Klaus Kunze

Monat: Mai 2020 Seite 1 von 2

„Jetzt sind sie nun mal da“

Die große Umvolkung

Begriffe wie Umvolkung und Bevölkerungsaustausch sind höchst verdächtig. Das finden jedenfalls unsere Oberverdachtschöpfer vom Verfassungsschutz. Sie finden das vor allem dann, wenn Behördenleiter von der Politik ausgewechselt wurden und entsprechende Anweisungen von ganz oben ergehen.

Ein in Deutschland lebender linksextremer Türke hatte geraunt, die steigende Zahl von Ausländern in Deutschland und der demographische Rückgang der Deutschen selbst sei für ihn ein „Volkstod von seiner schönsten Seite.“ Das fanden Verfassungsschützer anscheinend nicht verdächtig. Als der Mann allerdings mal kurz nach Hause flog, nahmen sich seine Landsleute seiner an und sperrten ihn wegen verdächtiger Umtriebe lange ein.

Völker können aussterben. Schon der Begriff Völkermord legt nahe, daß es solche Ereignisse geben kann, daß sie aber unerwünscht sind. In der Weltgeschichte kam Völkermord gelegentlich vor. Von der Entdeckung über die Eroberung zur Auslöschung war der Weg manchmal kurz. Später wurde das Gemetzel gern verklärt: „This land is your land, this land is my land, this land is made for you and me“, sang Woody Guthrie. Weiterlesen

Die konservative Gegenrevolution

Der Kulturkampf der Begriffe

Wir erleben einen Kulturkampf der Begriffe. Zwei konträre Milieus ringen um die Definitionsmacht, um die Macht über unsere Worte, unsere Begriffe, unser Denken. Wer seine Vorstellung nicht mehr aussprechen darf, dessen Denken wird in der Öffentlichkeit nicht mehr begriffen.

Das kulturmarxistisch geprägte linke Lager hat sich die Massenmedien angeeignet, vor allem die öffentlich-rechtlichen.  Jede parteipolitische Absonderung linker Herkunft wird dort begierig aufgenommen und verbreitet, zum Beispiel Phrasen wie Gerechtigkeitslücke, neue Armut oder Klimaleugner.  Man ist durch linksradikale Politologen bis in die Herzkammer der Demokratie vorgestoßen, den Verfassungsschutz. Begriffe wie Umvolkung oder Bevölkerungsaustausch stehen unter Verdacht.

Worte und Begriffe beschreiben, wie ein Mensch Wirklichkeit erlebt. Das bürgerlich-konservative Lager ist mehrheitlich ahnungslos oder überrascht. Es läßt sich einen Begriff nach dem anderen wegnehmen und mit ihm seinen Anspruch, soziale Wirklichkeit zu gestalten. Weggenommen wird ein Begriff durch Tabuisierung. Sie kann auf vielen Ebenen erreicht werden. Weiterlesen

Unsere dunkle Vergangenheit

Lichte Gegenwart

Eben setzt sich ein Schmetterling zu mir.  Seine Aufmerksamkeitsspanne ist kurz wie die eines durchschnittlichen Mediennutzers. Ich sitze still. Der Falter erkennt mich nicht als Mensch. Er fliegt zu einer Blume. Sollte ich ihm einen Strauß hinstellen? Lieber lasse ich ihn selbständig suchen und finden. Auch als Leser möchte ich nicht auf der ersten Seite schon erfahren, wer der Mörder ist. Jeder gute Krimi fängt ganz harmlos an.

Schmetterlinge flogen hier vor 10000 Jahren nicht. Es wuchsen auch keine Eichen, Kirschbäume Nußbäume und Kastanien. Heute ist Himmelfahrtstag, und der Himmel strahlend blau. Es ist warm. Wann haben Sie zuletzt daran gedacht, daß wir im Eiszeitalter leben?

Eiche, Nußbaum, Kastanien und Kirschbäume gab es hier in der Eiszeit noch nicht.

Dieses begann vor rund einer halben Million Jahren. Während der Saale-Eiszeit hätte ich hier den Kopf in den Nacken legen und die kilometerhohe Eiswand eines Gletschers hinaufblicken können. Weiterlesen

Wieviel Sozialismus brauchen wir?

Für eingefleischte Liberale befinden wir uns mitten im Sozialismus. Ihre Argumente haben etwas für sich. Es kommt immer darauf an, was man unter Sozialismus versteht. „DDR 2.0“ hört sich in ihren Ohren gruselig an. Für Linke flüstern die Worte eine Verheißung.

Für den einflußreichen Libertären Roland Baader (1940-2012) war seit Urvater Adam Smith klar: Wenn man alle Leute nur frei machen läßt, was in ihrem egoistischen Eigeninteresse liegt, entsteht aus der Quersumme allen Handelns wie von unsichtbarer Hand das Gemeinwohl. Baader rechnete vor, daß zwei Drittel aller direkt und indirekt erwirtschaftlichen Erträge in Deutschland vom Staat umverteilt werden: Sozialismus! Klarer Fall.

