Hausdurchsuchung: Richterliche Rechtsbeugung durch Corona-Beschluß?

Hausdurchsuchung bei Weimarer Richter

Boris Reitschuster berichtete über eine Hausdurchsuchung bei einem Weimarer Richter. Dieser hatte in einer aufsehenerregenden Entscheidung angeordnet:

I. Den Leitungen und Lehrern der Schulen der Kinder A, geb. am …, und B, geboren am …, nämlich der Staatlichen Regelschule X, Weimar, und der Staatlichen Grundschule Y, Weimar, sowie den Vorgesetzten der Schulleitungen wird untersagt, für diese und alle weiteren an diesen Schulen unterrichteten Kinder und Schüler folgendes anzuordnen oder vorzuschreiben:

im Unterricht und auf dem Schulgelände Gesichtsmasken aller Art, insbesondere Mund-Nasen-Bedeckungen, sog. qualifizierte Masken (OP-Maske oder FFP2-Maske) oder andere, zu tragen,

Mindestabstände untereinander oder zu anderen Personen einzuhalten, die über das vor dem Jahr 2020 Gekannte hinausgehen,

an Schnelltests zur Feststellung des Virus SARS-CoV-2 teilzunehmen.

II. Den Leitungen und Lehrern der Schulen der Kinder A, geb. am …, und B, geboren am …, nämlich der Staatlichen Regelschule X, Weimar, und der Staatlichen Grundschule Y, Weimar, sowie den Vorgesetzten der Schulleitungen wird geboten, für diese und alle weiteren an diesen Schulen unterrichteten Kinder und Schüler den Präsenzunterricht an der Schule aufrechtzuerhalten.

IV. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.

Amtsgericht Weimar, Beschluß vom 8.4.2021, 9 F 148/21.

Die Durchsuchung

Das nahm die Thüringer Staatsanwaltschaft zum Anlaß für ein Ermittlungsverfahren wegen Rechtsbeugung gegen den Richter:

Am Montagmorgen gab es eine groß angelegte Untersuchungsaktion gegen Christian Dettmar, den Richter in Weimar, der eine weit beachtete Entscheidung gegen die Corona-Maßnahmen fällte und in einem konkreten Fall die Pflicht zum Maskentragen und zu Schnelltests in Schulen für rechtswidrig erklärte. Nach Angaben seines Anwalts durchsuchten Ermittler sowohl das Büro des Richters als auch sein Auto und sein Haus. Gegen ihn wird wegen des Anfangsverdachts auf Rechtsbeugung ermittelt.

Es bestehe ein Anfangsverdacht, daß sich der Richter einer Beugung des Rechts schuldig gemacht habe, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Erfurt am Montag mitteilte. Sein Handy wurde beschlagnahmt. Kritiker sehen darin einen „Willkürakt“, einen „Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz“ sowie den Versuch, andere kritische Richter einzuschüchtern und zu verängstigen. Die Staatsanwaltschaft sieht indes „Anhaltspunkte dafür, daß der Beschuldigte willkürlich seine Zuständigkeit angenommen hat, obwohl es sich um eine verwaltungsrechtliche Angelegenheit handelte, für die ausschließlich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist“.

Boris Reitschuster, 26.4.2021,

Die Rechtslage

Die spannende Rechtsfrage lautet, ob hier ein Richter von Amts wegen tätig geworden ist, wo er gar nicht zuständig war. Ein Familienrichter gibt Anweisungen an eine Schulbehörde, die Corona-Verordnung nicht anzuwenden? Das muß sofort erstaunen.

