfen sie seltsamerweise nicht dagegen, ihrer Weiblichkeit entfremdet zu werden, im Gegenteil: Sie glauben sich noch nicht gleich und nicht “gleichgestellt” genug.

Tatsächlich gibt es noch Restbestände herkömmlicher Verhaltensmuster wie junge Frauen mit hübschen Röcken beim Volkstanz oder in Diskotheken junge Frauen mit allen lockenden Attributen. Die einen sind aber zu argwöhnisch ausgegrenzten Randgruppen geworden, immer im Verdacht finsterer politischer Zielsetzungen. Auf die anderen blicken die Hüter des Feminismus mit Argwohn. Wer seine Identität heute gegen Entfremdung verteidigt, befindet sich sofort im Fadenkreuz ideologischer Blockwarte.

Daß die industrielle Massengesellschaft gleiche Massenmenschen hervorgebracht hat, ist zunächst ein faktischer Umstand. Bei wem wollten wir uns dagegen beschweren? Daß sie aber fortwährend Menschen erzeugt, die sich auch nichts sehnlicher wünschen als “gleich” zu sein, verblüfft doch. Wir haben die beliebige Austauschbarkeit von Menschen als kleinste, am besten identische Bausteinchen des Räderwerkes der Industriegesellschaft hervorgehoben. Aber wie erzeugte diese faktische Gleichheit, austauschbar und ersetzbar zu sein, eine Ideologie, die genau das zur Sollensforderung erhob?

Beharrlich und zuweilen mit Wut und Gehässigkeit betreiben selbsternannte Vorkämpferinnen für “die Frau” eine Politik der Einebnung aller besonderen Merkmale ihres Geschlechts. Sie kämpfen nicht dafür, kein Rädchen im Getriebe der Industriegesellschaft sein zu müssen oder sich als Mutter selbst zu verwirklichen. Statt dessen fordern sie, innerhalb dieses Getriebes ein größeres Rädchen sein zu wollen. Und ist eine Frau nun einmal wie sie ist – es gibt auch unter Frauen eher kleine Rädchen – dann fordern sie doch wenigstens einen quotenmäßigen Anteil am Räderwerk ungeachtet dessen, ob ihr Rädchen groß genug ist und auch paßt.

Die Weltordnung der Gleichheit und Gerechtigkeit wankt, wenn der Quotenanteil von Frauen nicht in jedem beliebigen Lebensbereich dem von Männern entspricht. Dabei wird als selbstverständlich vorausgesetzt und nicht mehr hinterfragt, daß Männer und Frauen in jedem Lebensbereich gleich und untereinander beliebig austauschbar sein sollen. Jede Ungleichheit gilt als ungerecht.

Von der Frau am Fließband in Arbeiterkluft über die Studentin im Parka der Revolte 1968 bis zur Geschäftsfrau im Hosenanzug versinnbildlicht die gleiche Kleidung den Anspruch auf funktionale Gleichheit. Der Ethologe Eibl-Eibesfeldt (1928-2018) sprach spöttisch von Männermimikry[3]. Diese Gleichheit aber ist das Gegenteil von Identität, ist der Verzicht auf alles weibliche Besondere. Dieser Verzicht ist der Kern dessen, was heute “Frauenbewegung” zu sein behauptet. Selbst dem Marxisten Bini Adamczak fiel störend auf, daß “Gleichheit” in der kommunistischen Revolution von 1917 faktisch darauf hinauslief, “alle Menschen zu Männern zu machen”, was besonders ärgerlich ist für jemanden, der selbst lieber eine Frau wäre. Die sowjetische Gesellschaft der 1920er Jahre sei zwar nicht so sehr durch eine Dominanz der Männer, wohl aber eine der Männlichkeit gekennzeichnet gewesen[4].

Historisch haben wir bisher die unterschiedlichen Vorstellungen von Frauen und Weiblichkeit in verschiedenen Epochen immer abhängig gefunden von den kulturellen, materiellen und ökonomischen Umständen. Die jeweilige Ideologie paßte sich den jeweiligen Lebensumständen an, und die Anpassung der rechtlichen Gegebenheiten folgte nach. Auch heute können wir die Gleichheitsideologie nur verstehen als die den Funktionsvoraussetzungen der industriellen Massengesellschaft angepaßte und gemäße Anschauung. Ihr paßt sich wiederum das Recht mit ein wenig zeitlichem Abstand immer wieder an. Die eifernden Verfechter sogenannter Gleichheit und sogenannter Gerechtigkeit haben die Anpassung an die gegebenen Verhältnisse der Massengesellschaft vollzogen und suchen sie gegenüber denjenigen zu exekutieren, die scheinbar noch ein wenig zurückgeblieben sind auf der Rennbahn des Fortschritts.

Für die medial in die Ecke gedrängten Andersdenkenden ist Gleichheit ungerecht, weil es gerecht wäre, wenn jeder bekäme, was er verdient. Was er verdient, ist ganz verschieden und richtet sich danach, was er ist, was er verkörpert und was er geleistet hat und noch leistet. Das dürfte für Frauen, die ihr Leben dem Gebären und der Aufzucht von Kindern widmen, auch gern ein bißchen mehr sein – wenigstens so viel wie eine berufstätige Frau erhält. Das wäre einmal eine Leistungsgerechtigkeit, die man wirklich herstellen könnten.

“…. alle Menschen zu Männern machen” Sowjetisches Propagandaplakat auf die Oktoberevolution mit kampfbereiter Arbeiterin[5]

Die Auflösung der Weiblichkeit

Die prinzipielle Austauschbarkeit jedes mit jedem erzeugt und verlangt ein Menschenbild, in dem nicht nur der Mann ohne Eigenschaften prinzipiell jede Funktion erfüllen kann, weil ohnehin alle gleich sind. Auch die Frau verliert ihre Eigenschaften, vor allem ihre weiblichen Eigenschaften. Eine immer rabiatere Gender-Ideologie bestreitet konsequenterweise, daß Frauen überhaupt spezifisch weibliche Merkmale aufweisen.

Mit der Reduzierung dessen, was eine Frau eigentlich ausmacht, auf ein gesellschaftlich bedingtes Rollenverständnis, liegt die Forderung nach einer Emanzipation oder Befreiung von eben diesem Rollenverständnis in der Luft. Die Forderung nach Gleichberechtigung reduziert die Begriffe von Mann und Frau auf Begriffe, die nicht primär biologisch, sondern sozial und politisch verstanden werden[6]. Unser Sein als Mann oder Frau als lediglich anerzogen zu verstehen, als aufgezwungen gewissermaßen, legt die Forderung nah, sich von ihm “frei” zu machen. Zumindest sollte man dies dürfen: Ist Mann oder Frau zu sein nur eine gesellschaftliche Konvention, eine Übereinkunft, dann kann man sie auch kündigen. Das ist folgerichtig erreicht, “wenn das Individuum selbst seinen Geschlechtscharakter kündigen, ihn also durch eine einfache Eintragung in die Standesregister bestimmen oder ändern kann”[7].

Wer die Unterscheidung von Mann und Frau für nur sozial konstruiert hält, beabsichtigt ihre Dekonstruktion und damit die Dekonstruktion der Männlichkeit und die der Weiblichkeit. Welcher Sinn, welches Ziel steckt tendenziell hinter diesem Dekonstruktivismus? Wie sähe eine Welt aus ohne unterscheidbare Geschlechter und ihr nach Zeitläuften und Völkern differenziertes Rollenverhalten? Wer könnte ein Interesse hegen an einer gleichförmigen Gesellschaft geschlechtsneutraler Personen? Wessen Macht würde ein solches utopisches Gesellschaftsverständnis begründen? Und wessen psychische Bedürfnisse würde ein allgemeines Gesellschaftsverständnis bedienen, das betonte Männlichkeit und Weiblichkeit als bloß konstruierte, anerzogene, ja letztlich eingebildete Wahnvorstellung ansieht?

Der vergebliche Versuch, nicht zu sein, was man doch ist, führt zu bedauernswerten, verunsicherten und verstörten jungen Menschen und im Extremfall zum Psychiater. Von sogenannten Erzieherinnen beaufsichtigte Jungs werden von klein auf gerügt, wenn sie typisch jungenhaftes Verhalten zeigen, und umgekehrt werden Mädchen entmutigt, die gern mit Puppen spielen. Helmut Schoeck hat schon 1987 die hinter pädagogischer Manipulation steckende Absicht durchschaut: Ihr Hauptziel ist es, bei Kindern, möglichst schon in der Grundschule, das Vorurteil zu verankern, alle Verhaltensnormen seien willkürlich und meist zum Nachteil der Betroffenen festgelegt[8].

Die damals manipulierten und in ihrer Orientierung verunsicherten Kinder stehen heute dozierend vor Studenten und erzählen ihnen etwas vom Genderismus. Wenn alle prägenden Unterschiede zwischen Mann und Frau verwischt werden, spielt auch das bevorzugte Geschlecht des Sexualpartners keine Rolle mehr, weshalb frei auszulebende Homosexualität fest zum Forderungskanon dieser Ideologie zählt.

Die pädagogischen Menschenversuche der antiautoritären Welle nach 1968 haben eine zunehmende Zahl junger Leute produziert, die in ihrem eigenen Rollenverhalten und geschlechtlichen Selbstverständnis zutiefst verunsichert sind. Ob der Nachwuchs Junge oder Mädchen sei, fragt jemand in einem Witz und bekommt zur Antwort, das müsse das Kind später selbst entscheiden. Diese Entscheidungslast verträgt nicht jeder junge Mensch. Wir haben die alte Selbstverständlichkeit eingebüßt, Mann oder Frau zu sein. Viele, die sich als das eine oder das andere verstehen, haben ein schlechtes Gewissen angesichts einer medialen und gegebenenfalls schulisch-universitären Dauerberieselung mit der Zumutung, nicht so eindeutig sein zu sollen, wie sie sich selbst empfinden.

Sie alle dürfen getröstet sein zu erfahren, der Mangel an charakterlicher Eindeutigkeit sei gar nicht ihr eigener, höchstpersönlicher Mangel. Nein, die Gesellschaft sei schuld, sie habe Geschlechter und ihr besonderes Rollenverhalten nur konstruiert. Um sich selbst und das eigene Gewissen zu entlasten, sind Menschen höchst kreativ. Die Gendertheorie ist eine gelungene Kreation und Selbstvergewisserung für alle, die als Männer ahnen, sich so gar nicht männlich zu benehmen, oder die sich als Frauen neidvoll mit anderen Frauen vergleichen, die ihre Weiblichkeit kultivieren und zur Schau tragen.

