Bei sieben Männern in mehreren Bundesländern klingelte es heute früh um sechs. Es war nicht der Milchmann. Mehr oder weniger freundliche Polizeibeamte stellten den Herren die langerwartete Verbotsverfügung des Bundesinnenministers zu, fast 80 Seiten Kleingedrucktes.
Das Vereinsgesetz lautet:
§ 3 (1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung
1. des Vereinsvermögens,
2. von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3. von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind.
„Endlich!“ Jubelten Politiker der Linken. „Endlich!“, mag auch Seehofer geseufzt haben, weil er seit Monaten angegriffen wurde, COMBAT 18 zu verbieten. Das Problem ist er jetzt erst einmal los. Ob das Verbot gerichtlicher Überprüfung standhalten wird, ist offen. Wäre es einfach zu begründen gewesen, wäre COMBAT 18 schon längst verboten wie viele andere Vereine auch.
Das Verbot ist aber an rechtliche Voraussetzungen geknüpft: Es darf verboten werden, wenn der Zweck eines Vereins sich gegen die Strafgesetze, die Verfassungsordnung oder die Völkerverständigung richtet.
Wer sich nur anhand traditioneller Leitmedien unterrichtet, für den ergibt sich ein Verstoß gegen Strafgesetze schon aus den Bildern zu den heutigen Berichten.
Schwer bewaffnete Jungs also, Verstöße gegen das Waffengesetz. Alles klar. Für den SPIEGEL.
Wirklich alles klar?
Die Fahne auf dem Bild ist nicht die von COMBAT 18. Und das Foto hatte schon am 12.8.2019 einen Beitrag des Deutschlandfunks illustriert.
Das Foto stammt vermutlich aus dem Jahr 2003, als unter dem Namen COMBAT 18 Straftaten verübt wurden. Mit dem jetzt verbotenen Verein „Combar 18 Deutschland“ haben diese damaligen Täter nichts zu tun.
Heute wurden nach Auskunft des Bosses von COMBAT 18, des Bäckers Stanley Röske, nach seiner Kenntnis bei keinem der Sieben Schußwaffen gefunden oder beschlagnahmt. Im Radio munkelte man von „waffenrechtlich relevanten Gegenständen“. So hieß es wohl in einer Pressemeldung des Ministeriums. Das können zum Beispiel Dekowaffen sein, die man besitzen, mit denen man aber nicht in die Öffentlichkeit gehen darf. Das wäre in der Tat auch waffenrechtliche Relevanz. Tatsächlich sollen bei den Sieben zwei Teleskopschlagstöcke gefunden worden sein.
Von irgendwelchen Straftaten, die Justizbehörden Mitglieder im Rahmen ihrer Vereinstätigkeit vorgeworfen hätten, ist bisher nichts bekannt. Natürlich mögen einzelne Mitglieder sich mal strafbar gemacht haben. Es hält allerdings auch niemand die SPD nur wegen Herrn Edathy für einen Verein, dessen Zwecke oder Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderläuft. Soweit ist der SPD als solcher nichts vorzuwerfen. Auch COMBAT 18 hat keine Straftaten begangen, jedenfalls ist davon nichts bekannt und wird auch gar nicht vorgeworfen.
Die einem Verein zurechenbaren strafgesetzwidrigen Zwecke und Tätigkeiten können unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vereinsverbot nur dann rechtfertigen, wenn sie den Charakter des Vereins prägen.
BVerwG, Urteil vom 05. August 2009 – 6 A 3/08 –, BVerwGE 134, 275-308, Rn. 42)
Ob etwaige einzelne Taten von Combat-Mitglieder dem Verein zugerechnet werden können und seinen Charakter prägten, ist eine faktisch und juristisch zu klärende Frage.
Zu den Leuten, die 2003 in Schleswig-Holstein unter dem Namen COMBAT 18 aufgetreten waren und Straftaten verübt haben sollen, gibt es keinen personellen oder organisatorischen Zusammenhang. Der jetzt verbotene Verein „Combat 18 Deutschland“ wurde 2013 gegründet.
Was aber machen denn diese so gefährlichen zwei Dutzend Leute als Verein? Wollen sie die verfassungsmäßige Ordnung oder die Völkerverständigung angreifen?