Begründung des Weimarer Richters

Im Weimarer Beschluß schreibt der Richter zu der Frage seiner Zuständigkeit:

I. Zulässigkeit der Anregung an das Familiengericht
Die Anregung an das Familiengericht, eine Kindeswohlgefährdung zu prüfen, ist zulässig.
Insbesondere ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet und die Familiengerichte sind sachlich zuständig.
Vor die ordentlichen Gerichte gehören nach § 13 GVG u.a. die Familiensachen.
Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich ausschließlich aus § 23a Absatz 1 Nr. 1 GVG. Danach sind die Amtsgerichte zuständig für Familiensachen. § 23b GVG betrifft lediglich die gesetzlich geregelte Geschäftsverteilung der Familiensachen innerhalb des Amtsgerichts.
Familiensachen sind nach § 111 Nr. 2 FamFG auch Kindschaftssachen. Zu den Kindschaftssachen gehört nach § 151 Nr. 1 FamFG u.a. die elterliche Sorge. Zur elterlichen Sorge gehört auch die Regelung des § 1666 BGB, wonach das Familiengericht die erforderlichen Maßnahmen zu treffen hat, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Dabei kann das Familiengericht nach § 1666 Absatz 4 BGB in Angelegenheiten der Personensorge auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.
Etwas anderes für den Rechtsweg ergibt sich auch nicht aus § 40 VwGO. Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist für Kindeswohlgefährdungsverfahren nicht eröffnet. Denn Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung sind durch Bundesgesetz einem anderen Gericht, nämlich dem Familiengericht, ausdrücklich zugewiesen, § 40 Absatz 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 1666 BGB.
Dem liegen auch verfassungsrechtliche Notwendigkeiten zugrunde.
Der Kinderschutz im deutschen Recht ist mehrgleisig ausgestaltet. Für Verfahren vor den allgemeinen Zivil- oder den Verwaltungsgerichten sind echte Anträge im Rechtssinne notwendig. Nur wenn ein solcher Antrag vorliegt, können die genannten Gerichte tätig werden.
Die Verfahren nach § 1666 BGB dagegen gehören nicht zu den Antragsverfahren im Sinne des § 23 FamFG, sondern zu denen nach § 24 FamFG, die von Amts wegen eingeleitet werden können; auf Anregung einer beliebigen Person oder auch ohne eine solche, wenn das Gericht aus Gründen des Kindeswohls, § 1697a BGB, ein Einschreiten für geboten hält.
Eine Gefährdung des Kindes ist zu bejahen bei einer gegenwärtigen, in einem solchen Maß vorhandenen Gefahr für das geistige, körperliche oder seelische Wohl des Kindes, dass sich bei weiterer Entwicklung ohne Intervention eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (Palandt-Götz, § 1666 Rn. 8).
Eine solche Gefährdung ist durch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft zumindest naheliegend, so dass das Gericht ein Verfahren einzuleiten hatte, um diese Frage zu prüfen.
Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Artikel 3 Grundgesetz und dem in Artikel 6 Grundgesetz verankerten Wächteramt der staatlichen Gemeinschaft für die Familie wäre es verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn manche Kinder darauf hoffen könnten, dass für sie bei einem geeignet erscheinenden Gericht ein Antrag gestellt wird, andere aber nicht. Auch Kinder, deren Eltern grundsätzlich bereit und in der Lage wären, nach Lage der Dinge gebotene Anträge zu stellen, können ins Hintertreffen geraten, wenn ihre Eltern dies aus Angst vor Nachteilen für ihre Kinder unterlassen oder zumindest verzögern. § 1666 BGB gilt für alle Kinder. Im Verfahren selbst gilt der Amtsermittlungsgrundsatz, § 26 FamFG.
Die Eltern sind nach herrschender Auffassung daher nicht gezwungen, vorab den allgemeinen Zivilrechtsweg zu beschreiten (Palandt-Götz, § 1666 Rn. 41). Sie sind auch nicht gezwungen, zunächst gegen die der Anordnung zugrundeliegende Verordnung den Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten und ggf. ein Normenkontrollverfahren anzustreben. Das folgt im übrigen schon daraus, daß mit dem Verwaltungsverfahren ein anderes Rechtsschutzziel verfolgt wird als mit der hier angestrebten Anordnung gegenüber der Schulleitung und den Lehrern des Kindes.
Schließlich liegen auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §§ 49 ff FamFG vor.
Insbesondere ist eine einstweilige Anordnung statthaft, weil hier geltend gemacht wird, daß dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften (§ 1666 BGB) gerechtfertigt ist und im Hinblick auf den stattfindenden Schulunterricht mit der Verpflichtung, eine Gesichtsmaske zu tragen, ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht.