Freie Liebe und freier Sex

Solche Frauen gibt es viele. In den meisten Epochen hatten die meisten Menschen ziemlich konform ein und dieselben kulturellen Anschauungen. Sie prägten einen sogenannten Zeitgeist, dem sich nur Außenseiter entziehen konnten. Auch heute haben wir in Deutschland in vielen grundsätzlichen Fragen dieselben modernen Anschauungen. Darüber dürfen uns die erbitterten politischen und ideologischen Grabenkämpfe nicht hinwegtäuschen. Hier kämpfen nur verschiedene Fraktionen derselben geistesgeschichtlichen Moderne gegeneinander. Ihr gemeinsames Verbindendes ist soziologisch die industrielle Massengesellschaft und, politisch formuliert, die Massendemokratie, deren Ergebnis sie alle sind.

Innerhalb dieser Massengesellschaft hat sich ein offiziell erwünschter Pluralismus der Lebensformen etabliert. Die politisch engagierte Aktivistin für Frauengleichheit ist Kind eines speziellen, meist universitären Milieus, doch es gibt auch andere. Über Milieugrenzen hinweg aber herrscht ein allgemeiner Hedonismus in der Gesellschaft, die Lust, sich zu amüsieren und das Leben zu genießen. Etwas “vom Leben zu haben” ist anerkannte Devise breiter Schichten.

Der Hedonismus hatte bereits in den 1920er Jahren bestimmte Kreise erreicht und wurde in großen Städten wie Berlin und Wien zur nach außen hin vorherrschenden Lebenseinstellung. Das galt jedenfalls für diejenigen Kreise, die ihn sich leisten konnten. Er gebar spezifische Frauentypen wie die Femme fatale oder den Vamp, die Männern zum Verhängnis wird: die männeransaugende Dame. Massenwirksam wurden solche Frauenbilder und -vorbilder seit Erfindung des Films. Prägend wirkten in Deutschland Schauspielerinnen wie Marlene Dietrich (1901-1992) in „Der blaue Engel“ von 1930 und Zarah Leander. Sie verkörperten erneut die sinnliche, amoralische Verführerin, die wir schon aus vielen verflossenen Jahrhunderten kennen. Sie kontrastierte zu dem als nur noch fassadenhaft dargestellten Bild bürgerlichen Anstands aus dem 19. Jahrhundert, das langsam randständig wurde.

Zarah Leander (1907-1981) – Inbegriff sinnlicher Weiblichkeit

Männer umschwirr’n mich wie Motten das Licht, und wenn sie verbrennen, ja dafür kann ich nichts!“, singt Marlene Dietrich 1930, und „Kann denn Liebe Sünde sein?“, Zarah Leander (1907-1981) im Film „Der Blaufuchs“ von 1938. Sie antwortet gleich selbst: „…und wenn sie es wär’, so wär es mir egal. Lieber will ich sündigen mal, als ohne Liebe sein.“ Als Inbegriff erotischer Weiblichkeit, aber auch des Gefährlichen am „lockenden Weib“ spielten sie alle ihnen gegebenen Reize aus. Sie verhießen Männern die Glückseligkeit des Augenblicks. Er entspricht dem Moment des Glücks eines Spinnenmännchens vor der Paarung, das danach wohl gefressen wird. Die Verführerin ist das Schicksal des Verführten. Er ahnt, daß der Wahn kurz ist und die Reue lang sein könnte. Solche Weiblichkeit verkörpert genau, wovor Scholastiker und Moralisten langer Epochen sich so gefürchtet hatten: den Archetypus einer Frau, die den Mann mit ihrer Lust verschlingen könnte. Jahrhundertelang wurde sie verteufelt und in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts als Star angehimmelt – aus sicherer Distanz zur Kinoleinwand.

An bürgerlicher Moral gab es nach dem 2.Weltkrieg nicht mehr viel zu zerstören. Die Kulturrevolution der 1968er Linken rannte offene Türen ein. Verbliebene Restbestände und Schranken dessen, was als wohlanständig galt, hat sie ebenso hinweggefegt wie die juristischen. Ein nackter Busen auf einer Zeitung am Kiosk konnte noch Anfang der 1960er Jahre den Staatsanwalt auf den Plan rufen.[9] Ehebruch und männliche Homosexualität waren strafbar. Das 1.Strafrechtsreformgesetz vom 25.6.1969 hob die Strafbarkeit des Ehebruchs und der einfachen Homosexualität auf. Das 4. Strafrechtsreformgesetz vom 23.11.1973 reformierte das Sexualstrafrecht und beschränkte die früheren Sittlichkeitsdelikte im wesentlichen auf Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung,

1968 hatte Reimut Reiche, Soziologiestudent und Vorsitzender des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes, sein Buch “Sexualität und Klassenkampf” publiziert. Es steckte den theoretischen Rahmen für die Forderung nach “sexueller Befreiung” ab, die als Teil allgemeiner politischer Befreiung von angeblich repressiven und autoritären Strukturen konzipiert war. Die Sozialrevolutionäre in seinem Umfeld “radikalisierten den Diskurs, indem sie erstens die freie sexuelle Betätigung für Minderjährige forderten und damit nicht nur die Grenzen der Ehe überschritten.” Zweitens betonten sie den Lustcharakter der Sexualität und untergruben die Vorstellung, sie sei nur zur Fortpflanzung da[10]. Gefordert wurde die “freie Liebe”.

Mit der Repression war auch die angebliche repressive Gewalt gemeint, mit der Ehefrauen in der Ehe als staatlich geschützter Zwangsgemeinschaft von ihren Männern “unterdrückt” würden. Damit war der Begriff gemünzt, unter dem seitdem und bis heute fleißig an der Legende der Frauenunterdrückung gestrickt wird.

In Anlehnung an den kommunistischen Psychoanalytiker Wilhelm Reich[11] sollte die Psychoanalyse “die Familie als den Ort der Austragung und Reglementierung des gewaltigen negativen Komplexes an Herrschaft entlarven” und “aufs Neue ökonomische Basis, Verhalten und Bewußtsein für die Einheit des kritischen Kampfes vermitteln”[12]. Dieser richtete sich gegen die männliche “autoritäre Persönlichkeit” als Träger und Hauptakteur des “klassisch faschistoiden Syndroms”. Als kritische Vordenker galten Wilhelm Reich, Max Horkheimer, Theodor Wiesengrund Adorno, Else Frenkel-Brunswik und andere. Von einer Zerschlagung der “repressiven” Familienstruktur erhoffte man sich, das deutsche “faschistoide Syndrom” im Herzen zu treffen. Die sexuelle “Befreiung” war ein notwendig erscheinender Schritt zu diesem Ziel.

Horkheimer und Adorno wollten die klassische Familienstrukturen zerstören (Foto Jeremy Shapiro)

Man “gewährte uneingeschränkte Triebbefriedigung und entfernte die lähmenden Kontrollen des Gewissens”, stellte aber nach vollbrachter Tat verblüfft fest, daß “Identität” ebenso auf der Strecke geblieben war wie “eine bewußt kritische und aktive Haltung gegenüber der Realität und eine “zu sich selbst kommende Sexualität”[13]. Nach Zerstörung der Familienstrukturen und “Befreiung” der Frauen sah man sich geradewegs im kapitalistisch dominierten Hedonismus gelandet: “Die Psyche des Autoritären war in einem bestimmten Sinne noch potentiell revolutionär. Im modernen Narziß, der weder von Schuldangst noch von heftiger Wunschvereitelung gequält wird, lehnt sich nichts mehr auf”[14]. Irgendwie war der revolutionäre Schuß nach hinten losgegangen.

Nach voller Entfaltung seines Zerstörungspotentials hat er unterdessen eine Gesellschaft hinterlassen, in der Alleinstehende statistisch immer zahlreicher werden und Ehen, in denen Kinder geborgen aufwachsen können, weniger. Nachdem ich fast vierzig Jahre lang als Rechtsanwalt immer wieder bei Ehescheidungen vor Familiengerichten verhandelt habe, drängt sich mir auch der subjektive Eindruck auf, daß viele Ehen auseinandergehen, weil die Eheleute immer weniger partnerfähig sind. Das nicht mehr in Ehen gebundene sexuelle Potential schwappt nun bindungslos von einer Möglichkeit der Triebbefriedigung zur anderen. Sich sexuell zu vergnügen, ist akzeptierter Freizeitspaß einer hedonistischen Spaßgesellschaft.

Es hat schon im Altertum sexuelle Orgien gegeben, zum Beispiel im Rahmen kultischer Feiern bei Griechen und Römern und – in der römischen Spätzeit – aus hedonistischem Gelüst. Die Germanen waren ebenso freizügig. Im Deutschland des 20. Jahrhunderts war es als Freizeitvergnügen neu und hatte keinen einheimischen Namen, so daß man das amerikanische Wort Swinger benutzte für Leute, die sich anonym treffen und miteinander vergnügen. Das geschieht zum Beispiel in Clubs, in denen dann der Grundsatz der Freiwilligkeit gilt: “Alles kann, nichts muß.” Da kann die Dame – so sie denn möchte, einen, zwei, drei oder mehr Herren nacheinander haben oder der Herr mehrere Damen – solange er denn kann. Es zeigte sich nämlich hier, daß die Fähigkeit von Frauen zur Lust weitaus ausgeprägter und ausdauernder ist als die männliche und wer eigentlich das “starke Geschlecht” ist: die Frauen sind es.

So endete die von Kulturrevolutionären geforderte freie Liebe in freiem Sex, frei vor allem auch für jede Art von Kapitalinteresse und Profit, die man aus seiner Vermarktung nur schlagen kann. Der weibliche Körper wurde zur Ware vor allem im Internet. Die angebliche Befreiung der Frauen von ihren bösen patriarchialischen Ehemännern unterwarf sie den Gesetzmäßigkeiten von Angebot und Nachfrage der kapitalistischen Industriegesellschaft, gegen die unsere revolutionären Helden 1968 doch gerade angetreten waren. “Aus den kulturrevolutionären Orgien wurde die wachsende Selbstverständlichkeit des Ehebruchs, der getrennte Urlaub oder der Partnertausch.” In der Atmosphäre der Massendemokratie sind selbst Revolutionen hedonistisch angehaucht[15].

