DFB-Elf als Menetekel einer zerfallenden Gesellschaft

„Elf Freunde müßt ihr sein!“ So hatte 1957 ein Buchtitel Sammy Drechsels gelautet. Aus Freunden bestand der von Hansi Flick zusammengewürfelte Flickenteppich erkennbar nicht, der bei der WM so jämmerlich scheiterte. Die Neue Zürcher Zeitung berichtete:

Mehr oder minder unverblümt richtete sich die Kritik des Spielgestalters Ilkay Gündogan auch gegen seinen Kollegen aus der Premier League. Der Profi von Manchester City sagte: «Man hatte das Gefühl, dass nicht jeder den Ball unbedingt haben wollte. Wir haben viel zu oft und viel zu einfach den Ball verloren.» Havertz zeigte sich nach dem Spiel irritiert über die Worte Gündogans, er verwies auf die große Anzahl an Torchancen. Die Episode illustriert allerdings auch: Mit jener Harmonie, die Außenstehenden gegenüber gern behauptet wird, ist es im Team des viermaligen Weltmeisters nicht sonderlich weit her.

Stefan Osterhaus, Mit dem Rücken zur Wand: Vor dem Spiel gegen Spanien deutet viel auf Spannungen im deutschen Nationalteam hin, NZZ 27.11.2022

Von einer Leidenschaft und Bereitschaft jedes Spielers, unbedingt alles für Mannschaft und Sieg zu geben, war nichts zu sehen – wie auch, bei einer so heterogenen Gesellschaft? Um als Mannschaft zu siegen, hätten sie eine homogene Gemeinschaft bilden müssen und nicht bloß eine zusammengewürfelte Gesellschaft.

Nach außen wurde den hochbezahlten Profis eine Homogenität vorgegeben: aber eine ideologische. Sie nahmen auch folgsam vor den Kameras ihre einstudierten Posen ein. Der Fisch fängt vom Kopf zu stinken an. Der DFB rüstete seine Truppe nicht zum Sieg auf dem Rasen aus, sondern mit woken Clownsfarben. Die vorgesehenen Herrenbinden am Oberarm, wo nach gewisser Tradition politische Armbinden zu sitzen haben, verstießen natürlich gegen das FIFA-Verbot politischer Propaganda auf dem Platz. Die Regenbogenbinden seien überhaupt nicht politisch, wie es vom peinlich dummen DFB-Verantwortlichen hieß, gehörte zum Einfältigsten, was ich je aus Fußballermund gehört habe.

Die deutschen Fußballfans konnten damit mehrheitlich nichts anfangen. Die DFB-Elf wurde zum Propagandaträger des linksgrünen Lagers aufgeblasen. Diesem war die nationale Begeisterung von millionen Deutschen bei früheren Weltmeisterschaften immer ein Stachel im internationalistischen Fleisch. Schwarz-rot-goldenes Fahnenschwenken paßt nicht zu Multikulti. Darum mußte eine handverlesene und passend quotierte Multikulti-Truppe mit Regenbogenbinden nach Katar fliegen.

Die Mehrheit der deutschen Fußballanhänger schaute sich die Gesichter an und wandte sie achselzuckend ab. Sie fremdelt mit den Spielern. Sie erkannte sich in ihnen nicht wieder. „Was geht es mich an, wenn da Fremde gegen andere Fremde kicken?“ Mit Deutschland hatte das nichts mehr zu tun. Es ist kaum noch Identifikation mit diesen Spielern möglich. Sie bleiben uns mehrheitlich fremd, auch wenn einzelne hochtalentierte Ballkünstler sein mögen. Ein verbindendes Wir-Gefühl kann nicht aufkommen, wenn schon der erste Blick dem Herzen sagt: Das sind Fremde, und sie bleiben uns fremd.

Identität oder Entfremdung?

„Wie fremd sich Mannschaft und Publikum geworden sind“, schildert Stefan Osterhaus in der NZZ vom 1.12.2022.

Allerdings schalteten selbst zum Match gegen Spanien, in dem es für die Deutschen um viel ging, nicht mehr als 17 Millionen Leute ihre TV-Geräte ein – früher waren es bei vergleichbaren Spielen schon einmal 25 Millionen oder mehr. Dieser Wert dürfte auch am Donnerstag im letzten Gruppenspiel gegen Costa Rica kaum erreicht werden.  Es sind Anzeichen einer schleichenden Entfremdung.