AG Weimar, Beschluß vom 8.4.2021 – 9 F 148/21 –, Randnummern 1432 – 1448

§ 1666 BGB

Nach Absatz 4 des familienrechtlichen Paragraphen kann ein Familienrichter auch gegen Außenstehende Maßnahmen verhängen:

§ 1666 BGB Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls
(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.
(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.
(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere
1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

Maßnahmen des Staats gegen sich selbst?

Doch kann der Familienrichter als Teil des Staates gegen eine Schulbehörde, die auch Staat ist, eine solche Maßnahme richten?

Das Amtsgericht in Waldshut hat diese Frage in einem Beschluß vom 13.4.2021 verneint, die Weimarer Entscheidung ausdrücklich abgelehnt und ausgeführt:

Der familiengerichtliche Rechtsweg ist unzulässig. Der Antrag wird an das Verwaltungsgericht Freiburg im Breisgau verwiesen.
Gründe
Die Entscheidung beruht auf § 17a Abs. 2 GVG. Die Anhörung der sorgeberechtigten Mutter als Antragstellerin erfolgte durch das Anschreiben des Gerichts im vorangegangenen AR-Verfahren 304 AR 4/21 vom 23.03.2021.
Die Mutter hält in Anknüpfung an das vorangegangene Verfahren 304 AR 4/21 unter Bezugnahme auf den Beschluss des Amtsgerichts Weimar vom 08.04.2021 im Verfahren 9F 148/21 eA (zitiert nach beck-online: becklink 2019442) an ihren Einwänden gegen die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasenschutzes für ihr Kind N. … sowie aller weiteren Schulkinder der Grundschule in O… fest und beantragt, von Amts wegen ein Verfahren nach § 1666 BGB einzuleiten und die Rechtmäßigkeit der Corona- Schutzverordnung des Landes Baden-Württemberg zu überprüfen.
Hierbei handelt es sich – wie das Amtsgericht Waldshut- Tiengen bereits mit Verweisungsbeschluss vom 30.03.2021 in Sachen 6 F 78/21 entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Weimar entschieden hat – nicht um Kindschaftssachen im Sinne der §§ 23a GVG, 111 Nr. 2, 151 FamFG.
Die Mutter verkennt – wie auch das Amtsgericht Weimar – dass es sich nicht um eine Angelegenheit der elterlichen Sorge handelt, für die das Familiengericht materiell- rechtlich nach § 1666 Abs. 4 BGB gegebenenfalls Maßnahmen wegen Gefährdung des Kindeswohls auch mit Wirkung gegen einen Dritten treffen könnte. Mit einer solchen Auslegung des § 1666 BGB werden der Tatbestand des § 1666 Abs. 1 BGB (Kindeswohlgefährdung, Subsidiaritätsklausel) und eine der möglichen Rechtsfolgen gem. § 1666 Abs. 4 BGB (Maßnahmen auch mit Wirkung gegen einen Dritten) vermischt.
Die Vorschrift des § 1666 BGB enthält tatbestandlich begrenzte Ermächtigungen für Eingriffe des Staates in die Personen- und Vermögenssorge der Eltern im Rahmen des staatlichen Wächteramts nach Art. 6 GG zum Schutz des Kindes (vgl. Palandt/Götz § 1666 Rn. 1). Gerichtliche Maßnahmen können wegen der nur subsidiären Zuständigkeit des Staates als weitere Tatbestandsvoraussetzung nur ergriffen werden, wenn die Eltern zur Gefahrenabwendung nicht bereit oder fähig sind (Palandt/Götz aaO Rn. 28). Dies ergibt sich einfachgesetzlich schon aus dem Wortlaut des § 1666 Abs. 1 BGB „Wird das .. Wohl des Kindes … gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder in der Lage, die Gefahr abzuwehren“ (Hervorhebung hier).
Die Ausführungen des Amtsgerichts Weimar, es sei wegen des Gleichbehandlungsgebots des Art. 3 GG verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn nur für solche Kinder, deren Eltern bereit und in der Lage wären, gebotene gerichtliche Anträge zu stellen ein Schutz bestehe, können nicht nachvollzogen werden. Denklogische Konsequenz dieser Argumentation wäre, dass (sämtliche) deutschen Familiengerichte für alle Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland von Amts wegen Kinderschutzverfahren im Rahmen der staatlichen Fürsorgepflicht einleiten müssten. Dies wäre jedoch ein Verstoß der Familiengerichte gegen den Erziehungsvorrang der Eltern, wie er in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG als natürliches Recht der Eltern verankert ist. Das Kind verfügt zwar über einen grundrechtlichen Anspruch auf den Schutz des Staates, wenn die Eltern ihrer Pflege- und Erziehungsverantwortung nicht gerecht werden oder wenn sie ihrem Kind den erforderlichen Schutz und die notwendige Hilfe aus anderen Gründen nicht bieten können (BeckOnline-Kommentar Grundgesetz, Epping/Hillgruber – Uhle, 46. Edition Stand: 15.02.2021
Randnummer Rn. 58.1 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Dieses Wächteramt des Staates nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG ist jedoch nur subsidiär. Voraussetzung für die staatliche Intervention ist eine auf elterlichem Fehlverhalten beruhende schwerwiegende Beeinträchtigung des Kindeswohls (BeckOK aaO Rn. 62 mit weiteren Nachweisen)
Die Mutter als Sorgeberechtigte zeigt aber hier durch ihr Verhalten, dass sie zur Abwehr der (behaupteten) Gefahr gewillt ist, indem sie den Rechtsweg beschreitet. Ein Anlaß, in ihre elterliche Sorge einzugreifen, besteht nicht.
Vielmehr handelt es sich um die Überprüfung von Maßnahmen der Schule, also der öffentlichen Hand, die nach der Behauptung der Antragstellerin in Grund- bzw. Menschenrechte des Kindes bzw. der Kinder an der Schule unverhältnismäßig eingreifen. Solche öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art sind nach § 40 VwGO dem Verwaltungsrechtsweg zugewiesen, da sie nicht durch Bundesgesetz (hier: FamFG) einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.