Der allgegenwärtige Hedonismus beschränkt sich nicht auf bestimmte Milieus. Er findet sich bei Vertretern auch gegensätzlicher politischer Couleur. Eine Frau kann durchaus morgens arbeiten, nachmittags engagiert die Umwelt retten und abends hedonistischen Ausschweifungen nachgehen. Eine neuheidnisch angehauchte Aktivistin der extremen Rechten fand nichts dabei, eine Herberge für Paare zu eröffnen, die dort diskrete Stunden verbringen möchten. Im allgemeinen haben sich in katholischen Milieus alte Einstellungen zu Frauen und Sexualität eher erhalten, nicht aber in rechten. Ich kenne einen Antifa-Aktivisten und Soul-Musiker, der schon mal seine Freizeit in einem Kasseler Swingerclub verbringt, aber auch eine rechtsextreme junge Kämpferin – im Internet unterwegs für die Ehre ihres verstorbenen Führers – und mit massenhaftem Konsum von ihr konsumierter Pornofilme auf ihrem Rechner[16]. Wir sehen an alledem, daß ein amoralischer Hedonismus inzwischen quer durch die politischen und ideologischen Lager geht und die gesamte Gesellschaft prägt.

Selbst in Studentenverbindungen, wo man noch betont konservative Wertvorstellungen vermuten könnte, war das bereits vor 40 Jahren nicht anders. In einer mir damals gut bekannten Berliner Burschenschaft herrschte zuweilen abends in Betten fröhliches Durcheinander – mit Damen. Und der Freundin eines Burschen einer durchaus rechten Marburger Burschenschaft entfuhr einmal der Seufzer: “Ich bin gespannt, wer heute Abend auf mir rumrutscht.” In gewisser Weise hat das Tradition, heißt es doch schon 1781 in dem weltbekannten Studentenlied Gaudeamus igitur in einer Strophe: Vivant omnes virgines, faciles formosae”, wobei man nicht nur übersetzen könnte, die “freundlichen” Jungfrauen sollten hochleben – faciles kann man auch mit “willig” übersetzen.

Die Massendemokatie bedarf hedonistischer Einstellungen und Werte, die den wirtschaftlich notwendigen massiven Verbrauch der massenweise konsumierten Konsumgüter teils psychologisch nahelegen, teils ethisch rechtfertigen[17]. Der heute herrschende Hedonismus entstand nämlich nicht zufällig oder als Ergebnis geistigen Ringens um weltanschauliche Postulate. Er ist ein Kind der industriellen Massengesellschaft und wird uns begleiten, solange ihre wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen bestehen. In dem Augenblick, als die ständige Existenznot der Menschen der Agrargesellschaft verschwand und die Industrie in England bereits in das Stadium des sich aus sich selbst speisenden Fortschritts überging, hatte man in Frankreich das Recht auf Existenz zum obersten Recht erklärt; damit geriet man in ein Fahrwasser hin zur Forderung nach Wohlstand und Güterverteilung für alle[18]. Linke Revolutionäre wie François Noël Babeuf (1760-1797) hatten bereits eine Art Glückssozialismus gefordert, einen Zustand des beständigen Glücks und die Befriedigung der Bedürfnisse aller[19].

Der normative Kern des Frauenbildes

Durch die Jahrhunderte zieht sich wie ein roter Faden ein scheinbar widersprüchliches Frauenbild: Das immer wieder ausgemalte Idealbild scheint der eingeschränkten rechtlichen Handlungsfähigkeit zu widersprechen. In germanischer Zeit hatten Frauen, obwohl als potentielle Seherinnen hoch geachtet, noch nicht einmal Anspruch auf sexuelle Treue ihrer Ehemänner: Ehebruch konnten nur Frauen begehen[20].

Männer beanspruchen für sich seit Einsetzen der historischen Quellentexte des Frühmittelalters größere Nachsicht für ihre eigenen Treueverletzungen als sie umgekehrt Frauen zubilligen. Auch wo männlicher Ehebruch für unrechtmäßig erklärt wird, büßen Männer doch geringer als Frauen. Bricht eine Frau die Ehe, kann sie unnachsichtig zur Rechenschaft gezogen werden. Männer bringen für ehebrechende Männer viel Verständnis auf – solange es nicht die eigene Frau betrifft.

Vom Mittelalter bis in die Gegenwart zieht sich ein Frauenbild, das weibliche sexuelle „Ausschweifungen“ hart, männliche aber milde beurteilt. Noch im 20. Jahrhundert ließ es sich mit bürgerlichem Verständnis von Sittlichkeit und Anstand ausgezeichnet vereinbaren, wenn sich ein Junggeselle „erst noch die Hörner abstoßen“ wollte, bevor er heiratete. Wehe der jungen Dame, die das versuchte! Bei ihrer moralischen Abqualifizierung können andere Frauen noch weitaus rigoroser sein als Männer, ist doch eine andere Frau, die mal mit dem einem Mann etwas anfängt, dann mit einem anderen, eine potentiell gefährliche Rivalin.

Bis heute, Jahrzehnte nach der sogenannten sexuellen Revolution der 1960er Jahre, gilt ein Mann unter Stammtischfreunden als Draufgänger und toller Kerl, der nacheinander verschiedene „Frauen aufreißt“, wie man sich in solchen Kreisen wohl ausdrückt. Während so ein „Frauenaufreißer“ offene oder stillschweigende schmunzelnde Bewunderung erntet, gibt es das entsprechende Wort „Männeraufreißerin“ noch nicht einmal. Für eine Frau mit wechselnden sexuellen Partnern gibt es aber abwertende bis vulgäre Begriffe aus der Gossensprache: Die Frau “von Schlampampen” aus der Grafik von 1625 lebt im Bild der “Schlampe” fort. Warum verhält sich das so? Werden hier Frauen „immer noch diskriminiert“? Dürfen sie sich bis heute “nicht herausnehmen”, was Männer sich herausnehmen?

Die Erklärung für die unterschiedliche Beurteilung männlicher und weiblicher sexueller Freizügigkeit liegt in einer Konstante des Frauenbildes seit unvordenklicher Zeit: Die Frau ist nämlich etwas ganz Besonderes, und diesem Bild soll sie gerecht werden. Daß eine rechte Frau edel, rein und keusch oder treu ist, wurde ihr in allen Epochen als Wesensmerkmal zugeschrieben. Dieses Bild wurde von liebenden Männern in den Himmel gehoben, idealisiert und verklärt. Frauen haben es gern geglaubt und verinnerlicht. Was sich für eine Frau geziemt, was „sich gehört“, haben Mütter und Großmütter ihren Töchtern weitergegeben, nicht Männer.

Das Bild der realen Frauen wurde im Bewußtsein der Menschen immer überlagert von einem normativ hoch aufgeladenen Frauenbild, das genau vorschrieb, was eine Frau keinesfalls tun sollte. Darum reagieren wir bis heute besonders emotional und abwehrend, wenn eine Frau diesem Bild so gar nicht entspricht. Als ich 1975 als Polizist auf dem Neumarkt in Köln eingesetzt wurde wegen Belästigungen von Passanten, hat mich der Anblick zweier völlig verwahrloster Landstreicher auf einer Bank völlig kalt gelassen. Erschüttert hat mich nur eine zwischen ihnen sitzende, ebenso verwahrloste Frau, die sich gleichzeitig oben einen Schnaps hineinschüttete, während ihr unter dem Rock hervor der Urin auf das Pflaster rann.

Wenn Frauen dem herkömmlichen normativen Ideal nicht entsprechen, werden sie schneller und härter abqualifiziert als Männer, die das gleiche tun. Der Grund liegt aber nicht darin, daß sie weniger oder geringer gelten und tiefer im Ansehen stehen als Männer, so daß sie nicht dürfen sollen, was Männer dürfen. Genau im Gegenteil: Gerade weil Frauen so besonders bewundert und hoch geschätzt werden, kann schon ein kleiner Schritt neben der moralischen Spur ein nicht verzeihbarer Fehltritt sein. Während der Volksmund Männern zutraut, „immer nur das Eine“ zu wollen, hat er für Frauen ein idealisiertes und geschöntes, also unrealistisches Bild. Es ist aber ein Bild, das von besonderer Achtung, von Bewunderung und oft von Liebe getragen ist.

Die Augen der Liebe sehen anders. Liebe heißt, etwas zu sehen, wie es nicht ist. Der Liebende sieht nicht nur das geliebte Objekt, sondern in ihm, was er in ihm sehen möchte und es in das Objekt hineinprojiziert. Wer etwa “den 1. Fußballclub Köln” liebt, der meint damit nicht die elf Kerle, die sich da zufällig gerade auf dem Rasen abstrampeln. Er meint vielmehr alles, was er an Erinnerungen, Wünschen und Erwartungen in den geliebten Verein hineinprojiziert. So sieht auch der liebende Mann in der geliebten Frau die Summe alles dessen, was ihm von ihr an Gutem widerfahren ist, was sie im Augenblick gerade darstellt und was er sich noch von ihr erhofft. Sie ist “sein Ein und Alles” und damit der Inbegriff aller Vorstellungen, die er von ihr hat.

Es solches Frauenbild kann nicht realistisch sein, sondern nur ideell. Den Lebensweg eines Mannes säumt indessen nicht nur ein einziges weibliches Wesen: War er als Kind umsorgt und geliebt von einer fürsorglichen Mutter und vielleicht auch Großmutter, erfährt er später die Liebe seiner Ehefrau, und ebenso liebevoll blickt der glückliche Vater auf seine niedlichen Töchter. Aus allen diesen Erfahrungen setzt er in seinem Kopf eine abstrakte Vorstellung von Frau zusammen, gebildet aus der Quintessenz dessen, was diese Frauen ihm bedeuten und was er in ihnen sieht. Mit keinen anderen Frauen kommt er so nachhaltig in Kontakt. Niemand sonst prägt so stark sein Frauenbild.

Mütter sind aus der Perspektive ihrer Kinder asexuelle Wesen. Glücklich schätzt der Ehemann sich, weiß er sich der Treue seiner Frau gewiß. Und die eigenen Töchter bleiben im Kopf ihres Vater irgendwie immer unschuldige Kinder. So verbindet sich die Essenz alles dessen, was er sich unter Frau vorstellt, mit einem heiligen Schein von Reinheit und Unschuld. Dieser Schein ist der harte Kern der von Jahrhundert zu Jahrhundert fortbestehenden ideellen Vorstellung davon, was eine Frau verkörpert oder verkörpern sollte.