Was Combat 18 hier so tat und trieb
Unter dem Namen COMBAT 18 gab oder gibt es in England seit 1992 eine Gruppierung, die als Ordner bei Musikkonzerten der Stilrichtung Blood and Honour auftrat. Heute gibt es in vielen europäischen Ländern kleine Gruppen, die sich auch so nennen, ohne in organisatorischer Abhängigkeit zu stehen. Als Blood and Honour in Deutschland verboten wurde, gab es hier keine sich COMBAT 18 nennende oder ähnliche Gruppe. Darum gabs auch nichts zu verbieten.
Seit etwa 2013 nutzten ein paar Männer die Bezeichnung COMBAT 18 als Marke. In der Musikbranche nennt man so etwas heute Label. Sie gründeten den Verein Combat 18 Deutschland., legten sich ein Abzeichen zu und produzierten Musik, die sich bei grobem Hinhören so ähnlich anhört wie die der Musikrichtung Blood and Honour. Feine Ohren hören lieber weg. Meistens wird geschrien, wie das heute so modern ist.
Um als Marke bekannt zu werden, schafften die Männer sich gleichartige Hemden mit ihrem Abzeichen an und verdingten sich bei Konzerten als Ordner. Alle viertel Jahr veranstalteten sie selbst auch Konzerte.
Um Fahrkosten zu solchen Veranstaltungen umzulegen, zahlten die Mitglieder kleine Beiträge. Davon wurden auch die gemeinsamen Hemden bezahlt.
Markiges Auftreten mit einer gewissen Ausstrahlung von Macht und Stärke gehört unbedingt zu dem Bild, in dem man innerhalb seiner Szene gesehen werden will. So posieren manche vielleicht gerne auch mal mit Waffen oder Scheinwaffen und Fahnen vor dem Fotografen.
Die Texte der dem Verein zurechenbaren Musik sind politisch nicht korrekt. Damit kokettiert man. Es förderte den Umsatz. Die Musik transportiert oft auch harte Emotionen. Strafbar war sie nicht, soweit man das heute von extrem rechten Liedtexten noch mit einigermaßen juristischer Sicherheit sagen kann. Die Verbotsverfügung aus dem Hause Seehofer glaubt über vielen Seiten mit politologischen Begriffen punkten und glänzen zu können. So steht dort seitenweise, daß Combat 18 rechtsextremistische Liedtexte verbreitet hat. Politologisch trifft das zu.
Einer Verbotsverfügung hilft aber politologische Begrifflichkeit nicht über die Rechtmäßigkeitsschwelle. Ihre Hilflosigkeit zeigt sich zum Beispiel in dem Vorwurf, die Mitglieder von COMBAT hätten sich untereinander zum Beispiel mit „Heil euch, Brüder!“ gegrüßt. So kann man aber juristisch keinen Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung bergünden.
COMBAT 18 hat, nach Auskunft von Stanley Röske, niemals irgendeine politische Tätigkeit ausgeübt. Es gibt keine Texte, Traktate, Forderungen oder Manifeste. Es gibt nur Lieder.
So ist es jetzt Angelegenheit der Feinfühligkeit juristischer Interpretation, ob aus Liedtexten etwas gegen die Völkerverständigung oder die verfassungsmäßige Ordnung herausdistilliert werden kann. Die Hausjuristen Herrn Seehofers haben offenbar nach liebevoller Feinarbeit Sätze gefunden, von denen sie meinen, sie in dieser Richtung auslegen zu können. Da sind sie kreativ.
Am einfachsten glauben es die Ministerialjuristen zu haben, wenn sie behaupten, COMBAT 18 sei mit dem Nationalsozialismus wesensverwandt. Der Verein würde sich nämlich „mit den führenden Repräsentanten des Nationalsozialismus identifizieren. Das leitet man aus der Zahl 18 im Namen ab. Nun haben die Männer der deutschen Gruppierung sich die Bezeichnung COMBAT 18 nicht erfunden, sondern das „Label“ von Engländern übernommen. Was mögen diese sich gedacht haben? Herr Seehofer meint es zu wissen:
18 sei ein Code und stehe für Adolf Hitler. Ein nationalsozialistisches Weltbild verstoße aber gegen Kernelemente des demokratischen Rechtsstaats, insbesondere gegen die Volkssouveränität und die Gewaltenteilung.
Von „18“ zur Gewaltenteilung: Darauf muß man erst einmal kommen!
Sollte der Prozeß um das Verbot mit einer ministeriellen Niederlage enden, wäre die Blamage komplett.
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