Klaus Kunze

Mit Ernst Jünger den Schmerz hinter sich lassen

Die Geschichte ist tot – wir auch?

Die Geschichte ist tot; das erleichtert den historischen Rückblick und hält ihn von Vorurteilen frei; jdenfalls für jene, die den Schmerz erlitten und hinter sich gebracht haben.[1]

Ernst Jünger (1895-1998), Eumeswil, 1977, S.382.

Hohes Alter bildet eine gute Vorbedingung für Altersweisheit. Es reicht aber allein nicht hin: Der Schmerz muß hinzutreten. Es ist ein Verlustschmerz:

Oh weh, wohin sind verschwunden alle meine Jahr‘?
Hab ich mein Leben geträumet, oder ist es wahr?[2]

Walter von der Vogelweide um 1227

„Leute und Land,“ empfand schon der alte Minnedichter, wie er von „Kindesbeinen erzogen“, waren ihm fremd geworden, „recht als sei es gelogen.“ Sein „Unglück wurde groß“, denn er fand seine gewohnte, normale Welt nicht wieder.

Sie kehrte auch niemals wieder, ebensowenig wie für Ernst Jünger. Für Kaiser und Reich war er 1914 ausgezogen. Sein Widerstand in der Weimarer Zeit war vergebens: Sie blieben unwiderbringlich verloren. Weiterlesen

Es wär‘ so schön, Anarch zu sein

Die immerwährende Versuchung

„Es wär‘ so schön, Anarch zu sein“ So summe ich über dem „Eumeswil“ von Ernst Jünger, frei nach einer alten Melodie mit dem Refrain „… Rosemarie“. Der innere Anarch ist die immerwährende Versuchung der desillusionierten Idealisten. Er bildet die letzte Bastion der verratenen Treuen. Er schreitet Seit an Seit wie die letzten Goten, die ihren König zu seinem verborgenen Grab im Busento geleiten.

Auch den geistigen Klausner in seiner Waldhütte geht die Welt nichts mehr an. Als Waldgänger hat er Reste alten Kampfesmutes bewahrt und harrt der rechten Stunde. Die gibt es für den Anarchen nicht mehr.

Der Unterschied liegt darin, daß der Waldgänger aus der Gesellschaft herausgedrängt wurde; der Anarch dagegen hat die Gesellschaft aus sich verdrängt. Er ist und bleibt Freiherr unter allen Umständen.

Ernst Jünger, Eumeswil, 1977, S.165.

Er hat sich nämlich innerlich abgemeldet

innerhalb eines Ganzen, das ich in seiner Dürftigkeit ablehne.

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Josef Schüßlburners Plädoyer für eine liberale Demokratie des Westens in der Bundesrepublik Deutschland

In meinem Blogbeitrag vom 6.4.2021 habe ich unter dem Titel Verfassung oder Überverfassung? Josef Schüßlburner widersprochen. Aus meiner Sicht ist im Grundgesetz keine „Überverfassung“ angelegt, die bis heute die politische oder verfassungsrechtliche Agenda auf links polt. Die Legitimität des Grundgesetzes sollte nicht in Zweifel gezogen, sondern seine Freiheitsrechte gegen linke Uminterpretationen verteidigt werden.

Ich halte es für ein Gebot guten Stils und der Fairneß, dem von mir Angegriffenen Gelegenheit zu geben, seine Ansichten hier zu verteidigen. Diese waren auch von Ulrich Vosgerau am 21.2.2021 heftig kritisiert worden. Sein nachstehender Blogbeitrag entspricht darum seiner, nicht unbedingt meiner Meinung.

Klaus Kunze

Plädoyer für eine liberale Demokratie des Westens in der Bundesrepublik Deutschland

von Josef Schüßlburner

Erwiderung zur Stellungnahme von Klaus Kunze[1] zu meiner Schrift: Scheitert die AfD? Die Illusion der Freiheitlichkeit und die politische Alternative[2]
Josef Schüßlburner

Zu Beginn meiner Erwiderung möchte ich dem Juristen-Kollegen Kunze danken für sein Angebot, auf seiner Website eine Erwiderung zu seiner Kritik an meiner Broschüre und seiner dabei von meinem Ansatz abweichenden Meinung abgeben zu können. Weiterlesen

Leidet Deutschland an moralischer Altersschwäche?

Daß auch der Seelenschatz so vielen abgerungen“

Ein Volk kann sich bis zur Erschöpfung verausgaben. Uns wurde zwischen 1914 und 1945 alles an materiellen und seelischen Opfern abverlangt. Zuletzt verloren wir noch den Glauben an uns selbst. Uns war, wie zuletzt nach dem 30jährigen Krieg 1618-1648 „der Seelen Schatz abgerungen“, wie Andreas Gryphius dichtete:

Wir sind doch nunmehr ganz,
ja mehr denn ganz verheeret:
Der fremden Völker Schar,
die rasende Posaun,
Das von Blut fette Schwert,
die donnernde Kartaun
Hat allen Schweiß und Fleiß
und Vorrat aufgezehret.

