Neuerdings bemißt sich der Wert eines Menschen nach seiner Gesinnung. Nachdem just ein Bundestagsabgeordneter überraschend starb, pries Armin Laschet ihn als „engagierten Demokraten“ und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich als „angesehenen Sozialdemokraten“. Die meisten seiner Politikerkollegen stellten seine Gesinnung an die Spitze ihrer Würdigung.
Wahrscheinlich hätte es viel Wichtigeres gegeben, mit dem eine Lebensleistung und eine Persönlichkeit gewürdigt werden könnten. Bezeichnend für die gesellschaftliche Dominanz einer Ideologie ist es aber, alle Menschen primär politisch zu bewerten. Wer hier durchs Raster fällt, kann noch so klug oder tüchtig sein, liebenswert oder fleißig, künstlerisch begnadet oder literarisch produktiv: Das zählt alles nicht, wenn man einen Menschen nur durch die getönten Brillengläser seiner Weltanschauung betrachtet.
Auf unserer Gesellschaft lastet ein allgegenwärtiger Konformitätsdruck. Wer Karriere machen will, benötigt eine Schere im Kopf. Sie warnt ihm jederzeit, wenn er vermintes Gelände betritt. Dann bringt sie die Zunge zum Schweigen oder läßt ihn die üblichen, karrierefördernden Phrasen dreschen. Weiterlesen