Für die Kollektivistin Elisabeth Wehling ist Umverteilung ein Reizwort, das sie gar nicht mag. In ihrem 2019 erschienen Buch (Politisches Framing, Wie eine Nation sich ihr Denken einredet) empfiehlt sie, wir sollten nicht mehr davon sprechen, dem Staat Steuern zu zahlen, sondern „Beiträge leisten“. Weiterlesen

Hunde, wollt ihr ewig leben?

Nicht das Leben ist der höchste Wert unserer Verfassung

In der Schlacht bei Kolin am 18. Juni 1757 soll Friedrich der Große seinen wankenden Grenadieren zugerufen haben: „Hunde, wollt ihr ewig leben?“ Das menschliche Leben, auch sein eigenes, galt dem Preußenkönig nicht als höchster Wert. Ihm waren der Eid und die Pflichterfüllung wichtiger.

Politisch überdauerte diese Haltung die Zeiten und drückte sich im heroischen Realismus in der Formulierung aus: Es kommt nicht darauf an, daß wir sterben, sondern, wie wir leben!

Es mag viele überraschen, daß das menschliche Leben im Gefüge unseres Grundgesetzes nicht der höchste Wert ist. Dieser ist vielmehr die menschliche Würde. Andernfalls wäre es unerklärlich, daß unser Staat eine Armee unterhält, die Soldaten in den militärischen Einsatz und damit manchmal in den Tod schickt.

Das 1. preußische Bataillon der Leibgarde in der Schlacht von Kolin. Historiengemälde von Richard Knötel (1854–1914)

Der scheidende Präsident des Bundesverfassungsgerichts hat das in einem heute veröffentlichten Interview mit den Worten bekräftigt:

„Was Herr Schäuble gesagt hat, ist aus juristischer Sicht richtig.

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Befreier und Befreite

Euphemismus als Mittel der Staatspropaganda

„Befreien Sie die ganze Welt!“, so lautet eine Aufgabe für einen Mitspieler in einem Gesellschafts-Brettspiel. Den augenzwinkernden Euphemismus „Befreiung“ statt der an sich gemeinten „Eroberung“ versteht jeder.

Euphemismen sind wohlklingende Phrasen zur Verschleierung der Wahrheit. Manchmal will oder sollte man mit salbungsvollen Worten verschleiern, was eigentlich geschieht. Nach ihrer moralischen Salbung erstrahlte so manche historische Untat als Heldentat.

Wer sich einem Patienten mit einer Todesspritze nähert, „erlöst“ ihn angeblich nur von seinem Leiden, wer Menschen zu Erschießungen zusammentreibt, „säubert“ ein Land, wer einmarschiert, „befreit“ es – alles völlig klar. Menschliche Tabubrüche darf man nicht offen beim Namen nennen, sie müssen hinter einem rechtfertigenden Begriffsnebel verschwinden. Er soll auch das eigene schlechte Gewissen verstummen lassen und mit gutem ermöglichen, was man sonst vielleicht lassen würde.

Kriege gelten als moralisch besonders fragwürdig und sind unbeliebt sowohl im Land der Angreifer als auch bei den Angegriffenen. Weiterlesen

Spiel mir das Lied von der Demokratie

Wie das Bundesverfassungsgericht unsere Politik entlarvt

Die Laienspielschar der früheren Volksparteien brachte das Rührstück „Demokratie“ auf die Bühne. Historisch bewanderte Zuschauer betraten das Theater in der Vorstellung, in einer Demokratie herrsche das Volk durch gewählte Vertreter über sich selbst. Die Athener Demokratie hatte das einst vorgelebt.

Juristisch gebildeten Zuschauerm war auch die Vorstellung vertraut, der Wille des Volkes könnte in einem gewählten Gremium wie dem Bundestag repräsentiert werden. Unser Grundgesetz läßt den Parlamentarismus noch als eine Form von Demokratie durchgehen. Selbst wenn die Volksvertreter ihrerseits Vertreter wählten wie den Bundespräsidenten, sollte doch eine demokratische Legitimationskette alle Staatsgewalt an eine Zustimmung des Volkes rückbinden.

Zu den zentralen Aufgaben der Volksvertreter im Bundestag gehört es, den Bundeshaushalt aufzustellen. Was mit unserem Geld geschieht, muß demokratisch entschieden werden. Selbst im Fürstenabsolutismus gab es Landstände als Vorläufer der Parlamente, über die ein Monarch sich bei der Bewilligung des Staatshaushalts nicht einfach hinwegsetzen konnte: Wer zahlt, schafft an. Weiterlesen

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