Benötigen wir eine neue Metaphysik?

Die Reste unserer Kultur und unseres Volkes fristen im multikulturellen Experiment ein Nischendasein. Machen wir uns keine Illusionen:

Extremer als die Jugend anderer Länder strebt die deutsche nach einer kunterbunten Weltbürgerschaft, die ungenau allerlei ist, nämlich umwelt- und klimabewußt, genderneutral, antiimperialistisch, antikolonialistisch, antirassistisch und antisexistisch, nur eben bitte nicht deutsch – mit dem Nebeneffekt, daß ebensowenig von Vaterland wie von Muttersprache die Rede sein darf und folgerichtig die Kenntnis der eigenen Sprache und des kulturellen Erbes nicht nur als unnötig, sondern bereits als verdächtig gelten.

Heino Bosselmann, Kollektive Psychologie, 26.10.2021

Eine kulturelle Kluft gähnt zwischen alten Kulturträgern und einem Teil der Jugend. Die einen sind oft noch am Lateinischen oder Griechischen und alten Philosophen geschult, sie wissen um unsere Geschichte, ihre Glanzpunkte und ihre tragischen Tiefen. In solch einem tiefen Loch sehen sie soeben die Zukunft unseres Volkes verschwinden. Mit in den Orkus des Vergessens wandern das Dichten und Denken, unsere Rechtschreibung und Grammatik, die Wertschätzung persönlicher Freiheit und das ehrende Andenken all derer, die einst für unser Volk Leib und Leben geopfert haben.

Tatsächlich wäre schwer zu verstehen, warum ein Mustafa Öztürk oder eine Sawsan Chebli auf einmal irgendeine Art von Liebe zum deutschen Volk entwickeln sollte. Viele würden bereits lügen, wenn sie nur den Mund aufmachten und von und Muttersprache und Vaterland sprächen. Das tun sie auch nicht, klugerweise.

Das deutsche Volk ist durch seine pure Existenz ein Hindernis für jeden, der sein Gedeihen dem Umstand verdankt, daß unser Staat jahrzehntelang Ausländer importiert hat wie andere Industrieländer ihre materiellen Rohstoffe. Der alleinige Primat ökonomischer Faktoren wie dem Bruttosozialprodukt oder dem angeblichen Arbeitskräftemangel hat so viele Ausländer nach Deutschland gespült, daß auf den Bänken vieler Schulen keine Deutschen mehr sitzen.

„Jetzt sind sie nun mal da“, würde Angela Merkel dazu sagen. Jedenfalls haben sie sich häuslich niedergelassen. Wie alle anderen Menschen auch machen sie sich Ideologien zu eigen, nach deren Prämissen sie persönlich vorteilhaft wegzukommen hoffen. Liebe zu Deutschland, Hochachtung von Goethe und Schiller oder Dankbarkeit für die Gefallenen des Befreiungskieges 1813-15 gehören eher nicht dazu. Auch für die Gefahren totalitärer Machtausübung scheint die Masse der Ausländer in Deutschland nicht besonders sensibel zu sein. Wo sie unserer Verfassungsordnung nicht gleichgültig gegenüberstehen, liebäugeln viele mit religiösen Verheißungen oder den Verlockungen autokratischer Macht. Die türkischen Heerscharen auf den Kölner Rheinwiesen, die Erdogan zugejubelt hatten, werden wohl kaum jemals die freiheitliche demokratische Grundordnung verteidigen.

Der marginalisierte Otto Normalverbraucher

In unseren ländlichen Gebieten gibt es noch deutsche Mehrheiten. Hier überwiegen noch traditionelle Lebenseinstellungen. Städtische und ländliche Milieus stehen sich oft fremd gegenüber. Ein auf dem Dorf lebender deutscher Handwerker und eine ausländische Gendersternchenliebhaberin aus der nahen Universitätsstadt haben sich nichts zu sagen. Ein Erstkontakt mit einer fremden Spezies nahe Alpha Centauri hätte größere Chancen für ein gegenseitiges Verstehen. In den Medien und der sogenannten Öffentlichkeit geben aber die städtischen Milieus den Ton an.

Die verbliebenen Restbestände des früheren Otto Normalverbrauchers werden marginalisiert. Die Normalverbraucher versuchen vergeblich, sich auf dem Weg demokratischer Abstimmungen ihr normales Deutschland zurückzuholen. Für eine strategische Mehrheit gibt es zu wenige, die sich bewußt als Normale verstehen. Die normale Restbevölkerung weiß aus dem Fernsehen, daß alle Leute rechts von der Union Nazis sind, was sie denn auch nicht für normal halten würden und darum nicht wählen können.