Das biologische Frauenbild

Ein biologisches oder neuropsychologisches Fachbuch mußten wir nicht schreiben, als wir nach dem Frauenbild in wechselnden Epochen fragten. Aber für die Würdigung früherer Anschauungen war entscheidend, ob diese womöglich nur auf Vorurteilen oder auf Einbildung beruht hatten wie die antike Vierelementenlehre, die von vier charakterlichen Grundelementen ausgegangen war und den Frauen die Feuchtigkeit und die Kälte zugeschrieben hatte. So unsinnig diese Lehre auch war, war sie doch im 18. Jahrhundert noch äußerst virulent.

Auch ganz moderne Ansichten müssen sich die Überprüfung gefallen lassen, ob sie sich im Einklang mit naturwissenschaftlichen Tatsachen befinden oder ob wir sie als Hirngespinste abtun wie die Vierlementenlehre und den Hexenaberglauben. Die Nagelprobe jeder Wissenschaft besteht tagtäglich darin, ob ihre Grundannahmen mit dem Wissenszuwachs Schritt halten oder geändert werden müssen. Für einen phantasiebegabten Menschen ist es spielend leicht, sich irgendetwas auszudenken, das es gar nicht gibt: den Teufel, die kalte und feuchte Natur des Weibes, die unbefleckte Empfängnis, die astrologische Macht der Gestirne. Es gibt Hypothesengebäude wie die Idee, wir lebten alle nur in einer Matrix Außerirdischer, die mit uns experimentieren, die Theorie, Realität entstehe erst durch die Wahrnehmung eines Objektes, und die Behauptung, die Unterschiede zwischen Männern und Frauen seien nichts als eine kulturelle Konstruktion, hervorgegangen aus zwischenmenschlichen Diskursen.

Sicherlich sind Menschen Kulturwesen, und zwar von Natur aus. Daß kulturelle Sichtweisen sich ändern können, haben wir über die Jahrhunderte verfolgt. Aber worauf beruhen alle diese kulturellen Schöpfungen? Schaffen wir sie aus dem Nichts wie Gott am ersten Schöpfungstag? Bei jeder biologischen Eigenschaft stellen wir die Frage: Welche biologische Funktion erfüllt sie? Welchen arterhaltenden Wert finden wir in ihr? Wo stünden wir evolutionär ohne sie?

Uns genügt hier, daß die gesamte Kultur um die Mann-Frau-Beziehung sich offenbar in unvordenklichen Zeiträumen als vorteilhaft erwiesen hat, eine hinreichende Bindung der Geschlechter aneinander zu sichern, so daß eine optimale Zahl von Kindern großgezogen werden konnte. Die jeweilige Kultur war immer zeitbedingt und änderte sich. Die biologische Notwendigkeit einer solchen Kultur änderte sich nie. Kultur erschaffen wir täglich neu, wandeln sie immer wieder ab, konstruieren hier eine Neuerung hinzu, vergessen dort etwas nicht mehr in die Zeit Passendes. Um die kulturbedingte Veränderung der Anschauungen als jeweilige Reaktion auf veränderte Umstände zu verstehen, müssen wir vorher lernen, um welche biologischen Fakten herum sich denn die jeweilige Mann-Frau-Kultur bildet. Würden wir nur die Kultur betrachten und nichts von unserer biologischen Natur wissen, wäre schon das Tauschen eines Eheringes schlechterdings unverständlich, ebenso unverständlich wie der Balztanz eines Paradiesvogels für einen Vogelforscher wäre, der von Kopulieren, Nestbau und Eierlegen noch nie gehört hat.

Natürlich sind Männer und Frauen verschieden. Die Psychologen Petri Kajonius von der Universität Göteborg in Schweden und sein US-Kollege John Johnson von der Pennsylvania State University bezifferten 2018 anhand der Selbstauskünfte von mehr als 320 000 Menschen zwischen 19 und 69 Jahren: In 13 der 30 Merkmale gibt es meßbare Abweichungen zwischen den Geschlechtern. “Beachtlich groß waren sie bei zwei umfassenden Persönlichkeitsdimensionen aus dem bekannten Fünf-Faktoren-Modell: Verträglichkeit und emotionale Labilität (»Neurotizismus«). Erstere setzt sich aus Eigenschaften wie Altruismus und Mitgefühl zusammen, letztere unter anderem aus Ängstlichkeit und Verletzlichkeit; und diese vier Facetten waren bei Frauen im Schnitt so viel stärker ausgeprägt als bei Männern, daß Statistiker von einem mindestens mittelgroßen Effekt sprechen (d > 0,50). Praktisch bedeutet dieser Wert: Wenn man per Zufall je einen Mann und eine Frau vergleicht, ist sie in zwei Dritteln der Fälle ängstlicher beziehungsweise verletzlicher, mitfühlender, altruistischer. Wären die Merkmale bei Frauen und Männern gleich verteilt, lägen die Chancen naturgemäß bei 50 zu 50”[21].

Man benötigt aber kein Fachwissen, sondern kommt mit Menschenkenntnis aus, um zu wissen, daß Männer und Frauen im Großen und Ganzen emotional verschieden angelegt sind. Diese Verschiedenartigkeit hat evolutionäre Gründe. Letztlich entspringt sie der Aufgabenverteilung zwischen den Individuen, die Kinder gebären, und den anderen, die auf die Jagd gehen und die Gruppe beschützen. Weil man heute selbst jahrtausendealtes Erfahrungswissen aber durch Studien untermauern muß, gibt es dazu auch solche psychologische Untersuchungen. Der italienische Psychologe Marco Del Giudice von der Universität Turin und seine britischen Kollegen Tom Booth und Paul Irwing von der Universität Manchester publizierten im Online-Fachblatt Plos One am 4.1.2012 einen Artikel. Die Kernaussage lautet: Mann und Frau stimmen nur in zehn Prozent ihrer Persönlichkeitsprofile überein. “Betrachtet wurden 15 Persönlichkeitsmerkmale. Danach erreichen Frauen bei den Merkmalen Wärme, Zuneigung, Sensibilität und Besorgtheit deutlich höhere Werte als Männer. Diese liegen bei Gleichmut, Neigung zum Herrschen, dem Beachten von Regeln und Wachsamkeit klar vorn. Nach Ansicht der Wissenschaftler sind Mann und Frau weit auseinander, was ihre Charakterzüge angeht”[22].

Auch der heutige Fortschritt der Genetik fördert immer mehr psychische Unterschiede zwischen den Geschlechtern zutage. Autismus tritt beispielsweise häufiger bei Männern auf, während Verhaltensstörungen, die auf Angst beruhen, eher Frauen betreffen. Ohne daß der spätere erzieherische Einfluß geleugnet würde, fand man klare geschlechtsspezifische Fähigkeits-Schwerpunkte. Frauen sind empathischer: Im weiblichen Genom, nicht bei den Männern, fanden Forscher der Universität Cambridge außerdem auf dem Chromosom 3 einen DNA-Abschnitt, der eng mit der Empathiefähigkeit verbunden war. Es gibt Hinweise darauf, daß dadurch ein Gen beeinflußt wird, das in der Hirnregion des Striatums besonders aktiv ist. Die Liste solcher Forschungsergebnisse ließe sich beliebig fortsetzen.

Es gibt angeborene Unterschiede in der Ausprägung des Dominanzverhaltens. Im allgemeinen streben Männer nachhaltiger nach einer dominanten Rolle als Frauen. Ihr Testosteronspiegel liegt um das Zehnfache über dem von Frauen. Funktion und Auswirkungen dieses Hormons auf das menschliche Sozialverhalten sind komplex und vielfältig. Es gibt zahlreiche Belege für einen direkten Zusammenhang zwischen Testosteron und einer Disposition für einen stärker ausgeprägten Dominanztrieb. Die Erforschung der endokrinologischen und neuropsychologischen Zusammenhänge steckt noch in den Kinderschuhen. Was wir bisher wissen, legt zwar nicht nah, Männer und Frauen seien unentrinnbar hormongesteuert und in ihrem Verhalten festgelegt. Das menschliche Sozialverhalten ist hochkomplex. Verschiedene Ursachen und Wirkungen durchdringen sich. Wir können nicht ein konkretes weibliches oder männliches Verhalten ausschließlich mit unserer Biologie erklären. Außer acht lassen dürfen wir diese aber ebensowenig.

Hormonbeeinflußt sind wir allemal, und diese Beeinflussung ist geschlechtsspezifisch sehr verschieden. Sie läßt uns jeweils als Mann zu “männlichem” oder als Frau zu “weiblichem” Verhalten tendieren. Wenn entsprechende Erziehung diese biologische Anlage noch stützt und nicht aberzogen wird, ist das Resultat häufig ein “männlicher”, dominanter Mann und eine “weibliche”, eher anpassungsbereite Frau. Mehr brauchen wir eigentlich nicht zu wissen, um eine typische Beobachtung aus 2000 Jahren ehelicher Machtbalance zu begreifen.

Das Hormon Oxytocin spielt “bei Männern eine zentrale Rolle für Treue und monogames Verhalten, denn weisen Männer einen erhöhten Oxytocinspiegel im Gehirn auf, erscheint die eigene Partnerin im Vergleich zu anderen Frauen attraktiver. Man hatte in einem Versuch heterosexuellen Männern, die in einer Partnerschaft leben, ein Oxytocin-Nasenspray verabreicht und die Auswirkungen dieses Hormonschubs dokumentiert. Offensichtlich sorgt das Hormon dafür, daß beim Anblick der eigenen Partnerin das Belohnungszentrum im männlichen Gehirn aktiviert wird, wodurch die Zweierbindung und monogames Verhalten gestärkt werden. In Untersuchungen hatte sich unter anderem auch gezeigt, daß in Partnerschaften gebundene Männer unter Oxytocin-Einfluss mehr Abstand zu attraktiven fremden Frauen wahren als Singles oder unbehandelte Männer, denn offenbar verstärkt das Hormon die Treue”[23].

Wir haben gedanklich miterlebt, wie sich seit der archaischen Vorzeit Frauen im allgemeinen verhalten haben. Zwar wissen wir, daß Frauen an sich auch alles können, was Männer können. Aber wollen sie es denn, möchten sie es denn auch? Schon die frauentypischen oder männertypischen Grabbeigaben germanischer Zeit zeigen uns, daß in aller Regel Männer sich mit Waffen und Jagd beschäftigt haben, Frauen aber mit der Herstellung von Kleidung und anderen Dingen. Das Schwert und die Spindel wurden im Sprachgebrauch geradezu zu Synonymen für Mann und Frau. Für eine wie auch immer geartete “Unterdrückung” von Frauen hin zu eben dieser Geschlechtsrolle und Tätigkeit gibt es keinerlei historischen Beleg. Keine wurde wider Willen gezwungen, sich mit Weben, Leinwandspinnen, schönen Kleidern und Schmuck zu beschäftigen. Niemals hätte sich über Jahrtausende eine Rollenverteilung halten können, in der die Hälfte der Bevölkerung erst bezwungen und dann gezwungen wird.