Stefan Osterhaus, Die Mannschaft entfremdet sich immer mehr von ihrem Publikum, NZZ 1.12.2022

Diese Entfremdung, schreibt Osterhaus, „ist meßbar. In Ticketverkäufen an Heimspielen, in Einschaltquoten. Den ersten Match gegen Japan sahen am TV nicht mehr als neun Millionen Zuschauer – ein Tiefstand, wie er kaum für möglich gehalten worden war.“

Dabei bildete die Kritik an Katar und seiner von unserer Kultur abweichenden Ideologie nur das Steckenpferd der üblichen Verdächtigen in den Medien. Niemand glaubt, die Scheichs damit beeindrucken zu können. Es dient nur unserer eigenen politischen Domestizierung. Ein eingefleischter Fußballfan interessiert sich für so etwas allenfalls beiläufig. Wichtig sind ihm aber die richtigen Zeichen und Symbole. Doch der DFB setzte die falschen Zeichen.

Gemeinschaft braucht Symbole

Die richtigen Zeichen sind für echte Fußballfans unverzichtbar. Sie bestehen aus den Farben des eigenen Vereins und gegebenenfalls weiteren Symbolen wie beim 1. FC dem Geißbock. In den eigenen Farben verdichtet sich das Zusammengehörigkeitsgefühl von Verein, Fans und Mannschaft zur vollständigen Identifikation. Es bildet sich eine kollektive Gemeinschaftsidentität.

“Unsere rot-weißen Fahnen werden niemals untergehen!” – Der Verfasser am 1.4.1972 unter anderen Kölner FC-Fans bei einem Pokal-Auswärtsspiel in München.

Der Biologe Mark W. Moffett hat erforscht, daß solche Zeichen des Zusammengehörens von Tieren und Menschen gleichermaßen verwendet werden. Er nennt sie Marker. Vom Geruch bei Ameisen bis zu markanter Kriegsbemalung bei steinzeitlichen Stämmen gibt es unzählige Möglichkeiten. Bei Menschen bildet das Aussehen einen prägnanten Marker, der durch bewußt gleiche Bekleidung, Sprache oder Riten bekräftigt wird.

Immer geht es darum, die eigenen Leute, denen man grundsätzlich vertrauen kann, von den anderen zu unterscheiden, denen man mit skeptischer Vorsicht begegnet. Der Anthropologe Mark Moffett weiß:

Ein Yankee-Trikot, ein Gothic-Outfit oder eine Berufsuniform kann man ablegen, ohne daß wir nun etwas anderes von der betreffenden Person halten: Der Jugendliche macht eine Phase durch. Dagegen sehen Menschen ab einem Alter von drei Jahren in ihrer Gesellschaft, aber auch in ihrer race oder ethnischen Gruppe wesentliche unveränderliche Aspekte ihrer Identität, die ebenso durch eine Wesensform dauerhaft festgelegt sind wie die biologische Art.[1]

Mark W. Moffett, Was uns zusammenhält, Eine Naturgeschichte der Gesellschaft, 1. Auflage 2019. ISBN 978-3-10-002385-8, S.256. Lesen Sie auch die Rezension des Buchs.

Kulturelle Marker wie zum Beispiel die Sprache „verleihen Menschen die Zähigkeit, mit der sie anderen Mitgliedern treu bleiben.“[2] Die an solchen Markern ablesbare Zugehörigkeit zur Gemeinschaft läßt uns auch Unbekannte so behandeln, als zählten sie zur Familie. Fremde Marker lassen uns fremdeln. Darum mußten schon das fremde Aussehen der halben DFB-Mannschaft und zuletzt die in den Vordergrund gerückten Regenbogenbinden die Verbundenheit der Deutschen mit ihr nachhaltig zerstören.

Die falschen Zeichen

Warum soll ein Fußballfan sich ein schwarz-rot-goldenes Fähnchen ans Auto stecken, wenn die DFB-Spieler uns so präsentiert werden, wie Nora Braatz es beschreibt:

Auf Twitter veröffentlichte die Lufthansa ein Video mit dem Flugzeug. Auf dem Bauch der Maschine sind Personen, die in verschiedenen Haut- und Haarfarben gezeichnet wurden. Auch in Größe und Geschlecht unterscheiden sich die Menschen, die Arm in Arm stehen. Laut der Fluggesellschaft sei das Ziel der Aktion „eine klare Botschaft an die Welt“ zu senden.

Nora Braatz, DFB-Elf reist mit besonderer Botschaft auf dem Flugzeug Richtung Katar, Utopia 14.11.2022.