Die Türme stehn in Glut,
die Kirch‘ ist umgekehret,
Das Rathaus liegt in Graus,
die Starken sind zerhaun,
Die Jungfern sind geschänd’t,
und wo wir hin nur schaun,
Ist Feuer, Pest und Tod,
der Herz und Geist durchfähret.

Hier in der Schanz der Stadt
rinnt allzeit frisches Blut.
Dreimal sind schon sechs Jahr,
als unser Ströme Flut
Von Leichen fast verstopft,
sich langsam fortgedrungen.

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Verfassung oder Überverfassung?

Hat das Grundgesetz eine ungeschriebene Agenda?

Ratlosigkeit macht sich im Lager der Aufrechten breit: Hat uns der Gegner wieder gelinkt? Wo steht er überhaupt? Im alles umhüllenden roten Sprachnebel droht jedes Wort eine andere Bedeutung anzunehmen, und leuchten nicht selbst die Roben der Karlsruher Kampfrichter schon rot? Atmen ihre Urteile schon den antifaschistischen Geist der 1968er Revoluzzer? Oder liegt das Problem viel tiefer, etwa unter den Wurzeln unseres Grundgesetzes?

Der rote Nebel ist die Überverfassung! Das meint jedenfalls Josef Schüßlburner und will seine Schwaden teilen: „Die Demokratie ist gegen den sogenannten Verfassungsschutz und im Zweifel auch gegen Verfassungsgericht und Grundgesetz durchzusetzen!“ In seiner Broschüre „Scheitert die AfD[1]“ bemängelt er, daß wir wegen einer uns von den Alliierten aufgedrückten „Überverfassung“ heute noch quasi demokratisch am Stock gehen.[2] Sie sei erst mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag 1991 abgelöst worden. Einseitig habe sie sich im Sinne antifaschistischer Doktrinen gegen alles Rechte gewandt und wirke aber bis heute fort. Weiterlesen

Geliebte Identität oder neurotischer Selbsthaß?

Das Aufgeben der eigenen Identität

Lange hatte Boris auch in der Berufsschule seinen blau-weißen Schalke-Schal mit Stolz getragen. Doch jetzt geriet es ihm täglich zu einem Spießrutenlaufen. Die Jungs aus den benachbarten Dortmunder Siedlungen waren Borussia-Fans und hänselten ihn: „Absteiger!“

Schließlich gab er auf. Der Segen war zum Fluch geworden. Das Selbstwertgefühl wuchs nicht mehr in der Gewißheit, einer ruhmreichen Siegermannschaft anzugehören. Boris gab seine Schalker Identität auf und war nur noch Boris, Kind einer entwurzelten Einwandererfamilie.

Identität stiftende Angebote für Entwurzelte gibt es überall, von Fußball-Ultras bis hin zur Antifa. Sie lassen ihre Anhänger sich einem mächtigen Ganzen angehörig fühlen und ihre Identität prägen. Sie nehmen teil an der Gemeinschaft aller, erkennbar zum Beispiel an blau-weißen Schals. Sieg und Niederlage aller werden zu Sieg und Niederlage auch für den Einzelnen.

Der skeptische Blick

Wer emotional unbeteiligt außen steht, hat hinreichend Stoff für Witz und Persiflage wie der Erfolgsautor Walter Moers:

Ich wußte zum Beispiel, daß es so etwas wie kollektiven Egoismus gibt, der Solidarititis genannt wird, obwohl das eigentlich ein Widerspruch in sich ist.

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Peinliche Verwandte: rechte und linke Identitätspolitiker

Identität – ein Zauberwort

Identität ist in aller Munde. Wer sein Gefühl für seine Identität verliert, ist ein Fall für den Psychiater. Wer seine Identität aber auch aus ethnischen Merkmalen bildet, die er mit anderen Menschen gemeinsam hat, wird leicht zum Fall für den Verfassungsschutz.

Der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sagte dieser Tage in einem Interview sinngemäß: Wenn die Regierung eine Maßnahme durchsetzen will, wird sie irgendeinen Professor schon finden, der seinen Namen dafür hergibt und sie dem Publikum als wissenschaftliche Notwendigkeit verkauft. Der Politologe Armin Pfahl-Traughber war als engagierter Kämpfer gegen Rechts in linken Kreisen schon wohlbekannt, als er seine Feder den VS-Behörden lieh. Inzwischen darf er sich mit einem Professorentitel schmücken und publiziert sogar auch über linken Extremismus. In der ZEIT vom 18.3.2021 warnt er scheinbar  gleichermaßen vor linkem wie rechtem Extremismus:

Es gibt eine Identitätslinke, und es gibt eine Identitätsrechte.

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