Daß weibliches Verhalten tendenziell auch hormonbedingt ist, beantwortet uns aber nur die Frage, wie es physiologisch funktioniert. Dahinter liegt die Frage, warum es gerade so funktioniert und nicht anders. Wenn wir eine biologische Eigenschaft feststellen und nach ihrem Grund suchen, müssen wir nach ihrem arterhaltenden Nutzen fragen. Es setzen sich evolutionär diejenigen physiologischen Unterschiede durch, die zu höherer sogenannter genetischer Fitneß führen. Das bedeutet: Wer die meisten Nachkommen hat, die ihrerseits viele Nachkommen erzeugen, ist “genetisch fit.”

Wir teilen seit Jahrmillionen mit unseren nächsten Primaten-Verwandten das Leben in einer Gruppe naher Verwandter. Innerhalb dieser Horde oder Sippe hat sich evolutionär eine Aufgaben- oder Rollenverteilung offenbar als vorteilhaft erwiesen: Während die Weibchen ein Junges mit sich herumschleppen und behüten, sind Männer für den Schutz der Horde und die Entfaltung etwaiger Aggression nach außen zuständig. Daß mehrere Schimpansenmänner sich zusammenschließen und gemeinsam Fremde angreifen, wurde vielfach beobachtet. Hätten die Weibchen stärkere “Lust” an solchen Kämpfen als am Behüten ihres Nachwuchses, stünde es ungünstig für die Arterhaltung. Daß wiederum die Männchen anscheinend mehr “Lust” auf Aggression nach außen und Weibchen mehr “Lust” am Behüten ihres Jungen haben, wird wiederum endokrinologisch gesteuert durch unterschiedliche Hormone.

Die Unterschiede der Geschlechter führten dabei zu unterschiedlichen Verhaltensdispositionen, die der Arterhaltung dienen. Auch Menschen sind biologisch zunächst einmal angelegt auf die Erhaltung der eigenen Gene. Wer sich vielfach fortpflanzt, wird zum Vorfahren der nächsten Generation. Die menschliche Psyche fungiert in allen ihren Leistungen im “gen-egoistischen” Vermehrungsinteresse. Nicht daß wir das bewußt bemerken würden: Wir nehmen soziale Erfahrungen so wahr, daß sie sich widerspruchslos in unser Lebenskonzept einordnen und keine Unsicherheiten aufkommen lassen.

Nur tendenziell disponieren unsere biologischen Geschlechtsunterschiede uns. Wir bemerken sie in der großen Masse aller individuellen Verhaltensweisen immer wieder und können sie als statistische Größe messen. Daß die Polarität der Geschlechter konkreten, individuellen Einzelentscheidungen zugrundeliegt, merken wir oft nicht. Wir wissen, daß wir uns jederzeit willentlich über sie hinwegsetzen können. Gesamtgesellschaftlich betrachtet tun wir das aber nicht. Natürlich kann jeder für sich frei entscheiden, ab morgen kein Bier mehr zu trinken oder keine Frau mehr anzufassen. In ihrer großen Masse fiel die Quersumme aller dieser Einzelentscheidungen aber immer so aus, daß eine hinreichende Anzahl von Kindern der nächsten Generation erzeugt wurde und sich wieder dieselben Fragen zum anderen Geschlecht stellte wie die Älteren.

Wir können die über Jahrtausende erkennbaren Ungleichheiten im Verhalten und dem Verhältnis von Mann und Frau also nicht rein literarisch oder soziologisch erklären und dabei die biologischen Unterschiede völlig außer Acht lassen. Hinter der Frage ob es geschlechtsspezifische Rollenverteilungen gab und gibt, steht die Frage, warum es sie gab und gibt. Das erklärt uns heute die Naturwissenschaft.

Was aber folgt aus alledem für ein naturwissenschaftlich unterfüttertes Frauenbild? Wie sollen Frauen sich verhalten? Was ist hinnehmbar, was geht zu weit?

Wer bis hierher gelesen hat, fällt auf diese Fragen nicht herein. Er weiß: Es folgt normativ gar nichts aus der Anthropologie. Sie beläßt uns das Gefühl, individuell frei zu entscheiden, ob wir einem genetisch motivierten Antrieb folgen oder uns über ihn hinwegsetzen. Die Naturwissenschaft eignet sich nicht dazu, gesellschaftliche Utopien auf sie zu gründen oder Frauen moralisch zu gängeln. Sie ist das geeignete Heilmittel gegen jeden Versuch, Frauen an die Kette zu legen, weil sie gänzlich verschieden von Männern und ein bißchen dumm seien, aber auch gegen die Ideologie, beide Geschlechter seien gleich und Verhaltensunterschiede nur diskursiv erfundene Konstruktionen.

Seit der Renaissance hatte ein Anthropozentrismus die Stichworte für ein werthaftes Verständnis der weiblichen Natur geliefert. Er gehört heute der Geistesgeschichte an. Bis ins 20. Jahrhundert hatte die Anthropologie aber ein normatives Frauenbild gestützt. Dem jeweiligen Fortschritt der Humanwissenschaften folgend hatte es Frauen normativ abverlangt, was ihrer biologischen Natur entsprach. Auf die natürliche Bindung an einen Mann baute man die Pflicht zur Einehe. Auf den Fortpflanzungstrieb baute man geradezu eine Fortpflanzungspflicht. Der Lust der Frau, es sich daheim behaglich zu machen und ihren Kindern ein warmes Nest zu errichten, folgte die Pflicht zu Heim und Herd auf dem Fuße.

Die im 19. Jahrhundert fortschreitende Naturwissenschaft bildete die Voraussetzung solcher Argumentationslogik, und ihr sozialer Träger war das Bürgertum. Es hatte sich 1848 noch eher links verortet, nämlich links vom Adel und seinem davon abweichenden Frauenbild. Dieser saß nämlich im Parlament rechts vom Präsidenten. Je mehr er marginalisiert und das Bürgertum von der Arbeiterschaft links überholt wurde, desto stärker verband man sein normatives Frauenbild mit einer rechten Haltung. Die naturwissenschaftlichen Fortschritte und die Vollendung der geistesgeschichtlichen Aufklärung haben seitdem jedem normativ verstandenen Frauenbild die Voraussetzungen entzogen.

Die gegenderte Frau

Nach unserem ernsten Streifzug durch die Epochen und ihre Sichtweisen auf Frauen möchten wir auch einmal herzhaft lachen: Frauen wurden angeblich erst im 18. Jahrhundert “erfunden”. Das können wir nachlesen in der “Einführung in die Gender Studies” der Trierer Literatur-Professorin Franziska Schößler[24]. Erst im 18. Jahrhundert sei “die Frau als sozial-kulturelles Phänomen erfunden worden. Vorher war alles nur rein biologisch, also offenbar irrelevant. Die anthropologische Unterschiedlichkeit der Geschlechter wird verkürzt auf eine rein literarisch aufgefaßte “Theorie der Geschlechterdifferenz”. Die Geschlechterdifferenz als Theorie zu bezeichnen ist eine feministische Theorie:

Ihr zufolge ist Geschlechterdifferenz erst “in der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelt” worden: Eine “konservative Weiblichkeitskonzeption” lasse sich deutlich in den Frauenbildern der damaligen Gedichte erkennen. So habe Friedrich Schiller nicht nur die unterschiedlichen Charakterisierungen der Geschlechter, sondern auch die geschlechtsspezifischen Arbeitsteilungen dargestellt. Aus Sicht “feministischer Weiblichkeitskonzeption” lag Schiller damit völlig daneben: Seine “patriarchalische Sicht der Geschlechterverhältnisse ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, daß die Theorie der Geschlechterdifferenz in der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelt wurde.

Die Theorie der Geschlechterdifferenz, die immer noch ein zentrales Element des modernen Geschlechterdiskurses ist, behauptet, daß sich die beiden Geschlechter grundsätzlich voneinander unterscheiden, wie sie auch körperlich vollkommen differenziert betrachtet werden müssten. Diese Auffassung ist tatsächlich maßgeblich für die Weiblichkeitskonzeption und Frauenbilder in Schillers theoretischen und lyrischen Texten”[25].

Aus feministischer Sicht unterscheiden sich die Geschlechter also offenbar nicht grundsätzlich und müssen auch keineswegs “körperlich vollkommen differenziert betrachtet werden”. Pseudowissenschaftler betrachten die Geschlechter männlich und weiblich als willkürliche und böswillige Festlegungen der Medizin und der Biologie. Neben oberflächlichen Literaturkenntnissen, die gerade bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen, hat diese Sichtweise ebenso oberflächliche biologische Kenntnisse: Menschen unterschieden sich angeblich nur darin, in welchem Maß ihre Geschlechtsorgane nach innen oder außen gestülpt sind. Erst normativer Druck erzeuge Männer und Frauen. Ziel von “Gender” sei es nach Judith Butler, die normative Konstruktion Frau von dem ihr diskursiv zugewiesenen Geschlecht zu heilen, zu befreien und Frauen wieder zu universellen, selbstbestimmten Menschen zu machen[26].

Damit uns das Lachen gleich wieder vergeht, fordert das Gender-Konzept tiefgreifende Änderungen in der Struktur der deutschen Sprache. Wenn wir dereinst nur noch korrekt gegendert sprechen, können wir nämlich auch nicht mehr denken wie bisher. Es fehlen uns dann die sprachlichen Konzepte unseres früheren eigenen Denkens. In dem für diese Utopie erreichbaren Raum staatlich finanzierter sogenannter Genderforschung setzt der Genderismus sein Neusprech bereits durch und zeigt sich dabei so intolerant wie jede andere extreme Utopie. Im Frühjahr 2013 wurde an der Universität Leipzig beschlossen, in allen offiziellen Texten das generische Femininum zu benutzen, es gibt also nur noch Studentinnen und Professorinnen beiderlei biologischen Geschlechts. Die Zukunft hat begonnen.

