Klaus Kunze

Kategorie: Politik Seite 20 von 45

Wo steht der Feind?

Die großen Momente der Politik

Die großen Momente in der Politik sind bekanntlich diejenigen, in denen der Feind in aller Deutlichkeit als Feind erkannt wird. Dem Zwergen Alberich gleich verbirgt er sich gern unter semantischen Tarnkappen. Wer wollte schon so süß klingenden Verheißungen widersprechen wie Humanität, Wohlstand, Glück für alle, Gerechtigkeit und Weltfrieden?

Freilich gibt es da ein paar Spielverderber, die laut „Buh!“ schreien, wenn auf der Bühne das Rührstück von der schönsten aller Welten aufgeführt wird. Sie erkennen den Feind unter jeder Schminke und in jedem Kostüm. Doch indem sie „Da steht der Feind!“ rufen, werden sie von Saalordnern sofort hinausgeworfen. Im Textbuch steht nichts von Feindschaft, und wer das verpönte Wort ausruft, macht sich selbst zum Buhmann.

Auf der öffentlichen Bühne herrscht der Zeitgeist. Hinter den Kulissen herrschen, die ihn erzeugen. Weiterlesen

Die Wiederkäuer und ihre Kämpfe

Am Vorabend der Wahl

Der „Wahlkampf“ ist langweilig. Ein gut eingespieltes Parteiensystem wird die Plätze an den staatlichen Futterkrippen wieder einmal unter sich aufteilen. Es bietet dem Publikum alle paar Jahre das Schauspiel der ewigen Wiederkehr des Gleichen.

1994 habe ich geschrieben:

Vor diesem Hin­­ter­grund er­­scheinen al­le klas­si­schen Ge­wal­ten zu­züg­lich moder­ner Me­dien­ge­walt als in den Hän­den eines Par­teienkar­tells, dessen Teilsy­ste­me nach au­ßen hin Schau­kämpfe austragen, in­haltlich aber nicht für Al­ter­nati­ven ste­hen. Ihr Wahl­kampf ist Schwin­del, weil er pro­gram­ma­ti­sche Ver­schie­den­heit vortäuscht. „Es ist das glei­che wie die Kämp­fe zwi­schen ge­wis­sen Wiederkäuern, deren Hör­ner in einem sol­chen Winkel ge­­wach­sen sind, daß sie einander nicht verletzen kön­nen. Wenn er aber auch nur ein Schein­gefecht ist, so ist der doch nicht zwecklos, son­­dern hilft, die be­sondere gei­sti­ge Atmosphäre auf­recht“ und ihre „Ge­­­sell­schafts­struktur intakt zu halten.“[1]

Klaus Kunze, Der totale Parteienstaat, 1994

Jahrezehntelang beschwor man die Wähler, bei dieser jeweiligen „Richtungswahl“ gehe es um alles oder nichts. Weiterlesen

Wie wir im Fluiden aufgelöst werden

Das Fluide der westlichen Ideologie

In der Ideologie jedes Staates verdichtet sich die objektivierbare Interessenlage seiner Mehrheitsgesellschaft oder ihrer Lenker. Es gilt ihr als nicht zu hinterfragender Grundsatz einer gerechten Weltordnung immer ausgerechnet das, was ihr nützt.

Wem die „Deu­tung der Ora­kel der Gerechtigkeit an­ver­traut ist“, wird er­fah­rungs­ge­mäß „die­se Göttin be­we­gen können, nichts zu antwor­ten, was wi­der den ei­ge­nen Vorteil ist.“[1]

Samuel von Pufendorf, De statu Imperii Germanici, 1667

Das politische Establishment Nachkriegsdeutschlands wandte sich von der Vorkriegsideologie ab und erklärte in allen Fragen ihr jeweiliges Gegenteil für richtig. Für militärisch Besiegte erschien Wohlstand durch Handel unter Übernahme der mit dem Handel verbundenen weltanschaulichen Voraussetzungen als einzige Option. Die westlichen Siegermächte nahmen ein pazifistisches Deutschland gern in den Kreis der moralisierenden Handelsstaaten auf. Eine interventionswürdige Unmoral findet sich regelmäßig dort, wo es Rohstoffe zu sichern gilt. Weiterlesen

„Menschenverachtung“: Bannstrahl des gutmenschlichen Exorzismus

Vor Zeiten hatte war Blasphemie die schlimmste Sünde: Wer Gott leugnete oder schmähte, dem wurde schon mal kräftig eingeheizt. Heute ist „Menschenfeindlichkeit“ die Erzsünde unserer Tage.

Linke reden schnell von „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“. Haß gegen Reiche oder gegen „alte, weiße Männer“ gilt dagegen bei Linken als Tugend – ist das keine „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“?