AG Waldshut-Tiengen, Beschluß vom 13.4.2021 – 306 AR 6/21 –

Ich halte die Rechtsauffassung des AG Waldshut für juristisch richtig und die des AG Weimar nicht. In einem Staat kann nicht ein Staatsorgan oder eine staatliche Stelle der anderen rechtliche Anweisungen geben, die einander widersprechen. Wir haben eine einheitliche Rechtsordnung mit meist klaren Zuständigkeitsregelungen. Diese besagen hier, daß zur Kontrolle von Verwaltungshandeln staatlicher Behörden und Anstalten die Verwaltungsgerichte zuständig sind und nicht die Familiengerichte.

Verschlungen wie die Treppen und Ornamente im Amtsgericht Hannover sind die staatlichen Instanzenzüge und Rechtswege.

Wenn das Bürgerliche Gesetzbuch einem Richter erlaubt, auch Außenstehenden Anweisungen zum Schutz von Kindern so erteilen, meint dr Staat damit nicht seine eigenen Funktionsträger wie Lehrer oder Schulbehörden. „Dritter“ im Sinne des § 1666 Absatz 4 BGB sind alle, die nicht als Eltern oder Kinder verfahrensbeteiligt sind, aber keine anderen Behörden.

Jede andere Rechtsauffassung würde zur völligen Konfusion unserer Staatsverwaltung führen.