Im Anspruch der Lesbe Judith Butler, “Frauen zu universellen, selbstbestimmten Menschen zu machen“, klingt uns das Machen laut in den Ohren. Wenn Menschen gleich zur Welt kämen und alle Geschlechterunterschiede nur erzieherisch oder gesellschaftlich konstruiert wären, liefe das auf eine Neuauflage eines alten Hutes hinaus: der Mileutheorie. Sie besagt, nur das Umfeld eines Menschen präge ihn. Hinter der Lehre von der beliebigen erzieherischen Wandelbarkeit steckt ein Machtanspruch, Menschen nach den Vorstellungen einer jeweiligen Doktrin zu formen[27], eben sie “zu machen.”

Wie sähe die Welt aus, in der Menschen nach genderistischer Doktrin “gemacht” würden? In dem utopischen Roman “Die Maschinen” (Ancillary Justice) von Ann Leckie von 2013[28] entwirft die amerikanische Autorin die Vision einer Zukunft, in der alle Personenbezeichnungen ausschließlich weiblich sind. Als Science-Fiction-Leser habe ich mich durch drei spannende Bände gebissen, war aber gelegentlich desorientiert. In den Dialogen und der Romanhandlung wimmelt es nämlich von Raumschiffs-Kapitäninnen, Leutnantinnen und anderen grammatischen Damen. Sie sind, obwohl biologisch mal Frauen, mal Männer und manchmal künstliche Intelligenzen, auch wegen ihrer exotischen Personennamen schwer als das eine oder andere zu erkennen. Der Heldin des Romans, einer künstlichen Intelligenz in einem teilweise androidischen Körper, ist das denkbar gleichgültig, ist sie doch geistig ein Es: eine perfekte Imitation, aber bar aller Attribute, die für uns Weiblichkeit ausmacht. Sie verkörpert das Ideal eines geschlechtslosen, von sexueller Reproduktion erlösten Wesens.

Gesetzmäßigkeiten und Konstruktionen

Die seit dem hohen Mittelalter wiederkehrende Klage über den sittlichen Verfall, das An- und Abschwellen von Moral, das Aufblühen neuer und das Absterben alter Umgangsformen, der ständige Dualismus und durchaus auch Interessenwiderstreit zwischen Mann und Frau: alles das erkennen wir als Gesetzmäßigkeiten, die es schon immer gab. Wir orientieren uns an ihnen, und zuweilen trösten wir uns damit. Wir fallen aber nicht auf Zukunftsvisionen herein, die sich moderne Laboranten des gesellschaftlichen Machbarkeitswahns ausgedacht haben. Indem wir in der Geschichte manchmal sogar verschiedene gleichzeitige Frauenbilder empirisch festgestellt haben, sind wir auch ganz offen für die Einsicht, daß Frauenbilder auch kulturell und zeitbedingt unterschiedlich ausfallen können. In der Mentalitätsgeschichte gibt es Wechsel in den Anschauungen ebenso wie Konstanten. Die jeweiligen Ursachen für beide Beobachtungen gilt es immer wieder zur Kenntnis zu nehmen und zu erklären. Das können die Naturwissenschaften vom Menschen und die Geisteswissenschaften nur gemeinsam leisten, wenn ein einseitiges, reduktionistisches Erklärungsmodell vermieden werden soll.

Einseitiges Genderdenken weist dagegen eine strukturelle Parallele auf zu einer Fiktion frühneuzeitlicher Humanisten. Jene stützten sich auf antike Autoren und ein theozentrisches Weltbild und glaubten, Frauen hätten kein richtiges Denkvermögen. Mit solchen Annahmen begründeten sie soziale Hierarchien wie die Unterordnung von Frauen. Die Fiktion moderner Sozialtheorien besteht dagegen in dem Glauben, Menschen seien nichts als Resultanten ihrer sozialen Bedingungen. Gleichheit unter Menschen könne und müsse darum durch Gleichheit der sozialen Bedingungen hergestellt werden[29].

Wir erinnern uns an dieser Stelle, wie mühselig Dorothea Erxleben 1742 hat argumentieren müssen gegen doktrinäre Vorurteile, die sich weitgehend auf alte Philosophen wie Aristoteles und auf Theologen gestützt hatten. Gegen sie führte sie quasi naturwissenschaftliche, anthropologische Fakten ins Feld, wie Frauen in Wirklichkeit sind. Auch heute kann eine doktrinäre Sozialtheorie nicht stimmen, die sich niemals für die anthropologischen Fakten interessiert hat, also für die Ergebnisse der Medizin, Biologie, Genetik, Neurologie und Soziobiologie. Es gehört zu den Aufgaben dieser Disziplinen auch, Vorwürfen wie dem nachzugehen, es gebe “sexistische Strukturen” aufgrund unbewußter Mann-Frau-Stereotypisierungen. Dabei könnten “empirische, theoretisch eingebettete, experimentell operationalisierbare Modelle” entwickelt werden, die neurowissenschaftlich gestützt und gegebenenfalls evolutionsbiologisch erklärt werden können”[30].

Auch zur Geschichtswissenschaft hat der Genderismus, wie jede Doktrin, nur das Verhältnisses eines Bauherrn zu seinem Steinbruch. Er klaubt sich selektiv heraus, was ihm brauchbar scheint. Wo sich Genderisten in Einzelfällen für historisch bedeutsame und wirkmächtige Frauenpersönlichkeiten interessieren, suchen sie in deren Schriften verzweifelt “Gender” hineinzuinterpretieren und erfinden sich einen in der Quelle nicht vorhandenen präfeministischen Subtext. So scheitert Nina Johnsson vollständig an einer Interpretation der Schriften der Herzogin Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg, der feministische Forderungen zur Stellung von Frauen in der Gesellschaft vollständig fern lagen[31].

So können andere dann auch in unbegreiflicher Unwissenheit behaupten, ein soziales Konzept Frau habe es vor dem 18. Jahrhundert gar nicht gegeben. Der massendemokratische Egalitarismus mit seinen Sozialtheorien wie dem Genderismus ist ein Produkt von Philosophen, Soziologen und anderen Theoretikern ohne naturwissenschaftliche und historische Faktenbasis. Er entspringt keiner empirischen Wissenschaft, sondern stellt selbst eine komplexe Ideologie dar. Sie ist darauf zugeschnitten, die Welt so darzustellen, wie man sie sich wünscht. Diese Wünsche sollen der gesamten Gesellschaft als Interpretationsschema übergestült werden. Das vom Dekonstruktivismus gezeichnete Welt-, Geschichts- und Frauenbild ist selbst eine Konstruktion. Sie schlägt an gewillkürter Stelle den einen oder anderen Pflock in den Boden, stellt eine Lampe dahinter, betrachtet den Schattenwurf und behauptet stolz: “So ist die Welt!” Sie konstruiert sich ein Geschichtsbild im Lichte ihrer eigenen vorgefaßten Prämissen.

Den personalen Nukleus des heutigen Genderismus finden wir in Michel Foucault (1926-1984). Er war Mitglied der kommunistischen Partei und betätigte sich als Soziologe, als Psychologe sowie als Homosexueller. In der Sado-Maso-Szene San Franciscos “setzte er das Werk des Marquis de Sade, seines intellektuellen Kollegen, praktisch fort”[32]. Sein Hauptanliegen bestand in der Kampfansage an den bürgerlichen Anthropozentrismus mitsamt der Anthropologie als Wissenschaft. Nun müssen wir nicht den frühneuzeitlichen bürgerlichen Anthropozentrismus verteidigen, um uns der naturwissenschaftlich verstandenen Anthropologie zu versichern. Die mittelalterliche Scholastik hatte ein theozentrisches Weltbild und leitete gesellschaftliche Überzeugungen letztlich von Gott ab. Er wurde in der Renaissance durch ein anthropozentrisches Weltbild abgelöst, das den Menschen als Maßstab nahm – das heißt die Überzeugungen humanistischer Gelehrter davon, wie die Natur des Menschen beschaffen sei und welche normativen Folgen das haben mußte.

Foucault griff diesen Anthropozentrismus an, weil er seiner Selbstverwirklichung im Wege stand und den Menschen gängele und niederhalte. Damit dachte er erkennbar zunächst an sich selbst. Er behauptete nämlich, “daß das politische, ethische, soziale und philosophische Problem, das sich uns heute stellt, nicht darin liegt, das Individuum vom Staat und dessen Institutionen zu befreien, sondern uns sowohl vom Staat als auch vom Typ der Individualisierung, der mit ihm verbunden ist, zu befreien.” “Wir” müßten “neue Formen der Subjektivität zustandebringen, indem wir die Art von Individualität, die man uns jahrhundertelang auferlegt hat, zurückweisen”[33]. Nach dem Ende der anthropozentrischen alten Vorstellungen könne Anthropologie überhaupt nicht mehr Grundlage von Erkenntnis sein.[34] Damit war seine Katze aus dem Sack: Die prinzipielle Ablehnung naturwissenschaftlicher Erkenntnis.

Sie wurde als erstes von amerikanischen Feministinnen wie Judith Butler (*1956) rezipiert. Diese “entdeckte als 14jährige, daß sie Mädchen mehr mochte als erlaubt und daß das Wort, das es dafür gab, irgendwie häßlich war”[35]. Heute stützt sich auch bei uns jede Schrift über “Gender” in letzter Konsequenz auf Foucault und Butler und hat alle Brücken zur naturwissenschaftlichen Anthropologie ebenso abgebrochen wie die zu einem epochenübergreifenden Vergleich menschlicher Verhaltensweisen. Sozialtheoretische Aussagen über Menschen zu machen, ohne naturwissenschaftliche, anthropologische Fakten zu berücksichtigen, ist allerdings so unergiebig wie die vergeblichen Versuche von Astrologen, den Konstellationen der Sterne einen schicksalhaften Sinn zu entlocken ohne Kenntnis einer naturwissenschaftlich fundierten Astronomie.

Wenn es keine feststehende anthropologische Realität mehr gibt und alles Verhalten, wie bei Foucault und Butler, nur durch den soziokulturellen, diskursiven Kontext erzeugt wird, muß das diejenigen am stärksten entlasten, die im Lichte des herkömmlichen Menschenbildes nicht vorteilhaft abschnitten. Während Homosexualität in Foucaults Jugend- und Mannesalter nicht nur gesellschaftlich verpönt, sondern in vielen Staaten sogar strafbar war, stellt sie sich im Lichte seines rein diskursiven Weltbildes als bloßes Konstrukt dar: Es gibt sie eigentlich gar nicht wirklich. So machte Foucault einen Aspekt seines persönlichen Seins hinter einem Nebel diskursiver Dekonstruktion des herkömmlichen Männerbildes scheinbar unangreifbar. Wir hatten schon am Ende der Aufklärung bei de Sade beobachtet, wie jener alle Faktoren aus seiner Weltdeutung eliminierte, die ein freies Ausleben seiner sexuellen Machtphantasien hätten hindern können. Wenn es Gut und Böse nicht gibt, durfte sich auch der Sadist de Sade als völlig normaler Mensch fühlen, obwohl er aus der Qual seines Sexualobjekts Befriedigung zieht. Und wenn es eine normale Sexualpräferenz auf das andere Geschlecht nicht gibt, glaubt sich auch der Homosexuelle als völlig normaler Mensch, obwohl er im gleichgeschlechtlichen Sexualobjekt Befriedigung sucht.