Damit ist die Kausalkette fast perfekt: Linke Utopisten haben vor vierzig Jahren die multikulturelle Gesellschaft gefordert und wurden ausgelacht. Über die Jahrzehnte stieg der Ausländeranteil immer weiter an, und zugleich zerfiel die frühere deutsche Mehrheitsgesellschaft. Sie segmentierte sich entlang ideologischer, religiöser und soziologischer Bruchlinien. Sie löste sich in einander nicht mehr verstehende Szenen auf, von denen jede ihre eigenen Echokammern bildete, unfähig und auch unwillig, Außenstehenden überhaupt noch zuzuhören. Wer mit wem noch öffentlich reden darf, wurde zum Politikum.

Der Multikulturalismus wurde in Deutschland nicht durch Abstimmungen oder Parlamentsbeschlüsse herbeigeführt, sondern durch die normativierende Kraft des Faktischen. Man kann eine multikulturelle Gesellschaft nicht nur auf demokratischem Wege herbeiführen, sondern auch, indem man für Millionen fremder Menschen schlicht alle Türen öffnet. Das Faktische wird über kurz oder lang ihr Bewußtsein bestimmen, und dieses wird keine deutsche Identität beinhalten.

Chaos: das ganz banale Böse

Aus konservativer Sicht haben unsere politisch Verantwortlichen der letzten Jahrzehnte nicht nur fremden Völkerschaften, sondern der gänzlichen Zersetzung alles dessen Raum gegeben, was unser Land einst im Innersten zusammenhielt. Diese Zersetzung empfindet er als das heute alltägliche ganz banale Böse. Banal ist es, weil es kein eigenes ideales Ziel beinhaltet oder zu erreichen verspricht. Als Böse empfindet er es, weil es nur zerstört, aber nichts aufbaut, und anstelle der gewohnten Ordnung eine chaotische Nichtordnung setzt.

Nachdem alles so ist, wie es ist, kann man je nach Lebensalter grollend in seinem Rollstuhl im Pflegeheim auf und ab fahren. Man kann sich auch zürnend eine radikalen Jugendbewegung anschließen und warten, bis die Polizei kommt. Das wird sie unweigerlich, denn Jugend ist oft unbedenklich und maßlos in Wort und Tat. Das noch zu sagen und zu schreiben Erlaubte zerbröselt uns wie Sandstein.

Innerhalb der Verhältnisse, die sind, wie sie sind, kann man allerdings auch versuchen, aus der Not eine Tugend zu machen. Wenn im neuen multikulturellen Utopia für jede abgedrehte Szene und jeden fremden Klüngel ein Zimmer frei ist, dürfen wir sagen: Wir sind auch da. Wir sind sogar schon länger hier. Und wo wir sind, beanspruchen wir für uns denselben Schutz unserer selbstgewählten Lebensweise, den Fremde in unserem Land für sich beanspruchen.

Sind wir in unserer Heimat nicht Indigene? Seit unvordenklicher Zeit wohnen unsere Ahnen hier. Zuwanderer gab es seit der Eiszeit des öfteren. Das waren aber verwandte Zuwanderer. In nichts Wichtigem unterschieden sich genetisch und kulturell unsere Urahnen, die Megalithgräber errichteten und die Himmelsscheibe von Nebra schufen, von ihren Verwandten aus der östlichen Steppe, die indogermanische Sprachen über Europa verbreiteten. Wir sind die Nachkommen von Ureinwohnern. Jedem indigenen Stamm halb nackter Wilder winden Multikulturalisten Lorbeerkränze und stellen ihn unter Schutz.

Das Normale – wo gibt es das noch?

Den können wir erst recht gebrauchen. Reservate für Deutsche in unseren eigenen Städten! Deutschenquoten in Grundschulen!

Sicherlich kann man den Multikulturalismus auf diese Weise persiflieren. Der wahre Kern besteht aber darin, daß wir tatsächlich Keimzellen benötigen, in denen wir bleiben können, wer wir sind und wie wir sind. Heino Bosselmann rät: „Konservative Alternative: Lieber im Kleinen das Normale versuchen!“[1] Wer es noch nicht einmal in seinem eigenen Umkreis vermag, normal zu leben und den Seinen ein Leben in Normalität zu ermöglichen, wird uns von der Rettung unseres Volkes und Vaterlandes nichts Nützliches zu erzählen haben.