Rechtsbeugung?

Ich halte den Vorwurf der Rechtsbeugung gegen den Richter für abwegig. Die Staatsanwaltschaft schießt über das Ziel hinaus. Richterliche Entscheidungen, die sich nach Abschluß des Instanzenzuges als falsch herausstellen, sind juristischer Alltag. Wer am Ende nicht Recht hat, ist noch lange kein Rechtsbeuger.

Der Straftatbestand der Rechtsbeugung ist in § 339 StGB geregelt.

§ 339 StGB erfaßt deshalb nur Rechtsbrüche, bei denen sich der Richter oder Amtsträger bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache bewußt in schwerwiegender Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei von Recht und Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an eigenen Maßstäben ausrichtet.[1] Eine unrichtige Rechtsanwendung oder Ermessensausübung reicht daher für die Annahme einer Rechtsbeugung selbst dann nicht aus, wenn sich die getroffene Entscheidung als unvertretbar darstellt.[2]

BGH, Urteil vom 21.1.2021 – 4 StR 83/20 –, Rn. 22

Der Tatverdacht gegen den Weimarer Richter, das Recht gebeugt zu haben, scheitert vollends, nachdem ein anderer Familienrichter eines weiteren Gerichts die gleiche – unrichtige – Rechtsansicht vertreten hatte (AG Weilheim Beschluß vom 13.4.2021 -2 F 192/21-). Das macht den Rechtsirrtum nicht besser, rückt aber den Verdacht einer Rechtsbeugung außerhalb des Vertretbaren.

Der Weimarer Beschluß ist ein typischer Fall unrichtiger Rechtsanwendung, aber keiner Rechtsbeugung. Die Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde handelt letztlich auf Anweisung des zuständigen Thüringer Innenministers.

Ein Einschüchterungseffekt gegenüber Richtern, im Zweifelsfall keine Entscheidungen gegen die Regierungslinie zu treffen, käme in Thüringen und anderswo nicht ungelegen.

Eine Hausdurchsuchung bei dem Richter überschreitet vollends das Maß des rechtsstaatlich Gebotenen. Was der Familienrichter in seinen Beschluß schrieb, steht fest. Der Beschluß ist bereits veröffentlicht. Es gibt am Sachverhalt nicht mehr nachzuweisen. Eine Hausdurchsuchung kann schlechterdings keinen anderen Sinn haben, als ein Exempel zu statuieren und einem Betroffenen größtmöglichen Nachteil zuzufügen.


[1] (Ständige Rechtsprechung; vgl. BGH, Beschluß vom 14. September 2017 – 4 StR 274/16, BGHSt 62, 312; Urteile vom 9. Mai 1994 – 5 StR 354/93, BGHSt 40, 169, 178; vom 6. Oktober 1994 – 4 StR 23/94, BGHSt 40, 272, 283; vom 5. Dezember 1996 – 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343, 345; vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGH St 47, 105, 109; vom 13. Mai 2015 – 3 StR 498/14; Beschluß vom 7. Juli 2010 – 5 StR 555/09).

[2] (St. Rspr.; vgl. BGH, Beschluß vom 14.9.2017 – 4 StR 274/16, BGHSt 62, 312; BGH, Urteil vom 4. September 2001 – 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 109; Urteil vom 15. September 1995 – 5 StR 713/94, BGHSt 41, 247, 251)

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  1. Bernhardt

    Eine Hausdurchsuchung kommt meistens unerwartet.
    Einer der drei ersten Gedanken ist Anwaltliche Hilfestellung gegen eine gefühlte Rechtswidrige Hausdurchsuchung,
    Der zweite Gedanke,
    man kann sich später immer noch wehren, wenn eine Staatsanwaltschaft vor Übereifer agiert, oder die Ermittlungsakte nicht genau Liest und vorschnell agiert.
    Der dritte Gedanke,
    um den Spuk ein Ende zu setzen, tut man nichts.

    Bis es den Nächsten erwischt.

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