Wichtig ist Foucault, daß es keinen Normalbegriff der menschlichen Natur gibt. Alles beruhe nur auf willkürlicher gesellschaftlicher Rollenzuschreibung. So tritt er konsequent für eine völlige Abschaffung jedes Sexualstrafrechts ein: “Ich glaube, daß man als Prinzip setzen kann, daß die Sexualität in keinem Fall in den Geltungsbereich eines wie auch immer beschaffenen Gesetzes gehört”[36]. Daß diese Forderung problematisch ist bei Vergewaltigungen und bei Kindern, sieht er wohl. Aber könne man nicht “dem Gesetzgeber den Vorschlag machen, ein Kind, das einwilligt, ein Kind, das sich nicht weigert, eine Beziehung zu einem Erwachsenen einzugehen, sei kein Fall für ein Gesetz? Die Kinder – genau hier liegt das wirkliche Problem. Es gibt Kinder, die sich mit zehn Jahren auf einen Erwachsenen werfen – was dann? Es gibt Kinder, die voller Entzücken, einwilligen – was dann?”[37] Ob er damit kleine Mädchen oder kleine Jungs meint und bei welchen Kindern er seine Erkenntnisse gewonnen hat, verrät Foucault uns nicht.

Die meisten Menschen würden dazu spontan sagen, daß Sex mit Kindern diesen schadet, der menschlichen Natur widerspricht, daß man es bestrafen sollte und daß es sich nicht gehört, weil es ganz und gar unmoralisch ist. Foucault aber beseitigte auch die letzte der beiden tragenden Säulen des herkömmlichen werthaften Naturbegriffs:

Die Überreste der ersten Säule, in der Natur des Menschen könne ein normatives Sollen stecken, hatten schon La Mettrie und de Sade weggeräumt. Sie waren Nihilisten, indem sie eine Moral leugneten, an die sie nicht glaubten. Sie entkoppelten die menschliche Triebnatur völlig von moralischen Vorstellungen: Diese seien nur Einbildung oder gesellschaftliche Konvention. So verstanden sie den Menschen letztlich als nur physischen Gesetzen gehorchende “Maschine”.

Foucault legte auch diese zweite Säule nieder: Die Idee einer nach feststehenden, natürlichen Regeln laufenden Triebnatur sei falsch. Diese Regeln seien nicht angeboren, sondern beruhten nur auf Diskurs und letztlich gesellschaftlicher Konvention. Sie sei darum eine bloße Konstruktion, allenfalls bestehend in der Vorstellung. Er ist damit quasi ein doppelter Nihilist: Eine physische Triebnatur des Menschen leugnet er ebenso wie eine moralische. Für Foucault gibt es damit keine Norm mehr, von der ein Homosexueller abweichen könnte. La Mettrie und de Sade hatten aus dem normativen Naturbegriff die Norm und Foucault noch die Natur eliminiert. Damit alles hübsch originell klingt, sprach man jetzt von dekonstruiert und verbuchte seine Theorie unter dem Dekonstruktivismus.

De Sade war aus seiner Sicht zu einem normalen Menschen geworden, indem er die ihm entgegenstehende Norm leugnete und eine auf ihn zugeschnittene an ihre Stelle setzte. Dieser Trick steht jedem offen: Die bange Frage: “Bin ich ein normaler Mensch?”, stellt sich nicht, wenn es keine feststehende Normalität gibt, sondern alle Normen nur diskursiv konstruiert werden. Es nimmt nicht Wunder, daß der Genderismus in vorderster Front auch von Lesben wie Judith Butler konzipiert und vorgetragen wird. So bezieht sich Susanne Baer (*1964) gern auf Butler und Foucault.[38] Sie empfing “für ihr Wirken als lesbische Frau” 2013 einen Preis und sitzt auf Protegierung durch die Grünen seit 2011 als Richterin im Bundesverfassungsgericht. Als ehemalige Leiterin des GenderKompetenzZentrums gilt ihr Kampf “der tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau”, wie sie am 23.12.2012 in einem ARD-Interview aussagte, also nicht etwa der Gleichberechtigung, sondern dem tatsächlichen Gleichmachen. Möchte sie gern ein Mann sein? Auch bei “tatsächlicher” Gleichstellung wird ihr das nicht gelingen. Ihr Genderismus bringt uns keine kultur- oder geistesgeschichtlichen Erkenntnisse über Frauen, aber umso mehr über den Geisteszustand von Genderisten. Sie bestreiten erbittert die hergebrachte Moral und zugleich ein naturwissenschaftliches Verständnis von Menschen. Das erhellt, wer für sie der Feind ist, gegen den sie ihr eigenes Weltbild und damit ihre eigene Identität gründen und verteidigen[39].

Hier schließt sich unser gedanklicher Kreis um das Frauenbild. Wenn alle Menschen gleich sind und Geschlechter nur Konstruktionen darstellen, gibt es nämlich gar kein Geschlecht mehr – außer in der Vorstellung. Wir suchen in den Publikationen der Genderisten vergeblich nach einer konkreten Vorstellung oder neuen Idee, was Frau zu sein ausmacht, was Weiblichkeit heute bedeutet, ja, inwiefern sie sich von Männlichkeit überhaupt unterscheidet. Vielleicht wäre eine Antwort durch die Protagonisten des Genderismus auch zuviel verlangt.

In einer festen Beziehung zwischen Mann und Frau halten sich die Kräfte ihrer Anziehung und Abstoßung die Wage. Verschiedene Persönlichkeiten müssen sich immer irgendwie zusammenraufen und Interessenkonflikte austragen. Daß sie nicht wieder auseinanderlaufen, liegt an der unwiderstehlichen Anziehungskraft des jeweils anderen Geschlechts auf das eine. Dieser Anziehungskraft unterliegt aber nicht die kleine, schätzungsweise 3-5% der Bevölkerung betragende Minderheit derer, die sich nur vom eigenen Geschlecht angezogen fühlt.

Wir hatten schon im Mittelalter eine vor allem unter Klerikern verbreitete Misogynie festgestellt. Frauenfeindlichkeit kann sich leichter einstellen, wenn man ohnehin zölibatär leben muß. Eine sachliche Kompetenz, über “das Wesen der Frau” zu urteilen, dürfen wir aber nicht bei Männern vermuten, die gar keinen oder kaum Umgang mit ihnen haben. Ebensowenig vermag jemand die volle Bandbreite und Komplexität der Mann-Frau-Beziehung emotional zu erfassen, den das andere Geschlecht kalt läßt.

In welchem Licht jemand das andere Geschlecht sieht, hängt immer davon ab, ob und wie stark es ihn anzieht, aber auch, welche Erfahrungen er damit gemacht hat. Aus Sicht eines verliebten Bräutigams sieht die Frauenwelt vielleicht anders aus als aus Sicht eines betrogenen Ehemannes. Es gibt darum frauenfeindliche Einstellungen ebenso wie männerfeindliche. Beide kann man verstehen, wenn man mitfühlend auf jemanden eingeht, der unter einer solchen Feindseligkeit leidet. Erst aus der Summe aller Erfahrungen entsteht ein ausgewogenes Bild beider Geschlechter. Es zeigt, daß beide gleichermaßen talentiert sind zur Boshaftigkeit ebenso wie zu jeder menschlichen Größe, die wir uns nur denken können. Als Strafverteidiger mit vierzig Jahren Gerichtspraxis kenne ich Mörderinnen ebensogut wie “Frauen recht wie Engel” (Walter von der Vogelweide), und beides manchmal sehr genau. Selbst an den schwärzesten Mörderinnen ist aber nicht alles schwarz, und selbst an engelgleichen Frauen nicht alles rein weiß. So sind wir Menschen alle. Frauen- oder Männerhasser sind darum zwangsläufig Menschenhasser. Etwas uns Bereicherndes lernen können wir von ihnen nicht.

Ausblick

Es muß emotional unbefriedigend bleiben, Geschichte als Verfallsgeschichte zu schreiben. Das ist sie aber nur aus einer bestimmten weltanschaulichen Perspektive. Als Geschichte eines Verfalles erscheint uns das derzeitige scheinbare Auseinanderdriften der Geschlechter nur aus dem Blickwinkel einer zutiefst bürgerlichen, romantischen Vorstellung der Ehe. Die realen Ehen der bürgerlichen Epoche haben ihren idealen Anspruch oft nicht erfüllt. Am lebenden Beispiel meiner seit 70 Jahren glücklich verheirateten Eltern sehe ich aber, daß es solche Ehen gibt.

In manchen Debatten unserer Tage spielen sich hysterische Extrempositionen zum Sprachrohr der Frauen oder der Männer auf. Sie verkörpern den notwendig abzulassenden gesellschaftlichen Dampf, wenn der Anpassungsdruck im Kessel zu groß wird. Die industrielle Massengesellschaft hatte zwar soziologisch zum Massenmenschen geführt. Diese Massenmenschen müssen nach denselben funktionalen Bedingungen dieser Gesellschaft leben, indem sie etwa arbeiten, essen, verbrauchen und irgendwo wohnen müssen. Dennoch driften sie ideologisch und kulturell immer weiter auseinander, differenzieren sich in Subkulturen aus und nehmen ihren jeweiligen Maßstab gern fanatisch als Maß aller Dinge. Ideologische Geschlechterkämpfe ereignen sich häufiger in den sozialen Medien des Internets und anderen Massenmedien als in der Realität. Leichter fällt es im Internet, sich über die Frau oder den Mann den Mund zu zerreißen als über die nette alte Frau Meier im Erdgeschoß oder den hilfsbereiten Hausmeister Müller. Wenn Menschen sich nur persönlich aufeinander einlassen, können sie bemerken, daß alle im Grunde ihres Herzens liebebedürftige Wesen sind. An einem Geschlechterkampf mit moralisierendem Auftrumpfen kann niemandem gelegen sein. Er nähme uns das Wertvollste, was wir haben: den Gegenstand unserer Liebe.