Dabei geht es nicht nur um die nackte Fortexistenz eines alternden und schrumpfenden Volkes vor dem Hintergrund steigender Anteile Fremder. Es geht auch um unseren kulturellen Fortbestand und die Sicherung unserer freien Lebensweise. Diese hat sich als freie demokratische Grundordnung bewährt und verdient umso mehr Verteidigung, als die realistischen Alternativen zu ihr sozialistische, anarchistische, islamistische, jedenfalls totalitäre sind. Sie ist der politische Ausdruck unserer historischen Erfahrungen.

Ohne deutsches Volk mit gerade diesen historischen Erfahrungen und seiner jahrhundertelangen Freiheitstradition wird es auch unsere freiheitliche Ordnung nicht mehr geben. Der Haß auf das deutsche Volkstum geht Hand in Hand mit der versteckten Uminterpretation oder offenen Anfeindung unserer Verfassung. Als Meister des Bandwurmsatzes formulierte David Engels:

Betrachtet man nämlich in der Tat den Selbsthaß, mit dem zahlreiche einflußreiche Politiker nicht nur die Geschichte ihres eigenen Landes auf eine bloße Abfolge von Verbrechen reduzieren, sondern ganz offen auch die Abschaffung des eigenen Volkes durch Aufgehen in einem multikulturellen Massenmenschentum begrüßen, ja sogar bewußt einleiten, und zu diesem Zwecke gar unter fadenscheinigen Vorwänden skrupellos sämtliche bildungstechnischen, gesellschaftlichen und migrationspolitischen Weichen stellen, kann man nicht an ders, als tiefe Verwunderung zu empfinden – Verwunderung nicht nur angesichts der inneren Verwahrlosung jener Menschen, sondern auch angesichts des offensichtlichen Versagens einer gesamten Gesellschaft, in ihren Bürgern ein Mindestmaß an Verständnis und Liebe für die großartigen geistigen, künstlerischen und politischen Schöpfungen vergangener Generationen zu wecken.

Prof. David Engels, Leben mit dem Niedergang, Renovatio-Analysen 1/2020 = Die Neue Ordnung, Nr. 2/2020, S. 102-111.[2]

Engels verwirft einen Gärtner-Konservatismus als unbrauchbar, der meint, „durch einige wenige ausgewählte politische Handlungen zum status quo ante zurückkehren zu können, der in der Vorstellung der Betroffenen meist eine oder doch nur wenige Generationen in der Vergangenheit liegt.“ Wir werden die Biedermeierzeit der alten Bundesrepublik niemals zurückbekommen.

Das Rad der Geschichte dreht sich vorwärts, nicht rückwärts. In den Jahrzehnten nach dem 1. Weltkrieg starb die kaisertreue Generation aus. Am Ende gab es keinen Kaiser, aber auch keine Monarchisten mehr. In den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg ereignete sich unter anderem ideologischen Vorzeichen das Gleiche. Politische Streitfragen werden von der Geschichte niemals entschieden oder beantwortet. Sie werden ganz einfach irgendwann nicht mehr gestellt, wenn die alten Fragesteller nicht mehr leben. Auch uns kann das so gehen.

Es wird so gehen, wenn sich unsere Nachkommen nicht unsere Fragen und Sorgen zu eigen machen und selbst stellen: Was macht mich als Deutscher aus? Messen wir uns als Deutsche einen Eigenwert bei? Lohnt es sich, für ihn einzutreten? Worin besteht der Kern unserer deutschen Identität?

Die Antworten auf diese Fragen sind keinesfalls Selbstläufer. Fremdentümelei und Weltbürgertum haben in Deutschland eine stärkere Tradition, als es die nationale Geschichtsschreibung seit dem 19. Jahrhundert wahrhaben wollte. Es genügt nicht mehr, der Auflösung unseres Volkes und seiner Ersetzung durch andere Menschen den biedermeierlichen Geist der alten Bundesrepublik entgegenzusetzen. Dieser hat uns nämlich genau dahin geführt, wo wir heute stehen.

Extrapolieren wir aus dem Erfahrungsschatz der Vergangenheit, ergibt sich der Eindruck, daß nicht nur die meisten sogenannten Altparteien, welche zunehmend mit dem gegenwärtige Scheitern des modernen politischen Systems assoziiert werden, zum Untergang verurteilt sind, sondern auch, daß die meisten der sogenannten populistischen Parteien, welche oft wenig mehr als einen müden Aufguß jener Wahlprogramme bieten, die vor Einzug der Ideologie der politischen Korrektheit vor etwa zwei Jahrzehnten charakteristisch für die meisten im mittleren rechten Spektrum verorteten Parteien waren und sich durch eine Mischung zwischen Liberalismus und gemäßigtem Nationalismus kennzeichnen, ebenfalls keinerlei Aussicht haben, in dieser Form die Kämpfe der nächsten Jahrzehnte zu überleben.