Das Nachrichtenportal Utopia berichtete:

Berichterstattung auf “Utopia” 14.11.2022

Kunterbunt ist nun einmal nicht Schwarz-Rot-Gold, und von einem Transvestiten mögen sich die null-komma-x Prozent Transvestiten angezogen fühlen, aber nicht die Mehrheit des Volkes. Man hat sehr dick aufgetragen, um nur ja keine Zeichen in den Vordergrund zu rücken, die nationale Verbundenheit ausdrücken würden, sondern solche, die Daiwörsiti propagieren: „Diversity Wins“, steht auf dem DFB-Flugzeug.

Diversity hat aber verloren. Das haben sie nun davon. Viele Menschen könnten das für „ein Zeichen“ halten: In der Konstantin-Biographie des Eusebius von Caesarea heißt es, der Kaiser habe vor der siegreichen Schlacht im Jahre 312 die Vision eines Lichtkreuzes am Himmel gehabt, verbunden mit den Worten: in hoc signo vinces („In diesem Zeichen wirst du siegen“). Er sei daraufhin Christ geworden.

“In diesem Zeichen wirst du siegen” – christliche Legende aus dem Jahr 312, Gemälde u.a. von Raffael, Wikipedia, gemeinfrei.

Der DFB hat sich offenbar für die falschen Zeichen entschieden. Mit Daiwörsiti ist kein Blumentopf zu gewinnen, nicht auf dem Platz und nicht im Lande. Das klägliche Scheitern der selbsternannten Moralweltmeister in der Realität des Wettkampfes bildet selbst ein „Zeichen“, ein Menetekel, eine Flammenschrift an der Wand unseres Landes. Es kann kommen und gehen, wer will und ist zu nichts verpflichtet: Ohne Gemeinschaft ist eine Gesellschaft bloß ein besserer Hühnerhaufen.

Er kräht ständig nach Fütterung und läuft schnell auseinander, wenn der Habicht kommt.


[1] Fußnote von Moffett: C.L.Martin und S.Parker, Folk theories about sex and race differences, 1995, PersSocPsychol B.21:45-57.

[2] Moffett (2019) S.378.

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Noch immer die alten Affen

  1. Bernhardt

    Die Europäer sollten sich hüten, ihre Wertvorstellungen zu überschätzen,

    Ehemalige Fußballer teilen „urbi et orbi“ mit, sie würden sich die Spiele nicht ansehen. Als ob das irgendwas ändern würde.

    Sicher, bei der Vergabe der FIFA-Weltmeisterschaft vor zwölf Jahren an Katar ging es nicht mit rechten Dingen zu. Offensichtlich hat sich die Ölmonarchie die prestigeträchtige Meisterschaft gekauft. Gelder flossen an korrupte FIFA-Gewaltige. Viele „Influencer“ verdienten mit.

    Mich wundert nur die späte Hysterie um den Ballrummel in Katar. Sport, die wichtigste Nebensache der Welt, ist für viele Menschen mit positiven Gefühlen verbunden. Für manche ist Sport gar Lebensinhalt. Man fiebert für „seine“ Mannschaft, fühlt sich als großer Patriot, wenn nationale Sportler eine Spitzenleistung zeigen

    Politik und Presse ereifern sich schnell über die Boni von Spitzenleuten der Wirtschaft. Doch gibt es kaum Aufregung, wenn manche Sportler Unsummen kassieren.

    Kurz, der internationale Sportbetrieb ist zu einem Riesengeschäft verkommen. In ehrbaren Demokratien und weniger ehrbaren Scheichtümern.

    Der französische Historiker Jean-Baptiste Noé („Le déclin d’un Monde“) schreibt: „Die Europäer glauben, dass man Werte und Ideen exportieren könne, dass es dafür genüge, früher zu kolonisieren, heute zu demokratisieren, wenn nötig durch einen Krieg.“ Wie in Irak oder Afghanistan.

    Wann erhielten die Frauen die gleichen Rechte? Wann fielen die Paragrafen gegen Abtreibung, gegen Homosexualität?

    Die Europäer sollten sich hüten, ihre Wertvorstellungen zu überschätzen. Die UNO-Vollversammlung verurteilte die Eingliederung der von den Russen besetzten ukrainischen Provinzen in die Russische Föderation mit 143 gegen fünf Stimmen. Von den 193 UNO-Mitgliedern nahmen zehn nicht an der Abstimmung teil. 35 Staaten enthielten sich ihrer Stimme. Darunter so gewichtige Staaten wie Indien, China, Pakistan, Sri Lanka, Thailand, Vietnam. Sowie viele Staaten Afrikas, von Algerien über Äthiopien oder Kongo bis Südafrika. Weniger aus Rücksicht auf die Russen als aus Misstrauen gegenüber der von ihnen so empfundenen Doppelmoral der Amerikaner und Europäer.

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