Die Erben des Bürgertums stehen heute nicht mehr rechts und sind allenfalls noch im soziologischen Sinne bürgerlich. Bürgerliches Denken hat seine normative Gestaltungskraft eingebüßt. Früher bürgerliche Parteien haben im Bundestag nach und nach ihr Eheverständnis gesetzgeberisch der Beliebigkeit preisgegeben. Dieser Lauf der Geistesgeschichte ist nicht einfach umkehrbar. Wer wollte auch zurück zu einem Frauenbild, das seine normative Kraft aus mangelnder naturwissenschaftlicher Kenntnis und rigidem Moralismus zog?

Um sich sozial durchzusetzen, erfordert jedes Weltbild, auch jedes Bild von Frauen und jede Vorstellung von Ehe, normative Durchschlagskraft. Diese entsteht durch gläubige Überzeugung ihrer Anhänger an ihre Wahrheit. Normativität kann in unserem Land nicht mehr aus göttlichen Geboten oder verbrauchten Moralisierungen erwachsen. Wir haben unsere Lektion aus jahrhundertelanger theologischer oder moralisierender Geringschätzung von Frauen gelernt. Normativität kann heute nur aus der Besinnung auf die eigene weibliche Identität entstehen. Das ist eine Aufgabe, die in erster Linie Frauen selbst leisten müssen und können. Zur Zeit gibt noch vielfach die verschwindende Minderheit lesbischer Frauen öffentlich und akademisch den Ton an.

Identität betrifft und umfaßt aber ebenso die Männer und Familien. Zu sein wie wir waren und sind, auch im Unterschied zu anderen Kulturen, gilt als Menschenrecht. Unsere Identität bewahren und durchsetzen zu wollen kann den erforderlichen normativen Druck aufbauen. Darum vergewissern wir uns in unserer Geschichte, wie wir geworden sind und warum wir gerade in dieser Weise denken und fühlen. Zu unserer Identität gehören die liebevolle Anerkennung der Frauen und das gleichberechtigte Zusammengehören von Mann und Frau. Sie zu bewahren ist eine Frage gemeinsamen politischen Wollens.

Sonst bleibt nur jedem Einzelnen die Entscheidung unbenommen, sein persönliches Leben einzurichten nicht nach dem, was heute zufällig modisch ist, sondern aus dem zu leben, was für ihn immer gilt. Ein intaktes Familienleben mit Kindern und einer geliebten Frau an der Seite ihres Mannes führen zu wollen, gilt in der fiktionalen Welt der einen oder anderen Sozialutopie allerdings schon als subversiver Akt. Thomas Campanella (1568-1639) ersann sich 1602 einen Sonnenstaat ohne Familien, in dem alles Gemeinbesitz ist und die Erzeugung von Kindern staatlich kontrolliert wird[40]. Diese Kontrolle leistet in Edmund Coopers Regime der Frauen (1968) eine genetische Perfektionierung der Frauen, die Männern nur noch eine Nebenrolle als Samenspender läßt[41]. Wo Allmachtsphantasien  ideologischer Sozialingenieure nach der totalen Herrschaft greifen wie in der Zukunft von Aldous Huxleys (1894-1963) Schöne neue Welt (1932) [42], kann erst durch eine revolutionäre Tat wieder einen Zustand geschaffen werden, dessen Erhaltung sich später einmal lohnen wird.

In diesem Zustand muß die Liebe zwischen Mann und Frau sich störungsfrei entfalten können. Sie ist das, was immer gilt. Solange Menschen biologisch als Männer und Frauen geboren werden, wird es immer wieder zu unterschiedlichen sozialen Konstellationen kommen. Aber wie im Weltall ein Doppelstern immerfort kreist, werden sich beide Geschlechter immer umeinander drehen. Manchmal kreist dabei zwar nur der eine als Trabant um den anderen. Sie gehören aber ewig zusammen und werden sich niemals aus dem Banne ihrer Schwerkraft voneinander lösen.


Fußnoten:

Zum Literaturverzeichnis zu den Fußnoten siehe am Schluß.

[1] Fuchs (1909 / 1985), Band 6 II, S.33

[2] Jünger S.155.

[3] Eibl-Eibesfeldt S.113.

[4] Bini Adamczak, Beziehungsweise Revolution. 1917, 1968 und kommende. Berlin: Suhrkamp 2017, hier: Interview mit Florian Schmid, in: Der Freitag Nr.44/2017.

[5] Plakat “Wir sind Sieger” zum Gedenken an den ersten Jahrestag der bolschewistischen Revolution

[6] Kondylis (1991) S.218.

[7] Jünger, Nr 35, S.120.

[8] Helmut Schoeck, Kinderverstörung, Die mißbrauchte Kindheit, Umschulung auf eine andere Republik, Asendof 1987, S.62.

[9] § 184 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 1 a StGB in der Fassung des EG OWiG vom 24.5.1968: „… wer 1. unzüchtige Schriften verbreitet oder durch Ausstellen, Anschlagen, Vorführen oder in anderer Weise sonst allgemein zugänglich macht; 1 a. unzüchtige Schriften herstellt,vervielfältigt, bezieht, vorrätig hält, ankündigt, anpreist, an einen anderen gelangen läßt, … einführt oder … auszuführen unternimmt …“

[10] Detlef Siegfried, 1968 in der Bundesrepubik: Protest, Revolte, Gegenkultur, Ditzingen 2018, S.94.

[11] Wilhelm Reich, Massenpsychologie des Faschismus, Kopenhagen 1935 u.a.

[12] Böckelmann S.14, Text von 1965.

[13] Böckelmann S.58, und er resümiert: “Dies meint die ‘schlechte’ Aufhebung der autoritären Persönlichkeit.”

[14] Böckelmann S.74.

[15] Kondylis (1991) S.237 f.

[16] Ich erfinde mir hier nichts, verweise aber auf meine gesetzliche Schweigepflicht als Strafverteidiger und darf keine identifizierbaren Angaben machen.

[17] Kondylis (1991) S.203.

[18] F. Jonas, Zum Problem des Kommunismus bei Babeuf, in: Der Staat 4/1965, zitiert nach Gehlen S.65.

[19] Gehlen S.64.

[20] von Amira S.178.

[21] Christiane Gelitz, Spektrum 25.7.2018 https://www.spektrum.de/news/typisch-mann-typisch-frau/1580506, nach Petri J.Kajonius, John Johnson, Sex differences in 30 facets of the five factor model of personality in the large public, in: Personality and Individual Differences, Volume 129, 15 July 2018, Pages 126-130 = https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0191886918301521.

[22] Marco Del Giudice, Tom Booth, Paul Irwing, The Distance Between Mars and Venus: Measuring Global Sex Differences in Personality, Plos One, Januar 2012, volume 7, issue 1, http://www.naturaleater.com/Science-articles/Men-women-personality-chasm.pdf

[23] Werner Stangl (2018). Stichwort: ‘Oxytocin’. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik. WWW: http://lexikon.stangl.eu/892/oxytocin/ (2018-12-26).

[24] Franziska Schößler, Einführung in die Gender Studies, Studienbuch Literatuwissenschaft, 2008.

[25] Kyeonghi Lee, Weiblichkeitskonzeptionen und Frauengestalten im theoretischen und literarischen Werk Friedrich Schillers, Diss. phil. Marburg 2003, S.7-

[26] In diesem Sinne Judith Butler, Gender Trouble, Feminism and the Subversion of Identity, Routledge, 2.Aufl. 1990, Das Unbehagen der Geschlechter, Suhrkamp 1991.

[27] Eibl-Eibesfeldt S.132.

[28] Ann Leckie, Ancillary Justice, 2013, deutsch in drei Bänden: Die Maschinen, Die Mission, Das Imperium, München 2015 ff.

[29] Kondylis (1999) S.57.

[30] Dominique Kuenzle, Neue Zürcher Zeitung 25.7.2017.

[31] Zur Dissertation von Johnsson 2007 siehe oben.

[32] Der Mensch verschwindet, in: Der Spiegel, 5.4.1993, S.226-229.

[33] Michel Foucault, Das Subjekt und die Macht, in: H.Dryfus – P. Rabinow, Jenseits von Struktur und Hermeneutik, Frankfurt 1987, S.246, 250.

[34] Michel Foucault, Les mots et les choses, Paris 1966, S.359.

[35] Ulrike Baureithel, Die Nestbeschmutzerin: Wirbel Butler ist „gay“, Jüdin und Philosophin. Nun bekommt sie den Adorno-Preis und der Zentralrat der Juden protestiert, in: der Freitag 6.9.2012, https://www.freitag.de/autoren/ulrike-baureithel/judith-butler-die-nestbeschmutzerin

[36] Michel Foucault, in: Faye S.80.

[37] Michel Foucault, in: Faye S.84 f..

[38] Susanne Baer, Rechtssoziologie, 2011.

[39] Kondylis (1984), S.21

[40] Thomas Campanella, De Civitate Dei, 1602, hier nach: Klaus J. Heinisch, Der utopische Staat, 1960.

[41] Edmund Cooper, Five to twelve, 1968, deutsch: Das Regime der Frauen, München 1969.

[42] Aldous Huxley, Brave new World, 1932, deutsch: Schöne neue Welt, Hamburg 1953,

[43] https://www.lda-lsa.de/fileadmin/pdf/Tagungen/9._MDA_Integration_und_Migration.pdf, S.23 f.

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  1. Uwe Lay

    Ein hervorragender Artikel! Nur eine kleine Ergänzung: Lenin, wohl inspiriert vom radicalen Feminismus wollte die Frau ganz von den 3 Ks (Kinder,Küche, Kirche) befreien, damit sie nur noch wie der Mann für die Wirtschaft leben solle. So wurde in Rußland als erstem Staate die “Abtreibung” erlaubt und die Kindererziehung sollte völlig verstaatlicht werden. Zudem waren Wohnungen geplant, ob die Pläne augeführt wurden, ist m.E. unklar, in denen es keine Küchen mehr geben sollte, damit die Frau nicht durch Hausarbeit am Arbeiten behindert wird. Die chinesische Kulturrevolution erfand dazu noch die Maoeinheitsbekleidung, damit die Frauen auch optisch nicht von Männern mehr unterscheidbar seien. Der Kommunismus ist inzwischen untergegangen, aber der Kampf gegen die Frau geht weiter, weil der Mensch, auch die Frau nur noch ein Funktionselement der Ökonomie sein soll!

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