Rainer Zitelmann auf Twitter 4.9.2021

So mahnte heute der liberale Publizist Rainer Zitelmann. Der Vorwurf der Menschenfeindlichkeit oder -verachtung ist zur stehenden Phrase aggressiven Gutmenschentums geworden. Mit „Menschenverachtung“ ist aber nicht gemeint, man dürfe keine individuelle Person verachten. Auch eine ganze Gruppe darf man durchaus beleidigen, schmähen und verachten, wie Zitelmann erkennt: weiße alte Männer zum Beispiel.

Wer jemandem den Vorwurf der Menschenverachtung wie einen Bannstrahl entgegenschleudert, verachtet ihn ja offenkundig auch und muß sich denselben Vorwurf gefallen lassen. Das merkt er allerdings nicht, weil er mit „Menschenverachtung“ etwas ganz anderes meint: Der andere mißachte nämlich die Heiligkeit des Menschen an sich, deren Abglanz ihm wie ein Splitter einer höheren Wesenheit innewohnt. Weiterlesen

Was schulden wir den Ortskräften unserer Regierung?

Um von ihrem vollständigen Desaster abzulenken, malen unsere Regierenden das Schicksal der Afghanen jetzt in den düstersten Farben. Für sie und ihre Propagandamedien sind alle Taliban üble Terroristen. Bald würden sie dazu übergehen, alle Frauen in komische Säcke mit Gucklöckern zu stecken, allen Dieben die Hände abzuhacken und alle Schwule von Häusern zu stürzen. Die „Ortskräfte“ der bisherigen deutschen Besatzung stehen scheinbar unmittelbar davor, massakriert zu werden.

Ob die jetzt gemäßigt auftretenden Taliban nur Wölfe sind, die Kreide gefressen haben, oder ob sie begriffen haben, daß sich auf Racheorgien und Unterdrückung kein stabiler Staat bauen läßt, werden wir bald wissen. Unsere Regierung übt sich bereits in der Kunst der Prophetie und leitet aus ihrer schwarzen Prognose ihre „moralische Pflicht“ ab, ins Flugzeug zu packen, wer eben kommt, und ihn nach Deutschland zu verfrachten. Weiterlesen

Der Friede, über den sich niemand freut

Der Krieg zwischen den afghanischen Taliban und den USA ist vorbei. Die USA haben ihn auf der ganzen Linie verloren. Die Paschtunen wollten sich in ihrer Mehrheit partout nicht „westlich“ amerikanisieren lassen

In den deutschen Medien und Parteien ist der Jubel über den Frieden so gedämpft, daß man nichts von ihm hört. – „Frieden!“ – Wo bleibt das medialen Glockenläuten, die Böller, die Sektkorken?

Nach 30 Jahren Krieg war in Deutschland die Erleichterung über den Friedensschluß von 1648 groß (zeitgenössisches Flugblatt). Nur ein paar übrig gebliebene konfessionelle Fanatiker knirschten mit den Zähnen. Auch in Afghanistan herscht jetzt nach rund 40 Jahren endlich Frieden. Nur ein paar übrig gebliebene Ideologen in westlichen Redaktionen knirschen mit den Zähnen.

Hieß es nicht jahrzehntelang, Friede gehe über alles, alle deutsche Politik müsse ihm dienen, von deutschem Boden dürfe nie wieder Krieg ausgehen und so weiter und so weiter? Weiterlesen

Soros, Schwab und Konsorten: Verschwörer und Verräter?

Jede Epoche hat ihre eigene Metaphysik. Nicht jede Religion paßt zu jedem Gesellschaftssystem. Je nach ökonomischen, demografischen und historischen Rahmenbedingungen wandelt sich der zeitbedingte Inhalt des Glaubens.

Strukturell ändert sich dabei aber nichts: die Funktionsweise jeder Gesellschaft benötigt ideelle Rahmenbedingungen, die ihrerseits genau diese und keine andere Funktionsweise begründen und in Gang setzen.[1]

Solange die materiellen Lebensbedingungen sich nicht ändern, können solche Systeme über Jahrhunderte stabil bleiben. Umbrüche wie die industrielle Revolution aber machen die „spirituellen“ Grundlagen alter Ordnungen brüchig. Das raubt der bisherigen Herrschaft die ideelle Legitimität: den Glauben der Beherrschten daran, daß genau diese Regierung mit universell geltenden Regeln in Einklang herrscht.

Das soll Religion sein?

Folgen die Fridays-for-future-Kinder einer Religion? Gibt es überhaupt einen strukturellen Unterschied etwa zu Fronleichnamsprozessionen?

Wer konfirmiert oder gefirmt ist und in dem Glauben aufwuchs, man sei eben entweder kirchentreu religiös oder gottlos, neigt zu einem engen Verständnis, was Religion ist. Weiterlesen

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