David Engels

Innerhalb der Katarakte der industriellen Massengesellschaft befindet sich das deutsche Volk geradewegs auf halber Strecke. Schwer leck geschlagen dümpelt unser Schiff im Kausalstrom globaler Einflüsse. Es gibt kein Zurück. Die besten Seeleute sind bereits tot. In wenigen Jahrzehnten werden unsere Nachkommen restlos in der Minderheit sein. Dann wird sich nicht mehr die Frage stellen, ob in Köln der Muezzin rufen darf, sondern ob die Glocken läuten dürfen.

Christliches Abendland oder des Reiches Herrlichkeit?

Wenn wir retten wollen, was noch Substanz hat und den Keim für eine deutsche Zukunft unserer Nachkommen bilden kann, müssen wir ihnen das geistige Rüstzeug dafür an die Hand geben und ihnen unsere Normalität vorleben. Was kaputt ist, ist kaputt. Wenn es einen Weg gibt, dann nur vorwärts. Engels sieht Metaphysik auf diesem Weg als notwendiges Rüstzeug an:

Als letzter Punkt ist nun das zu besprechen, was gemeinhin „Revolutionärer Konservatismus“ genannt wird und wohinter der Versuch steckt, die reale oder doch zumindest angenommene Grundstimmung einer idealisierten archaischen Vergangenheit mit den Mitteln modernster Technik neu erstehen zu lassen, wobei sowohl ein erheblich weiter reichender Rückgriff in das kollektive Unterbewußtsein vonnöten ist als auch eine weitaus größere Aufgeschlossenheit gegenüber den allgemeinen Tendenzen historischer Dynamik: Der Gang der Zeit soll hier nicht etwa zurückgedreht oder aufgehalten werden, sondern im Gegenteil unter Beschleunigung des Tempos in eine utopische, zyklisch an die Grundanfänge der jeweiligen Gesellschaft anschließende Zukunft gelenkt werden.

David Engels

Dem Katholiken David Engels schwebt dabei der Rückgriff auf das christliche Abendland vor. Welche Idee auch immer sich als zündend erweist, mit welcher Metaphysik auch immer die Herzen unserer Jugend entflammt werden können, bleibt sich gleich. Alle Metaphysik und jede Religion beruht auf inneren Vorstellungen, die in der realen Welt keine Entsprechungen haben. Sie muß nur wirken, keine letzte „Wahrheit“ widerspiegeln. Mythen enthalten viele metaphyische Elemente und sollten bewahrt werden, weil sie zur kollektiven Existenz gehören.

Die Metaphysik eines Kaisers Barbarossa, der einst des Reiches Herrlichkeit wiedererrichten wird, hatte einst die Herzen ganzer Generationen entflammt. Vorher war es die Idee eines Sacrum Imperium, eines christlichen Abendlandes, die David Engels bevorzugt. Später erwuchs der Gemeinschaftsgeist aus völkischen Idealen. Alles das waren begeisternde, psychologisch funktionierende Mythen. Sie wurden von wehmütigen Alten an Kinder weitergegeben, die mit großen, glänzenden Augen zuhörten.

Mythos: idealisiertes Standbild Kaiser Barbarossas vor der Kaiserpfalz Goslar

Das normale Leben besteht nicht darin, abends vor der Flimmerkiste zu sitzen und sich Multikultipropaganda aus Soft-Operas anzutun. Es webt im Familienkreis und kann nur hier als wertvoll erfahren werden. Der Teufelskreis aus Aufhetzung unserer Jugend gegen ihre Vorfahren, Generationen-Entfremdung, Selbsthaß und Aufgabe des eigenen Selbst kann nur noch innerhalb funktionierender Familienverbände durchbrochen werden. Verantwortungsbewußtsein für unsere nachfolgenden Generationen kann kein Spahn und kann keine Merkel aufbringen, weil sie keine Kinder haben. Und Liebe zur althergebrachten eigenen Identität kann nur aufbringen, wer als Kind im Familienkreis geborgen war und den Alten lauschen durfte.


[1] Heino Bosselmann, Kollektive Psychologie, 26.10.2021, https://sezession.de/64875/kollektive-psychologie.

[2] Prof. David Engels, Leben mit dem Niedergang, Renovatio-Analysen 1/2020 = Die Neue Ordnung, Nr. 2/2020, S. 102-111.